E3 2015: Xbox-Konferenz in der Analyse

(Artikel)
Haris Odobašic, 15. Juni 2015

E3 2015: Xbox-Konferenz in der Analyse

HoloLens, Abwärtskompatibilität und viele Spiele

Für Microsoft war es dieses Mal ernst: Die Verkaufszahlen sind allerhöchstens mittelmäßig und selbst Preissenkungen und ein etwas besseres Spieleaufgebot als bei der PS4 konnten bisher wenig daran ändern. Entsprechend stand man bei Redmond unter Zugzwang, auf dieser E3 etwas zu präsentieren, was die Leute vom Hocker haut. Und die Erwartungen wurden natürlich angeheizt, es sollte immerhin um nicht weniger als das "beste Spiele-Lineup in der Geschichte der Xbox" gehen. Traditionell startete man vor Sony in die E3-Woche, doch konnte Microsoft mit ihren Ankündigungen punkten? Die Analyse:

Das Gute

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Farbenfrohe, neue Spiele: Microsoft hat ohne Frage ein gewisses Image auf der Xbox weg, die Konsole für Shooter und Rennspiele zu sein, aber wenig mehr. Letztes Jahr wollte man den Trend schon ein bisschen mit dem abgedrehten und unendlich farbenfrohen Sunset Overdrive kontern, aber dieses Mal gab es gleich mehrere Neuvorstellungen, die ganz und gar nicht zum Klischee passen wollten. Recore von Kenji Inafune war das Highlight mit der Geschichte um ein kleines Mädchen und ihren Roboterfreund, dessen Seele sich auf unterschiedliche Roboterhüllen transferieren lässt.

Xbox One Abwärtskompatibilität: Stellt euch vor, dass die digitalen Spiele, die ihr in zehn Jahren Xbox 360 gekauft habt, einfach auf einer Xbox One auftauchen. Stellt euch vor, dass ihr die Disc eures Lieblings-360-Spiels nehmt, in eure Xbox One einführt und dann losspielen könnt. Was noch vor ein, zwei Jahren wie absurde Fantasie klang ist nun Fakt. Die Nutzer, die am Dashboard-Preview-Programm teilnehmen, können es schon testen, der Rest kriegt das Feature pünktlich zum Weihnachtsgeschäft. Zum Start werden mehr als 100 Spiele spielbar sein, hunderte weitere sollen in den Monaten danach folgen. Und das Beste: die Publisher müssen nichts weiter machen als Titel freigeben - Microsoft macht den Rest. Ausreden gibt es nicht.

Mit einem Mal wirkt PSNow plötzlich sehr, sehr irrelevant und Sony ist hier im Zugzwang. Wieso soll ich bei der PS4 Geld zahlen, um ein PS3-Spiel, welche ich sowieso schon besitze, zu "leihen", wenn ich meine Xbox-360-Spiele auf der One direkt spielen kann? Inklusive aller Xbox-One-Features wie Twitch-Streaming, Game DVR und Co. sowie Cross-Platform Multiplayer.

Rares Rückkehr?: Was hat Rare in den letzten Jahren eigentlich nennenswertes entwickelt? Bevor ihr zu lange nachdenkt: gar nichts. Nach dem putzigen Viva Pinata folgten mäßige Kinect-Spiele und nicht viel mehr. Das dreißigjährige Jubiläum scheint Anlass für ein kleines Revival zu sein, denn mit Sea of Thieves, einem Multiplayer-Titel mit Piratenthema, ergo viele Inseln zum Erforschen und Schiffskämpfen, hat man ein Spiel in der Pipeline, das von der Aufmachung her doch den typischen Rare-Charme ausstrahlt.

Und natürlich sollte man Rare Replay nicht vergessen: 30 Rare-Klassiker für 30 €. Von absoluten Oldies, wie Jetpac, über großen N64-Klassiker, à la Blast Corps oder Conkers Bad Fur Day, bis hin zu mehr oder weniger aktuellen Spielen, wie Viva Pinata. Quasi alles, was nicht gerade lizenztechnisch unvorstellbar oder totale Grütze ist, wartet im Spielepaket. Andere Hersteller dürfen sich gerne beim Preismodell eine Scheibe abschneiden. 1 € für 1 Spiel, ein großartiges Preis/Leistungs-Verhältnis!

Indies: Microsoft machte dieses Mal extraviel Platz für Indie-Entwickler und hat das vielleicht abwechslungsreichste Lineup in diesem Bereich. Von Titeln wie Beyond Eyes, über ein blindes Mädchen, das ihre anderen Sinne nutzen muss, und Tacoma, das neue Spiel der Gone-Home-Entwickler, bis hin zu Cuphead, dem spielgewordenen Dreißiger-Jahre-Disney-Cartoon, warten unzählige charmante, kleine Titel darauf, entdeckt zu werden. Nachdem es anfangs so schien, wie wenn Sony die Indies für sich gewonnen hätte, halten sich die beiden großen Hersteller nun so ziemlich die Waage.

HoloLens: Microsoft lässt träumen. Es gab zwar nur Minecraft zu sehen, aber das Gezeigte war dafür umso spektakulärer. Eine ganz neue Art mit einem Spiel zu interagieren. In einem Moment schaut man jemandem über einen Hologramm-Bildschirm an der Hauswand zu und im nächsten Moment ist die Minecraft-Welt auf dem Küchentisch und man integriert mit ihr wie ein Gott. HoloLens hat das Potenzial, die größte Innovation für Videospiele seit Online zu sein. Aber natürlich ist Vorsicht geboten, denn genau die gleichen Gedanken erweckte damals auch Project Natal mit der Milo-Demo. Und wir alle wissen, wie das endete.

Xbox One und PC rücken näher zusammen: Man wird zwar Windows 10 brauchen, aber wenn jemand das kostenlose Betriebssystemupgrade auf seiner Windows-Maschine installiert, kriegt die Xbox One ein paar heiße, neue Features. Streaming auf den Heim-PC; um zum Beispiel im Schlafzimmer oder auf dem Tablet weiterzuzocken und die Unterstützung für mehrere VR-Brillen, wie Oculus Rift und Valve VR, die man dann für seine Xbox-One-Spiele nutzen kann, klingt doch sehr vielversprechend. Und nicht zuletzt landen nun Features, die sonst eigentlich dem PC versprochen waren, endlich auch auf Konsole. Dass alle PC-Mods für Fallout 4 auch auf der Xbox-Version laufen sollen ist eine große Ankündigung.

Das Winter-Lineup: Halo 5, Forza 6, Rise of the Tomb Raider, Gears of War Ultimate Edition sind nur die vier größten Namen in einem vollgepackten Spieleangebot für die Weihnachtssaison. Und dazu kommen natürlich noch unzählige kleinere Titel und das, was die Dritthersteller aufbieten.

Das Mäßige

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Die Zugpferde: Halo 5: Guardian in diesem Jahr und Gears of War 4 im nächsten sind Microsofts große Zugpferde für das Weihnachtsgeschäft. Die Spiele, die einem die Konsole ins Wohnzimmer stellen und bei denen eigentlich nur noch die Frage lautet, wie viele Millionen Mal sie sich verkaufen werden. Entsprechend hatten die zwei Gameplay-Trailer vor allem was von "Ihr kauft es doch eh!" Das, was man sah, war eigentlich nur die Bestätigung, dass hier das geboten wird, was immer geboten wird. Es sah nett aus, aber richtige Hype-Momente blieb man schuldig.

Kein Call of Duty: Lange Jahre war die Xbox synonym mit Call of Duty und bei eigentlich jeder E3-Pressekonferenz war der Activision-Slot fester Bestandteil, wo es eben ein bisschen vorgespieltes Gameplay gab inklusive der obligatorischen Ankündigung, dass der DLC zeitexklusiv sein würde. Daher ist die Abwesenheit dieses Jahr durchaus überraschend. Hat Sony hier dieses Mal den besseren Deal geboten oder verzichten beide Hersteller darauf, sich zu fest mit dem Großpublisher zu verzahnen?

Xbox One Game Preview: Early Access für die Konsole, wer braucht das? Schon auf Steam ist dieses Modell stark umstritten und halbfertige Software auf eine Konsole zu packen, klingt nach einer gefährlichen Kombination. Was passiert, wenn ein Entwickler die Lust verliert? Oder ein schwerer Bug auftaucht und das Spiel plötzlich Tage oder Wochen unbrauchbar ist? Viele Probleme, die man auf dem PC noch irgendwie vielleicht mit Workarounds beheben kann, werden Konsolenspieler kaum umgehen können. Zumindest hat Microsoft aber aus einem großen Problem gelernt: es wird für jedes Spiel im Game-Preview-Programm eine kostenlose Testversion geben, damit man reinschnuppern kann.

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Xbox One Elite Controller: Beim DPad waren wir vor ein paar Jahren sehr angetan vom Mad Catz MLG Pro Circuit, einem Controller mit sehr vielen Personalisierungsmöglichkeiten. Im Grunde wirkt der Xbox One Elite Controller wie eine Kopie mit noch ein paar mehr Möglichkeiten. Auch hier kann man zum Beispiel die Sticks tauschen, aber auch die Präzision von Sticks und Triggern haargenau einstellen. Für den normalen Spieler sicherlich Overkill, aber die eSports-Gemeinde und alle Hardcore Gamer dürfen sich freuen. Allerdings nicht zum veranschlagten UVP, der momentan bei prallen 150 US-Dollar liegt. Da war selbst der Mad-Catz-Controller mit 100 Euro anständig.

Das Schlechte

Third Party Games: Fühlen sich oft auf so einer Hersteller-Konferenz wie Lückenfüller an, wenn es nicht gerade Weltpremieren sind oder vormals exklusive Titel. So auch hier: The Division oder Rainbow Six Siege zum xten Mal hätte es nicht gebraucht. Vor allem, wenn dann am Ende so Mega-Ankündigungen folgen wie "exklusive Beta". Wow.

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CGI-Trailer: Ja, noch immer tendieren Hersteller dazu, uns nichtssagende Trailer hinzuklatschen. Manchmal kann man damit guten Hype erzeugen, wie man bei Dead Island vor einigen Jahren sah, aber meistens ist das einfach nur langweilig. Auch dieses Mal wurden sicher zehn bis zwanzig Minuten Zeit verschwendet mit Videos, die uns nicht viel mehr gesagt haben außer, dass irgendein Spiel kommt.

Keine neuen Triple-A-Kracher: Eine ganz große Neuankündigung blieb Microsoft schuldig. Die Spiele, die präsentiert wurden, wie Recore und Gigantic, wirken zwar frisch, aber schreien eben auch nicht danach, dass sie das nächste große Ding werden. Und die Triple-A-Titel, die man schon im Feuer hat, wie Scalebound und Quantum Break, werden erst auf der Gamescom näher gezeigt. Einerseits positiv, dass Microsoft noch nicht sein ganzes Pulver verschossen hat, aber auch schade, dass man so viel zurückhält.

Fazit

Microsoft hat dieses Jahr gut vorgelegt, alleine schon, weil es ein paar echte Überraschungen gab und HoloLens, von allen VR-Systemen, wie das wirkt, welches am besten für Videospiele geeignet ist. Gleichzeitig ist es sehr interessant zu bemerken, wie die Xbox One sich am PC-Markt orientiert. Fallout 4 wird es erlauben, PC-Mods auch auf der Xbox One zu nutzen. Es lassen sich Xbox-One-Spiele auf jeden Windows-10-PC streamen, um sie so zu spielen – oder um zum Beispiel Oculus Rift zu nutzen. Ein bisschen verschwimmt die Grenze zwischen Konsole und Computer, was sicherlich von Microsoft beabsichtigt ist. Allerdings ist dieser Grenzverlust auch gleichzeitig das Tor zu großem Potenzial, und Microsoft hat da einige interessante Ideen in petto.

Was die Spiele angeht, hat Microsoft einige Titel gezeigt, die man nicht unbedingt direkt zu den Redmondern zuordnen würde, gepaart mit den üblichen Fortsetzungen. Für 2015 sieht das Spielelineup zumindest stark aus, auch wenn die große, neue Franchise bisher ausblieb. Dafür gab es aber mit der Abwärtskompatibilität eine riesengroße Überraschung, die Sony etwas Druck machen wird. Noch immer gibt es Millionen von Xbox-360-Besitzern, die keine der neuen Konsolen im Haus stehen haben. Unter diesen Aspekten wirkt die One wie die bessere Wahl. Microsoft hat zwar keine überragende, aber eine grundsolide Konferenz mit einigen Höhepunkten und wenigen Tiefen abgeliefert. Jetzt ist Sony gefragt. Haris

Kommentare

Ben
18. Juni 2015 um 11:34 Uhr (#1)
Ich glaube, dass die HoloLense wegweisend sein wird - nicht nur für Gaming. Ich sehe da mehr Potential als bei VR-Brillen.
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Xbox One
Plattform - Nachfolger der Xbox 360 von Microsoft. Angekündigt am 21. Mai 2013, ist die Heimkonsole am 22. November 2013 in Deutschland und weiten teilen Eruopas erschienen.

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