Madden NFL 13

(Artikel)
Haris Odobašic, 19. September 2012

Madden NFL 13

"Verizon - Rule The Air"

Sieht man Highlight-Pakete, könnte man meinen, dass Football einfach nur ein ultrabrutaler Gewalt-Exzess ist. Vorausgesetzt, man hat noch nie Rugby gesehen -- dann sieht es aus wie Ballett mit dicken Männern in noch dickeren Rüstungen. Beides jedoch falsch! Football könnte man eher beschreiben als Schach mit Kriegspanzern. Denn hinter der Fassade aus knallharten Tackles wartet ein Spiel mit hohem strategischen Anspruch und viel taktischer Tiefe. Alles Elemente, die auch in EAs Madden-Reihe seit gut zwei Jahrzehnten in hoher Qualität umgesetzt wird. So auch im neuesten Madden, dass als einer der innovativsten Teile beworben wird. Eine Aussage, die man so unterschreiben kann.

Komplett überarbeitet wurde der Karriere-Modus: wo man vorher entweder im Franchise-Modus Coach eines Teams wurde oder im Superstar-Modus sich selbst ins Getümmel stürzte, warten nun die "Connected Careers", die nicht nur diese zwei alten Modi vereinen, sondern auch noch eine starke Multiplayerkomponente einbauen. Mit bis zu 31 anderen Spielern kann man nämlich quasi ein Universum erstellen, in dem man gemeinsam spielt. Mancher als Coach, andere als aktive Spieler. Da verspricht alleine die Grundidee wochenlangen Spielspaß, und über die Umsetzung lässt auch nicht wirklich meckern.


Die Möglichkeit, mit anderen Leuten zu spielen, hilft den Connected Careers aber auch nur bedingt darüber hinwegzutäuschen, wie trocken diese Komponente sich eigentlich präsentiert. Geht man zum Beispiel einer Karriere als Spieler nach, macht man Spiele oder absolviert gut eines von zehn Trainingszenarios, die sich aber alle extrem ähneln, um Erfahrungspunkte zu verdienen, mit denen man einzelne Attribute verstärkt. Einerseits sind die Erfahrungspunktbeträge -- gerade für das Training -- so gering, dass es eine echte Sisyphos-Arbeit darstellt, seinen Spieler auf diese Weise aufzupowern. Und andererseits ist man einfach von zu vielen Sportspielen besseres gewohnt. In anderen Titeln gibt einem nämlich der Trainer vorher Anweisungen, man muss während des Spiels bestimmte Aufgaben erledigen oder kann sich in Minispielen trainieren und all sowas fehlt vollkommen in Madden. Hier muss einfach nachgebessert werden im nächsten Jahr, sonst könnte ich mir vorstellen, dass viele Spieler, die sich dieses Jahr durch diese Aspekte gequält haben, nächstes Mal das Spiel gleich wieder weglegen.

Auch das Grundgerüst hat eine große Überarbeitung spendiert bekommen mit dem Namen "Infinity Engine" -- so benannt, weil man nun schier unendlich viele unterschiedliche Kollisionsanimationen präsentiert bekommen wird. Nicht ungleich der "Impact Engine", die man aus einem anderen EA-Sports-Spiel, Fifa, kennt, nutzt man nun eine mächtige Physikengine, um die Reaktionen der Spieler auf Berührungen und Zusammenstöße realistischer darzustellen. Das funktioniert in vielen Fällen sehr gut, wenn man zum Beispiel sieht wie ein Spieler gerade so am Bein geschnappt wird, ein paar Schritte stolpert, aber dann doch seine Balance zurückgewinnt. Aber ähnlich wie bei Fifa ist die Kehrseite der Medaille, dass es eben auch Situationen gibt, wo die Physik versagt und die Spieler plötzlich erst mal rumzucken wie nach Taser-Beschuss.


Dennoch muss man sagen, dass die neue Physik in Madden durchaus ihre Daseinsberechtigung hat. In Fifa war das ja in den meisten Fällen eher kosmetisch, aber gerade weil Football ein sehr körperbetonter Sport ist, wo man eigentlich in jedem Spielzug damit rechnen kann, dass knapp zwei Dutzend Körper aufeinanderprallen werden, ist der gewonnene Realismus nicht nur optischer Natur, sondern auch spielerisch spürbar. Gelegentlich aber auch im negativen Sinne, wenn beispielsweise einer eurer Spieler gegen einen anderen eurer Spieler läuft und dann umkippt, wie als wenn er getackelt worden wäre, obwohl die Kollision nicht mal der Rede wert war.

Zusammen mit diesen Überarbeitungen ist die Präsentation ein sehr großes Highlight, die in vielen Aspekten wirklich "TV-like" daherkommt. Sei es, dass man vor einem wichtigen Spiel einen Einspieler gezeigt kriegt, in dem ein paar der wichtigsten Atheleten ganz kurz vorgestellt werden, gefolgt von einem Blick ins Studio mit den Kommentatoren und schließlich realistischen Kamerawinkeln im Verlauf des Spiels an sich. Das alles ist, auch Sport-übergreifend, große Klasse und darf gerne in anderen Spielen Schule machen.


Andererseits bringt aber so eine Erfahrung einen massiven Nachteil mit sich: Product Placement. Wer sonst beispielsweise nur Fußball guckt und schon genervt ist, wenn Sat. 1 und Co. ein SMS-Gewinnspiel machen, was kurz im Spiel beworben wird, darf niemals American Football schauen, wo eigentlich kein zweiter Satz ohne Werbung auskommt. Überall fliegen Werbebanner durch den Bildschirm -- die Kommentatoren machen auch fleißig mit. Das ist authentisch, aber irgendwann auch einfach nur extrem störend. Speziell die Werbung für ein amerikanisches Handynetz, Verizon, die pro Spiel gut und gerne drei, vier Mal zu hören ist, brachte mich zur Weißglut. Eine Möglichkeit, diesen Teil des Kommentars separat auszuschalten, wird wohl oder übel aber nur Wunschtraum bleiben.

Madden NFL 13 ist ein Schritt nach vorne, auch wenn man manche der Änderungen wohl erst in ein paar Jahren wirklich zu spüren bekommen wird, wenn sie die ein oder andere Schönheitsoperation ereilt hat. Dennoch kann man das Spiel Football-Fans empfehlen. Nicht nur, weil es konkurrenzlos ist, sondern auch weil gerade die Connected Careers langfristigen Spielspaß versprechen, der wohl selbst für mich -- jemand der traditionell nur zwei Sportspiele länger als ein paar Wochen spielt, Fifa und PES -- immer wieder ein Grund sein wird, zum Controller gelockt zu werden. Insbesondere wenn man eine gute Liga gefunden hat. Gleichzeitig wird man als Nicht-Football-Fan es schwer finden, großen Spaß aus dem Spiel zu ziehen. Dafür sind die Macken, wie Erfahrungspunktesystem, die auch Gamer Abseits der Zielgruppe anlocken könnten, dann doch etwas zu stark wirkend. Evil

Kommentare

TriquencyGames
Gast
20. September 2012 um 16:58 Uhr (#1)
Gameplay und Präsentation sind ne Wucht. Aber die Hälfte der, eh schon wenigen, Spielmodi sind nur Online spielbar. Zudem ist der Karrieremodus eine Frechheit. Trainieren, spielen, trainieren, spielen... Ende. Keine Interaktionen mehr, kein Draft, keine Interviews, keine Drills, nichts. Wenn man das mit NHL13 vergleicht, dann wird einem erst recht klar, wie lieblos hingeschissen das Spiel bezüglich der Spielmodi wurde.
Haris
20. September 2012 um 17:00 Uhr (#2)
EA hat halt viel auf die Connected Careers gesetzt und den gesamten Rest ignoriert. Finde ich auch schade, aber wenn dann, wie man es gewohnt ist, in den nächsten ein oder zwei Jahren noch alles was jetzt fehlt nachgereicht wird, dürfte es endlich auch mal wieder ein richtig gutes Madden geben.
Gast
27. April 2024 um 06:23 Uhr
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