The Bureau: XCOM Declassified

(Artikel)
Rian Voß, 16. September 2013

The Bureau: XCOM Declassified

Mass Effect mit Hüten

Mir war letzt mal wieder nach Mass Effect. Da ich jetzt aber schon alle Teile zweimal durchgespielt habe, musste ich mich nach Add-Ons umschauen. Auf dem Xbox Live Marketplace gibt es DLCs mit den tollsten Namen: The Citadel, Omega oder Leviathan. Der ulkigste hieß The Bureau: XCOM Declassified und tauscht die Rolle von Commander Shepard mit William Carter, einem MIB-Agenten der 60er-Jahre, der das Überleben der Menschheit nicht vor den Reapern, sondern vor den Outsidern sicherstellen muss.

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Wenn man nun allen Spaß beiseite räumt, bleiben doch immer noch genug Ähnlichkeiten zwischen den beiden Spielen übrig. Als William Carter, der von XCOM eingezogen wurde, nachdem ein wichtiges Alien-Artefaktes in sein Gesicht explodierte und er dadurch, wie durch ein Wunder, kaum verletzt wurde, befindet man sich immer in einer von zwei verschiedenen Situationen: An Bord der Normandy Im XCOM-Hauptquartier, wo man mittels eines Dialog-Ringmenüs mit den Kollegen der verschiedenen Abteilungen spricht und kleine Botenjobs erledigt, oder in den ausgewählten Missionen, wo man mit zwei Agenten aus einem Ringmenü Fähigkeiten auswählt und Befehle verteilt, während man hinter halbhohen Deckungen hockt und versucht, die Feinde in Third-Person-Ansicht zu flankieren. Nach etwa sieben Jahren in der Entwicklerhölle ist es doch ein wenig zweifelhaft, dass 2k Marin nun mit solch einer Fotokopie anrückt. Wahrscheinlich wollten sie einfach endlich fertig sein.

Anstatt dass man sich storygebunden neue Teammitglieder mit vielen gesprochenen Stunden an eigener Persönlichkeit anlacht und trainiert, rekrutiert man in The Bureau seine Agenten in einem Menü. Hier kann man verschiedene Basiswerte festlegen; dazu gehören eine von vier Klassen und ein Ausbildungshintergrund, der eine Zusatzfähigkeit freischaltet (Agent hält mehr aus, Agent teilt mehr aus, etc.). Danach kann man den Kerlchen noch einen Namen geben, die Farben des Tütüs ändern und fertig waren meine Unterlinge Ji Schrader und Christopher Sempf. Glücklicherweise waren die beiden keine stillen Beisitzer in den Missionen, sondern hatten ein eigenes Maul, das sie zu benutzen wussten, um lustige Dialoge freizutreten: "Hey, sollen wir uns an den Feinden vorbeischleichen?" "Ich schleiche nicht."

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Obwohl das Bureau der 60er einige Frauen angestellt hat, lässt sich keine Dame der Schöpfung ins Außenteam wählen. Würstchenfete, ahoi!
Passt man allerdings nicht auf, sind die Spaßmacher schneller weg, als einem lieb ist, denn Agenten, die im Kampf ihren Verletzungen erliegen, bleiben tot. Eine zusätzlich starke Hürde baut sich für alle Spieler auf, die sich an der voreingestellten Schwierigkeit versuchen, denn dieser knallt in den ersten Spielstunden ordentlich rein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ab Sekunde Null fast alle Gegner des gesamten Spiels in den recht umfangreichen Missionen auftauchen. Stetiger Rückzug ist gefragt, wenn man einem verschanzten Trupp grauer Aliens gegenübersitzt und sich langsam aber sicher der dick gepanzerte Arnold Schwarzenegger unter den Marsianern mit seiner Schrotflinte den Weg zu uns bahnt. Da hilft vor allem nicht die anfangs sehr knapp bemessene Munition, für die man auf Nachschubsuche dann auch mal ungeschützt durch Feld und Flur sprinten muss. Wer ein Faible für Stoßgebete hat, kann sich hier in der Hoffnung austoben, nicht vom steten Kugel- und Granatenhagel dahingefetzt zu werden. Wer zudem über keine Engelsgeduld verfügt, wird hier ein paar verblutete Agentur-Kollegen zurücklassen müssen; aber weil die dummen Säue sich sogar hinter Deckung nur allzu gerne ins Gesicht schießen lassen oder einer Granate nicht ausweichen, haben sie es auch fast schon verdient.

Sobald die ersten Stufenaufstiege gerieselt sind und neue Alienkanonen (Plasma- und Laserblaster in allen Formen und Farben) die Bühne betreten, normalisiert sich die Herausforderung aber wieder und fängt sogar an, Spaß zu machen. Tatsächlich funktioniert das taktische Kampfsystem marginal besser als bei der einstigen Vorlage, da sich besondere Fähigkeiten der Charaktere häufig besser ergänzen und gerade in Kombination für einschlägigere Effekte sorgen. Während man in Mass Effect alle paar Sekunden eine Singularität heraushaut, laden sich ausschließlich die kleinen Fähigkeiten in The Bureau schnell wieder auf, während man auf die großen gerne einmal eine geschlagene Minute warten muss. Fähigkeiten rangieren dabei von einfachen Beleidigungen, die Gegner aus der Deckung locken, über automatische MGs und Energie-Schutzwällen bis hin zu einem flächenbegrenzten Orbitalbombardement. Mit den geballten Kräften eines Alientech-geladenen Teams fällt dann auch jeder überdimensionale Paul. Und nichts ist schöner, als im letzten Moment vor dem Aus den Luftschlag als feurigen Deus Ex Machina auf einen Haufen Graulinge herabzubeschwören. Schade, dass sich die KI-Kumpel nicht highfiven lassen. Des Weiteren ist die häufig benutzte Befehlsvergabe enorm bequem und es ist fast schon gruselig, wie gut das System erraten kann, welchen Feind ich als nächstes anvisieren wollte.

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Aliens können Carter den Hut vom Kopf schießen. Unerhört! Zum Glück kann man den stilvollen Fedora wieder aufsetzen, wenn man ihn findet. Ab Mission 3 gehört er aber ohnehin nicht mehr zu Carters Kostüm. Schade.
Die Missionen sind vom Layout her sehr eng und schlauchig gestaltet, bieten also nicht viel Freiraum zum Erkunden und Entdecken - es geht immer von einer Schlacht zur nächsten. Positiv ist aber, dass selbst für Nebenmissionen keine Umgebung recycled wird und jedes neue Areal eine schöne Abwechslung zum letzten stellt. Fragwürdig ist aber, warum es überhaupt "Nebenmissionen" gibt, wenn Haupt- wie Nebenaufträge denselben Umfang und inhaltlich keine Abwechslungen vorweisen. Man darf sich zwar eine Spielreihenfolge auswählen, aber das hat keinen ersichtlichen Vorteil, so dass man über kurz oder lang einfach alles spielen wird, was die Karte zu bieten hat.
Die eigentlichen Kampfareale sind der Standard der Dinge: kleine Grabenkämpfe und asymmetrische Gefechte, in denen entweder der Gegner durch erhöhte Positionen im Vorteil ist oder umgekehrt. Nichts, was man nicht schon gesehen hat, aber immerhin greift an dieser Stelle der Charme des Settings: Bereits in der ersten regulären Story-Mission betritt man eine überfallene Kleinstadt, die während einer Parade von den Aliens verwüstet wurde. Herunterflatternde Banner, zerstörte Festwagen, gesplitterte Straßen und dazwischen flugs errichtete Alienbasen zieren das Bild. Der besondere Creepyfaktor kommt durch die Schlafwandler: Menschen wurden von den Aliens mit einer Krankheit infiziert, die veranlasst, dass ihnen schwarzer Schleim aus den Augenhöhlen läuft und sie in dieser kaputten Einöde ihrem Tagewerk weiterhin wie Zombies nachgehen. Erschreckend und beängstigend.
Auch erschreckend und beängstigend ist, dass man sich nicht ohne Wand im Rücken ducken kann. Das wird vor allem dann zu einem echten Problem, wenn man sich mit der CPU eine Deckung teilt und die Positionen wechseln möchte. Während des Vorgangs muss dann mindestens einer aufstehen und sich abknallen lassen. Man stelle sich das mal in einem echten Krieg vor.

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An keiner Stelle wird so ersichtlich, dass viele Köche den Brei verderben und hier Assets verwendet wurden, die mehrere Entwicklergenerationen überlebt haben, wie in der Grafikabteilung. Die ist nämlich ziemlich buggy. Im Test lag uns die Xbox-360-Version vor und hier sind einige Fehler: Im Menü luden Waffensymbole erst nach zehn Sekunden nach. Gesichtstexturen laden das ganze Spiel über merklich nach, manchmal erst nach einem Kamerawechsel in Dialogen. Figuren mit geskripteten Animationen glitten in Position, wenn man um die Ecke kommt. Ein Fahrstuhl war bei betreten leer, aber am Ziel angekommen war er plötzlich gefüllt mit einer Kiste, einem Typen auf der Kiste und einem Typen, der neben der Kiste rauchte. In einem Dialog mit einem UFO-Piloten sagte dieser "Hier, ich zeig dir mal was." Carter antwortete: "Cooler Trick." Zum coolen Trick selbst fehlte allerdings ein Kameraschnitt.
Die Ästhetik macht es da nicht besser: Sie ist meh. Punktuell kommen einzelne Modelle und Umgebungen gut rüber, aber es ist ein Stückwerk. Das wird vor allem auffällig, wenn man Dialoge eingehend beobachtet: Carters Gesicht ist noch ordentlich gelungen, während andere Figuren wie Mannequins ausschauen, in die Leere glotzen und ihre Lippen schmerzlich verzögert zur - deutsch wie englisch - sehr mittelmäßigen Sprachausgabe bewegen. Im Gegensatz dazu sind Randdetails recht zahlreich und entwickeln Atmosphäre, was nicht zuletzt der wundervollen G-Man-Atmosphäre und dem XCOM-Hauptquartier geschuldet ist, das sich wirklich wie eine große Basis anfühlt, in der man mitarbeitet und die gefüllt ist mit Stereotypen ihrer Zeit - Geheimagentinnen, die sich nichts sagen lassen, Afro-Amerikaner, die um Anerkennung kämpfen, der deutsche Wissenschaftler und seine fliegende Untertasse und der paranoide Geheimdienstboss. Angereichert wird das Ganze durch eine Geschichte, die einen für das recht alberne Setting mit den westentragenden Protonenpaket-Agenten tatsächlich sehr gut bei der Stange hält und vor allem zum Ende hin noch einige Überraschungen parat hält. Dazu gibt es auffindbare Notizen sowie Audiologs, die einem mehr Hintergründe offenbaren und gut aufgezogen sind. Vergessen kann man dagegen die nichtlinearen Rollenspielaspekte: Dialogentscheidungen wirken wie Spielzeug und haben keine echten Konsequenzen. Trotzdem: Wer etwas für den B-Movie-Stil Mitte des letzten Jahrhunderts übrig hat, der macht mit The Bureau nichts verkehrt.

Letzten Endes ist The Bureau: XCOM Declassified ein sehr durchschnittliches Spiel. Es verfügt über ein relativ frisches Szenario, macht aber ansonsten weder etwas Eigenes noch etwas Herausragendes. Als Fan von Mass Effect kann man The Bureau gerne eine Chance geben. Spieler aus der XCOM-Ecke werden aber eventuell nicht wissen, was sie mit dem Titel anfangen sollen. Rian

The Bureau: XCOM Declassified

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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23. August 2013
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