Saints Row IV

(Artikel)
Benjamin Strobel, 18. August 2013

Saints Row IV

Prototype auf Crack VS Aliens

Mit Saints Row IV gehen Entwickler Volition in die nächste Runde der Verballhornung von Open-World- und Sandbox-Games. Ich gehe davon aus, dass die Truppe hart gesoffen und ordentlich einen durchgezogen hat, denn mit dem vierten Teil der heiligen Gangster überschlagen sich die Absurditäten in einem feucht-fröhlichen Spektakel aus Explosionen, Blut und Tentakeln. Und Pimmel. Definitiv Pimmel.

Wenn der Spieler unbekleidet über den Bildschirm rennt, dann wird das Geschlechtsteil des Protagonisten zwar verpixelt, aber so wie ich das sehe, ist das nur Volitions Art darauf aufmerksam zu machen, dass dort ordentlich etwas baumelt, das sich zu verpixeln lohnt. Das kaschierte Gemächt gehört übrigens dem Boss der Saints, der mittlerweile zum Präsidenten der Vereinigten Staaten aufgestiegen ist - und das ist noch der Tiefpunkt der Geschichte! Aliens greifen das Weiße Haus an und verbannen die Saints in eine digitale Version von Steelport - die Simulation -, die nicht nur zufällig an die Matrix erinnern soll. Das Ganze dient natürlich nur der Verhöhnung des Präsidenten, der dazu verdammt ist, ein falsches Leben in einer falschen Welt zu fristen. Aber fuck, man ist der Präsident! Natürlich weiß man sich zu befreien. Weil man das aber kaum allein schafft, stehen einem wieder alte Bekannte zur Seite, unter anderem Shaundi und Kinzie, deren Hacking-Skills dieses Mal ganz besonders gefragt sind.

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Um die Simulation aus dem Gleichgewicht zu bringen, muss man ihre Regeln brechen, indem man das größtmögliche Chaos stiftet. Und weil das alles nicht echt ist, muss man sich überhaupt nicht schlecht fühlen, wenn ein paar tausend Menschenleben dabei draufgehen. ^___^
Kaum in der Simulation angekommen, bekommt man seine ersten Superkräfte: Sprintdash und Supersprung. Kurze Zeit später rennt man mit Überschall und springt mit einem Satz auf Wolkenkratzer. Verdammt, warum gibt es überhaupt Autos in diesem Spiel? Darauf gibt es tatsächlich eine sinnvolle Antwort: irgendwas muss man ja auf seine Feinde werfen! Fahren ist allerdings völlig überflüssig.

Die Liste der Superkräfte ist lang. Im Laufe des Spiels sammelt man vier passive und vier aktive Fähigkeiten, kann diese aber mit zahlreichen Elementen stark verändern. So bekommt man früh die Fähigkeit, Objekte zu vereisen, kann später aber auf Feuerbälle umlernen und mit derselben Kraft Aliens grillen. Viele Manöver erinnern schnell an Crackdown und Prototype - so kann man Häuserwände hinauf sprinten und fast endlos durch die Luft gleiten. Neue Kräfte verdient man sich überwiegend durch Story-Quests, einige Upgrades gibt es für Nebenaufgaben. Weitere Charakterentwicklung kann mithilfe drei Währungen betreiben: Erfahrungspunkte, Geld und Datencluster. Durch mehr Erfahrung steigt man Level auf, das Level wiederum bestimmt, welche Fähigkeiten und Upgrades man kaufen darf. Für Geld lassen sich Waffen, Fahrzeuge und Kleidung kaufen oder verbessern. Datencluster benötigt man für Upgrades der Superkräfte. In der Simulation von Steelport sind insgesamt 1255 Datencluster, wie die Orbs in Crackdown, verstreut. Sie sind recht groß und leuchten Neonblau, die meisten befinden sich gut sichtbar auf Dächern, ein paar wenige sind auch versteckt. Aber woah! Sind das viele. Immerhin will man sie dringend haben, denn es gibt im Spiel nichts Geileres als die Superkräfte.

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Neben den verpflichtenden, aber aufschiebbaren Story-Quests kann man für andere Saints, sofern man sie per Story aus der Simulation befreit hat, Nebenaufgaben verrichten. In der Regel bestehen diese aus einer Reihe von Challenges, die in der Simulation verstreut sind. Da die Challenges jederzeit zugänglich sind, kann man sich aber auch entscheiden, sie nach Belieben im Vorbeigehen zu erledigen und wird später bei den Nebenquests bemerken, dass man viele Missionsziele schon erfüllt hat. Die Challenges selbst wiederholen sich zwar mehrfach, sind aber durchaus abwechslungsreicher als in anderen Genre-Vertretern. Races finden nicht im Auto, sondern zu Fuß statt oder sogar Tron-like auf virtuellen Rennstrecken. Hat man die Telekinese-Fähigkeit eingeheimst, eröffnen sich beispielsweise auch neue Challenges, wie etwa ein Spiel, in dem man Personen und Objekte durch bestimmte Ringe werfen muss, um Punkte zu sammeln. Und weil der Spieler mit Aufgaben und Zielen nicht schon zugeballert ist, gibt es auch noch übergreifende Challenges und Achievements, die den Spieler für bestimmte Kills oder andere Spielaktionen belohnen. Im virtuellen Steelport gibt es wahnsinnig viel zu tun und der Spieler wird im Affenzahn durch die Charakterentwicklung gewirbelt und erspielt sich ständig neue Fähigkeiten, Waffen und Aufgaben.

Es gibt auch Missionen in der realen Welt, aber ein Großteil des Spiels findet in der Simulation statt. Dadurch hatten die Entwickler völlig freie Hand zu machen, was sie wollten, und übliche Regeln einfach zu ignorieren. Polizisten morphen zu Aliens, der Spieler bekommt Superkräfte und es ist an der Tagesordnung, Aliens mit einem Tentakel zu verprügeln. Auch Feinde mit großen Köpfen, langen Armen oder auf den Kopf gedrehte Gegner sind völlig normale Bugs, die zum Spiel gehören.
Gleichzeitig machen Volition sich diesen Umstand zunutze, um einige Mechanismen zu vereinfachen. So kann man Fahrzeuge (auch Flugzeuge!) per Tastendruck in der virtuellen Garage abspeichern und sich jederzeit bestellen. In der Waffenwahl kann man auch das Radio einschalten und den Sender wechseln und kann zu beruhigenden Reggae-Klängen den Raketenwerfer auf Aliens abfeuern. Epic!

Für die richtige Würze sorge erneut der Ko-op-Modus für zwei Spieler, bei dem Friendly Fire nur optional ist. Im virtuellen Steelport warten neben den herkömmlichen Aufgaben auch eine Reihe von Ko-op-Aktivitäten, die nicht allein gespielt werden können. Wer sich den Kampf gegen Aliens nur in Gesellschaft geben möchte, braucht auf jeden Fall Freunde mit Saints Row IV, denn Matchmaking gibt es hier nicht. Dann kann man sich immer noch überlegen, ob man wirklich online zockt oder zu Hause im LAN.

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Saints Row ist seit Langem kein GTA-like-Gangsterepos mehr. Es bietet keine mitreißende Geschichte als Undercover-Cop in Hongkong. Und seine Absurdität wächst über das verrückte Crackdown weit hinaus. Es ist ein Prototype auf Crack, das mit derbem Humor seine Entwicklung ins Surreale unterstreicht. Diese Veränderung spiegelt sich auch im Urteil der USK wider: während Saints Row: The Third hierzulande nur eine Wertung für die gekürzte Fassung erhielt, ist Teil vier völlig ungeschnitten erschienen - mit dem USK-Siegel gleich neben dem PEGI-Rating.

Saints Row IV hat von anderen Genrevertretern saftig kopiert. Tatsächlich bietet der Titel kaum etwas Neues. Zwar gab es keine Superkräfte im dritten Teil, aber Crackdown und Prototype haben diese Konzepte längst eingeführt - beide haben schon Nachfolger. Dennoch platziert sich Saints Row IV inhaltlich geschickt als Genre-Homage und kann fehlende Innovation durch den humorvollen und kreativen Einsatz seiner Mechaniken gut ausgleichen. Wir sind alle schon Rennen gefahren, haben Orbs von Dächern gesammelt und Autos auf unsere Feinde geworfen. Aber haben wir schwarze Löcher durch die Straßen geschossen? Haben wir Menschen für Punkte durch Ringe geworfen? Haben wir Aliens mit Tentakeln verprügelt? Der Reiz des Spiels liegt oft im Detail und einer verrückten Liebe für Homage und Karikatur, die vor allem eins macht: gute Unterhaltung. Wer auf Fäkalhumor verzichten kann (ich wüsste zwar nicht, wen das betreffen sollte, aber bitte) und ein ernsteres Spiel sucht, sollte Saints Row schnell wieder vergessen. Wer gerade das Verrückte liebt, ist dagegen genau richtig und kann bedenkenlos Aliens metzeln. Ben

Saints Row IV

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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23. August 2013
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PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 3
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Xbox 360
Plattform

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