Project I.G.I.: I'm Going In

(Artikel)
Nils Ehmke, 27. März 2011

Project I.G.I.: I'm Going In

Balanceakt zwischen Herausforderung und Frust

IGI. Kein anderes Spiel steht bei mir für mehr Frust und Verzweiflung. Ein Ego-Shooter ohne die Möglichkeit zum Speichern, weder in Form von Quicksaves, noch in Form von Speicherpunkten.
Aber bevor ich im ersten Absatz schon zu viel jammere: das Spiel wurde von dem – inzwischen nicht mehr existenten – norwegischen Spieleentwicklerstudio Inerloop Studios entwickelt und Anno Domini 2000 von Eidos Interactive veröffentlicht. Es zählt zum (Sub-)Genre der Schleich-Shooter und beinhaltet vierzehn Missionen, die allesamt im Bereich des ehemaligen Ostblocks kurz nach der Wende spielen. Ein Multiplayer-Modus ist nicht verfügbar.

Der Spieler schlüpft dabei in die Rolle des britischen Agenten David Llewellyn Jones – ehemaliges Crash-Kid und SAS-Soldat – um im Auftrag des I.G.I (Institute for Geotactical Intelligence) zunächst einen russischen Waffenhändler zu entführen, einen gestohlenen, nuklearen Sprengkopf wiederzufinden und dabei (ganz selbstverständlich) die westliche Welt vor dem atomaren Niedergang zu bewahren. Obwohl die Story noch ein paar mehr Details aufweist, so haben die Entwickler leider an umfassenderen Erklärungen und Informationen zwischendurch regelrecht gespart.


Im Gegenzug haben sich die Entwickler aber Mühe gegeben, ein möglichst realistisches Spiel zu schaffen und dem Spieler aufzuzeigen, wie es sich anfühlt, als Agent alleine hinter den feindlichen Linien zu operieren. Obwohl Jones wie Herkules in der Lage ist, ein Dutzend Waffen gleichzeitig zu tragen, fühlt man sich deutlich weniger wie die berühmte Ein-Mann-Armee als in anderen Spielen. Neben der nicht vorhandenen Speicherfunktion sorgt die Tatsache, dass Jones nicht viel verträgt und die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner, für einen hohen, stetig ansteigenden Schwierigkeitsgrad. So führen auf den höheren Schwierigkeitsgraden bereits ein oder zwei Salven zu einem vorzeitigen Ableben unseres Helden. Umso wichtiger ist es daher in dem Spiel unentdeckt zu bleiben und nicht zu versuchen mit gezückter Waffe in die feindliche Basis zu stürmen, um alle Feinde breitbeinig niederzumetzeln. Ein ausgelöster Alarm sorgt für Verstärkung, die Jones dann schnell das Leben zur Hölle macht. Planung und Taktik helfen entsprechend am Leben zu bleiben.

Die Möglichkeiten, die dem Spieler dabei von den Entwicklern in die Hand gegeben wurden, sind recht durchdacht. Die meisten Basen verfügen über mehr als einen Eingang, mit einem Elektro-Fernglas kann man seine Optionen in Ruhe studieren und dazu kommt ein Satellitencomputer, der es dem Spieler erlaubt, den Gegner von oben auszuspionieren. Zusätzlich verfügt IGI in fast allen Missionen über eine weite, frei begehbare Außenlandschaft, die dank innovativer Engine dynamisch erstellt wird.

Leider kommt der Schwierigkeitsgrad mehr durch die feindlichen Horden und das Leveldesign zustande als durch die Ausgereiftheit der KI. Inzwischen schon längst überholt, war sie auch für damalige Verhältnisse schon nicht vom Feinsten. So stört es beispielsweise die meisten Gegner gar nicht, wenn einer ihrer Kameraden direkt neben ihnen eine Patrone zwischen die Augen gedrückt bekommt, und auch ein Tanklaster, der mit lautem Getöse auf dem Vorhof in die Luft fliegt, stellt keinen Grund für einen Alarm dar, solange niemand Jones dabei zu Gesicht bekommt. Sollte Jones einmal entdeckt werden, so kommen die Gegner gerne angerannt, um sich mit Freude und Eifer direkt in seine Kugeln zu werfen. Im Gegenzug schießen die Gegner jedoch auch auf größere Entfernung noch relativ präzise. Schützenpanzer und Kampfhubschrauber stellen gefährliche Gegner dar.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das unrealistische Respawnen der Gegner, was bedeutet, dass Soldaten aus Bereichen des Levels kommen, die der Spieler mit absoluter Sicherheit schon "bereinigt" hat. Mit der Zeit gewöhnt man sich auch daran, aber ein bitterer Beigeschmack verbleibt.

Die Grafik selbst ist – obwohl schon leicht angestaubt – noch ganz gut anzusehen. Besonders die dynamisch berechnete Außenwelt sorgt für ein angenehmes Feeling von Nicht-Linearität. Leider wurden in vielen Leveln die immergleichen Gebäude und Elemente wie Bausätze wiederverwendet. Das Wachgebäude sieht in jedem Level gleich aus, unabhängig davon ob Jones über Wälder und Wiesen stolpert oder ob er durch eine Schneelandschaft stapft. Ein wenig mehr Abwechslung wäre hier angemessen gewesen.


Das Spiel läuft im Originalton auf Englisch, jedoch sind Untertitel, Menüs und das gesamte HUD auf englisch, französisch, deutsch, italienisch und spanisch verfügbar. Mit Ausnahme von einem oder zwei kleinen Fehlern ist die deutsche Übersetzung auch völlig in Ordnung. Die englischen Sprecher sind dabei auch gut und passend; diese kommen jedoch nur in den Cutscenes zum Tragen. Innerhalb der Missionen wird alles, was Jones und seine Vorgesetzten zu sagen haben, lediglich textuell dargestellt. Immerhin hört man die Gegner rumkrakeelen.
Die Musik ist zwar an sich nicht allzu abwechslungsreich und passt sich auch den Situationen nicht an, aber sie ist stimmig und untermalt die Missionen recht gut. Sie tritt nie zu stark in den Vordergrund oder wird gar aufdringlich. Ganz im Gegenteil trägt sie gut zum allgemeinen Feeling bei.
Besonders stolz waren die Entwickler dem Booklet nach zu urteilen wohl auf die Waffengeräusche, die extra auf einem Schießstand in Finnland aufgezeichnet worden waren. Inwieweit diese nun im Spiel den echten Geräuschen nahe kommen vermag ich nicht zu sagen (da ich schlicht und ergreifend nicht weiß, wie sich eine Kalashnikov oder Dragunov in der Realität anhört), aber sie könnten ruhig manches Mal etwas wuchtiger sein.

Das Spiel mag insgesamt eine schon etwas angestaubte Grafik, einen etwas höherer Schwierigkeitsgrad und eine schwächelnde KI haben, aber ein gutes Feeling und eine realistische Atmosphäre machen eine ganze Menge wieder wett. Und im Ernst: Würde man dem Wunsch vieler Fans nachkommen und eine Speicherfunktion mit einem Patch einbauen (lese ich da gerade, dass es sogar eine Petition für eine Speicherfunktion in IGI gab?), so wäre es einfach nicht das gleiche Spiel.
Es ist kein Bug. Es ist ein Feature.

Kommentare

Rian
27. März 2011 um 00:31 Uhr (#1)
Ich möchte Nils noch mal für diesen schönen Sonntagsartikel danken, vielen Dank. :D
Nils
29. März 2011 um 14:19 Uhr (#2)
Und wie gesagt: Ich danke vielmals für die Gelegenheit :-)
owe
Gast
19. September 2012 um 16:13 Uhr (#3)
Hallo
Gibt es noch etwas anderes als IGI und IGI2?
Oder ein ähnlich gutes Spiel?
Ben
19. September 2012 um 20:17 Uhr (#4)
Die Ähnlichen Artikel auf der rechten Seite neben dem Text sind immer ein guter Hinweis darauf, welche Spiele insgesamt ähnlich sind.

Aus persönlicher Erfahrung könnte ich mir vorstellen, dass dir die erste Splinter-Cell-Trilogie gefallen würde (Splinter Cell, Pandora Tomorrow, Chaos Theory) und vielleicht auch - wie das System vorschlägt - Deus Ex (sowohl das Original als das aktuelle Prequell Human Revolution).
owe
Gast
20. September 2012 um 07:06 Uhr (#5)
Danke, die Games habe ich alle schon probiert und gefallen nicht.
Ist dieses "IGI i´m going in" etwas anderes als IGI und IGI2?
Nils
20. September 2012 um 13:50 Uhr (#6)
"I'm going in" ist mehr der "Untertitel" vom ersten IGI (In Europa wurde das Spiel afaik einfach nur als "Project I.G.I." bezeichnet). Es ist also kein weiterer Teil.
Gast
20. April 2024 um 02:51 Uhr
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