N.O.V.A. 3

(Artikel)
Benjamin Strobel, 24. Mai 2012

N.O.V.A. 3

Crysis + Halo + Unreal Tournament

Wenn man den Namen Gameloft liest, weiß man: Aha, die Copycat hat wieder zugeschlagen! Und man wäre dem Entwicklerstudio mit Hang zur Nachahmung vielleicht böse, würden sie ihre Arbeit nicht so gut machen. Mit N.O.V.A. 3 setzt Gameloft eine Reihe fort, die ihre Reise in den Fußstapfen Halos begonnen hat. Der Multiplayer-Modus der N.O.V.A.-Spiele hatte schon immer so einen Hauch von Unreal Tournament, aber der jüngste Einfluss ist neu: wenn für N.O.V.A. 3 nicht bei Crysis 2 abgekupfert wurde, soll meine Berufung nicht länger Gamer sein!

Schon im Titelbildschirm ertönen allzu bekannte Klänge, die ich ohne Weiteres nicht vom Crysis 2-Thema unterscheiden könnte. Einen Klick später bin ich schon im Singleplayer (es gibt zwar Ladezeiten, aber sie sind kurz - danke, iPhone 4S!). Der Master Chief kehrt auf die Erde zurück. Da ihr vermutlich - wie ich - die Story von N.O.V.A. nicht so tiefgehend verfolgt habt, will ich die geschichtliche Anbindung an die Vorgänger nicht weiter auswalzen. Man folgt einem Hilferuf (fishy!) und findet die Erde in einem etwas verwahrlosten Zustand vor (huch? Hier ist wohl lange keiner mehr gewesen). Schnell stellt sich heraus, dass man alte Feinde bekämpfen und die Erde für die Menschen zurückgewinnen soll. Yay! Und das alles mit nicht mehr als einem Touchscreen.

Crysis 2? Sowas von!

Es ist zwar nicht New York, aber die Großstädte erinnern in Design und Look nicht nur zufällig an Level aus Crysis. Spätestens wenn bei Beschuss Sechsecke über den Bildschirm flimmern, muss man N.O.V.A. 3 als astreinen Klon akzeptieren. Aber das soll keine Schelte sein: Gamelofts neuester Shooter ist mit Leichtigkeit eines der ambitioniertesten Spiele im AppStore und dem gesamten mobilen Spielemarkt. Die Grafik mag nicht ganz ans Original heranreichend, kommt aber gruselig nah heran. Ohne Frage geht N.O.V.A. als aktueller Heimkonsolentitel durch. Lediglich einige Animationen wirken etwas blechern. Was den guten Eindruck noch bekräftigt, sind die herausragenden Synchronsprecher: Nicht nur der Hauptcharakter, sondern auch zahlreiche Nebencharaktere (unwichtige Redshirts) sind mit ordentlichen Stimmen besetzt.

Wenn man über das Gameplay sprechen möchte, wird schnell klar, dass man dieses Spiel nicht losgelöst von seiner Steuerung betrachten kann. Auf dem kleinen Bildschirm des iPhones ist das ein noch größerer Faktor als auf einem iPad. Aber bleiben wir beim kleinen Format: zahlreiche On-screen-Elemente müssen hier Platz finden - und damit nicht genug! Man muss auch Platz für virtuelle Buttons berücksichtigen. Wenn man so darüber nachdenkt, müsste das HUD von N.O.V.A. aussehen wie die Verpackung eines Spiels, das auf der letzten Messe 20 Awards gewonnen hat. Glücklicherweise ist es nicht ganz so schlimm. Die Munitionsanzeige kann man gleichzeitig als Button nutzen, um nachzuladen oder per Fingerwisch seine Waffe zu wechseln. Die untere rechte Hälfte des Bildschirms muss allerdings als Sammelstelle für weitere Funktionen herhalten: Zoomen, Springen und Spezialangriffe sind hier verortet. Der rechte Daumen wird ansonsten fürs Zielen benötigt, während man sich mit dem linken bewegt. Die Zielgenauigkeit fällt unterm Strich eher dürftig aus - selbst mit reichlich Übung wird man nie so präzise wie mit einem Controller oder gar Maus und Tastatur. Manchmal positioniere ich die Finger auch falsch, woraufhin ich die gewünschten Bildschirmelemente nicht mehr richtig treffe. Diesem Problem geht Gameloft pragmatisch entgegen: Die Lösung heißt Auto-Aim. Die Zielhilfe ist standardmäßig aktiviert und leistet gute Dienste. Schaut man in die ungefähre Richtung eines Feindes und drückt dann auf Zoom, wird er punktgenau anvisiert. So kann man selbst per Touchscreen Headshots verteilen!


Zugegeben, mit dem Einsatz einer Zielhilfe fühlt man sich irgendwie in seiner Gamer-Ehre verletzt. Und irgendwie ist es auch schade, dass das Spielprinzip somit weniger Wert auf Skill legt. Andererseits hemmt es den Frust und macht sogar Spaß! Man tauscht echte Kontrolle ein, um dafür einen Schein von Kontrolle zurückzuerhalten. Nur dass man ohne das Feature vermutlich kaum Einfluss ausüben würde, was sich selbst mit Zielhilfe immer wieder zeigt. In diesem Sinne ist die Auto-Aim-Einstellung hier keine Schande, sondern völlig angebracht und sogar spielrettend.

Der nach wie vor Halo-inspirierte Mehrspieler-Modus leiht sich sein schnelles Gameplay und ein paar futuristische Waffen aus dem Unreal-Tournament-Setting. So wäre es vom Prinzip her günstig viel zu rennen und zu springen, aber den Sprungknopf meide ich, weil der Zoom-Knopf genau daneben ist und wenn man rennt, kann man sich nur sehr mühevoll umdrehen oder seine Richtung wechseln. Wer die Fingerakrobatik dafür beherrscht, ist klar im Vorteil, aber das kommt selten vor. Stattdessen verlässt man sich meistens auf altbewährtes Stehen und Schießen und wenn man richtig fancy ist, dann versucht man sich sogar am Strafing. Im Mehrspieler-Modus kehrt sich der Nutzen der Zielhilfe um: das aktivierte Auto-Aim ist der größte Gamebreaker, den ein Shooter je gesehen hat. Zwar haben mir die Matches 6 gegen 6 auf dem iPhone viel Spaß gemacht, aber ich habe mich schmutzig gefühlt. Beispielsweise finde ich ein Sniper-Gewehr. Eine Präzisionswaffe, die üblicherweise viel Skill, Übung und eine Portion Glück erfordert. Sie tötet mit einem Schuss. Was passiert? Ich Auto-Quick-Scope. Das bedeutet, ich brauche eigentlich gar nicht mehr zielen. Ich drücke bei Feindkontakt einfach die Zoomtaste und drücke sofort ab. Tot. So bekommt man auch als Anfänger eine 14er Killstreak (für fünf Kills in Folge gibt es sogar ein "Godlike!") - dann ist das Magazin leer. Spätestens aber, wenn ich aus Verzweiflung einen feindlichen Mech mit dem Maschinengewehr beschieße, der dann mit einem tosenden "Headshot!" aus dem Off zusammenbricht, wird das Ganze albern.

Mit von der Partie: Raketenwerfer und Mechs!

Zuletzt will noch gesagt sein, dass sich N.O.V.A. 3 von den Großen auch ein Punktesystem abgeschaut hat, mit dem man neue Waffen, Perks und Equipment wie z.B. Jetpacks kaufen kann. Der Multiplayer-Modus bietet mit jeder Menge gutem Willen also alles an, um lange gespielt zu werden. Für ein paar Runden war es lustig, aber wegen des Auto-Aims bleibt es ein völlig verzerrter Wettbewerb. Lohnt sich N.O.V.A. also? Für Konsolenbesitzer und Zocker, die auch auf dem Handy eher zu Hause spielen, wohl nicht. Für die Hosentasche jedoch wird man kaum einen Shooter in vergleichbarer Qualität finden. Er mag mit seinen Macken noch etwas kämpfen, es ist aber schön zu sehen, dass auch für den mobilen Markt Spiele dieser Größenordnung entwickelt werden. Nex

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