Civilization: Beyond Earth im Test

(Artikel)
Adrian Knapik, 03. November 2014

Civilization: Beyond Earth im Test

Nur Add-on oder den Vollpreis wert?

Ein greller Schrei hallt durch den Flur, die Nachbarn greifen schon verängstigt nach dem Telefon, um die Polizei zu rufen, doch was ist die Ursache? Das kleine, wundervolle Päckchen mit Civilization: Beyond Earth steckt in meinem Briefkasten. Umgehend lasse ich alles stehen und liegen, sprinte in Richtung Rechenknecht, reiße das Päckchen auf, stopfe die CD ins Laufwerk und starte hektisch die Installation. Jetzt schnell noch etwas zu trinken auf den Tisch und die nächsten Stunden meines Lebens sind geplant. Wird mich der neue Teil der Civilization-Reihe genauso am Bildschirm fesseln wie die bisherigen Teile, oder handelt es sich hierbei nur um eine kleine Erweiterung?

Schnell kann ich aufatmen. Der erste Eindruck ist fantastisch: Der Hintergrund wird erfüllt von einer wundervoll animierten, sich drehenden Erdkugel, unterstützt von einem kraftvollen Soundtrack, welcher schon anmutet, welches Setting uns erwarten wird: Auf in die Zukunft! Entgegen aller anderen Teile der Reihe (ausgenommen von Alpha Centauri natürlich), bewegt sich dieser nämlich nicht in unserer Vergangenheit, sondern beginnt am Ende einer Partie in Civilization V, welche mit dem Technologiesieg und dem damit verbundenen Raketenabschuss abgeschlossen wurde. In Beyond Earth ist daher die erste Aktion die Landung auf einem fremden Planeten und die Besiedelung einer neuen Welt.

intro2

Der neue Teil der Serie wird von der gleichen Engine angefeuert wie der Vorgänger und verlässt sich auch beim Interface auf erprobte Elemente. Punkte sammelt das neue Civilization bei der wunderschönen, detaillierten Grafik, insbesondere die Planetenoberfläche sticht mit ihren kreativen Texturen positiv heraus. Stimmig dazu sind außerdem die Animationen der Einheiten, ob es nun ein Schusswechsel zwischen Marine-Einheiten ist oder das Tagewerk eines Bautrupps ist.
Eine sehr große Schwäche des Vorgängers waren die im Laufe eines Spiels zunehmenden Rundenwechsel-Zeiten, die teilweise schon spielverderbend lang wurden - von denen fehlt bei Beyond Earth bis jetzt jede Spur. Natürlich wird die Berechnung der Rundenwechsel mit der Zeit immer komplexer, allerdings fällt dies viel weniger ins Gewicht als früher. Beruhigen kann ich außerdem all diejenigen, die wegen der bekannten Multiplayer-Verbindungsprobleme (ständige Verbindungsabbrüche, Lobby-Beitritt nicht möglich) des Vorgängers noch vor dem Kauf zurückschrecken: Im Test des Online-Teils sind bei mir keine Probleme aufgetreten.

Genug gesagt zur Technik, schließlich muss sich Beyond Earth als Vollpreistitel auch mit einem zufriedenstellenden Gameplay rechtfertigen, welches nicht einfach den fünften Teil kopiert. Allgemein gilt, dass auch der neue Teil sehr angenehm und flüssig zu spielen ist, da die Bedienung zu einem großen Teil die Kleinigkeiten übernimmt. Einige Interface-Elemente wurden verschoben, besser sichtbar gemacht und in sinnvolle Menüs verschachtelt. Die größte Veränderung ist wohl der Rausschmiss der altbekannten Nationen und der Ersatz dieser durch Verbünde wie z. B. der Südamerikanischen Union. Somit reduziert sich die Anzahl der wählbaren Fraktion auf acht, genauso wie die Spieleranzahl. Auf den ersten Blick wirkt das wie eine schmerzliche Kürzung, wirkt sich jedoch nicht sonderlich auf das Spielgeschehen aus.

alien-u?bermachtAliens sind die härteren Barbaren. Mit Geschick kann man die Monsterchen aber auf seine Seite bringen.

Beim Betrachten des HUDs findet man noch kleine Veränderungen, wie den Wechsel der Währung Gold auf Energie und die Gesundheit als Ersatz für die Zufriedenheit. Hier macht sich der generell leicht erhöhte Schwierigkeitsgrad bemerkbar, es ist zum Beispiel deutlich einfacher, die Kontrolle über die Gesundheit der Kolonie zu verlieren, oder bei den Finanzen ins Minus zu rutschen. Hier wird deutlich mehr Planung verlangt als es im Vorgänger der Fall war. Einmal die Rundendauer für die Erforschung einer neuen Technologie falsch einkalkuliert und die eigene Kolonie findet sich plötzlich mit einem fiesen Schnupfen wieder, der sich schnell zur tödlichen Epidemie ausbreiten kann. Fies.
Wenn man sich nun weiter auf dem HUD umschaut, sieht man eine neue Schaltfläche: Quests. Der erste Gedanke dazu äußerte sich in einem "Sprich mit Nation xy und verhandele über z" (Grüße an diverse MMO’s). Ein Glück dass sich meine Befürchtung nicht bewahrheitete und sich die Quests doch als recht nützlich erwiesen. In erster Linie erhält man Aufgaben, die einem mit dem Prinzip des Ausprobierens neue Spielelemente vorstellen und nützliche Dinge für den weiteren Spielverlauf zeigen, beispielsweise die Anweisung eine Handelsroute zu einer in der Nähe entstandenen Station herzustellen, um Boni wie mehr Energie und Wissenschaft pro Runde zu erhalten. Diese Stationen ersetzen außerdem die altbekannten Stadtstaaten und tauchen zufällig auf der Karte auf. Sie besitzen allerdings keine militärischen oder zivilen Einheiten und sind ausschließlich zum Handeln gedacht. Eine sinnvolle Neuerung, da man mit den Fraktionen sowieso schon genug beschäftigt ist.

tech-baum

Den Blick weiter über das HUD schwenkend fällt einem eine weitere Neuigkeit auf, genannt die drei Affinitäten, die aus Harmonie, Reinheit und Überlegenheit bestehen und verschiedene Boni mit sich bringen. Man steigt in einer Affinität auf, indem man neue Technologien erforscht, die außerdem einen Punkt für eine bestimmte Affinität freischalten. Erreicht man etwa in der Harmonie-Affinität einen bestimmten Rang, erhält man die Immunität gegen Miasma, welches einen gewissen Anteil der Geländefelder flutet und den dort stationierten Einheiten pro Runde Schaden zufügt - ähnlich der atomaren Verseuchung eines Feldes in Civilization V. Vor allem bei schnellen, taktisch weniger überlegten militärischen Zügen kann das Miasma einem schnell einen Strich durch die Rechnung machen und die soeben in den Krieg geschickte Einheit durch den sich addierenden Kampf-und Rundenschaden zunichtemachen. Hier ist also besondere Vorsicht beim Kommandieren gefragt.
Um nicht das komplette Spiel über auf Felder zu achten, die verseucht sind, gibt es verschiedene Möglichkeiten, um den bläulich-schimmernden Schadensbringer zu entfernen. Unter anderem wird den Bautrupps mit einer bestimmten Technologie ermöglicht, eine Immunität aufzubauen und einzelne Felder zu befreien. Außerdem ist es möglich, mit Satelliten, welche man ins All schießt und auf einem bestimmten Bereich zielen lässt, größere Bereiche zu reinigen - alles sehr fair aufgebaut.

Hier kommen wir direkt zur nächsten und auch einer der größten Neuerungen: die Einbeziehung des Orbitalbereiches als Kriegsort und Bereich des Geschehens. Neben normaler Bodeneinheiten erforscht man außerdem Satelliten, die auf verschiedenste Arten eingesetzt werden können: zum Angriff, zur Verteidigung und, wie eben genannt, auch zum Säubern der nahen Umgebung von Städten. Vorstellen kann man sich dies, wie es schon bei Anno 2070 mit dem Unterwasser-Bereich gemacht wurde. So gibt es eine Schaltfläche zum Umschalten zwischen der Normal- und Orbitalansicht, um einen besseren Überblick zu behalten. In der Tat konnte ich damit jederzeit den Überblick behalten, da muss ich großes Lob aussprechen!

Screen_UI_VirtuesStatt Social Policies gibt es nun Virtues. Damit man sich nicht nur auf einen Baum konzentriert, gibt es auch Boni, wenn man in einem der drei Tiers viele Virtues auswählt.

Unübersichtlich erscheint auf den ersten Blick dagegen der neue Technologie-Baum, der grundlegend überarbeitet wurde und keine Ähnlichkeit zu dem vom Vorgänger besitzt. Anstatt einem Verlauf von links nach rechts bekommt man ein großes Netz präsentiert, in dem sich alle Technologien mit entsprechenden Ergänzungstechnologien organisieren. Schaut man sich dies genauer an, erkennt man jedoch ein System hinter dem großen Ganzen und sieht: Anstatt viele Abhängigkeiten à la "Wenn ich dies erforschen möchte, muss ich aber noch das hier machen" zu haben, kann man einfach in viele verschiedene Richtungen forschen und muss sich nicht zwingend mit Technologien abgeben, die man im Moment nicht benötigt. Auch dies ist eine sehr ansprechende und schöne Neuerung, da sieht man besonders, dass die Entwickler von Firaxis Games nicht einfach nur ein zweites Civilization V mit Zukunfts-Setting auf den Markt werfen wollten, sondern auch neue Ideen eingebracht haben.

Screen_UI_Orbital

Bei den ganzen positiven Aspekten und Lobungen bleibt es allerdings auch nicht aus, über die nicht so gut gelungenen Teile von Civilization: Beyond Earth zu sprechen. Natürlich gibt es im Spiel einige Kinderkrankheiten, die zwar nur sehr selten auftreten, aber dennoch die Hoffnung wecken, dass hier schneller gepatcht wird als beim Vorgänger. Allerdings gibt es auch Dinge, die bitter ins Auge stechen. Beim Betrachten des Technologie-Baums kann es nämlich zu einfach geschehen, dass man beim Scrollen aus Versehen eine Technologie anklickt, die man eigentlich gar nicht erforschen möchte. Dies wird zwar durch ein kleines Geräusch quittiert, allerdings kann man das auch schnell überhören und zehn Runden später merkt man plötzlich, dass man nicht das erforscht, was eigentlich geplant war. Ein weiterer Kritikpunkt ist der immer noch fehlende "Aktion rückgängig machen"-Knopf für Bewegungen von Einheiten, die man unbeabsichtigt getätigt hat. So gingen schon einige gute Taktiken von mir den Bach runter. Versäumt haben die Entwickler außerdem, dass Quests, bei denen man sich zwischen zwei Dingen entscheiden muss (Beispiel: Gebt das Essen den Bürgern oder lagert das Essen ein), auch eine negative Folge haben kann. Beim genannten Beispiel vielleicht eine Revolte der Bürger wegen sinkender Gesundheit bei der Entscheidung Essen einzulagern. Eigentlich schade.

Alles in allem trüben die negativen Aspekte im neuen Spiel der Civilization-Reihe den Spielspaß kaum. Beyond Earth grenzt sich durch eigene Spielmechaniken, neue Ansätze bei der Technologie-Erforschung und vielen kleinen Verbesserungen vom Vorgänger ab und rechtfertigt somit sehr wohl den Vollpreis. Wer hier meckert, dies sei nur ein Add-On, der soll sich schämen und mit dem Rücken zum Zimmer in die nächste Ecke stellen. Firaxis Games beweist hier gut, wie eine solide Fortsetzung einer schon sehr weit in die Vergangenheit zurückreichenden Serie aussehen kann und sollte. Nichtsdestotrotz haben sie das Rad nicht neu erfunden. Wer also Spaß an den vorangegangenen Teilen hatte und Bock auf etwas Neues aus der Richtung hat, kann getrost zugreifen und einige unterhaltsame Abende vor dem Rechner verbringen.

Sid Meier's Civilization: Beyond Earth wurde für PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von 2k Games zur Verfügung gestellt.

Sid Meier's Civilization: Beyond Earth

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

Rian
04. November 2014 um 01:16 Uhr (#1)
Ich bin entweder zu doof, um sie zu finden, oder Beyond Earth unterstützt nicht mehr die resourcensparende 2D-Taktikkarte, die mein olles Notebook gerade noch so mitmacht.
Adrian
04. November 2014 um 11:38 Uhr (#2)
Die 2D-Taktikkarte habe ich auch noch nicht wiedergefunden, aber auch wenn sie gestrichen wurde, ich persönlich vermisse sie garnicht :P
Ben
04. November 2014 um 12:51 Uhr (#3)
Ich erinnere mich, dass man alle taktischen Elemente permanentn anzeigen lassen kann (Ressourcen etc.), aber eine Option für die 2D-Karte habe ich nicht gesehen.
Gast
27. April 2024 um 06:53 Uhr
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24. Oktober 2014
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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