E3 2012: Microsoft Konferenz

(Artikel)
Haris Odobašic, 04. Juni 2012

E3 2012: Microsoft Konferenz

Ich will doch nur spielen

Dieses Jahr hatte Microsoft sich bemüht, dass wirklich jeder Idiot die E3-Pressekonferenz sehen kann. Gold-Mitglieder konnten es direkt auf der Konsole schauen, was richtig gut funktionierte. Außerdem gab es einen speziellen Stream für's Handy über die mobile Xbox-Seite, für den Fall, dass man aufs Klo muss oder so. Ein weiterer Stream versteckte sich auf Facebook und schlussendlich, total ungewöhnlich, sogar auf Xbox.com. Ob Microsoft auch genug zu präsentieren hatte, um den Aufwand zu rechtfertigen?

Der Start war schon mal bombastisch: ohne lange um den heißen Brei herumzureden ließ Microsoft gleich Halo 4 auf die Menschheit los. Ein stimmiges Video mit echten Schauspielern leitete live gespieltes Gameplay ein, das den Master Chief in einem Dschungel auf der Schildwelt zeigt.
Was sofort auffält: Halo 4 hat einen richtigen grafischen Sprung gemacht seit Reach. Fast so wie als wenn Bungie einfach vergessen hatte, wie man richtig gute Grafik macht, kann man nun zum ersten Mal seit Halo 2001 sagen: das sieht gut aus. Für zusätzlichen Effekt kann man sich dann auch ein kleines "Wow" über die Lippen huschen lassen.

Die knapp fünfminütige Demo versuchte dann auch möglichst viel Inhalt zu präsentieren. So gab es altbekannte, aber auch neue Feinde zu sehen, wohl auf Forerunner-Technologie basierend. Die hatten es dann auch teilweise in sich: ein fliegender Gegner war in der Lage Plasmagrananten zu fangen und zurückzuschleudern, ein anderer neuer Gegnertypus atomisierte mal eben einen Eliten mit nur einem Schuß. Neue Feinde erfordern aber auch neues Spielzeug, weswegen auch zwei neue Waffen, ebenfalls auf der Technologie der Forerunner basierend, demonstriert wurden.

Es lässt sich resümmieren, dass Halo 4 erwachsener wirkt, einen ernsteren Ton anschlägt und vor allem endlich, endlich, endlich die Story, die man sonst nur wirklich über die Bücher und andere Extramaterialien genießen konnte, weiter in den Vordergrund stellt. Gepaart mit einer Cortana, die ihr Lebensalter als künstliche Intelligenz längst überschritten hat und kurz davor steht, Amok zu laufen, brauen die 343 Studios hier einen explosiven Cocktail, der zumindest bei mir beim Schauen der Präsentation ein Zucken in meinem linken kleinen Zeh hervorgerufen hat. Ein sehr spezifisches Zucken. Ein Zucken, das aussagt: das erste Halo ohne Bungie könnte das beste werden. Im November darf man wieder in John-117s Rüstung schlüpfen und dann wird sich zeigen, ob Halo 4 eine Daseinsberechtigung besitzt. Zu sagen, ich bin extrem angefixt, wäre zu diesem Zeitpunkt pure Untertreibung.

Don Mattrick durfte dann auch nur ziemlich kurz über irgendetwas labern, zumindest waren es keine unendlichen Statistiken nach dem Motto: "Er ist soooo lang!" Und bevor die ersten wegnicken konnten, gab es eine Weltpremiere: Splinter Cell: Blacklist.
In einem stimmigen Intro sieht man, wie Sam Fisher wohl ein Terrorirstencamp infiltriert, ehe er wie Jack Bauer zu seinen besten Zeiten auf einen armen Araber losgeht. Es folgten auch hier wieder live gespielte Gameplay-Szenen, die offenbahren, dass Sam wohl einen Ezio geschluckt hat. Seine Bewegungen sind nun geschmeidiger, er tänzelt, klettert und hüpft durch die Level ähnlich den Assassinen -- und kombiniert diese neugewonnene Agilität, um zur brutalen Killermaschine zu mutieren. Das Execute-System aus Conviction ist wieder da und kann nun in Bewegung genutzt werden. So sprintet ihr durch dasCamp, markiert im Lauf ein paar Gegner, die Sam dann sehr stylisch umbringt.
Obwohl ich Schleich-Fan bin und bei Conviction noch viel meckerte, ist mir Blacklist trotz des noch höheren Actiongehaltes sympatisch. Man entfernt sich noch etwas weiter von den Splinter-Cell-Wurzeln, aber die neue Spieldynamik sieht in Bewegung einfach bezaubernd aus. Ab Frühjahr 2013 kann man sich von der Tauglichkeit selbst überzeugen.

Dann war es Zeit für Andrew Wilson von EA, der die Kinect-Integration für die diesjährigen Sportspiele vorstellte. Namentlich Madden 13 und Fifa 13 werden nämlich "Better with Kinect". Wer jetzt aus Angst vor Hampelsport hinter die Couch gehüpft ist, kann sich aber wieder beruhigen, denn Kinect wird nur für Stimmkommandos benutzt. In Madden kann man dadurch beispielsweise noch schnell einen neuen Spielzug ansagen, in Fifa dynamisch Taktiken während des Spiels ändern. Diese demonstrierten Features konnten bei beiden Spielen überzeugen, gerade bei Fifa hat man nur beschränkte Auswahlmöglichkeiten und muss sich sonst mühsam durchs Menü kämpfen, wenn man größere Veränderungen vornehmen will.
Ein lustiges Easteregg ist, dass Kinect euch aufmerksam zuhört. Und wer meint, während einer strittigen Schiedsrichterentscheidung den Seemann raushängen zu lassen, darf sich prompt die gelbe Karte abholen. Gerade im Spiel mit so manch latent-agressiven Fifa-Spielern wird dieses Feature definitiv zum Pflichtprogramm werden.

Schienen folgten, aber nicht etwa ein neuer Train Simulator, sondern metaphorische Schienen in Fable: The Journey, das einen neuen Trailer spendiert bekam. Ich weiß noch immer nicht, was ich davon halten soll, vor allem weil der Trailer nur zeigte, wie man mit Zaubersprüchen Gegner matscht und sonst nichts vom Drumherum. Ich glaube, Microsoft hat das einfach mit den Hardcore-Spielen für Kinect falsch verstanden. Nur den Namen eines Core-Games draufzuklatschen macht daraus nicht sofort ein Spiel für hartgesottene Zocker.

Das neue Gears of War: Judgement wurde in einem kurzen Trailer, der einen Baird in Ketten zeigt, zumindest der Weltöffentlichkeit vorgestellt, ehe den PS-Junkies unter uns die Hose platzen durfte in einem brandneuen Trailer zu Forza Horizon. Der Realismus und das Gameplay der wohl besten Rennspielreihe, kombiniert mit einem etwas lockeren Grundgerüst: weg vom Rennstreckenzirkus und ab auf die Straße, um die Freiheit derselbigen zu genießen. Oder auch abseits der Straße, für ordentlichen Off-Road-Spaß. Eigentlich ein Must-Have für Rennspielfanatiker, aber leider entwickelt Turn10 nicht selbst, sondern "unterstützt" nur die Entwickler von Playground Games. Und das ist das erste Projekt der Entwickler. Man kann gespannt sein, ob das immens hohe Niveau der Serie auch in diesem Spin-Off erreicht wird.

Es folgten gut 20 Minuten Entertainment-Ankündigungen. Die Bing-Suche auf der Xbox wurde ausgebaut, es sollen dieses Jahr noch mehr Inhalte-Anbieter bei der 360 dazukommen, wie zum Beispiel Nickelodeon oder Machinima, zudem wird man in Zukunft auf der Xbox ESPN und ganz viele amerikanische Sportarten schauen können. Höchstwahrscheinlich werden 95% der gemachten Ankündigungen sowieso nur in den USA verfügbar sein, weswegen dieser Abschnitt bei europäischen Zuschauern wohl entweder Neid oder Gähnerei ausgelöst haben dürfte.

Etwas interessanter war die Präsentation von Xbox SmartGlass, dem nächsten Schritt, um Microsofts Vision der drei Bildschirme wahr werden zu lassen. Diese neue Technologie verbindet eure Xbox mit allen gängigen Smartphones und Tablet-PCs. Wenn Windows, iOS oder Android drauf läuft, kann's losgehen. In diesem Fall wird euer nützliches Gadget zu einem weiteren Screen, der auf unterschiedliche Arten genutzt werden kann. Ihr könnt zum Beispiel unterwegs anfangen, auf eurem Tablet einen Film zu schauen und diesen Film dann zu Hause per Knopfdruck auf den Fernseher schieben, der dort an genau der gleichen Stelle fortsetzt. Und euer Tablet bietet euch dann plötzlich Hintergrundinformationen zu dem Film, der nun auf dem Fernseher läuft.
Aber auch in Spielen soll es möglich sein per SmartGlass noch ein bisschen mehr herauszukitzeln. Ein kleines Beispiel involvierte wieder Fußballspiele, wo man per Handy oder Tablet ohne ins Menü schalten zu müssen Taktiken ändern konnte. In der Technologie ist auf jeden Fall viel Potenzial vorhanden und mich würde es nicht wundern, wenn man so manches Konzept, das man diese Woche bei einem Wii-U-Spiel sieht, so auch in naher Zukunft auf der Xbox vorfinden kann.

Schlußendlich wird SmartGlass auch endlich das WWW auf die Xbox bringen in Form des Internet Explorers. Der große Vorteil: hakelige Bedienung mit dem Controller gehört der Vergangenheit an. Per Smartphone oder Tablet soll es kinderleicht sein, auch im Wohnzimmer ordentlich im Internet zu surfen. Sah in der Präsentation gut aus, aber ich bleibe skeptisch ob nach den Fehlschlägen bei Dreamcast, Wii, PS3, PSP und PSVita in diesem Bereich Microsoft es wirklich schaffen sollte, den ersten ordentlichen Web Browser für Konsolen zu entwickeln.

Wer an diesem Punkt sich zu wundern anfing, ob es hier überhaupt noch um Spiele gehen würde, bekam Brüste. Kleinere Brüste, aber noch immer Brüste -- und zwar die von Lara Croft. Genau wie letztes Jahr ließ Microsoft noch mal Square-Enix antanzen, um den Reboot der Reihe um die bekannteste Videospielheldin der Welt näher vorzustellen, indem sie ein bisschen daraus vorspielten. Machte Nathan einst die Lara, kann man nun sagen, dass der Kreis sich schließt, denn die neue Lara Croft hat von ihrem männlichen Kollegen einige Tricks abgeschaut. Und wenn sie nicht mit ihrem Bogen schießt oder klettert, dann tut sie sich weh. In den wenigen Minuten, die man sah, wäre Lara fast ertrunken, stürzte einen riesigen Abhang herab und krachte dann noch im Gleitflug per Fallschirm gegen so ziemlich jede Baumkrone im Wald. Aber Lara ist ein tapferes Mädchen und macht weiter! Grafisch weiß das neue Tomb Raider noch immer zu gefallen, insbesondere die butterweichen Animationen sind große Klasse. Und wer sich statt an Videospielfiguren lieber an Fakten aufgeilt: zeitexklusiver Xbox DLC.


Drei Weltpremieren beziehungsweise ein schlechter Witz folgten nun. Im ersten Moment dachte ich hier echt, dass nun so was wie Alan Wake 2 kommt, zu dem es im Vorfeld ein paar Gerüchte gab, aber dann stellte sich heraus, dass die von Microsoft gemeinten Weltpremieren wohl allesamt XBLA-Titel werden, wo zusätzlich noch extrem mit Infos gegeizt wurde. Drei winzige Trailer, die allesamt eher nichtssagend waren, sollten folgen. Kurz zusammengefasst: Ascend - New Gods soll wohl Diablo trifft God of War für Arme werden. LocoCycle ist irgendwas mit einem Killer-Motorrad. Oder so. Und Matter ist eine Kinect-Murmelbahn, an der ein Typ mitgearbeitet hat, der auch bei Fluch der Karibik mitgearbeitet hat.

Erstes Resident-Evil-6-Gameplay folgte, in dem Leon mit Claire eine von Zombies verwüstete Stadt durchstriff. Echte Zombies! Die Art, die stinkt, langsam ist und mächtig Hunger hat. Das bedeutet aber keinen Schritt zurück zu den Wurzeln, eher wurde der Actiongrad noch weiter nach oben geschraubt. Dafür sah das präsentierte ziemlich unterhaltsam aus und dürfte im Co-op auf jeden Fall wieder ganz großes Kino bedeuten.

Dann kam eine Frau auf die Bühne. Und sie wollte ein Kinect-Spiel präsentieren. Angst, Schweißausbrüche und vorsorgliches Zusammenkneifen der Augen waren meine panische Reaktion in Erwartung massiver Fremdschämerei... aber dann war alles doch nicht so schlimm. Das von ihr präsentierte Wrecketeer ist eine Art Angry Birds in 3D mit Kinect, das nach harmlosen Zeitvertreib aussieht. Ich brauch's nicht, aber ich kann mir genauso gut vorstellen, dass das Teil Deadlight, FEZ und Bastion locker bei den Verkaufszahlen schlagen wird. Diesen Sommer, wahrscheinlich im Rahmen des Summer of Arcade, erscheint dieses Xbox-Live-Arcade-Spiel.


South-Park-Fans bekamen nun ein besonderes Schmankerl, denn das schon seit einiger Zeit angekündigte South-Park-RPG von Obsidian Entertainment, die bisher nur dafür bekannt waren, nicht so gute zweite Teile zu großartigen Rollenspielen zu entwickeln, wurde gezeigt. Ihr schlüpft in die Rolle eines selbst-erstellten Charakters, der frisch nach South Park gezogen ist, um dort an der Seite altbekannter Seriencharaktere zu kämpfen. Dass das Spiel den typischen Humor von Trey Parker und Matt Stone bietet, ist klar, etwas beeindruckend war dann aber doch, dass man es grafisch geschafft hat, den Stil echt eins zu eins einzufangen.

Dance Central 3 sollte die Tanzfanatiker, die vom erst letztes Jahr erschienen zweiten Teil noch keine Blasen an den Füßen haben, zufrieden stellen, auch wenn die Vorstellung des Spiels an sich katastrophal war. Ein gewisser Herr Usher kam, sang und tanzte. Und das war irgendwie nicht so gut. Microsoft sollte definitiv die Person, die auf diese glorreiche Idee gekommen ist, mal eine Woche zum Kaffeekochen für die Sekretärinnen verdonnern. Und mir dann bitte eine saftige Abfindung zukommen lassen, denn diese fünf Minuten Lebenszeit, die Ushers Auftritt mir geklaut hat, kriege ich wohl nicht mehr wieder.

Nachdem die Pressekonferenz nach dem fulminanten Anfang ziemlich abgeflacht war, besann sich Microsoft auf das, was bisher immer so gut lief: ein Spiel live spielen. Eine kurze Ankündigung, die alle DLC-Inhalte zeitexklusiv für Xbox 360 versprach, und dann hieß es: Och nöö, schon wieder Call of Duty? Black Ops 2 dieses Mal, im pseudo-modernen Gewand gekleidet und natürlich hübsch anzusehen mit tollen Effekten, spektakulärer Action und all dem Drumherum. Aber beim Zuschauen kam mir irgendwie die ganze Zeit nur ein Gedanke: irgendwie ist alles grau, es staubt viel und manchmal ballert irgendwer. Das gezeigte Level wirkte einfach steril und uninspirierter, wie als wenn die CoD endlich sein Pulver verschossen hätte und den Entwicklern nicht mehr weiter einfällt, wie sie Krieg noch inszenieren sollen.

Damit endete eine durchwachsene Pressekonferenz, die vor allem eines deutlich machte: das Pulver der Xbox 360 ist fast verschossen, nach Frühjahr 2013 braucht man wohl nicht mehr mit viel Spielmaterial zu rechnen. Dafür ist die Nachfolgekonsole schon zu nah. Wenigstens ersparte man sich dieses Mal peinliche Kinect-Kinder.
Wer sich die Pressekonferenz unbedingt anschauen mag, sollte sich die einzelnen Vorführungen am besten in umgekehrter Reihenfolge antun, dann jagt nämlich ein Höhepunkt den nächsten. Oder alternativ die ersten dreißig Minuten schauen und bei Nachschlagbedarf noch etwas SmartGlass -- der Rest war nämlich für die Tonne. Evil

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