Demigod

(Artikel)
Rian Voß, 10. November 2010

Demigod

Tower Defense meets Rollenspiel?

Eigentlich soll man ja ein Buch nicht nach seinem Umschlag bewerten, schließlich haben die bunten Bildchen kaum eine Aussagenkraft über den Inhalt. Das hat mich trotzdem nicht davon abgehalten, nach einigen Liebäugeleien ein paar Euro für das wirklich charmant aussehende Demigod auszugeben, schon allein weil mich der Architektur-Riese auf der Front wohlig an Shadow of the Colossus erinnerte. Und was die Rückseite nicht erst alles verspricht! Rollenspiel, Strategie, Action! Bei herzlicher Grafik! Und kriegt man das alles auch?


Als ich die DVD in meinen PC schob und fertiginstallierte, sah alles schon mal nicht schlecht aus. Atmosphäre, ein "Ihr Seid Der Auserwählte!"-Erzähler mit apokalyptischen Klang in der Aussprache. Wunderbar! Ich freue mich schon auf die Kampag...ne? Wo ist die Kampagne? Warum steht da nur "Gefecht" und "Turnier"? Naja, wird wohl Turnier sein. Hm. Ne. Auch nicht. WO IST DIE KAMPAGNE?!
Tja, der fehlt es Demigod leider total, trotz des gelungenen Settings um eine Schar Halbgötter, die um den Platz im Olympus-Äquivalent kämpfen. Nicht mal ein Tutorial haben die Entwickler in die Menüauswahl hineinbequemt, lediglich ein Bildschirm voller Funktionstasten gibt einem in den Optionen einen vagen Vorgeschmack auf das, was im Gefecht und Turnier (Mehrfach-Gefecht nach Ausscheidungsverfahren) und Multiplayer kommen mag. Also habe ich die Zähne zusammengebissen und mich auf ein brutales Lernen des Spiels im Eiswasser-Verfahren bereit gemacht.

Dann hat mich aber doch überrascht wie eingänglich ich das Gameplay gegen die auf leicht gestellte CPU erlernen konnte. Das Spiel gibt nämlich vor, dass man seinen gewählten Helden steuert und ausschließlich den. Aus den Toren der Heimatbasis kommen in Schüben Einheiten gestürmt, die auf einem vorgefertigten Pfad der gegnerischen Festung entgegenlaufen und dabei alles angreifen, was sich ihnen auf ihrem Weg nähert und nicht zu unserer Truppe gehört - das hat schon ein bisschen was wie Age of War, was ja im Grunde genommen ein Tower Defense ist, bei dem zwei Spieler gleichzeitig angreifen und verteidigen. Kleinkariertes Einheitenmanagement fällt damit sofort weg, man muss nur mit dem Helden herumlaufen, gegnerische Grüpplein prügeln und Gebäude zerhacken, um Geld und Erfahrung zu sammeln, und am besten hier und da noch eine Fahne erobern, die dem beherrschenden Spieler starke Vorteile verschafft.


Um nun dem Spieler nicht alle Verfügung über die eigene Streitmacht aus den Händen zu reißen, lassen sich durch aus den Kadavern feindlicher Einheiten (Helden bringen da natürlich besonders viel Asche - und Erfahrung!) oder aus Minen geförderten Goldbrocken Upgrades in die Infanterie stecken. Da gibt's alles: Mehr Waffen, mehr Verteidigung, bessere Einheiten und so weiter und so fort. Die kleinen Viecher machen natürlich bei weitem nicht so viel Schaden wie unsere herausragenden Spielercharaktere, sind aber doch essentiell für den Sieg, denn während die Männlein nicht viel einstecken können, können sie einen umzingelten Truppenführer bei entsprechender Ausbildung ganz schnell dem Erdboden gleich machen und in meinen bisherigen Spielen waren es auch eher meine Untergebenen, die das feindliche Hauptquartier letzten Endes einrissen - ich habe ganz gemütlich auf meiner Liege gelegen und zugeguckt.
Geld ist aber nicht nur für hörige Helfer gut, sondern man kann den verdienten Schotter auch in Ausrüstung für sich selbst stecken. Mehr Waffen, mehr Rüstung, eine Teleportrolle für Notfälle oder sollte man doch lieber mal den eroberten Artefaktshop aufsuchen? Wenige Ressourcen und viele Möglichkeiten sie auszugeben!

Dasselbe gilt für die Erfahrungspunkte: Jeder Held spielt sich sehr anders, manch einer baut auf Distanzangriffe, der langsame Turm (so heißt er) ist seine eigene Streitmacht und schon ohne Upgrades nur schwer in die Knie zu zwingen, der Paladin ist lieber inmitten seiner Gefolgsmänner und stärkt sie, die Priesterin heilt alles im Umfeld... Und trotz der Auswahl zwischen acht unterschiedlichen Helden ist das Ganze sehr gut gebalanced. Ich habe zur Zeit noch keinen gesetzten Skillpunkt bereut, jede Fähigkeit hat ihren Nutzen und unterstützt einen jeweiligen Spielstil. Nicht übel! Und wenn man dann noch fünf gegen fünf spielt, kommt erst so richtig das große Taktikverständnis auf. Der eine boostet Truppen und kümmert sich um sie, Turm reißt gegnerische Gebäude ein, der Zauberer hat Wachdienst...

Verzeiht mein Turm-Fanboy-Getue, aber ich steh' auf Turm. Turm <3

Sogar in der Grafik kann Demigod gut punkten. Während einem die Optik nicht absolut vom Hocker haut, so sind die Areale doch sehr schön anzusehen, es lässt sich nach Belieben stufenlos rein- und rauszoomen und bei vielen gleichzeitig Spielern kann sich ein richtiges Einheitenkuddelmuddel auf der gesamten Karte keilen.

Hätte ich daher nicht selbst erst zu dem Spiel gegriffen, als es schon nach nur einem Jahr nach Release für 7 Euro in der Grabbelkiste lag, dann hätte ich mich wirklich gewundert, warum Demigod als Mix aus Publikumsliebhabern wie Tower Defense und WarCraft 3-Heldenmanagement so absolut unbesungen durch die Presse gelaufen ist. Ich kann mir aber denken, dass ein Großteil des Untergangs einfach durch den fehlenden Kampagnenmodus zustande kam, der trotz Versprechen nicht nachgeliefert wurde. Wir befinden uns in einer Zeit, die nach Multiplayer schreit, das ist wahr, aber ein Spiel, das allein darauf baut, unterschätzt die Narrationssucht des Gamers. Wäre das Spiel dominant über digitale Distributoren wie Steam vermarktet worden - und nicht nur über die hauseigene Plattform, die wahrscheinlich keine Sau benutzt -, hätte es vielleicht eine ganz andere Aura gehabt, aber als 45 Euro-Vollpreistitel, der so gutassehende wie nichtssagend im Regal steht und von dem man nur liest, dass er keine Geschichte mit sich bringt, war das Ganze wahrscheinlich einfach zu abschreckend für den sparbewussten Spieler.

Zum jetzigen Preis kann ich Demigod aber vollkommen empfehlen. Die Gefechte mit der CPU machen schon Spaß und vermitteln ein gutes Maß an Epik, im Multiplayer natürlich noch viel mehr. Es ist natürlich schade, dass die Entwickler mit dieser netten Idee dermaßen auf die Schnauze geflogen sind, aber immerhin kommt so nun jeder Geldbeutel an ein tolles Strategie-RPG ran. Rian

Kommentare

Ben
10. November 2010 um 18:15 Uhr (#1)
Das interessante Konzept ist mir doch glatt die 6,99 wert! Aber boah, Green Pepper-Hüllen sind SO HÄSSLICH.
Jozu
10. November 2010 um 19:27 Uhr (#2)
Demigod ging unbesungen durch die Presse, weil es geschätzte 1000 Spiele dieses Genres gibt, und sie alle Klone von WarCrafts Funmap "DotA" sind ^^ - bei welchem es sogar große Turniere mit Geldpreisen usw. gibt. Trotzdem ist Demigod doch schon einer der besseren und hat mir auch viel Spaß gemacht.
Dreed
10. November 2010 um 21:57 Uhr (#3)
joar, kurzweiliges spiel... kann man mal spielen, aber n kampanie, n story fehlt echt...
hehe ich hab nur 5€ bezahlt und eine normale hülle ;-)
Ben
11. November 2010 um 11:52 Uhr (#4)
@dreed: Das ist cheat in jeder Hinsicht!

Der Mangel an Story ist wirklich schade. Zumal die Hintergrundidee eigentlich genut Stoff hergibt.

btw: Die Hülle sagt mir, dass es in der ESL gespielt wird?
Dreed
11. November 2010 um 12:14 Uhr (#5)
@Nex: manche nennen es cheat, ich nenn es luck!^^
Rian
11. November 2010 um 13:58 Uhr (#6)
Das Spiel macht trotzdem auch gegen die CPU relativ langwierig Spaß, wenn man denn das Explorieren der einzelnen Charaktere als genug Motivation ansieht.
Ben
11. November 2010 um 14:32 Uhr (#7)
Habe heute eine Runde mit dem Biest gegen den Fernkämpfer gespielt. War eine größere Herausforderung als der dämliche Vampir. Habe aber bisher noch keinen der Generäle ausprobiert.
Jozu
11. November 2010 um 19:03 Uhr (#8)
Müssen mal alle gegeneinander spielen - Daily D-Pad Demigod-...Dappening?!
Rian
11. November 2010 um 21:31 Uhr (#9)
Ich finde Generäle eigentlich ziemlich toll - habe mit Erebus vorhin Nex' Magier plattgemacht (okay, er hat noch nicht so viel gespielt, aber :D) und der Paladin kann der Armee massiv helfen. Aber Turm <3
Ben
11. November 2010 um 22:48 Uhr (#10)
Ich werde jetzt nochmal irgendeinen supportive character ausprobieren. Die Magier-Niederlage war so doof :(
Gast
18. April 2024 um 07:18 Uhr
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