Die Sims 4 im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 29. September 2014

Die Sims 4 im Test

Alltägliche Lebenssimulation

Ich habe seit Sims 2 nicht mehr Die Sims gespielt. Sims 2 ist nun schon eine Weile her und da ich lieber gleich Hartz IV anmelde als für mein Sims-4-Review noch mal Sims 3 ausführlich zu spielen, um einen Vergleich herbeizuführen, kümmere ich mich um die Frage: Lohnt es sich, nach all den Jahren zu Sims 4 zurückzukehren?

Die Antwort: Oh Gott, warum ist es schon drei Uhr morgens, eben war es doch noch Mittag..?

sims-4-editor

Allem voraus: Der Charaktereditor
Wie beginnt die Geschichte mit dem umfangreichen Charaktereditor, der so pipieierleicht zu bedienen ist, dass man sich was schämen sollte, wenn man seinen Sim nicht genau so hinbekommt, wie man sich das vorgestellt hat. Beim Fahren des Mauszeigers über Körper- und Gesichtspartien kann man zupacken, um den entsprechenden Teil in die gewünschte Richtung zu verlängern oder zu verkürzen. Breite Schenkel, dünne Taille, mickrige Schultern. Und auch im Gesicht kann man ordentlich herumpfuschen: Nase kürzen, Kinn verlängern, Kiefer erweitern und Augen in den Höhlen versenken. Ich will nach diesem Editor nie wieder irgendwo eine Figur erstellen, indem ich akribisch auf den beschrifteten Skalen "Oberlippe" oder "Wangenknochen" einen Marker zwischen den Werten Minus- und Plus-Zehn bewegen muss.

Auch beim erweiterungslosen Angebot an Kleidungsstücken wird man ganz gut erschlagen, aber alte Fans der Serie werden etwas enttäuscht sein, dass Klamotten nun nur ein paar Farben zur Auswahl erhalten anstatt dass man selbst mit dem Teebeutel eine Batik anlegen darf. Trotzdem: An Anziehsachen wird es dem anspruchsvollen Sim nicht mangeln.

sims-4-build

Schöner als das Leben: Die DPad-WG
Ich träume ja immer davon, dass das gesamte DPad sich einmal ein Haus kauft und wir alle zusammen glücklich unter einem Dach wohnen. Anschließend wache ich schweißgebadet auf und lasse mich dem Himmel dankend zurück ins Kissen fallen. Für die Wissenschaft musste ein Experiment aber sein: Sieben Padler in einem Stockwerk. Das ganze DPad? Nicht ganz - nur die Männer. Ziel des Ganzen: Herausfinden, wer als erstes mit Jozu in die Kiste hüpft. Wir hatten ja im Vorfeld interne Wetten am laufen, wer mit wem zuerst schnackselt, aber Jozu war in jedem Pairing dabei. Ja, man könnte sagen: Jozu liegt bei uns immer obenauf.

Jedenfalls sind viele Stunden ins Land gegangen, in denen ich minuziös die Feinheiten der adonisgleichen DPad-Körper nachmodellierte. Anschließend erstellte ich mit dem ungefragt guten Gebäude-Editor einen annehmbaren Bunker (versucht mal für sieben Personen mit 20.000 Sim-Dollar ein Haus zu bauen, das ist nicht einfach!), besorgte jedem einen Job und der Alltag zog ein. Sprich: Der Herd ist beim Kochen abgebrannt. Zweimal. Die nächsten Tage gab es nur noch Salat. Seriously, wie ich seit dem ersten Sims vergessen konnte, dass man sich niemals den billigen Herd kauft, ist mir ein Rätsel. Aber dabei ist mir schlagartig etwas anderes aufgefallen.


Der Umfang: Ein Witz
Der Alltag der Sims ist wirklich nicht viel anders als die früheren Iterationen der Serie. Es gibt ein paar kleine Verbesserungen, zu denen wir gleich noch kommen, aber im Großen und Ganzen bietet sich dem geneigten Simler kaum etwas Neues. Eher im Gegenteil: Dinge fehlen. Davon einige Dinge, die schon seit dem ersten Spiel dabei waren. Wo ist der Wecker, der mir den Krampf abnimmt, meine Sims morgens händisch aus dem Bett jagen zu müssen? Wo sind die Geschirrspüler, die das lästige Abwaschen verkürzen? Wo sind die Einbrecher, die von den Polizisten, die meine Alarmanlage ruft, einmal feste verbeult werden? Wo sind die Geister der Verstorbenen? Wo ist der Keller für Torsten und Dan? Wo sind die Pools? Noch wichtiger: Wo ist die Pool-Leiter, die ich aus dem Pool herausreißen kann, sobald sich meine Sims im Pool befinden? Und - das spannt den Bogen zum Fettbrand - wo ist die Feuerwehr? Nachdem die Küche in Flammen aufging (und irgendwie auch durch die Wand hindurch den megateuren Flachbildfernseher im Wohnzimmer zerstörte), liefen meine Sims hinaus und nichts geschah. Kein Hinweis. Das Smartphone, das nun jeder Sims sein Eigen nennt, hatte auch keinen Eintrag für den Notruf. Nein, hier ist jeder selbst der Sim: Mit einer Interaktion mit dem Feuer zückt die Figur aus dem Nichts einen Feuerlöscher und tilgt den Brand.

Da hört die Liste der Streichungen aber nicht auf. So ist die Auswahl der Jobs etwa scheußlich mager. Acht Berufe sind verfügbar. Davon ist kein einziger akademischer. Hat Planet Sims etwa das universitäre Modell abgeschafft? Gab es eine Oktoberrevolution, die alle Ärzte aus dem Land jagte? Na, zum Glück werden Sims ja nicht krank. Und immerhin kann man auf der Hälfte der Karriere zwischen zwei Pfaden entscheiden. So können Technik-Gurus etwa eSportler oder Startup-Unternehmer werden, Leckermäuler dagegen Koch oder Mixer, Verbrecher werden zum Boss oder zum... Orakel? Okay?

sims-4-violine

Reicht noch nicht mit den Dingen, die es nicht ins Spiel geschafft haben? Die Open World von Sims 3 ist weg. Stattdessen muss man seine Sims jetzt in den Park, die Bar oder das Museum - nebst Ladebildschirm - reisen lassen. Selbst der Besuch beim Nachbarn ist von einer (unentschuldbar langen) Ladezeit getrennt. Da musste ich fast schon nostalgisch zum ersten Teil zurückschwärmen, als man nur sein Haus und das Stückchen Gehsteig vor der Tür auf einem Bildschirm hatte. Auch sonst fehlt es an irgendwelchen interessanten Haushaltsgegenständen, auf die man hinsparen wollen würde. Dann hat man eben irgendwann den unkaputtbaren Kühlschrank mit den besten Lebensmitteln oder das Bett, das einem schnell viel Energie gibt. So what?

Mit Die Sims 4 hat EA die Salami-Taktik gemeistert und wird uns auf absehbare Zeit das vollständige Spiel scheibchenweise über DLCs verkaufen. Der Umfang von Die Sims 4 ist, im Vergleich zu dem, was man vom nächsten Hauptteil der Serie erwartet hätte, ein Witz.

Auch ein Witz: Der Humor
Seit jeher liebe ich den literarischen Humor der Sims-Serie und auch dieser Teil enttäuscht nicht. Wirft man im Baumenü einen Blick in die Kühlschrank-Abteilung, kann man sich etwa über die Beschreibungen vom billigsten bis zum teuersten Kühlschrank eine komplette Geschichte über Gemüsefächer zusammenlesen. Beschreibungen der Jobs sind göttlich. Ich könnte stundenlang Tooltipps lesen. Korrigiere: Ich habe stundenlang Tooltipps gelesen. Was den Sims in ihrem Leben so passiert, ist zwar auch unterhaltsam, aber nicht so sehr wie das Baumenü.

Dennoch, der Alltag kann ziemlich ulkig werden, vor allem dank der sehr, sehr vielen Interaktionsmöglichkeiten, die das Sims-Studio den Figuren gegeben hat. Je nach Charaktermerkmalen, Umstand und Stimmung gibt es drei, vier oder fünf Seiten an Aktionen, mit denen man Sims untereinander Gesellschaft machen lassen kann. Vom Rumblödeln übers Reinhauen, vom Umarmen bis zum Knutschen, vom Diskutieren über die besten Sci-Fi-Kapitäne oder dem gegenseitigen Anstacheln zum Sport, vom gemeinsamen Barbesuch zur Geburstagspartyfeier ist alles dabei.
Und es gibt nun Stimmungen. Je nachdem, ob ein Sim konzentriert Bücher gelesen hat, einen Mitbewohner aus Versehen beim Pinkeln überraschte und dadurch beschämt ist oder allgemein durch Komplimente glücklich gehalten wurde - alles hat wiederum Einfluss auf die Interaktionen (selbstbewusste Sims pinkeln nicht, stattdessen wechselt die Schaltfläche zu "Wie ein Champion pieseln") und, mehr noch, auf die aktuellen Bedürfnisse. Der Sim hat, je nach Gemütslage und Charakter, bis zu drei Gebaren. Erfüllt man eins, bekommt man Marken, die man im Cheat-Menü für Cheats eintauschen kann. Okay, Die Sims 4 nennt es Belohnungen, aber ich nenne sie, was sie sind: Cheats.

Jedenfalls sind die Stimmungen eine nette Sache, die den Alltag abwechslungsreich gestalten und Sims auch mal unerwartet agieren lassen.

sims-4-malen

Die Sims: Nicht lebensfähig
Hätte ich meinen DPad-Haushalt sich selbst überlassen, hätten sich alle nach wenigen Stunden wegen kaputter Toiletten eingenässt, auf dem Boden geschlafen und wären beim großen Herdunglück von Tag 0 umgekommen. Auch wenn sie inzwischen multitasken können - etwa gleichzeitig sitzen, sich unterhalten, Essen und Fernsehen schauen -, so sind die virtuellen Abbilder doch nicht die klügsten und machen nur selten etwas, was in ihrem Interesse liegt. Damit ist nicht mal gemeint, dass ein Sim lieber mal ein lehrreiches Buch lesen statt nonstop mit Chips auf der Couch sitzen sollte. Stattdessen musste der Haris nach dem Aufstehen eigentlich mal dringend pinkeln, setzte sich aber lieber schnurstracks an den PC und provozierte Leute in Foren. Wie im echten Leben.
Auch verhalten sich Sims immer mal wieder nicht so wie gedacht. Als Mister Nagi aufräumen sollte, fing er im Wohnzimmer an, nahm dann die Teller aus der Küche mit, ging wieder ins Wohnzimmer für das restliche Geschirr und anschließend wieder in die Küche, um alles wegzuschmeißen. Wenn er denn überhaupt die aufgesammelten Sachen wegräumt. Mehr als einmal klebten die Teller wohl so sehr, dass er sie nicht mehr aus der Hand bekam und auch nichts anderes mehr tun mochte. Nur duschen ging dann noch. Und wenn sich ein nackter Sim mit verwachsenen Tellern in die Dusche stellt, wird er samt Klamotten zum Eingang der Wohnung teleportiert, wobei das Porzellan im Bad zu Boden fällt. Verrückt.

Um noch einmal die Anfangsfrage aufzugreifen: Lohnt es sich, nach jahrelanger Abstinenz zu Die Sims 4 zurückzukehren? Ganz klares Jein. Gestützt von einer Vielzahl toller Animationen machen Stimmungen und das Multitasking das Leben der Simsville-Bewohner dynamischer und realitätsnäher denn je. Ansonsten leistet sich das Spiel kaum grobe Fehler, es ist dieselbe spaßige Droge wie eh und je. Dafür macht es aber auch nichts, was die Vorgänger nicht schon gemacht haben. Zusätzlich sind einfach ein paar sinnvolle und liebgewonnene Features verschwunden, die, davon kann man ausgehen, in den nächsten Monaten mit einem Preisschild bei Origin wieder auftauchen werden. Vielleicht gibt es irgendwann ein Add-On-Gesamtpaket, das sich dann finanziell wie qualitativ lohnt. An und für sich ist das Spiel okay, aber das Marketing ist ganz unterste Schublade.

The Sims 4 wurde unter Windows getestet. Ein Testmuster wurde uns von Electronic Arts zur Verfügung gestellt.

Die Sims 4

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
27. April 2024 um 01:37 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Die Sims 4
Spiel
Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
04. September 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

Ähnliche Artikel