Total War: Attila im Test

(Artikel)
Adrian Knapik, 15. März 2015

Total War: Attila im Test

Mein Kopf brennt

Was für ein Spiel stellt man sich als kompletter Serienneuling bei Total War: Attila vor? Als erstes denkt man natürlich an Attila den Hunnen, der vor langer Zeit Europa in ein riesiges Kriegsgebiet verwandelt hat. Irgendwie scheint die Total-War-Serie ja dann hervorragend dazu zu passen. Da kommen mir natürlich lauter epische Schlachten mit Tausenden von Menschen in den Sinn, die schreiend aufeinander zulaufen – und nichts anderes. Natürlich ist mir Total War nicht vollkommen neu, trotzdem ist Attila der erste Teil der Reihe, mit dem ich mich tiefer beschäftige, weshalb dieser Test durchaus aus der Sicht eines Quereinsteigers zu lesen ist.

Zeitfresser
Die erste Überraschung erfolgte sofort nach dem Start der Kampagne. Man wird auf eine Karte geworfen, auf der man eine Übersicht über all seine Städte, Dörfer, Provinzen und Einheiten hat. Anfangs nicht ganz verwunderlich, doch was ich dann sehe, lässt mich erst mal stutzig werden. Unten rechts findet sich eine Schaltfläche, auf der "Runde beenden" steht. Aber Runden-Strategie ist wirklich das, was ich am wenigsten bei Total War: Attila erwartet hätte. Über dieses Menü kontrolliert der Spieler alles, was kein glorreiches Gefecht ist. Das System ähnelt sehr stark dem diverser Civilization-Teile: es gibt Gebäude und Verbesserungen für Dörfer, mit denen man Nahrung, öffentliche Ordnung und Geld generiert. Mit einem großen Forschungsbaum kann man außerdem zivile und militärische Technologie fördern. All diese Dinge brauchen dann dementsprechend ihre paar Runden Zeit, um fertiggestellt zu werden.

twa_hauptkarteZwischen den Schlachten auf der Hauptkarte.

Aber so oberflächlich das klingt - auch Dinge wie Steuern und Handel muss der Spieler regulieren, um auf Dauer erfolgreich sein zu können. Wenn ein eigenes Dorf eine Ressource vorrätig hat, ist man in der Lage mit anderen Zivilisationen Handel zu führen, wodurch beide Vorteile erhalten. Nebenbei muss man auch dafür sorgen, dass jeder Provinz eine Führungsperson vorsteht, die mit persönlichen Fähigkeiten Werte wie die öffentliche Ordnung anhebt und die Stimmung des Volkes verbessert. Außerdem kann man hier auch seine Armeen erstellen und vergrößern, mit denen man dann in den Krieg zieht, um weitere Ortschaften zu erobern oder um die eigenen Ländereien zu verteidigen. Da dies auch an das Rundensystem gekoppelt ist, dauert die Produktion von vielen Einheiten eine ganze Weile. Alle Armeen und Anführer besitzen ihren eigenen Entwicklungsbaum, in dem man weitere Fähigkeiten durch Erfahrungspunkte freischalten kann. Wenn man das alles zusammenzählt, entsteht ein Micro-Management-Gefüge, das man selten zu Gesicht bekommt.

Neben dem ganzen Micromanagen bekommt man in den ersten Stunden der Kampagne so viele Informationen über die Spielmechaniken zugeschoben, dass es unmöglich ist, sich alle Funktionen und Mechanismen in ihren Einzelheiten zu merken. Der Spieler muss sich hier mit Stift und Papier ran setzen und fleißig mitnotieren, was einem der Berater zuflüstert. Ich für meinen Teil habe alles auf mich niederrieseln lassen und habe jetzt das Gefühl, dass ich das ganze Spektakel eigentlich noch einmal durchlaufen müsste, um überhaupt mehr als die Hälfte davon zu verstehen. Außerdem prahlt der Hauptbildschirm der Kampagne nicht gerade mit Übersichtlichkeit. Das Interface erscheint an vielen Stellen sehr vollgestopft und ist oftmals so verschachtelt, dass ich eigentlich immer nur wild durch die Gegend klicke und hoffe, in das Untermenü zu kommen, welches ich sehen will. Viele Schaltflächen bestehen auch nur aus kleinen Bildchen, was die Sache leider nicht verständlicher werden. So muss ich oft meinen Mauszeiger über die Schaltflächen halten, damit mir weitere Informationen angezeigt werden, damit ich überhaupt weiß, was ich unter den verschiedenen Punkten zu erwarten habe.

twa_interfaceUnübersichtlichkeit der Extraklasse: die Menüs sind nicht gerade ein Meisterwerk.

Und... Action!
Wenn man es dann geschafft hat, eine Runde zu überstehen, ohne dass das Volk unter Hungersnot leidet und die Fähigkeiten von seinen zwanzig Armeen und Anführern erweitert hat, darf man in die nächste Runde gehen. Dann beginnen die Gegner mit ihren Zügen und ehe man sich versieht, steht eine Armee von Hunnen mit Speeren und Kavallerie vor der Haustür. Da hat man gerade noch dafür gesorgt, dass der heimische Bauernhof auch genug Brot für das Volk herstellt und jetzt muss man diesen mit Waffengewalt verteidigen. Vor einer Schlacht findet man sich in einer Übersicht wieder, in der die Armeegrößen beider Parteien miteinander verglichen werden. Wenn man gerade keine Lust hat, kann man jede Schlacht auch vom Computer simulieren lassen, wobei hier alle Raffinessen von Taktik, die man selbst anwenden würde, nicht angewendet werden. Wenn man zu feige ist, hat man auch die Möglichkeit, die weiße Fahne zu schwingen und den Weg ohne Schlacht freizumachen, wobei die Armee dann ohne Verluste heimkehrt - nur alles jenseits der neuen Front ist dann dem Boden gleichgemacht.

In einer Schlacht lässt Total War: Attila seine Muskeln spielen. Die Grafik sieht durchaus schön aus, Texturen sind scharf und die Landschaften sind nicht einfach nur grüne Berge, sondern da wächst auch ausreichend Vegetation. Der Heim-PC muss gut bis hervorragend ausgerüstet sein, um auf den höchsten Einstellungen spielen zu können. Wenn dann jeweils 2000 Mann brüllend aufeinander zu rennen, kommt eine unfassbar glaubwürdige Atmosphäre auf. Der einzige Gedanke, der einem dann selbst durch den Kopf jagt, ist: "Macht sie platt!" Und sobald die Armeen aufeinandertreffen, geht das Spektakel erst richtig los. Es entsteht ein riesiger Pulk aus Menschen, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen und ab dem Moment ist Rückzug keine Option mehr. Einheiten, die aktuell im Kampf sind, kann man schlecht bis gar nicht wieder aus der Masse heraus kommandieren, da sie entweder umringt von Gegnern sind, oder im Kampfrausch schlichtweg nicht auf den Befehl hören. Umso wichtiger ist es, sich vor dem Kampf eine richtige Taktik auszudenken, um nicht als lebloses Stück Fleisch auf dem Boden zu enden.

twa_nahansichtWenn man mag, kann man die Schlacht auch von Nahem verfolgen.

Köpfchen ist gefragt
Genau aus diesem Grund ist das Spiel zu Beginn pausiert und man hat die Möglichkeit, alle eigenen Einheiten auf der Karte zu verschieben. Als Angreifer kann man dies in einem bestimmten Radius um die angreifende Stadt machen, als Verteidiger innerhalb der Stadtmauern und kurz außerhalb. Man kann also nicht einfach beide Armeen vor dem Spiel direkt voreinander stellen und auf das Beste hoffen. Total War: Attila bietet zudem noch einige Verteidigungsanlagen, wie Türme, die die Stadtmauern schützen und unter denen die eigenen Einheiten besser kämpfen können, oder Wälder, in denen man Einheiten vor den Blicken blutgieriger Feinde schützen kann, um dann aus dem Hinterhalt anzugreifen. Ebenso werden vorteilhafte Positionen berücksichtigt: so kämpfen Einheiten, die weiter bergauf stehen, effektiver und stärker.

Nach einigen Versuchen, einfach eine Horde von Kriegern aufeinander klatschen zu lassen, habe ich auch eingesehen, dass das wohl nicht die effektivste Methode ist, einen Krieg zu führen - wenn auch die beeindruckendste. Wenn man erfolgreich sein möchte, bringt es auch nichts, einfach zwanzig Schwertkämpfer zu kaufen, man muss auch auf Bogenschützen und Kavallerie zurückgreifen. Jede Einheit besitzt ihre Vor- und Nachteile. Wenn man diese aber klug zu benutzen weiß, kann man die meisten Nachteile wieder ausschalten. So ist man beispielsweise selbst Schuld, wenn man seine Kavallerie in den Kampf gegen Speerkämpfer schickt und plötzlich eine riesige Lache aus Blut vor sich hat. Aber auch die Gegner versuchen recht schlau zu agieren und flankieren gut und gerne mal. Total War: Attila ist alles andere als leicht. Um auf die Dauer erfolgreich zu sein, muss man die Möglichkeiten, die einem das Spiel gibt, auf jeden Fall ausnutzen und auch in der Lage sein, einen Krieg an mehreren Fronten zu führen.

Natürlich ist auch ein Multiplayer mit an Bord. Hier hat man die Wahl zwischen einer Kampagne mit einem weiteren Mitspieler und einem normalen Gefecht, in dem man alle Einstellungen selbst vornehmen kann. Die Kampagne besteht genau so wie das Einzelspieler-Pendant aus einer Mischung aus Runden-System und Echtzeit-Strategie. Beide Spieler können ihr Volk vor dem Start auswählen, dazu die Schwierigkeit wählen und los geht's. Wenn man nur ein normales Gefecht gegeneinander spielen möchte, kann man eine Karte aussuchen und auch die verfügbaren Einheiten, aus denen sich die Rivalen dann mit einem bestimmten Budget ihre Armee zusammenstellen können. Wer möchte, kann noch Dinge wie die Jahreszeit oder das Wetter modifizieren und wenn man es mal eilig hat, ist auch ein Timer möglich. Hier können acht Spieler gegeneinander kämpfen, wobei es jeweils maximal vier Angreifer und Verteidiger gegen kann.

twa_schlachtUngünstig: Um in die Stadt zu kommen, muss eine ganze Armee durch das enge Tor, welches auch noch bergauf liegt.

Attila ist ein Zeitfresser, und dennoch hat man das Gefühl, dass die Stunden viel zu schnell vergehen. Gerade wenn man in einer Schlacht mit der Kamera von einem Schauplatz zum anderen springt, damit die eigene Armee nicht dem Gegner ausgeliefert ist, wünscht man sich oft gerne mal etwas Bonuszeit. Passt man einen Moment lang nicht auf, ist der Bogenschütze, der gerade noch den Schwertkämpfern an der Front Rückendeckung gegeben hat, selbst mitten im Gefecht. Und gerade das ist der Reiz an Total War. Die Schnelllebigkeit und die taktische Herausforderung stellen immer wieder neue Aufgaben an den Spieler, der ständig mit neuen Situationen konfrontiert wird. Ein schwarzes Schaf ist eindeutig die Masse an Micro-Management, die man zwischen den Schlachten bedienen muss. Damit meine ich nicht unbedingt den Dorfausbau, sondern eher das Verteilen von Fähigkeiten verbunden mit den unglaublich unübersichtlichen Menüs. Wenn man hier aber etwas Routine drin hat und sich durchkämpft, hat man es mit einem hervorragenden Strategietitel zu tun. Adrian

Total War: Attila wurde auf dem PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von Sega zur Verfügung gestellt.

Total War: Attila

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Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
17. Februar 2015
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