Borderlands 2

(Artikel)
Rian Voß, 15. Oktober 2012

Borderlands 2

Die beste Woche meines Lebens

Während alle anderen schon lange ihre Borderlands-2-Reviews zum Besten gegeben haben, hält sich das DPad auffällig zurück. Wer seit September hinter die Kulissen schauen konnte, weiß allerdings, dass es sich dabei nicht um ein gemütliches Aufschieben, sondern um ein gieriges Lauern auf den richtigen Moment handelte. Dieser Moment war am 10. Oktober gekommen. An diesem Tag haben sich nämlich Jozu, Evil, Nex und ich trotz widrigster Umstände eine freie Woche erkämpft, um Gearbox Loot 'n' Shooter im 4-Spieler-LAN-Ko-Op im Dauertest auf Herz und Nieren zu prüfen. Und wir haben seitdem nicht mehr aufgehört uns genüsslich die... Bäuche zu reiben.

Warum LAN? Bessere Atmosphäre und weniger technische Störungen. Und wenn einer dem anderen das geile Scharfschützengewehr klaut, kann man aufstehen und ihn eine klatschen. Versucht das mal online.
Wer den ersten Teil der Serie gespielt hat, wird sich noch an das geniale Intro mit dem ikonischen Titellied Ain't No Rest For The Wicked von Cage The Elephant erinnern. Ich habe das Video bestimmt an die hundert mal gesehen, weil es den Stil des Spiels hervorragend einfängt: Vier harte Söldner in einem schäbigen Bus auf einem wüsten Planeten voll abartiger Kreaturen machen markante Moves zu mitreißender Musik und suchen nach Ruhm und Reichtum. Es übermittelte auf einfache und schöne Weise, was auf den Spieler zukommen würde und auf genau solch eine Weise müsste die Grundstimmung für den nächsten Teil auch gesetzt werden. Und sie wurde es.
Wie vorher auch werden die vier Protagonisten und ihre Fähigkeiten eingeführt: Axton, der Commando mit seinem automatischen Geschütz; Maya, die Siren mit ihren mystischen Fähigkeiten; der Gunzerker Salvador, der zwei beliebige Waffen gleichzeitig führen kann, und Zer0, der Ninja. Während das ungleiche Team sich durch einen Zug kämpft, wird ihr Zusammenspiel sehr passend vom abgedimmten Short Change Hero von The Heavy kommentiert: dies ist kein Platz für Helden. Wie schon bei den Schatzkammerjäger vor ihnen zeigt der moralische Kompass der neuen Generation nicht immer ganz einwandfrei nach Norden. Aber wenn das nicht unsere Helden sind, wer dann? Am Ende versucht der Erzfeind des Spiels, Handsome Jack, per Funk seine Interpretation anzudeuten, während die Vault Hunter über Jacks dynamitbesetztes Körper-Double stolpern: er selbst ist der Gute. Und mit der folgenden Explosion ist die Verwirrung komplett. Es bleibt das Gefühl, dass Borderlands enorm an Stil zugelegt hat.


Das Intro möchte einerseits vermitteln, dass vieles an Borderlands 2 genauso wie früher geblieben ist: Immer noch läuft man unter dem Vorwand von Side- oder Main-Quests über die Oberfläche des Planeten Pandora, tötet eine große, große Anzahl von Feinden, sammelt Loot ein, vergleicht den Kram mit seiner alten Ausrüstung, tötet mehr Feinde, steigt in Leveln auf, freut sich darüber massiv, verkauft seinen alten Kram, erfüllt das Missionsziel und alles geht von vorne los. Andererseits ist alles außerhalb des Kerns verflucht groß und verflucht detailreich geworden: Mehr Waffen, mehr Skills, mehr Feinde. Mehr Levels, mehr Story, mehr Humor.

Mehr Waffen
Borderlands drehte sich schon immer um Knarren, Knarren, Knarren: Shotguns, Assault Rifles, Bazookas, Sniper Rifles, SMGs, Pistolen. In Borderlands gab es ein System, welches Waffen effizient randomisiert hat: manchmal fielen dann aus Kisten Raketenwerfer mit zehnfachen Zoom heraus oder Schrotflinten mit Dauerfeuer. Dazu kamen Elementareffekte, die Gegner mit Säure, Blitz, Feuer oder Explosionen triezen konnten. Das alles hat sich für Borderlands 2 nicht geändert, allerdings erhalten die Wummen durch ihren Hersteller nun einen ganz eigenen Charakter - nicht nur durch ihre Eigenschaften, sondern auch durch ihr Aussehen:
Produkte der Marke Vladov haben etwa häufig eine Holzverkleidung und zeichnen sich durch eine hohe Feuerrate aus. Hyperions könnten direkt aus Star Trek entliehen worden sein und verziehen zuerst sehr stark, werden aber mit Gedrückthalten des Abzugs immer genauer. Waffen von Torgue haben meist einen sich drehenden Lauf, einen bunten Anstrich und schießen IMMER mit Explosivgeschossen. Und Banditenwaffen wirken so, als kämen sie von einem wenig talentierten Heimwerker, werden oft mit grellen Gesichtern bemalt und verfügen über riesige Magazine. Jakobs liefert dagegen Spitzenware mit generell erhöhten Statistiken, allerdings muss man jede Kugel durch eine Betätigung des Abzugs einzeln lösen. Ganz eigen sind wohl noch die Tediores: die Waffen wirken wie aus Plastik und man kann sie nicht nachladen. Stattdessen schmeißt man sie weg und greift sich eine neue aus dem Rucksack. Bonus: Die weggeschmissene Waffe explodiert wie eine Handgranate! Es gibt noch weitere Hersteller und viele Ausnahmen zu diesen Regeln, vor allem wenn es um den Anstrich geht, aber so kann man sich schon früh für eine Lieblingsmarke entscheiden und rausfiltern, was man verkaufen oder wegtauschen möchte.
Besonders herausragend sind natürlich einige Waffen, die man nur durch Missionen erhält. Die haben meistens nicht nur hervorragende Werte, sondern auch immer irgendwas Abgefahrenes an sich. Wer Baldur's Gate 2 gespielt hat, erinnert sich vielleicht noch an das nervige, sprechende Schwert. Es war voll gut, aber es laberte halt die ganze Zeit. Sprechende Waffen feiern in Borderlands 2 ihr Comeback: So wurde in einem Sturmgewehr wohl der Geist eines Mexikaners eingesperrt, der ständig das Nachladen kommentiert oder mit jedem Schuss "¡jajajajajaja!" schreit. Eine andere Kanone ist dagegen von GladOS inspiriert und äußert sich abwertend zu jedem vergeudeten Schuss. Moxxis Lieblings-SMG vibriert dagegen die ganze Zeit. Hmmm.


Der wichtige Verkauf von überflüssigem Loot wird dadurch einfacher gestaltet, dass man im Inventar schon die Objekte als Müll oder Favorit markieren kann. Müll-Objekte können beim Händler durch einen Knopfdruck in Bares umgewandelt werden und man muss sich nicht mehr viele Gedanken machen.
Dadurch, dass man aber ständig neuen Loot bekommt, kann man schnell der Versuchung erliegen, dauernd ins Inventar zu gehen, um zu vergleichen. Hier muss man sich einfach etwas disziplinieren und sich dazu zwingen, nur in festen Intervallen oder bei einem raren Drop (blau, violett oder orange) in die Tasche zu gucken, sonst ist man die Hälfte der Mission mit sinnlosen Vergleichen beschäftigt.

Des Weiteren gibt es ein neues Element: Slag. Anstatt selbst Bonusschaden zu verursachen, vermehrt es bei einem infizierten Gegner die Verwundung durch alle anderen Schadensarten. Wenn man also harten Ko-Op betreibt, sollte immer mindestens einer so eine Waffe führen.

Natürlich wurde der Streit um erbeutetes Material in Borderlands 2 nicht aufgelöst. In Hellgate bekommt jeder Spieler seinen eigenen Kram? DAS IST FÜR PUSSIES! Wer als erster bei der Kiste ist, hat gewonnen! Natürlich wird im Anschluss immer versucht, den Kram einigermaßen fair aufzuteilen, aber wenn man sich doch mal darüber zankt, wer die Sniper jetzt dringender braucht, kann im neuen, komfortablen Tauschsystem auch die Duell-Option verwenden. Winner takes all! Aber selbst dafür sind manche Leute zu feige. Das sind dann aber auch dieselben Leute, die in der Grundschule Caps oder Gogos ohne Einsatz gespielt haben. Duelle sind leider auch nie sonderlich spannend, sondern laufen meist darauf hinaus, wer mit seinem Raketenwerfer zuerst trifft.

Mehr Skills
Okay, eigentlich gibt es nicht mehr Skills. Aber, Mann, sind sie besser geworden. Das Grundprinzip ist wieder einmal erhalten geblieben: Es gibt drei Skilltrees pro Klasse. In jedem sind zuerst zwei Fähigkeiten zum Skillen freigeschaltet und alle fünf Punkte in einem Tree folgen weitere Skills. Wo vorher diese Skills aber vollkommen austauschbar waren und man sich nicht immer sicher war, ob dieses oder jenes überhaupt etwas bringt, sind die Fähigkeiten eines Skilltrees stark aufeinander abgestimmt und drehen sich vornehmlich um den Action Skill einer Klasse. Ich spiele beispielsweise Salvador, den Gunzerker. Sein Action Skill ist das namensgebende Gunzerking: Salvador zieht eine zweite Waffe und regeneriert Lebenspunkte sowie Munition. Die zweite Waffe kann dabei alles sein - Shotguns, Raketenwerfer, Sniper, egal. Auf diese Weise kann ich auch Waffen verwenden, die zwar viel Schaden machen, aber einen anderen Nachteil haben, so dass ich sie nur ab und zu verwenden möchte. Mein gewählter Skilltree war Rampage und in diesem Tree verfolgte ich einen Pfad, der einer einzigen Idee entsprach: Ich will nie wieder die Schusstasten loslassen. Dazu gab es eine Fähigkeit, die mich bei abgefeuerten Schüssen mal keine Munition verbrauchen ließen, eine andere gab mir nach einem Abschuss wieder Munition in den Lauf zurück anstatt sie zu verbrauchen. Dazu kommen noch weitere Skills, die die Gunzerking-Laufzeit verlängern, die Aufladezeit des Skills verkürzen und, das Wichtigste: der letzte Skill im Tree namens "Never stop firing..." Dieser bewirkt, dass sich die Feuerrate bei gedrückten Schusstasten fast verdoppelt und gut ein Drittel der Nachladezeit gekürzt wird. Natürlich habe ich mir dementsprechend dann auch meine Waffen nach hohen Feuerraten und großen Magazinen gewählt und auch Zusatzobjekte, wie meine Schilde und Klassen-Mods, so ausgesucht, dass meine Ballermänner davon profitieren. Und ja: mit jedem Level merkte ich, wie ich meinem Ziel näher kam. Und inzwischen lohnt es sich für mich wirklich eher, während des Gunzerkings ins Leere zu schießen als mit dem Feuern aufzuhören.
Alternativ hätte ich auch zu einem Waffenjongleur werden können, der die Knarre wechselt anstatt nachzuladen. Oder vielleicht wäre mir ein Leben als unsterblicher Schadenfresser - der stärker regeneriert, je mehr er einsteckt - lieber gewesen? Wenn man sich verskillt, kann man glücklicherweise für eine kleine Gebühr alle Punkte zurücksetzen und neu verteilen.


Wer kein Bock mehr auf sein Äußeres hat, kann mit einer überdimensionalen Farbauswahl seine Klamotten einfärben und auch mal den Kopf wechseln. Salvador wirkt normalerweise wie ein Straßenkind der Minen von Moria, aber ich habe ihn mit Bowler-Hut und grünen Klamotten zum Kobold gemacht.
Ähnliche Game Changer finden sich natürlich auch bei allen anderen Klassen: Zer0 kann auf Nahkampfangriffe oder Scharfschützengewehre spezialisieren. Maya kann in ihrer Psycho-Blase Gegner gefangen nehmen oder sie auf unsere Seite ziehen. Axton kann sein Geschütz verstärken, verdoppeln oder auch ganz auf die individuelle Feuerkraft pfeifen, es mit einer Mini-Atombombe versehen, welche bei jedem Einsatz des Turrets feuert, und seine Fähigkeiten so ordnen, dass er seinen Skill so oft wie möglich einsetzen kann. Noch clevere Köpfe als ich finden vielleicht zwischen den Trees Skillkombinationen, die so gut sind, dass man die ultimative Fähigkeit am Ende der Pfade überhaupt nicht braucht.

Zudem kehren auch die bekannten Herausforderungen als Badass-Ränge wieder zurück: Tötet man etwa 100 Gegner mit der Shotgun, steigt man einen oder ein paar Ränge auf. Mit diesen Rängen schaltet man Token frei, mit denen sich Statuswerte permanent verbessern lassen. So kann man etwa den Nahkampf- oder Waffenschaden prozentual verstärken oder die Chance auf einen Elementareffekt erhöhen. Diese Verbesserungen gelten dann sogar übergreifend für alle Charaktere, die man verwendet.

Mehr Feinde
Mit den Banditen und Psychos trifft man schon viele alte Stinker Freunde wieder. Hätte Borderlands nur menschliche Gegner, wäre das eigentlich voll okay, da bereits hier viele andere Shooter durch die Artenvielfalt locker in die Tasche gesteckt werden: Manche laufen auf einen zu und weichen elegant den Kugeln aus, andere werfen Äxte, andere haben Flammenwerfer und das alles gibt es auch in einer Zwergen-Variante. Höhepunkte bei den Banditen sind die Goliaths: riesige Brocken, die nicht sterben wollen, wenn man ihnen den Kopf wegschießt, sondern stattdessen mutieren und ausrasten. Töten sie dann etwas - sei es nun Freund oder Feind - mutieren sie und werden noch stärker. Das geht vier mal. Wat. Aber natürlich dürfen auch die bekannten Skags und die fliegende Pest, also die Rakks, nicht fehlen. Zusätzlich gibt es dann noch die von Dr. Zed verbrochenen Skrakks, aber die haben eine eigene Geschichte.
Es gibt allerdings noch so viel mehr: Hubschrauber, mutierende Käfer, sich unsichtbar machende Klauen-Kreaturen, tausend Roboter-Arten, aus dem Boden schießende Riesenwürmer, Kristall-Kolosse, die Gold verlieren, wenn man ihnen auf die leuchtenden Beine schießt, und man darf natürlich auch nicht die ganzen abgefahrenen Bossgegner vergessen. Gleich zu Beginn laufen einem etwa die Gebrüder Boom und Bewm über den Weg, deren massive Kanone Bertha einen dick mit Explosivgeschossen eindeckt. Oder Mal, der Roboter, der ein Mensch werden wollte. Nachdem man ihn mit Körperteilen versorgt hat, die er sich umhängt, kommt er zu dem Schluss, dass das irrationale Kämpfen wohl die menschlichste Eigenschaft von allen ist und greift einen unverblümt an. Und der große Yeti-Verschnitt namens Donkey Mong wartet auch darauf, für ein Achievement um die Ecke gebracht zu werden.


Mehr Levels
Pandora ist gewachsen und wesentlich lebendiger geworden. Früher schon hatte die Außenwelt, wo sich die meisten Questmarker versteckten, ihren eigenen Charakter mit seinen eigenen, passenden Gegnertypen. Allerdings war alles irgendwie... flach und hingeschmissen. Die Herausforderungen der Level kamen weniger vom Aufbau als einfach nur durch die Anzahl der Gegner, die sich einem in den Weg stellten. In Borderlands 2 ist das immer noch häufig so, allerdings sind die Areale größer und haben oft noch eine vertikale Komponente - auf diese Weise kann man, wenn man ordentlich seine Route plant, auch mal unnötigen Kämpfen (pah!) aus dem Weg gehen oder bekommt durch eine einzige Leiternutzung einen vollkommen neuen Teil eines Areals zu sehen.
Wo bei Borderlands noch irgendwie jeder zweite Level aus Wüste bestand, hat in Borderlands 2 wirklich jede Ortschaft seine eigene Persönlichkeit: hier ist etwas vollkommen von Säure geflutet, dann ist ein Landstrich von Canyons durchzogen oder man besucht eine automatische Container-Verarbeitungs-Anlage. Durch die vergrößerten Gebiete ist es allerdings trotz weitverbreiteter Schnellreise-Stationen notwendig, häufig Auto zu fahren. Glücklicherweise gibt es inzwischen sogar einen Viersitzer, sodass man beim Ansteuern einer Klippe gleich das ganze Team mit in den Tod reißt. Das passierte uns leider häufiger, da die Open World wesentlich begehbarer aussieht als sie ist: wo man über einen Abhang hinweg eigentlich nur ein kleines Sprüngchen in mittelmäßige Tiefe sieht, wartet in Wirklichkeit ein Express-Ticket zur nächsten Klon-Station. Abhilfe schafft die Karte, wo dann auch tatsächlich harte Grenzen und leere Stellen eingetragen sind, aber zusätzlich zu den übermäßig vielen unsichtbaren Wänden, die einem über den Weg laufen, wenn man mal auf Erkundungstour gehen möchte, ist es eigentlich kein guter Ton eine todbringende Stelle völlig harmlos aussehen zu lassen.

Während die größeren Gebiete zwar einerseits sehr schön sind und auch mal zur Party-Aufteilung einladen, um individuell mehr Loot abzustauben, hat sich die Übersichtskarte leider nicht an die gestapelten Levels angepasst. Meistens bekommt man immerhin noch durch die eingezeichneten Wände eine ungefähre Idee, wo man längs muss, um zum Ziel zu kommen, aber es ist uns mehr als einmal passiert, dass wir vier studierten Besserwisser orientierungslos den einen Zugang zum nächsten Abschnitt suchten und erst nach fünfzehn bis dreißig Minuten einen unintuitiven Weg durch irgendeine weit entfernte Untergrundpassage fanden.

Die meiste Zivilisation mit den meisten Details findet sich noch in der Rebellenstadt Sanctuary. Wir waren zwar enttäuscht, dass sich in der Zuflucht keine großen Kisten versteckten, die sich mit jedem Spielstart neu befüllten, allerdings ist das dicht gedrängte Häuserkonglomerat vollgepflastert mit interessanten Postern, kleinen Aufmerksamkeiten und einigen alten Gesichtern. Unser größter Ruin war wohl Moxxis Bar: die wahnsinnige Gastgeberin aus Mad Moxxi's Underdome Riot, einem früheren DLC, hat nun eine kleine Kneipe mit zwei einarmigen Banditen eröffnet. In diesen haben wir all unseren verdammten Reichtum versenkt. Wir hätten das Spiel wahrscheinlich in zwei schlaflosen Tagen durchgeschafft, wenn diese Automaten nicht gewesen wären. Der Clou ist nämlich, dass die Dinger gar nicht so unhäufig richtig brauchbare Waffen ausspuckten. Und das restliche Zeug konnte man immer noch für gutes Geld verkaufen, so dass man ständig zwei Spieler von Moxxi's zu Marcus Waffenladen und wieder zurück laufen sah, während sich die anderen beiden hinten anstellen und auf ihren Zug warteten. Angeheizt wurde das alles noch dadurch, dass bei einer Niete eine Granate aus der Schublade fällt. Das ist nicht wirklich gefährlich, aber hielt einen wach! Eigentlich ist es vollkommen dämlich, dass wir uns so lange an diesem stupiden Minigame aufgehalten haben, aber wer beim Looten den Kürzeren zieht oder in den stets minderbesetzten Waffenautomaten nichts Gutes findet, wird hier bei den regelmäßigen Geldergüssen, mit denen man von Missionen zurückkehrt, ziemlich schnell fündig. Nach einem Level Up konnte ich bei Moxxi's zumindest immer irgendeinen Ausrüstungsgegenstand durch eine merklich bessere Wumme ersetzen. Ich fühlte mich letztendlich irgendwie manipuliert und ausgenutzt, weil ich meine harte Pistole nicht aus der Leiche eines Über-Obermotzes geprügelt habe, aber letztendlich war's uns echt egal.


Doch auch wenn Sanctuary sehr heimelig ist, sieht man vor allem hier den Konsolen-Zahn der Zeit: Borderlands 2, vor allem die stilisierte Grafik, sieht zwar auf der 360 weiterhin sehr gut aus, allerdings nie sofort. Erst nach einer merklichen Ladezeit verwandelt sich aus matschigen Polygonhaufen ein erkennbarer NPC, der auch beim Reden den Mund merklich öffnet und schließt. Diese Technik kennen wir noch von Halo 2, welches am Ende seiner Generation auch noch mal mit allen Mitteln das Möglichste herausgekratzt hat.
Wieder gut gemacht wird das aber immerhin durch den exzellenten Soundtrack, der natürlich von den beworbenen Wub-Wubs eine Reise in harte Gitarrenklänge unternimmt und sich auch gerne mal im rhythmischen Funk-Blues verliert. Allgemein ist die Klangvielfalt für viele Ohren geeignet und wurde von den sehr unterschiedlichen Musikgeschmäckern aller vier Tester hart approved.

Mehr Story
Die Story von Borderlands war eine Katastrophe, sofern sie denn überhaupt existent war: Am Ende kamen Tentakel aus der Schatzkammer, von der man eigentlich so viel erwartet hatte, man musste sie bekämpfen, Ende. Was? Borderlands 2 räumt damit auf. Restlos. Es ist ja nicht mal so, dass die Story-Entwicklung um Anthony Burch sich einfach dazu entschlossen hat, den ganzen alten Kack zu vergraben und sich etwas Neues auszudenken, sondern sie bauen auf der alten Geschichte auf und erklären sogar noch die alte. Dazu werden natürlich einige Retcons verbaut - Details, die so eigentlich nie geschehen sind, aber dann angeblich "hinter der Bühne" abliefen. Und tatsächlich: Man nimmt es Borderlands 2 auf einmal ab, dass hinter Borderlands 1 auch etwas gesteckt haben mag.
Hauptakteure um die Suche nach dem neuen, größeren Vault sind dabei natürlich unsere Schatzjäger, aber auch der Boss der Hyperion Corporation: ein Mann namens Handsome Jack. Dieser ist nach der Öffnung der ersten Schatzkammer mit seinen Truppen nach Pandora gekommen und tut so, als würde er mit der Macht der Kammer eine bessere Ordnung auf dem Grenzplaneten aufbauen wollen. Es ist ziemlich offensichtlich, dass das nicht so sein wird, denn Jack ist ein Arsch. Ein mieser, sadistischer Arsch, dem man niemals bei irgendwas vertrauen würde. Aber Jack ist auch geil. Man muss es einfach sagen: Der Charakter ist ein Geniestreich. Mit jedem Wort, das er in die Empfänger der Abenteurer funkt, mit jeder Geschichte, die er erzählt, will man ihn gleichzeitig high-fiven und erdrosseln. Beim Essen schmatzend schwafelt er über sein Diamant-Pferd Buttstallion (es ist tatsächlich ein lebendes Pferd aus Diamanten), geht penibel darauf ein, wie er einem Familienvater die Augen auslöffelt und macht eigentlich ständig aufs Neue klar, dass er der archetypische Katzenbaby-Treter ist. Jack wandelt einen feinen Grat zwischen absolutem Sympathieträger und gottverdammten Bastard. Man würde ihn eigentlich gerne mögen, wenn man seine beschissene Fresse nicht in einen Eimer Lava drücken wollen würde. Leider kann man sich um Letzteres nicht sofort kümmern, denn der Mann mit der bildhübschen Plastikvisage hat Geld, Macht und eine Armee. Und wir stehen ihm im Weg.

Zu Beginn sind wir aber noch nicht hoch auf seiner Prioritätenliste, denn den größten Dorn stellt der Widerstand der Crimson Raiders unter der Führung von einem der alten vier Protagonisten: Roland, dem Soldaten. Wo Roland ist, sind natürlich andere Charaktere des Vorgängers nicht weit, so kann man sich schon auf Wiedersehen mit dem Erzkapitalisten Marcus, Mordecai und Claptrap freuen. Nach dem Roboter-Aufstand aus einem anderen DLC ist dieser auch der letzte seiner Art und hält uns für seine Unterlinge und Instrumente in seinem Rachefeldzug gegen Handsome Jack und Hyperion. Neue Merkwürdigkeiten in Menschenform finden natürlich auch ihren Platz: Ellie, die... mächtige Schwester von Scooter, die psychotische Sprengmeisterin Tiny Tina und der Gentleman-Alleskönner Sir Hammerlock sind mit dabei.


Ich habe mich ziemlich gefreut, als ich sofort gehört habe, dass Tiny Tina von Anthonys Schwester Ashley gesprochen wird. Guckt Hey Ash, Watcha Playing! In der deutschen Version leiht übrigens Kai Taschner seine Stimme an Handsome Jack, also muss man nicht unbedingt den Englisch-Puristen mimen.
Ich muss zugeben, dass wir in unserem Playthrough nur etwa 30% aller Dialoge mitbekamen. Wenn man zusammen herumläuft, dann erfüllt man natürlich schneller Missionsziele. Meistens gibt es nach der Erfüllung eines Teilziels bereits irgendeine Aufnahme zu hören. Wenn man allerdings mehrere hintereinander einsammelt, dann wird die alte Aufnahme von der neuen überschrieben und man hat etwas verpasst. Insofern bräuchte man eiserne Disziplin und Absprache. Die hatten wir allerdings nicht. "Da leuchtet was? LOOT!" *einsammel* Zusätzlich ist das Spiel in der Hinsicht auch leicht verbuggt, da Sätze einfach mal in der Mitte abbrechen und man nur noch schnell im Untertitel lesen kann, was eigentlich gesagt werden sollte.
Trotz allem habe ich mich über jeden Audioschnipsel tierisch gefreut. Natürlich am meisten über Jacks Auftritte, aber das versteht sich von selbst. Und vor den wichtigen Missionen hat sich in unserer lockeren, von Chips und Cola durchsetzten Atmosphäre sogar tatsächlich immer mal wieder Stille eingefunden und so etwas wie Spannung aufgebaut. Spätestens nach dem ersten tragischen Tod eines geliebten Charakters war uns klar, dass hier alles trotz mannigfaltiger Pimmelwitze, Redneck-Inzucht und Herumgefluche an den richtigen Stellen auch mal die Stimmung angezogen wurde. Man kann die Geschichte um die Vault-Hunter, und auch ihre Vergangenheit, tatsächlich respektieren. Außerdem ist das Ende diesmal keinen Bullshit, sondern tatsächlich erfüllend. So etwas aus den Ruinen des Wracks zu fördern, das Borderlands hinterließ, ist schon eine grandiose Leistung.

Mehr Humor
Es ist an dieser Stelle fast schon überflüssig zu sagen, dass Borderlands 2 bis oben hin mit Humor, Popkulturreferenzen und absurden Charakteren gefüllt ist. Die Dialoge, Waffenbeschreibungen und Einzeiler sind schon der Hammer; die wahren Schenkelklopfer kommen aber erst bei den Missionen zum Vorschein. Besonders die kleinen Auflockerungsaufträge, die man in wenigen Minuten abreißen kann, haben es in sich. Ich fand es zumindest ultrakomisch, als uns Handsome Jack höchstpersönlich anheuerte, damit wir uns selbst umbringen. Da konnten wir natürlich nicht nein sagen! Gab schließlich gutes Geld! Alternativ hätten wir auch die Seelsorge anrufen können, aber dann hätt's nichts gegeben. Außerdem ist das nur was für Feiglinge! Glücklicherweise musste nur einer von der Klippe springen, also haben wir Evil mal vorgeschickt, während wir glücklich die Konto-Änderung beobachten konnten.
An einer anderen Stelle begegnet man einem NPC namens Shooty McFace. Der Typ will eigentlich nichts weiter, als dass man ihm ins Gesicht schießt. Warum? EGAL! ER WILL ES! ER SOLL ES HABEN! Also bumm, Kopf weg, alle sind glücklich. Ein anderer schöner Moment geschah nach einer Fetch Quest, in der man Scooter Inspirationen für ein Gedicht sammeln sollte. Als wir das fertige, ziemlich miese Gedicht einer Dame übergaben, hat sie sich anschließend kurz entschuldigt, ist in ihr Haus gegangen, schloss die Tür und man hörte nur noch ein PENG! Wir waren jedenfalls bei mindestens jedem zweiten Missionsabschluss hart am feiern.

Mehr Bugs
Leider kommt das sehr gelungene Ko-Op-Erlebnis, das sich Borderlands 2 nennt, nicht ganz ohne Fehler aus. Da resettet sich an einer Stelle einfach mal der Badass-Rang oder wird durch einen Patch gelöscht und man darf wieder von vorne anfangen. Da bleiben Gegner in irgendwelchen Wänden hängen oder, schlimmer noch, man selbst! Hat man keine Granaten mehr, um sich selbst zu töten, kann man eigentlich nur noch darauf warten, dass die Kumpel bald eine Gebiets-Reise einleiten. Auch habe ich schon davon gehört, dass die Erfüllung einiger Nebenmissionen unmöglich wird, wenn man bestimmte Konditionen in einer falschen Reihenfolge erfüllt. Die abgebrochenen Tonspuren sind auch nicht so schön. Nach ein paar ziemlich schrecklich klingenden Erfahrungsberichten muss ich aber sagen, dass wir nach etwa 36 Stunden Spielzeit noch ziemlich unbeschadet davongekommen sind. Mir ist allerdings auch noch nie ein bugfreies Open-World-Spiel über den Weg gelaufen, von daher muss man da vielleicht ein Auge zudrücken - oder BOYKOTTIEREN!

Borderlands 2 macht alles, was man erwartet, und noch viel mehr. Es ist weiterhin ein Spiel für Leute, die gerne schießen und sammeln und sich an leicht niveaulosem Humor erfreuen. Von dieser Art Mensch gibt es viele Exemplare, aber es gehören bestimmt nicht alle dazu. Das Spiel wird einen extrem lange auf Trab halten, dafür sorgen schon eine ausladende Spielzeit, der zweite Playthrough, ein allgemein stets anziehender Schwierigkeitsgrad, ein nahezu unbesiegbarer Extra-Boss (treffend genannt: Terramorphous the Invincible), ein hohes Level Cap (50 ist momentan die Maximalstufe, wir waren nach dem Durchspielen auf Level 34) und dutzende Easter Eggs, die es zu entdecken gilt. Für denjenigen, der gerne mit Freunden zusammen spielt, ballert und mit Hingabe Ausrüstung upgradet, führt an Borderlands 2 kein Weg vorbei. Alle anderen sollten zumindest mal die Zehenspitze reinhalten, um zu gucken, ob es was für sie ist. Wir vier hatten zumindest einen Mordsspaß und uns dürstet bereits nach dem ersten großen DLC. Der Season Pass ist natürlich schon längst gekauft. Rian

Kommentare

Jozu
31. Oktober 2012 um 22:43 Uhr (#1)
Von Gearboxeseses Facebookseite:

"Unlock Zer0’s spooky "Hornet's Nest" customization in Borderlands 2 with the below SHiFT code!

PC SHiFT Code: 5J5JB-B9S35-W6J33-3BJBT-33JSF
Xbox 360 SHiFT Code: 5J53B-J96HW-F9FBX-CFTT3-FTFXS
PlayStation 3 SHiFT Code: KBKB3-J3R5J-BKCKT-H3W3
3-9F56C"
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26. April 2024 um 22:32 Uhr
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