Arcania: Gothic 4

(Artikel)
Benjamin Strobel, 27. Oktober 2010

Arcania: Gothic 4

Casual-RPG mit Power-Optik

Oh mein Gott, wie haben wir darauf gewartet! Seit Gothic 3 2006 die Fans der Spielereihe hungrig zurückgelassen hat, gibt es eine Menge Kaufpotential für neue Spiele mit dem Namen Gothic. Doch das ist hier lediglich halb gegeben - Arcania: Gothic 4 trägt seine Wurzeln nur im Untertitel. Auch wenn die Bugparade des dritten Teils hier streng vermieden wurde, summt die Epik von Gothic nur im Hintergrund. Das neue Gothic ist ein Casual-Rollenspiel.

Für den Test liegt uns die PC-Version vor. Die Konsolen-Variante muss optisch leider einige Abstriche machen und sieht fast etwas altbacken aus.
Es wurde definitiv nicht alles gehalten, das den Fans versprochen wurde. Viele klassische Elemente der Spielereihe fehlen einfach völlig. Leider kratzt das nicht nur an meinen erhofften Retro-Gefühlen, sondern auch an den Fundamenten des Gameplays. Eines muss man dem Spiel aber zugute halten: Bei allem, was fehlt, sieht es immerhin bombastisch aus! Dynamische Schatten und weiche Lichteffekte, die sich ambient ständig ändern, Partikeleffekte vom Feinsten, dynamisches Wetter mit Nebel, Gewitter und strahlendem Sonnenschein für schöne Weitsicht. Auch die Charaktermodelle sind sehr detailliert. Sogar bei den Animationen hat man deutliche Fortschritte gemacht. Alles ist flüssig, nur selten sieht eine Bewegung hakelig aus. Kritikpunkt ist allerdings fehlendes Anti-Aliasing, das sich derzeit nicht einmal durch die Grafiktreiber erzwingen lässt. Wer den lästigen Kanten-Effekt vermeiden möchte, sollte dringend auf höchste Auflösungen setzen. Außerdem ist Arcania außerordentlich hardwarehungrig. Wer auf höchsten Details spielen möchte, benötigt mindestens eine GeForce GTX 295.

Mitreißende Optik! Was fehlt? Achja, das Gothic-Gameplay.

Der Sound macht wie immer Spaß, auch wenn die Musik des Titelbildschirm deutlich epischer ist als es die Story nachher zulässt. Die stellenweisen Mängel in der Geschichte hindern die Charaktere aber nicht daran Dialoge super rüberzubringen. Die deutschen Synchronstimmen sind wie früher schon großartig, alle Fans des namenlosen Helden müssen sich aber mit einem neuen Kerl anfreunden: Namenloser Held 2. Übrigens stimmlich identisch mit dem Helden aus Risen. Einige NPCs grunzen zwar wie alte Unken, aber das passt dann häufig auch zu ihrem Charakter. Der Held ist natürlich frech wie eh und je, eine Prügelei ist da nie fern. Leider sind die Kämpfe auf Schwierigkeit "Normal" viel zu einfach, sodass ich schnell auf "Schwer" umgestellt habe. Wenn man dann nicht sterben möchte, muss man zumindest auch mal ausweichen. Neben dem Blocken kann man von dieser neuen Technik Gebrauch machen, um sich im Kampf einen Vorteil zu verschaffen. Wie oft man herumspringen kann, hängt allerdings von der Ausdauer eures Charakters ab. Leider bleiben die Kämpfe trotz einiger dazulernbarer Moves eher oberflächlich - im Wechsel zwischen Schlagen und Wegrollen hat man stets gute Chancen.

Für den Fernkampf: Bogen oder Armbrust.

Als Nuance im Kampf gibt es aber noch die Magie. Es gibt drei magische Grundfähigkeiten: Blitzenergie, Feuer und Eis. Alle drei Elemente manifestieren sich in Projektilform als Fernkampfwaffe. Mit den Blitzen lassen sich Feinde kurzzeitig lähmen, Eis verlangsamt Feinde, Feuer macht zusätzlichen Verbrennungsschaden über die Zeit. Für alle drei Zweige gibt es dann noch ein paar Aufwertungen über den Skilltree, aber Neues sucht man dann vergeblich. Man kann aber zusätzlich auch Runen finden oder kaufen, die verschiedene magische Fähigkeiten haben (etwa schnelles Laufen für bestimmte Zeit oder Erhöhung des Angriffs etc.). Man kann sie unbegrenzt einsetzen, doch nach jeder Benutzung müssen sie sich erst wieder aufladen.

Auch einige magische Kreaturen leben in der Welt von Gothic.

Soviel zu dem, das es gibt. Kommen wir zu dem, was es nicht gibt. Dazu zählen viele kleine Dinge, leider aber auch ein paar grundlegende: beispielsweise kann man weder schlafen noch rasten. Es gibt auch kein offenes Gildensystem, bei dem man sich aussuchen kann, zu wem man gehören möchte. Viel mehr mischt man hier und da mal mit, erhält seine Roben durch das Erfüllen von Aufträgen. Spielentscheidende Veränderungen kann man dennoch treffen, der Rahmen in dem sich das bewegt, wirkt für mich aber zu klein. Zudem ist die Welt bei Weitem nicht so begehbar wie früher: Mit dem Erfüllen bestimmter Quests schaltet man den Weg zum nächsten Ort frei, an dem einen wieder eine Kaskade von Quests erwartet, die am Ende zur Folge hat, dass man auch von dort wieder zum nächsten Ort gelangt. Das Spielgeschehen ist also relativ linear geworden.


Die riesige Spielwelt täuscht aber nicht nur Offenheit vor, sondern auch eine falsche Fülle. Viele große Flächen sind einfach leer und langweilig. Eine kleinere, aber dafür spannende Welt wäre vielleicht die bessere Alternative gewesen. Leider sind zu allem Übefluss auch die Side-Quests ziemlich eintönig ("Laufe dorthin, töte soundsoviele von denen und komme wieder.").

Schaut man sich das Skillsystem an, so wurde auch hier im Vergleich zu früheren Spielen deutlich abgespeckt. Es gibt ein paar wenige Pfade (Nahkampf, Fernkampf, die Magien und ein paar weitere) und das war's. Mit jeder Stufe erhält man Punkte, die man darauf verteilen kann. Pro sechs Punkte auf einem Pfad bekommt man in der Regel einen Skill dazu. Die Zwischenpunkte erhöhen nur Statuswerte, die mit den entsprechenden Fähigkeiten zusammenhängen, die lernbaren Fähigkeiten selbst beschränken sich jedoch eher darauf Vorhandenes etwas aufzuwerten, als wirklich etwas ganz Neues zu lernen. Nicht zuletzt ist auch das ein Grund für die fehlende Tiefe im Kampfsystem.

Zuletzt ist auch das Crafting-System sehr einfach gehalten: im Falle von Tränken benötigt man Rezepte, für Rüstungsteile ebenfalls Schriftrollen mit den benötigten Materialien. Diese erscheinen dann im Crafting-Menü und zeigen dort direkt an, welche Zutaten einem noch fehlen. Hat man alles, kann man ohne Umwege losbasteln und hat das Ergebnis sofort in der Hand. Nicht wirklich schlecht, aber eben casual und wenige fordernd.


Trotzdem macht Arcania Spaß! Es ist ein solides westlichen Rollenspiel, das durch lustige Dialoge und einsteigerfreundliches Gameplay auftrumpft. Für Anfänger ist dieser Titel ein guter Einstieg in die Welt der Rollenspiele, da es auch ingame viele Hilfe-Menüs gibt. Für die eingefleischten Fans kann die Schlichtheit des Spiels aber bei Weitem nicht die Tiefe bieten, die man von früheren Titeln und anderen Genrevertretern gewohnt ist. Ob es dem Fan dennoch 49,99 EUR wert ist, sollte er gut abwägen! Nex

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
19. April 2024 um 21:05 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Gefällt dir unser Artikel?

Ähnliche Artikel