Der stille Protagonist
Der stille Protagonist
Immersionswerkzeug oder Illusionskiller?
Geschichten wurden immer wichtiger in Videospielen, um nicht zu sagen: eines der Elemente, die nicht fehlen dürfen. Jedes Pupsspiel hat zumindest irgendeine Art von Story, die erklärt, warum wir den abstrakten Kram machen, den wir da machen. Und somit ist die Frage, wie die Geschichte erzählt wird und wie wir mit ihr interagieren, eine sehr wichtige. Hauptverantwortlich dafür ist oftmals der Protagonist, der Avatar, die Figur, mit der wir in die Welt eintauchen, um deren Geschichte zu erleben und zu lenken. Dabei ist nichts wichtiger als die Identifikation des Spielers mit dem Protagonisten. Wenn wir wirklich diesen Zauber von Immersion erreichen wollen, dann muss eine Einheit aus Spieler und Spielfigur entstehen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht in dem Stilmittel, das allgemein als der "Stille Protagonist" bekannt ist.
Zunächst mal sollte die Frage beantwortet werden, was ein "stiller Protagonist" (SP) überhaupt ist und was er erreichen will. Der SP spricht während des gesamten Spiels kein einziges Wort. Dem Spieler wird so ermöglicht, sich besser auf die Figur zu projizieren. Der SP sagt nichts, was der Spieler nie sagen würde, hat keine Meinung, die der Spieler missbilligen könnte. Er trägt keine Charakterzüge nach außen, die nicht unseren entsprechen. Er kann deshalb sein, was wir wollen. Was geht ihm durch den Kopf? Das, was uns auch durch den Kopf geht. Es ist ein Spezialfall des "Blank Slate"-Konzeptes aus Filmen und Büchern. Hierbei ist die Persönlichkeit des Helden kaum ausgeprägt, sodass sie unserer Interpretation überlassen wird. Ein leeres Gefäß, das der Zuschauer oder Leser ganz unbewusst mit sich selbst füllt. Der stille Protagonist geht einen Schritt weiter, indem er auch noch die Stimme entfernt. Berühmte Beispiele hierfür dürften Link aus The Legend of Zelda und Gordon Freeman aus Half-Life sein. Wir alle kennen diese Figuren. Doch ist es wirklich gut, dass sie so stumm sind? Wie weit kann dieses Stilmittel genutzt werden? Wann ist der stille Protagonist hilfreich, wann sogar hinderlich?
Für mich hat der SP ein großes Problem: Er darf mit den anderen Figuren nur nonverbal interagieren. Die Dialoge müssen so geschrieben sein, dass akustischer Input des Helden nicht vonnöten ist, kein Gespräch darf so verlaufen, dass das Schweigen merkwürdig erscheint. Entwickler wie Valve haben diese Techniken gemeistert. Wird Gordon eine Frage gestellt? Dann passiert meist irgendetwas, das von seinem Mangel an Kommunikation ablenkt - meist redet eine dritte Person dazwischen oder der Fokus aller Anwesenden wird auf etwas neues gerichtet. Leider ergibt sich als Resultat, dass wir als Spieler absolut nichts über Gordons Persönlichkeit erfahren. Klar, das Ziel des SP ist es, dass "wir" Gordon sind, aber jeder der mich kennt, weiß, das Schweigen nicht zu meinen Stärken gehört. Der SP hinterlässt bei mir immer einen fahlen Beigeschmack. Man kann froh sein, dass der stille Held ausschließlich für die physischen Heldentaten gebraucht wird, denn mehr kann er nicht verrichten.
Es muss nicht immer so sein. Link ist ein gutes Beispiel für einen SP, der auch über einen eigenen Willen verfügt. Link ist der Träger des Triforces des Mutes. Seine Aufgabe in der Geschichte ist die des Akteurs. Link ist eher so der Macher. Er schwingt das Master-Schwert, streift durch Dungeons. Er ist es, der sich Ganon stellt. Aber vor allem ist er kein unbeschriebenes Blatt. Da man die Reihe auf eine oder andere Weise immer in der Third-Person-Perspektive wird, bekommen wir Links Mimik zu sehen. Das beste Beispiel dafür ist Skyward Sword. Die Art, wie er Zelda anschaut, sagt mehr über ihn und seine Gefühle für sie aus, als alle Worte es jemals hätten tun können. Wir sehen den Schmerz in seinem Gesicht, als der Wirbelsturm die beiden trennt. Außerdem ist er technisch gesehen nicht ganz stumm, schließlich werden ihm ab und zu Fragen gestellt, die wir als Spieler mit Ja oder Nein beantworten dürfen.
Ähnlich sehe ich es mit Chell aus Portal. Ihr Schweigen habe ich immer als eine Art Protest gegen GlaDOS interpretiert. Es macht Sinn, dass nicht gesprochen wird und so kann vieles von uns als Spieler in Chell hineinfließen. Was denkt Chell, als ihr Kuchen versprochen wird? Dasselbe wie wir. Denn wir sind Chell, wir müssen uns gegen die mörderische KI wehren. Schließlich sind auch wir es, die sich mit den gestellten Aufgaben beschäftigen und die Puzzle lösen. Portal hat keine Figur, mit der Chell verbal interagieren muss. Es ist ein Spiel, das wie geschaffen ist für einen SP. In Portal 2 gibt es auch einen schönen Seitenhieb auf diese Technik, indem wir springen, anstelle das zu sagen, was Wheatly von uns will. Dass Chell mit Wheatley ebenfalls nicht spricht, passt auch. Er ist Alleinunterhalter und hört sich selbst so gerne reden, dass es ihm die meiste Zeit gar nicht auffällt. Und warum sollte Chell nach Portal noch irgendeiner KI von Aperture vertrauen?
Was bei Portal funktionierte, das fällt bei Half-Life leider nicht so gut aus. Hier wirft einem Valve unbeabsichtigt Steine in den Weg der Identifikation mit dem Protagonisten. Gordon ist stumm wie Chell, aber im Gegensatz zum nahezu gesichtslosen Versuchskaninchen hat er einen klar definierten Hintergrund. Er hat einen Doktortitel, er arbeitet schon länger bei Black Mesa, er kennt seine Kollegen. Würde so einer mit verschlossenem Mund durch die Gänge seiner Arbeitsstelle laufen? Es ist diese Dissonanz aus dem, was die Figur sein sollte, und dem, was sie letzten Endes ist. Chell wird nicht erklärt und die Infos, die wir über sie finden, sind sehr vage gehalten. Nicht so Gordon. Aus den Infos, die wir über ihn erfahren, können wir uns ein ungefähres Bild davon machen, wie Herr Freeman wohl so tickt. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass Gordon ein Produkt seiner Zeit ist. Vollständig vertonte Spiele waren gerade erst im Kommen und ein zusätzlicher herausragender Sprecher, der den Löwenanteil der Synchro stemmen muss - das ist Luxus. Dann doch lieber ein SP. Des weiteren sollte erwähnt werden, dass Half-Life nur zu gefühlt 5% aus Gesprächen besteht, der Rest ist Action. Es sei ihm daher ein wenig verziehen.
Die wohl katastrophalste Anwendung des SP findet sich aber in der Call-of-Duty-Serie. Jede Figur, die wir steuern, ist stumm. Nun, das wäre an sich nicht so schlimm, aber angefangen mit Modern Warfare 2 wird das ziemlich inkonsequent. Dass Pvt. Jackson in CoD4 nichts sagt, das kann ich noch verstehen. Er ist halt nur ein Private, der Befehle ausführt. Und Soap hat auch gerade erst im SAS angefangen, natürlich hat er nix zu sagen. Doch mit Modern Warfare 2 ändert sich das Ganze. Wir übernehmen hauptsächlich die Figur Roach: der Neue, der Soap unterstellt ist. Soap redet, weil er die meiste Zeit nicht die Spielfigur ist. Doch warum zum Geier verstummt er in den letzten Missionen, in denen wir ihn auf einmal wieder spielen? Und dann wäre da noch Advanced Warfare, dessen Protagonist von Multisprachtalent Troy Baker gesprochen wird. Aber nur in den Cutscenes, die während des Ladebildschirms laufen. Sobald die Action beginnt, gibt er seine Zunge ab. Das ergibt keinen Sinn! Wozu zum Geier engagiert man einen Veteranen wie Baker, wenn er die meiste Zeit die Klappe hält?
Treyarch hat das glücklicherweise erkannt, weswegen in beiden Black-Ops-Teilen keine Spielfigur den Schnabel hält. Mitunter ein Grund, warum ich beide Spiele für die besten CoDs halte. Alex Mason, im Original von Sam Worthington gesprochen, ist ein CIA-Agent im Kalten Krieg. Er ist kein Teil einer großen Armee, sondern muss mit seiner Spezialeinheit zusammen brisante Missionen erfüllen. Missionen, die Teamwork erfordern und ohne Kommunikation scheitern würden. Zudem ist er auch der Mittelpunkt der Geschichte, wird er doch in der Gegenwart verhört. Seine Stimme wird benötigt und seine Figur trägt die Geschichte. Ein klarer Gegensatz zu den Infinity-Ward-CoDs, in denen vor allem die Nicht-Spieler-Charaktere den Plot vorantreiben. Wir als Spieler sind die meiste Zeit nur Beobachter. Entscheidungen treffen wir keine, wir führen sie nur aus. Alles, was Mason in Black Ops tut, konnte nur Mason tun. Alles was Jackson in Modern Warfare tut, hätte Private Paula genauso gut geschafft. Wir sind nicht der Held, das sind die anderen. Wir tun nur unseren Job.
Rollenspiele bedienen sich gerne einer anderen Form des stillen Protagonisten: Der Held aus Skyrim ist all das, was wir möchten, da wir seine Geschicke lenken, aber auch seine Worte. Nur hören wir seine Stimme nie. Wenn man die Dialogoption anklickt, geht es sofort mit der Antwort des Gesprächspartners weiter. Hier verschwimmt für mich ein wenig die Grenze. Technisch gesehen ist der Protagonist still, da wir seine Worte nicht hören, aber im Kontext der Geschichte ist er es nicht. Er redet mit den anderen, wir kennen seine Worte, allerdings nur in Textform und nicht akustisch. Es fällt leichter mit dem Avatar zu verschmelzen. Er sieht nicht nur so aus, wie wir es wollen, er hat auch keinen besonderen Hintergrund, der ihn zu sehr definiert. Wir können ihn formen, wir entscheiden für ihn und seine Stimme ist unsere, da uns nicht mal diese vom Spiel vorgegeben wird.
Vollwertige SPs in Rollenspielen kennen wir aus Pokémon. Die Abenteuerreise eines Kindes durch eine Welt voller Monster, Trainer und fragwürdiger Pokedexeinträge kommt ganz ohne Spielerstimme aus. Oder? Nicht ganz. Das Spiel impliziert oftmals die Antwort der Figur. Beste Beispiele sind die Trainerkämpfe auf den Routen. Sobald wir ins Blickfeld eines Trainers geraten, läuft dieser auf uns zu und spricht seine Herausforderung aus. Und wir nehmen sie an. Mit welchen Worten? Ist uns überlassen - Fakt ist, dass das Spiel immer davon ausgeht, dass wir "Ja" sagen. Es gibt keine Regel, die ein "Nein" verbieten würde. Aber auch in vielen anderen Situationen werden Gespräche so geführt, als hätten wir geantwortet. Ich mein, warum mag mich jeder, wenn ich keinen Pieps von mir gebe? Irgendwas werde ich wohl gesagt haben. Auch hier sehe ich eine gewisse Dissonanz, die mich stört. Wenn ich dieser Trainer sein soll, der durch Kanto, Johto oder Hoenn latscht, warum tut er Dinge, die ich nicht machen würde?
Helden müssen nicht schweigen, damit wir uns mit ihnen identifizieren können. Ich konnte mit Booker DeWitt sehr mitfühlen, ich konnte ihn verstehen - eben weil er geredet hat. Bioshock Infinite hätte nicht mit einem SP funktioniert, schließlich lebte das Spiel vor allem auch durch die Dialoge zwischen Elizabeth und Booker. Booker hat eine Vergangenheit, die ihn verfolgt, und eine Persönlichkeit, die ihn einschränkt. Und das schränkt uns auch ein. DeWitt ist gewalttätig, so sehr er es auch leugnen will. Alternativen zur Waffe gibt es für ihn nicht und somit auch nicht für uns. Und dadurch werden wir zu Booker, dadurch können wir seine Geschichte erleben, seine Figur verstehen. Die Fragen, die Elizabeth ihm stellt, werden auch uns gestellt. Durch Bookers Antworten erfahren wir, wer wir sind und wir lernen die Welt durch Bookers Augen zu sehen. Sie werden zu unseren eigenen. Was, wenn Booker geschwiegen hätte? Abgesehen davon, dass eines der stärksten Elemente von Bioshock Infinite verloren gegangen wäre, würden wir auch die Vorgehensweise nicht verstehen. Wir hätten einfach nur einen durchschnittlichen Shooter mit interessanter Welt gehabt.
Die Meinung in Beiträgen mit dem Tag "Jetzt spreche ICH!" muss nicht unbedingt der des ganzen DPads entsprechen. Kann! Muss aber nicht.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 13.1.2015 veröffentlicht.
Zunächst mal sollte die Frage beantwortet werden, was ein "stiller Protagonist" (SP) überhaupt ist und was er erreichen will. Der SP spricht während des gesamten Spiels kein einziges Wort. Dem Spieler wird so ermöglicht, sich besser auf die Figur zu projizieren. Der SP sagt nichts, was der Spieler nie sagen würde, hat keine Meinung, die der Spieler missbilligen könnte. Er trägt keine Charakterzüge nach außen, die nicht unseren entsprechen. Er kann deshalb sein, was wir wollen. Was geht ihm durch den Kopf? Das, was uns auch durch den Kopf geht. Es ist ein Spezialfall des "Blank Slate"-Konzeptes aus Filmen und Büchern. Hierbei ist die Persönlichkeit des Helden kaum ausgeprägt, sodass sie unserer Interpretation überlassen wird. Ein leeres Gefäß, das der Zuschauer oder Leser ganz unbewusst mit sich selbst füllt. Der stille Protagonist geht einen Schritt weiter, indem er auch noch die Stimme entfernt. Berühmte Beispiele hierfür dürften Link aus The Legend of Zelda und Gordon Freeman aus Half-Life sein. Wir alle kennen diese Figuren. Doch ist es wirklich gut, dass sie so stumm sind? Wie weit kann dieses Stilmittel genutzt werden? Wann ist der stille Protagonist hilfreich, wann sogar hinderlich?
Für mich hat der SP ein großes Problem: Er darf mit den anderen Figuren nur nonverbal interagieren. Die Dialoge müssen so geschrieben sein, dass akustischer Input des Helden nicht vonnöten ist, kein Gespräch darf so verlaufen, dass das Schweigen merkwürdig erscheint. Entwickler wie Valve haben diese Techniken gemeistert. Wird Gordon eine Frage gestellt? Dann passiert meist irgendetwas, das von seinem Mangel an Kommunikation ablenkt - meist redet eine dritte Person dazwischen oder der Fokus aller Anwesenden wird auf etwas neues gerichtet. Leider ergibt sich als Resultat, dass wir als Spieler absolut nichts über Gordons Persönlichkeit erfahren. Klar, das Ziel des SP ist es, dass "wir" Gordon sind, aber jeder der mich kennt, weiß, das Schweigen nicht zu meinen Stärken gehört. Der SP hinterlässt bei mir immer einen fahlen Beigeschmack. Man kann froh sein, dass der stille Held ausschließlich für die physischen Heldentaten gebraucht wird, denn mehr kann er nicht verrichten.
Links Gefühle kriegen wir mit.
Es muss nicht immer so sein. Link ist ein gutes Beispiel für einen SP, der auch über einen eigenen Willen verfügt. Link ist der Träger des Triforces des Mutes. Seine Aufgabe in der Geschichte ist die des Akteurs. Link ist eher so der Macher. Er schwingt das Master-Schwert, streift durch Dungeons. Er ist es, der sich Ganon stellt. Aber vor allem ist er kein unbeschriebenes Blatt. Da man die Reihe auf eine oder andere Weise immer in der Third-Person-Perspektive wird, bekommen wir Links Mimik zu sehen. Das beste Beispiel dafür ist Skyward Sword. Die Art, wie er Zelda anschaut, sagt mehr über ihn und seine Gefühle für sie aus, als alle Worte es jemals hätten tun können. Wir sehen den Schmerz in seinem Gesicht, als der Wirbelsturm die beiden trennt. Außerdem ist er technisch gesehen nicht ganz stumm, schließlich werden ihm ab und zu Fragen gestellt, die wir als Spieler mit Ja oder Nein beantworten dürfen.
Ähnlich sehe ich es mit Chell aus Portal. Ihr Schweigen habe ich immer als eine Art Protest gegen GlaDOS interpretiert. Es macht Sinn, dass nicht gesprochen wird und so kann vieles von uns als Spieler in Chell hineinfließen. Was denkt Chell, als ihr Kuchen versprochen wird? Dasselbe wie wir. Denn wir sind Chell, wir müssen uns gegen die mörderische KI wehren. Schließlich sind auch wir es, die sich mit den gestellten Aufgaben beschäftigen und die Puzzle lösen. Portal hat keine Figur, mit der Chell verbal interagieren muss. Es ist ein Spiel, das wie geschaffen ist für einen SP. In Portal 2 gibt es auch einen schönen Seitenhieb auf diese Technik, indem wir springen, anstelle das zu sagen, was Wheatly von uns will. Dass Chell mit Wheatley ebenfalls nicht spricht, passt auch. Er ist Alleinunterhalter und hört sich selbst so gerne reden, dass es ihm die meiste Zeit gar nicht auffällt. Und warum sollte Chell nach Portal noch irgendeiner KI von Aperture vertrauen?
Was bei Portal funktionierte, das fällt bei Half-Life leider nicht so gut aus. Hier wirft einem Valve unbeabsichtigt Steine in den Weg der Identifikation mit dem Protagonisten. Gordon ist stumm wie Chell, aber im Gegensatz zum nahezu gesichtslosen Versuchskaninchen hat er einen klar definierten Hintergrund. Er hat einen Doktortitel, er arbeitet schon länger bei Black Mesa, er kennt seine Kollegen. Würde so einer mit verschlossenem Mund durch die Gänge seiner Arbeitsstelle laufen? Es ist diese Dissonanz aus dem, was die Figur sein sollte, und dem, was sie letzten Endes ist. Chell wird nicht erklärt und die Infos, die wir über sie finden, sind sehr vage gehalten. Nicht so Gordon. Aus den Infos, die wir über ihn erfahren, können wir uns ein ungefähres Bild davon machen, wie Herr Freeman wohl so tickt. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass Gordon ein Produkt seiner Zeit ist. Vollständig vertonte Spiele waren gerade erst im Kommen und ein zusätzlicher herausragender Sprecher, der den Löwenanteil der Synchro stemmen muss - das ist Luxus. Dann doch lieber ein SP. Des weiteren sollte erwähnt werden, dass Half-Life nur zu gefühlt 5% aus Gesprächen besteht, der Rest ist Action. Es sei ihm daher ein wenig verziehen.
Ein Held mit Ecken und Kanten.
Die wohl katastrophalste Anwendung des SP findet sich aber in der Call-of-Duty-Serie. Jede Figur, die wir steuern, ist stumm. Nun, das wäre an sich nicht so schlimm, aber angefangen mit Modern Warfare 2 wird das ziemlich inkonsequent. Dass Pvt. Jackson in CoD4 nichts sagt, das kann ich noch verstehen. Er ist halt nur ein Private, der Befehle ausführt. Und Soap hat auch gerade erst im SAS angefangen, natürlich hat er nix zu sagen. Doch mit Modern Warfare 2 ändert sich das Ganze. Wir übernehmen hauptsächlich die Figur Roach: der Neue, der Soap unterstellt ist. Soap redet, weil er die meiste Zeit nicht die Spielfigur ist. Doch warum zum Geier verstummt er in den letzten Missionen, in denen wir ihn auf einmal wieder spielen? Und dann wäre da noch Advanced Warfare, dessen Protagonist von Multisprachtalent Troy Baker gesprochen wird. Aber nur in den Cutscenes, die während des Ladebildschirms laufen. Sobald die Action beginnt, gibt er seine Zunge ab. Das ergibt keinen Sinn! Wozu zum Geier engagiert man einen Veteranen wie Baker, wenn er die meiste Zeit die Klappe hält?
Treyarch hat das glücklicherweise erkannt, weswegen in beiden Black-Ops-Teilen keine Spielfigur den Schnabel hält. Mitunter ein Grund, warum ich beide Spiele für die besten CoDs halte. Alex Mason, im Original von Sam Worthington gesprochen, ist ein CIA-Agent im Kalten Krieg. Er ist kein Teil einer großen Armee, sondern muss mit seiner Spezialeinheit zusammen brisante Missionen erfüllen. Missionen, die Teamwork erfordern und ohne Kommunikation scheitern würden. Zudem ist er auch der Mittelpunkt der Geschichte, wird er doch in der Gegenwart verhört. Seine Stimme wird benötigt und seine Figur trägt die Geschichte. Ein klarer Gegensatz zu den Infinity-Ward-CoDs, in denen vor allem die Nicht-Spieler-Charaktere den Plot vorantreiben. Wir als Spieler sind die meiste Zeit nur Beobachter. Entscheidungen treffen wir keine, wir führen sie nur aus. Alles, was Mason in Black Ops tut, konnte nur Mason tun. Alles was Jackson in Modern Warfare tut, hätte Private Paula genauso gut geschafft. Wir sind nicht der Held, das sind die anderen. Wir tun nur unseren Job.
Rollenspiele bedienen sich gerne einer anderen Form des stillen Protagonisten: Der Held aus Skyrim ist all das, was wir möchten, da wir seine Geschicke lenken, aber auch seine Worte. Nur hören wir seine Stimme nie. Wenn man die Dialogoption anklickt, geht es sofort mit der Antwort des Gesprächspartners weiter. Hier verschwimmt für mich ein wenig die Grenze. Technisch gesehen ist der Protagonist still, da wir seine Worte nicht hören, aber im Kontext der Geschichte ist er es nicht. Er redet mit den anderen, wir kennen seine Worte, allerdings nur in Textform und nicht akustisch. Es fällt leichter mit dem Avatar zu verschmelzen. Er sieht nicht nur so aus, wie wir es wollen, er hat auch keinen besonderen Hintergrund, der ihn zu sehr definiert. Wir können ihn formen, wir entscheiden für ihn und seine Stimme ist unsere, da uns nicht mal diese vom Spiel vorgegeben wird.
Auf den Mund gefallen.
Vollwertige SPs in Rollenspielen kennen wir aus Pokémon. Die Abenteuerreise eines Kindes durch eine Welt voller Monster, Trainer und fragwürdiger Pokedexeinträge kommt ganz ohne Spielerstimme aus. Oder? Nicht ganz. Das Spiel impliziert oftmals die Antwort der Figur. Beste Beispiele sind die Trainerkämpfe auf den Routen. Sobald wir ins Blickfeld eines Trainers geraten, läuft dieser auf uns zu und spricht seine Herausforderung aus. Und wir nehmen sie an. Mit welchen Worten? Ist uns überlassen - Fakt ist, dass das Spiel immer davon ausgeht, dass wir "Ja" sagen. Es gibt keine Regel, die ein "Nein" verbieten würde. Aber auch in vielen anderen Situationen werden Gespräche so geführt, als hätten wir geantwortet. Ich mein, warum mag mich jeder, wenn ich keinen Pieps von mir gebe? Irgendwas werde ich wohl gesagt haben. Auch hier sehe ich eine gewisse Dissonanz, die mich stört. Wenn ich dieser Trainer sein soll, der durch Kanto, Johto oder Hoenn latscht, warum tut er Dinge, die ich nicht machen würde?
Helden müssen nicht schweigen, damit wir uns mit ihnen identifizieren können. Ich konnte mit Booker DeWitt sehr mitfühlen, ich konnte ihn verstehen - eben weil er geredet hat. Bioshock Infinite hätte nicht mit einem SP funktioniert, schließlich lebte das Spiel vor allem auch durch die Dialoge zwischen Elizabeth und Booker. Booker hat eine Vergangenheit, die ihn verfolgt, und eine Persönlichkeit, die ihn einschränkt. Und das schränkt uns auch ein. DeWitt ist gewalttätig, so sehr er es auch leugnen will. Alternativen zur Waffe gibt es für ihn nicht und somit auch nicht für uns. Und dadurch werden wir zu Booker, dadurch können wir seine Geschichte erleben, seine Figur verstehen. Die Fragen, die Elizabeth ihm stellt, werden auch uns gestellt. Durch Bookers Antworten erfahren wir, wer wir sind und wir lernen die Welt durch Bookers Augen zu sehen. Sie werden zu unseren eigenen. Was, wenn Booker geschwiegen hätte? Abgesehen davon, dass eines der stärksten Elemente von Bioshock Infinite verloren gegangen wäre, würden wir auch die Vorgehensweise nicht verstehen. Wir hätten einfach nur einen durchschnittlichen Shooter mit interessanter Welt gehabt.
Die Meinung in Beiträgen mit dem Tag "Jetzt spreche ICH!" muss nicht unbedingt der des ganzen DPads entsprechen. Kann! Muss aber nicht.
Kommentare
Nils
14. Januar 2015 um 18:58 Uhr (#1)
Toller Artikel! :-)
Themen
Bioshock Infinite
Spiel
Call of Duty: Black Ops
Spiel
Jetzt spreche ICH!
Sparte - Wir haben eine Meinung und keine Angst, sie auch zu sagen! Manchmal labern wir aber auch nur Anekdoten vor uns her.
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