WWE '12

(Artikel)
Haris Odobašic, 28. Dezember 2011

WWE '12

Schweißausbrüche inner- und außerhalb des Rings

Lange Zeit zählten Wrestling-Spiele zu meinen Lieblingsgenres. Im Gegensatz zu normalen Beat'em'ups in 2D- oder 3D-Gefilden mochte ich es bei Wrestling-Spielen immer den riesigen Umfang und das um einiges taktischere Gameplay mit den Matches, die auch mal eine halbe Stunde oder länger dauern können, wo man als Buttonmasher garantiert keine Chance hat. Zudem zählten Wrestling-Spiele schon seit den 90ern zu den Vorreitern, wenn es darum ging, die Kreativität der User zu fordern. Bereits das allererste Smackdown bot einen Editor, in dem man sich seinen Traum-Wrestler zusammenstellen konnte.
Und dann hörte ich einfach auf die Spiele zu spielen. Japanische Hersteller wie die Macher von Fire Pro Wrestling hatten sich mehr oder weniger zurückgezogen und dank fehlender, echter Konkurrenz erlebte man bei der Smackdown-Reihe eine Stagnation, die die jährlichen Updates für Fifa oder PES gewaltig aussehen lassen und ich hatte genug. Bis WWE '12.

In der Zwischenzeit waren einige Spiele an mir vorbeigegangen. Ich verpasste nicht nur mehrere Teile der Smackdown-Reihe, die dieses Jahr umbenannt in Form von WWE '12 weiterlebt, auch ein Spiel der aufstrebenden Promotion TNA, ein mexikanisches Wrestling-Spiel und einen arcadigen Smackdown-Spin-Off, fanden nicht den Weg in mein Laufwerk. Insgesamt fast fünf Jahre Wrestling-Abstinenz ließen mich hoffen, dass das Genre in diser Zeit eine massive Entwicklung durchgemacht hat. Ich hoffte auf ein ausgefeilteres Gameplay mit mehr Interaktivität und vor allem mehr Umfang.

Letzteres Problem ist nun schon seit ein paar Jahren dadurch gelöst, dass man seine eigenen Kreationen hochladen kann. Die in den umfangreichen Editoren gestalteten Wrestler können für jeden zum Download freigegeben werden und so ist es ein Leichtes, so ziemlich jeden Wrestler, der nicht im Spiel ist, in einer meist gut nachgebauten Variante mit seinen entsprechenden Moves zu finden. Zusätzlich gibt es Editoren für eigentlich ALLES, was man sich so vorstellen kann. Vom Einmarsch, der Arena, bis hin zu den Finishing-Moves, ihr könnt alles detailliert bestimmen.

Um euch lange Zeit zu fesseln, macht auch der WWE Universe Modus ein Comeback. In diesem Modus werkelt eine KI im Hintergrund, die automatisch Matches zusammenstellt und euch auch in Storylines steckt. Diese sind zwar, verständlicherweise, ohne Synchronisation, kommen aber mit Videozwischensequenzen daher. Außerdem orientieren sich die Storylines immer an eurem Verhalten und mit welchen Charakteren ihr beispielsweise Freundschaften geschlossen habt.

Mit "Road to Wrestlemania" gibt es auch einen etwas weniger dynamischen Modus, in dem ihr drei Storylines mit festen Charakteren durchspielen müsst. Dabei ist das Spielgeschehen teilweise extrem gescriptet. Einen Großteil der Matches könnt ihr nicht zu Ende kämpfen -- es gilt nur die Gegner zu schwächen, ehe man eine weitere Cutscene sieht. Das macht zwar aus Sicht eines Schreibers Sinn, da man so mehr Kontrolle hat, fühlt sich aber gleichzeitig für den Spieler etwas doof an, wenn man weiß, dass man manche Matches gar nicht bestehen kann.

Auch wenn die Storylines leicht einfallslos und gelegentlich mit Logiklücken gespickt sind, macht die Geschichte doch zum größten Teil Spaß. Gerade die letzte der drei Erzählungen, in der man einen jungen, aufstrebenden Superstar steuert, der seinen Weg zu machen versucht. Es ist zwar schade, dass manche der etablierteren Superstars wie CM Punk gar keine Auftritte in diesem Modus feiern, aber das wirklich große Problem bei "Road To Wrestlemania" ist die Repetivität, die das Spiel einem aufzwingt.
Fast jedes zweite Match findet nämlich im Backstage-Bereich statt, wo man statt des Movesets seines Wrestlers nur eine kleine Handvoll an Aktionen zur Verfügung hat -- die auch noch für jeden Wrestler gleich sind. Zudem lassen die Backstageareale die Interaktivität früherer Teile vermissen, also gähnt man sich durch diese Kämpfe, die einen meist gegen mehrere Gegner antreten lassen, ohne dass diese Modifikationen die Matches viel spannender gestalten.

Kommen wir also zum Gameplay, dem eigentlichen Herzstück. Das hat einerseits interessante Neuerungen zu bieten, beispielsweise die Möglichkeit mit speziellen Attacken einzelne Körperteile anzuvisieren. Früher musste man immer wissen, welcher Move nun welchen Abschnitt des Körpers trifft, um das Schadenssystem voll auszunutzen, das es einem ermöglicht, beispielsweise einen Gegner durchgehend auf den Kopf zu hauen und ihn dann mit einem Aufgabegriff an eben selbigem zu besiegen. Das konnte leicht doof sein, wenn man für gewisse Körperstellen gar keine Moves hatte, weswegen man dieses Jahr nun sicher sein kann, mit jedem Wrestler per Zielsystem auch wirklich alles treffen zu können.

Zudem wurden die Animationen stark verbessert, man kann unter anderem Moves während der Ausführung abbrechen, ohne dass es zu komischen Teleportationen oder ähnlichem kommt, damit die Wrestler wieder ordentlich auf der Matte liegen. Ein neues Submissionsystem -- das eigentlich primär aus Buttonmashing besteht, und die Möglichkeit, Moves auf Gegenstände auszuführen, runden den guten Eindruck ab.

Bis man dann feststellt, dass man irgendwie weniger Moves zur Auswahl hat. Ich kann mich früher erinnern, dass ich aus einer Griffposition von vorne fast 20 individuelle Optionen hatte. Im neuesten Teil hat man da irgendwie nur knapp die Hälfte, wenn man nicht die Moves zählt, die jeder Wrestler hat. Und das gilt für viele Positionen. Das führt leider schneller dazu, dass man Aktionen wiederholt sieht. Außerdem habe ich den Eindruck, dass es insgesamt weniger Moves als früher gibt. Gerade ungewöhnliche Angriffe, die man in der WWE normalerweise nicht unbedingt sieht, fehlen teilweise, was früher aber nicht der Fall war.

Nachdem ich fast fünf Jahre lang die WWE Wrestling-Spiele größtenteils ignoriert hatte, muss ich zugeben, dass ich gewisse Erwartungen an WWE '12 hatte. Ich hoffte, dass mich eine neue Spielerfahrung erwartet, dass man Probleme, die die Serie seit Jahren plagen, ausgemerzt hätte, dass ich wieder richtigen Spaß an THQs Spielen habe -- Pustekuchen! Wenn ich an früher denke, gibt es mehr Limitationen, weniger Möglichkeiten und Verschlimmbesserungen, so weit das Auge reicht. Nach WWE '12 steht für mich fest, dass ich das nächstjährige Produkt links liegen lassen kann. Wir sehen uns dann noch mal in fünf Jahren, THQ und Yuke's, wenn ihr euch hoffentlich wieder darauf konzentriert, ein gutes anstelle von zwei halbgaren Spielen herauszubringen. Evil

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