Torchlight

(Artikel)
Rian Voß, 06. Juli 2010

Torchlight

Diablo ohne Multiplayer

Ein Spiel kann viele Eigenheiten haben, die bereits den Kauf dieser Entwicklung unattraktiv machen, andererseits das Spiel an sich in keinster Weise verschlechtern: Merkwürdige Kameraperspektiven, ein komischer Name, schlechte Verpackung, fehlender Multiplayer - die Liste geht weiter. Ein richtiger Genickbruch ist es aber meistens vor allem dann, wenn der Titel anscheinend eigentlich keine Daseinsberechtigung hat. Ich hatte auch Zweifel, ob ich das Hack 'n' Slay Torchlight von Runic Games wirklich brauchen würde, schließlich habe ich Diablo gespielt und war nie ein wirklicher Fan geworden, aber zum Glück hat sich die bunte Klick-Action dann doch als positive Erfahrung entpuppt.


Torchlight wurde von ehemaligen Mitgliedern von Blizzard North und Flagship (ebenfalls ehemalige Mitarbeiter von Blizzard) innerhalb von 11 Monaten entwickelt - klar, die Leutchen kennen das Spielprinzip zu Genüge. Und viele kreative Konzepte haben die Herren und Damen auch nicht auf die Basis des Totklickens geklatscht: Man wählt einen von drei möglichen Helden (Berserker, Vanquisher und Alchemist als die bekannten Klassen Kämpfer, Amazone und Zauberer) und erreicht die Stadt Torchlight, unter der sich ein ganzes Labyrinth aus Tunneln, Ruinen und Minen von Moria tummelt. In diesen dunklen Hallen haben sich natürlich sehr viele Monster und Dämonen von stetig aufsteigendem Schwierigkeitsgrad versteckt und die könnten da auch gerne bleiben, wenn es nicht das Ember gäbe: Eine Art Kristall der Macht, welcher für verschiedene magische Zwecke unglaublich wichtig ist, allerdings auch mit der möglichen Korruption des Anwenders einhergeht. Als Hauptcharakter verfolgt man dann halt irgendsoeinen Kerl, der der Verderbtheit anheim fiel und der am Anfang eines jeden Kapitels in Auszügen seines Journals seine verzweifelte Suche nach Heilung beschreibt und den wir dann am Ende wahrscheinlich als Boss killen dürfen. So weit so normal.

Und hier sind unsere Recken!

Vom Gameplay her wird es leider auch nicht viel orgineller: Linksklick für Standardattacke, um ein Monster totzuhauen/-schießen, Rechtsklick für die aktive Spezialfähigkeit, dazu dann noch verschiedene Hotkeys für verschiedene Fähigkeiten. Das Erringen von neuen Fertigkeiten und Attributpunkten läuft wie gewohnt über das Aufsteigen in Leveln durch Erfahrungspunkte (also durch Monsterbashen oder das Erfüllen von "Gehe dorthin und töte dieses Monster"- bzw. "Gehe dorthin und hole mir diesen Gegenstand"-Quests), allerdings bekommt man auch sogenannten Fame durch einige Quests oder das Schlachten von Monstern, die zwar einen Namen, aber keine Plotrelevanz haben. Erreicht man eine neue Stufe der Bekanntheit, dann darf man leider keine Attributpunkte verteilen, dafür aber einen Skillpunkt. Diese Skillpunkte landen auf einer Art Fertigkeitenbaum, der aber bei weitem nicht so viel taktische Punkteverteilung verlangt wie das diabolische Vorbild: Alle fünf Level werden neue Skills freigeschaltet und man kann seine Punkte dann nach Belieben verteilen. Aber Vorsicht: Reskillen ist nicht möglich!
Außerdem findet man natürlich ganz viel magische Ausrüstung unterschiedlicher Seltenheitsgrade, von verzaubert über rare und unique bis zum Set, in die man dann auch Edelsteine (welche sich kombinieren lassen) einsetzen kann.

Beste. Amazone. Ever.

Das alles kommt einem jetzt schrecklich vertraut vor, fast schon so dass sich die Frage stelle: "Ist Torchlight WIRKLICH so von Diablo kopiert?" Die Antwort ist ja. Zumindest im Kern und auch an einigen oberflächlichen Dingen. Die Ähnlichkeiten gehen so weit, dass die Entwickler wahrscheinlich schon scherzhafterweise eine Art internen Wettbewerb gehalten haben, wer mit welchem Feature den härtesten Borderline-Plagiat-Effekt beim Spieler erzeugt. Für mich persönlich war der Vogel bereits in den ersten paar Sekunden nach dem Ankommen in Torchlight abgeschossen, als ich doch schwer überlegen musste, ob die Stadt-Musik nun nur so ähnlich klingt oder wirklich eins zu eins aus der Stadt des ersten Diablo, Tristram, abgegriffen wurde. Das kann mir niemand als Zufall verkaufen!

Nicht nur das, auch scheint Runic Games in irgendeiner Weise der Wahnsinn umkrallt zu haben insofern, dass Torchlight keinen Multiplayer besitzt. Gar keinen. Man kann Items zwischen den eigenen Charakteren über eine Kiste tauschen, aber da wirken im Vergleich ja sogar Selbstgespräche wie eine Party. Nein, nein, nein. Was haben die sich nur dabei gedacht? Das ist doch alles kopiert und doof und nicht originell und dann nicht mal einen Multiplayer einbauen, bei dem sich man mit Freunden oder Fremden stundenlang schweigend durch Dungeons schnetzelt (abgesehen von einem "HLP" hier und da, wenn man als Magier von brennenden, paralysierenden Zombies umkreist wurde) und kein illegales PVP und kein Sammeln von Ohren? Das ist doch Müll oder nicht? Oder wie?

Ding!

Ja, eben nicht. Bei allem was Torchlight mit Diablo verbindet, ist es doch offensichtlich, dass Atmosphäre und Zielgruppe eine ganz andere sind. Beginnend bei der Grafik: Wir wissen ja inzwischen, dass Diablo III vom dunklen Stil der Serie abweicht und ein bisschen farbenfroher wird, was jedoch bei weitem noch nicht so bunt und comichaft daherkommt wie Torchlight. Die Umgebungen haben nichts Bedrohliches, sind aber doch ganz ansehnlich und für ein Hack 'n' Slay zumindest einigermaßen abwechslungsreich. Der Stil spiegelt sich auch im Schwierigkeitsgrad wider: Ich habe als Figur den Alchemisten gewählt und stark auf Beschwörung geskillt. Meine Monster laufen schon immer voraus und töten alles, bevor ich überhaupt die Zeit habe, eine Eisbombe zu werfen - das grenzt schon an Erbärmlichkeit für Charakter! Würden sich die Goblins, der Golem und mein Hund gegen mich auflehnen, könnten die mir locker den Hintern versohlen... Oh, Haustier!


Zu Beginn des Spiels kann man sich aussuchen, ob man einen Hund oder eine Katze als Begleiter möchte. Diese Tiere mischen ordentlich im Kampfgeschehen mit und können nicht sterben, laufen bei zu viel Schaden allerdings weg und kommen dann irgendwann wieder. Zudem kann man sie mit Ringen und Amuletten ausrüsten und ihnen Zaubersprüche beibringen - mein Hund Rasputin kann etwa Zombies beschwören, was einfach nur AWESOME ist! Doch das Beste kommt erst noch: Die Tiere haben ihr eigenes Inventar. Ist meines voll, kann ich alle Gegenstände, die ich nicht mehr brauche, meinem Hund in die Tasche stopfen und ihn dann zum Verkaufen in die Stadt schicken, während ich weiter dungeoncrawle. Je nach Pet-Skill kommt das Tier dann in Sekunden oder in knapp unter zwei Minuten zurück mit einem Arsch voll Gold! Sehr angenehm für den Spieler, nicht immer nach Torchlight zurücklaufen zu müssen, das hält den Flow am Laufen.
A propos Flow: Es gibt zwar keine Speicheroption, aber man kann das Spiel jederzeit abbrechen und an exakt derselben Stelle wieder einsteigen, was es sehr einfach macht, nur mal eine Viertel- oder halbe Stunde zu zocken. Würde es keine Ladezeiten geben, wäre die Rein-/Rausspring-Erfahrung komplett.


In diesem Sinne der Einfachheit, so interpretiere ich das, wurde auch der Multiplayer-Modus wegrationalisiert. Meiner Meinung nach hat mir nämlich gerade der den Spaß an Diablo verdorben, der gibt dem Spiel nämlich einen ganz anderen Beigeschmack als das fortwährende Jagen und Sammeln: Wettbewerb. Bei Diablo zwingt einen das Spiel, sobald man jemanden kennt, der auch Diablo spielt, subtil dazu, immer weiter zu machen, weil man ja seinen Charakter nicht verkommen lassen will und immer noch bessere Objekte finden möchte. Es ist ein bisschen wie das Farmville-Phänomen: Eigentlich ist das Spiel nicht gut oder interessant, aber wenn man seine Farm mal nicht betreut - was sollen die Leute von einem denken?! Genau so ist es mit einem Diablo-Charakter, der kein ständiges Wachstum aufweist. Da spielen dann die Freunde einmal weiter und leveln auf und dann hängt man selbst wieder zurück und muss aufholen oder sich an den Rockzipfel der Kumpel zum Leveln hängen und das ist alles nur ärgerlich und ein Druck, den ich weder brauche noch möchte. Da spiele ich doch lieber ohne in Torchlight, wo ich das pure, reine Erlebnis habe, einfach nur mal in ein Spiel reinzuhüpfen, ein paar coole Gegenstände zu finden, ab und an mal einen Level aufsteige und dann mache ich wieder Pause.

Ja, ich gebe es zu: Ich spiele ein Casual-Diablo. Verklagt mich doch! Ich habe meinen Spaß dran und ich wette, ich bin da auch nicht der einzige. Torchlight hat einen angenehmen Grafikstil, klassisches, einfaches und flüssiges Gameplay, kann auf Windows- und Mac-PCs gespielt werden und macht auf eine sehr simple Weise Freude. Da kann das Vorbild nicht gegenanstinken. Oh, und wenn ihr eine Herausforderung sucht, keine Angst: Nach dem "Normal"-Schwierigkeitsgrad gibt es noch zwei weitere UND eine Zusatzoption, die den Tod des Charakters permanent macht. Have fun! Rian

Kommentare

Rian
06. Juli 2010 um 12:40 Uhr (#1)
Es bereitet mir übrigens eine teuflische Freude, aus den Leichen von besiegten Endgegnern kleine Imps zu beschwören, gnihihihi.
AsgarZigel
12. Juli 2010 um 15:04 Uhr (#2)
Jo kann ich eigentlich vollkommen, auch wenn ich mir trotzdem nen MP gewünscht hätte. Das von dir geschriebene Phänomen ist mir eigentlich nur aus MMORPGs wie WoW bekannt (weshalb ich diese inzwischen auch meide), Diablo hab ich eh wenn dann nur im LAN mit ein paar Freunden gespielt - perfekt für ne kleine 4 Mann LAN oder so.

Aber Diablo 3 kommt ja hoffentlich bal-... wait laut Activision Blizzard ist ein LAN-Modus veraltet und kann weggelassen werden.
Fail.
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