999: 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors

(Artikel)
Rian Voß, 07. Januar 2011

999: 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors

Widdewiddewitt und drei macht Neune!

Ich verzehre mich ja immer wieder nach Postkarten-Adventures, vor allem für den DS. Phoenix Wright fällt in die Sparte, natürlich auch so schöne Dinge wie Hotel Dusk, Another Code oder von mir aus auch Time Hollow. Ein neues Projekt von Aksys, 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors, wirkt mit seinem beklemmendem, soziopathischen SAW-Setting besonders attraktiv.

Alles beginnt gewohnt mysteriös: Irgendein sadistischer Spinner hat neun Menschen zusammengesammelt (sprich: entführt), sie Bomben fressen lassen und mit den Detonatoren in schicker Uhrenform am Handgelenk in den Bauch eines Schiffes gesteckt, woraus sie nun innerhalb von neun Stunden entkommen müssen, sonst geht das Ding nämlich unter. Der Protagonist, Junpei, ist dabei ein ganz normaler Collage-Gänger, der eines Abends in seinem eigenen Zimmer von einer Person in Gasmaske überrascht und durch den Einsatz von fröhlichem Traumrauch vorübergehend ins geistige Nirvana geschickt wurde. Als er wieder zu Sinnen kommt, erwartet ihn nicht nur die Überraschung, dass er plötzlich in Lebensgefahr schwebt und dass sich dafür ein gesichtsloser Zero über Lautsprecher verantwortlich bekennt, sondern auch seine alte Grundschulfreundin begegnet ihn unter den unfreiwilligen Mitspielern, was selbstversändlich in japanischer Tradition zu leichten Dating-Sim-Anflügen führt.


Infolgedessen klickt man sich also, nach abweichend langatmigen Dialogen und Umgebungsbeschreibungen, in Interaktions-Szenen durch geschlossene Räume, kombiniert Gegenstände im Inventar und löst Rätsel (nicht zu leicht und nicht zu schwer), um bis zur nächsten Nummerntür vorzudringen. Nummerntür? Ja, die neun Personen und die neun Stunden haben wir schon abgehakt, aber die neun Türen sind noch mal so ein Extrading: Jeder Mitspieler hat eine zugewiesene Nummer zwischen 1 und 9. Um nun eine Tür durchqueren zu können, müssen die neun Kandidaten, bei denen die minimale Quersumme ihrer addierten Zahlen der Nummer der Tür entspricht, sich an einer Tür, die sie finden, anmelden und können dann hindurchgehen, wobei es einige Regeln zu beachten gibt - etwa dass mindestens drei und höchsten fünf durch dieselbe Tür gehen können und dass, wenn sich nicht diejenigen, die hindurchgegangen sind, innerhalb von 81 Sekunden am Ende des Abschnittes hinter der Tür wieder abmelden, die Bombe in ihren Gedärmen hochgeht und ein rotes Muster auf der Tapete hinterlässt.
Das klingt für Fans des sadistischen Spiele-Horrors schon ziemlich toll, ich bin ja auch ein Fan von solchen Dingen. Allein schon The Cube und SAW (komisch, dass von SAW niemals Nachfolger gedreht wurden, nicht wahr?) als Klassiker. Diese Regeln und der immer drohende Tod bewirken natürlich ihre Spannungen zwischen den Charakteren und da man selbst häufig Entscheidungen treffen darf, durch welche Tür man nun gehen möchte, kann man tatsächlich schon ein gutes Stück seiner eigenen Moral durchsetzen. Wer und wie viele Leute am Ende durchkommen liegt da durchaus in der Hand des Spielers und lädt zu ausgelassenem Neuspielen ein, wobei sich die Handlung für das wahre Ende noch einmal verdichtet.


Während die Charaktere durchaus Tragkraft aufweisen, die Ausdrucksweise der Figuren und bestimmte Ereignisse nicht vor Vulgaritäten und Gewalt zurückschreckt und das ganze Setting spannend bleibt, stehen diesem sehr storylastigen Spiel doch einige Mängel auf der Straße zum unendlichen, atmosphärischen Ruhm im Weg: etwa muss die Story erst einmal aufwärmen. Ich empfand vor allem die erste halbe Stunde des Spiels aus vielerlei Gründen als regelrechte Tortur, sei es wegen meiner Spieler-Sinne oder wegen meiner Geschichten-Liebhaberei. Erst einmal läuft der Text immer mit vorgefertigter Geschwindigkeit und lässt sich (zumindest im ersten Durchlauf) nicht überspringen, so dass man wiederholte Beschreibungen immer im Ganzen lesen muss. Zudem ist der Beginn des Spiels außerordentlich beschreibungslastig und nur wenig wird über Dialoge abgehandelt, was auch nicht sehr schlimm wäre, wenn der Hauptcharakter nicht zuerst auf ausgesprochen naiv getrimmt wäre und die Beschreibungen ausgesprochen hohl und übermäßig detailliert daherkommen. GET. TO. THE. FUCKING. POINT!
Das ist besonders schlimm, weil zu Beginn des Spiels der Raum, in dem sich Junpei befindet, geflutet wird und er erst mal Zeit damit vergondelt, sich über irgendwelchen Muckefuck zu wundern. Das Schlimmste ist jedoch, und dieser Fehler kommt noch häufiger vor, das Handling von Minispielen. "Minispiele" umfasst alles, was nicht über das ganz normale Interaktionsinterface gehandhabt wird, also etwa auch das Eingeben von Zahlen in einem Kombinationsschloss. Und vor jedem erneuten Starten des "Minispiels" wird wieder die Erklärung, unabbrechbar, reingetextet. OKAY. JA. ICH WEIß. DANKE. Das wäre auch nicht so schlimm, wenn man in diesen Minispielen sein Inventar und seine Hinweise einblenden dürfte, aber dafür muss man leider den Minispiele-Bildschirm verlassen. ARGH.

Mir gefällt 999, es bringt eigentlich alles mit sich, was man von einem japanisch entwickelten Postkarten-Adventure erwartet, und eine große Gefahr, nämlich ein banales Setting oder schwache Charaktere, wurde fast restlos ausgemerzt - nichtsdestotrotz erlauben sich die Entwickler einige kleine Schnitzer in der Narration und vor allem den Standard-Gameplayfeatures, wo man dann doch sieht, dass Entwickler Chunsoft hier sein DS-Adventure-Debut feiert. Rian

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RELEASE
16. November 2010
PLATTFORM
Nintendo DS
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