Pool Nation

(Artikel)
Rian Voß, 03. Dezember 2012

Pool Nation

Queues und Kugeln mit Stil

Billardspiele schleichen sich immer mal wieder auf PC- und Konsolen. Die meisten sind... okay? Ich meine: Was kann man mit Billardspielen falsch machen? Die eigentlich wichtige Frage ist aber eigentlich: Was kann man mit Billardspielen richtiger machen? Pool Nation von Mastertronic und Cherry Pop Games versucht mit cooler Grafik, einer intuitiven Steuerung und ein paar ziemlich unterhaltsamen Spielmodi das bisschen Mehr herauszuholen.

Die Räumlichkeiten und das Interface von Pool Nation präsentiert sich erst einmal sehr glatt und hochgradig stilisiert: Die Matches finden allesamt in neo-futuristischen Locations oder exklusiven Clubs statt, die speziell für diese Ereignisse anscheinend vollkommen leergeräumt worden sind. Aus den Boxen dringt gediegene Electro- oder Lounge-Musik, ab und zu auch mal ein Stück auf dem Piano. Die ersten Lieder wiederholen sich leider irgendwann merkbar oft, aber glücklicherweise kommen immer mal wieder neue dazu. Eine dreckige Bar oder den billigen Plastik-Heimtisch sucht man genauso vergeblich wie menschliche Spielermodelle oder einen wachsenden Zuschauerpulk - eigens die freispielbaren Spielerportraits haben noch etwas Alltägliches an sich; vor allem, weil der Kurzbeschreibungen teilweise ziemlich ulkig sind.

The Dark Destroyer
The world needs a hero, unfortunately that hero is busy playing pool.

Insgesamt ist das Drumherum des Billard-Tischs zwar durchaus hübsch und könnte so auch in Katalogen für Innenarchitekten vorkommen, allerdings sieht man davon kaum etwas in der üblichen Draufsicht. Immerhin kann man auch Dekorationen an Queue, Tisch und dem Ballset vornehmen, wenn man diese denn vorher freigespielt hat. Leider beeinträchtigen die weißen Decals manchmal ein wenig die helle Zielhilfe und einige Kugeln machen das ohnehin schon schwierige Ablesen der Zahlen vollkommen unmöglich.


Mit dem Singleplayer-Modus von Pool Nation hat man bereits eine ganze Weile zu tun: 298 Matches erwarten einen insgesamt auf 8-Ball- und der 9-Ball-Tour. Die KI macht einem dabei den Einstieg erst einmal ziemlich leicht - die ersten sechzig Konfrontationen kommt man noch gut durch und man findet nach dem abgeschlossenen Tutorial viele Situationen, in denen man seine erlernten Tricks zum Einsatz bringen kann. Die Kontrahenten haben hier noch immer mindestens zwei oder drei Patzer vorprogrammiert, so dass man nach einem Fehler nicht sofort eine seiner kostbaren Schusswiederholungen verbrauchen muss.
Die Steuerung ist sehr komfortabel und tut ihr Möglichstes, uns das genaue Zielen zu erleichtern: Nicht nur lassen sich Winkel des Queue, gewünschter Spin und Schlagstärke ein- und sogar feststellen, sondern man kann auch den Feintuning-Modus einschalten, um kleinschrittiger zu korrigieren. Die sehr übersichtliche und schnell ins Blut übergehende Steuerung und die akkurate Ballphysik geben einem dabei die Werkzeuge in die Hand, um alle möglichen Kunststücke auszuführen, bei denen selbst die Meister blass werden. Spiele über drei Banden? Lachhaft! Die weiße Kugel über zwei Bälle mit Backspin hüpfen lassen, so dass sie auf der Stelle Kehrt macht, einen Bogen schlägt und dem Ziel in den Rücken fällt? Kein Problem! Den Ball auf den Hartholz-Rahmen des Tisches springen lassen, so dass er in einem scharfen Winkel abprallt und dann seinen Weg fortsetzt? Bitteschön! Die Eingabe ist sogar irgendwann gefühlt zu einfach, so dass sich jeder Schlag, der nicht mit dem Kommentar "SKILL SHOT!" belohnt wird, wie ein Fehlschlag anfühlt.

Das führt dazu, dass die erste Hälfte einer Tour irgendwann so einfach wird, dass man alle seine Zielbälle gerne in einer Serie einlocht und der Gegner überhaupt nicht zum Zug kommt. Glücklicherweise gibt es pro Spiel Nebenaufgaben, die man erfüllen kann, um Bonusmatches mit speziellen Regeln freizuschalten. Hier wird's erst richtig lustig: In Killer haben etwa die Spieler drei Leben, schießen abwechselnd und verlieren immer ein Leben, wenn sie keinen Ball versenken. In Rotation muss man den Ball mit der niedrigsten Zahl zuerst treffen, allerdings kann man jede beliebige Kugel versenken, für die es dann auch Punkte gibt. Speed ist ein Kampf gegen die Zeit, in der die Spieler so schnell wie möglich den Tisch leerräumen wollen. 3 Ball ist der Trickschuss-Wettbewerb, in dem man drei Bälle mit so wenig Schüssen wie möglich in die Bunker bringen muss. In Golf bekommt jeder Spieler einen Ball zugewiesen, der in ein bestimmtes Pocket muss. Und in Straight bekommt man Punkte, wenn man einen angesagten Ball in ein angesagtes Ziel bringt.
Von all diesen Spezialmodi war für mich Straight wohl der ödeste. Das Match dauert ewig (1 Kugel = 1 Punkt, Spiel geht bis 30), man darf nicht mit einem Trickschuss oder über Bande beginnen, weil sonst keine Kugel automatisch ausgewählt wird, und man darf das Ziel auch nicht eigenmächtig bestimmen. Immerhin darf man auch andere Kugeln einlochen, aber nur, wenn man die markierte Kugel nach Hause bringt. Jedenfalls ist diese Variante so stumpf und trocken, die kann nur von einem Engländer entwickelt worden sein.
Der König der neuen Spielmodi, und worauf die Entwickler wohl am stolzesten waren, ist aber wohl Endurance. Endurance ist ein Survival-Modus, bei dem ständig neue Kugeln aufs Feld kommen. Ist das Limit von 24 erreicht, ist das Spiel vorbei. Allerdings kann man durch eingelochte Kugeln, Serien und Trickschüsse die Drop Stop-Anzeige auffüllen, mit der man kurzzeitig den Einsatz neuer Kugeln aufhalten kann, um sich ein wenig Freiraum zu verschaffen. Wenn man von den Tournieren genug hat, kann man hier auf jeden Fall noch wesentlich mehr Zeit und Nerven hineinstecke, denn der Modus ist hart - ich konnte mit Müh und Not die 4 Minuten knacken; das letzte Achievement gibt es für 20.


Hat man die Hälfte einer Tour hinter sich, wird man plötzlich hart gefickt. Wo man vor kurzem noch den Gegner nicht zum Zuge hat kommen lassen, darf man nach einem Fehler plötzlich selbst dabei zugucken, wie er eine nach der anderen rein macht. Oft ist das natürlich die Folge auf einen eigenen Fehler, aber wenn man "Gewinne zwei von drei Runden" spielt, ist es schon etwas dreist, wenn der Computer die dritte Runde per default gewinnt - vor allem, wenn es nur um den mittleren KI-Schwierigkeitsgrad geht. Da wird das freudige Gejubel der ersten Minuten, wenn man einen Kugel tatsächlich um eine Bande herum ins Loch bekommen hat, vollkommen durch Gestöhne ersetzt, wenn man dämlich den fünffachen Kombotreffer mit zwei Sprüngen und drei Salti versiebt, den man machen musste, weil der Penner von Gegner ganz nebenbei ALLE Kugeln in eine vollkommen unspielbare Position gebracht hat. Brrr.

Billard sollte man aber natürlich nicht alleine Spielen - außer zum Üben. Deswegen hat Pool Nation einen lokalen und einen Online-Versus-Modus. Hier kann man die meisten der tollen Spielmodi (Golf und Speed fallen weg) sowie 8- und 9-Ball als Turnier auswählen. Allerdings vermisse ich doch recht schmerzlich eine 4-Spieler-Option - sei es gegeneinander oder im Team. Findet man online einen Gegner (da ist je nach Tageszeit mehr oder weniger Betrieb), kann man den Grad der Zielhilfe einstellen und auch beim Gegner einsehen. Wenn der Gegner mit Novice spielt, kann man sich schon mal auf bizarre Trickschüsse einstellen. Das Onlinespiel insgesamt läuft sehr flüssig. Man kann den Gegnern beim Zielen zuschauen oder ein bisschen durch die Gegend wandern und das Panorama genießen.

Pool Nation ist ein Billardspiel, das rein technisch alles richtig macht: Es gibt eine Fülle an Spielmodi, eine hervorragende Steuerung mit einer guten Zielhilfe und einen riesigen Karrieremodus. Wünschenswerte Änderungen finden sich eigentlich nur in der aalglatten, relativ unpersönlichen Präsentation - wenn man nicht auf so was steht, und dem fehlenden Multiplayer für mehr als zwei Personen. Lokal kann man sich mit den Controllern ja immerhin abwechseln. Rian

Kommentare

PoolGamer
31. August 2013 um 17:06 Uhr (#1)
[b][/b] I Love Pool
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27. April 2024 um 22:35 Uhr
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Spiele des Artikels

RELEASE
31. Oktober 2012
PLATTFORM
Xbox 360
Plattform

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