Wie ein Drache...

(Artikel)
Christian Steiner, 28. März 2010

Wie ein Drache...

Yakuza 3

Die Yakuza-Serie ist ein einziges Drama. Damit meine ich nicht nur die Story des Spiels, sondern vor allem die Probleme der Serie im Westen. Die ersten beiden Teile erschienen noch auf der guten, alten PS2 und verkauften sich in Japan so gut, dass Sega mittlerweile jährlich auf der PS3 einen neuen Teil aus den Rohren pumpt. Nur im Westen läuft es einfach nicht rund.

Angefangen beim ersten Teil, dem Sega eine aufwendige Lokalisierung spendierte. Man heuerte ein paar bekannte Schauspieler an und vertonte jede Zwischensequenz neu und übersetzte viele, viele Zeilen Text ins Englische. Leider übertrieb man es dabei ein wenig: Statt der spannenden Japano-Mafia-Atmosphäre gerecht zu werden, versetzte die Synchro einen in das tiefste amerikanische Ghetto. Es wurden Mütter und Söhne en Masse beschimpft, sodass die wenigen Käufer mit einem gemischten Gefühl zurück blieben und der neuen Serie so nur schwer den benötigten Schub in den Verkäufen geben konnte. Der zweite Teil wurde glücklicherweise unberührt gelassen, statt mieser Synchro gab es stimmungsvollen O-Ton mit Untertiteln. Das haben nur die wenigsten mitbekommen, weil die PS3 schon längst in den Regalen lag und Segas Marketing der aus dem Leben scheidenden PS2 zu wenig Aufmerksamkeit schenkte, was wiederum in miserablen Verkauszahlen (40.000 verkaufte Einheiten im gesamten Westen schwirren durchs Netz) gipfelte. Kurzum: Die Yakuza-Serie ist nie wirklich im Westen angekommen und Sega sah lange Zeit keinen Grund, den dritten Teil hier zu Lande anzubieten.

Bis zum letzten Sommer, in dem endlich die Rufe der Fans erhört wurden und Sega den vollen Genuss der dritten Episode für den Westen ankündigte. Die Japanophilen frohlockten und das Drama schien abgeschlossen.
Doch dann tauchten im Dezember die ersten Meldungen auf, dass man einige Kürzungen aus zeittechnischen Gründen, sowie das Entfernen eines Trivia-Quiz über Japan aus pragmatischen Gründen vornehmen musste. Erstes Magengrummeln machte sich breit. Kürzungen sind immer eine heikle Sache und die Begründung seitens Sega stank gewaltig zum Himmel, schließlich liegt zwischen dem japanischen und westlichen Release ein ganzes Jahr. Doch damit nicht genug, kurz vor Release kamen dann Erfahrungsberichte, die von weit mehr Kürzungen berichteten als Sega vorher zugab. Ganze Nebenmissionen gingen über die Reise gen Westen verloren. Aus dem anfänglichen Magengrummeln wurde blanke Nerdwut, die Kommentare und Foren-Meinungen waren eindeutig: Boykott!11!einself

Natürlich hält diese Idylle nicht lang und Kazuma muss schon bald wieder die Fäuste schwingen.

Selbstverständlich ist diese ganze Vorgeschichte mehr als unglücklich gelaufen, aber wer den Titel bewusst von seiner PS3 fernhält, macht in meinen Augen einen gewaltigen Fehler. Denn das Spiel selbst ist ein überzeugendes Erlebnis.
Yakuza 3 beginnt mit einer Zusammenfassung der ersten beiden Teile, die allen Neuankömmlingen der Serie wärmstens zu empfehlen ist. Die vorherigen Handlungsstränge mit den vielen Namen und Personen werden einem zumindest etwas näher gebracht, auch wenn die spätere Haupthandlung des Spieles es immer noch schafft einen zu verwirren. Doch das gehört dazu, Yakuza war in seinem Kern schon immer ein leicht verwirrenden Trip durch die japanische (Unter-)Welt.
Die eigentliche Haupthandlung ist zumindest in seinen Anfängen schnell und problemlos erzählt: Hauptfigur Kazuma Kiryu hat sich von seinem ehemaligen Yakuza-Clan losgelöst, das Amt des Vorsitzenden schon lange abgegeben und lebt nun mit einem Haufen Waisenkindern in seinem selbst gegründeten Waisenhaus an der Küste Okinawas. Das Leben könnte für ihn nicht besser laufen, bis ihm eines Tages zu Ohren kommt, dass auf seinem Landbesitz ein neues Ferien-Resort entstehen soll. Die Lage wird zunehmend bedrohlicher, als auch noch der neue Vorsitzende des Tojo-Clans angeschossen wird. Kazuma hat also keine andere Wahl, als sich gegen die Pläne der Regierung zu stellen und gleichzeitig die Vorfälle innerhalb des Tojo-Clans aufzuklären. Ab hier beginnt dann auch der spannende Plot, der leider viel zu oft in viel zu langen Zwischensequenzen oder reinen Textdialogen erzählt wird. Ein gewisses Sitzfleisch ist also Voraussetzung.

Doch nicht nur die Story, auch das ganze Gameplay und Design des Spiels könnte nicht japanischer sein. Es gilt zwei Gebiete im Laufe der Handlung zu bereisen und erforschen, zum einen die fiktionale Kleinstadt an der Küste Okinawas, zum anderen einen ebenfalls fiktionalen Stadtteil Tokios, der schon aus dem ersten Teil bekannt ist. Das Spiel stellt einen vor klare Aufgaben, die das Weiterkommen der Handlung garantieren. Gehe dorthin, finde diese Person, erledige jene. Diese Aufgaben werden im Rahmen einzelner Kapitel erzählt, an deren Ende immer ein größerer Bosskampf steht.

Wichtig: Natürlich werden die Kämpfe meist oben ohne ausgetragen, ein einziger Handgriff und der Blick auf den tattoowierten Rücken wird frei.

Die Kämpfe sind das Herzstück der Serie und werden in bester Brawler-Tradition in kleinen Arenen ausgetragen. Das Kampfsystem ist irgendwo zwischen Button-Mashing und taktischem Kombo-Vorgehen angesiedelt, es gibt natürlich eine Menge spezieller Finishing-Moves und bei Gelegenheit kommen kleine Handwaffen wie Messer, Flaschen oder Schwerter, aber auch größere Kaliber wie Pistolen und Shotguns zum Einsatz. Der Fokus liegt aber eindeutig auf der waffenlosen Keilerei, meistens boxt Kazuma gegen mehrere Gegner gleichzeitig. Nett ist auch die Möglichkeit die nähere Umgebung in Form von herumstehenden Fahrrädern, Mülleimern oder Werbeplakaten für den Kampf zu missbrauchen. Und natürlich gibt es auch rollenspielähnliche Auflevel-Mechaniken: nach jedem Kampf gewinnt man Erfahrungspunkte, die dann auf eine von vier Kampfeigenschaften verteilt werden können und so weitere Spezial-Attacken oder -Eigenschaften freischalten. Kurzum: Das Kampfsystem macht Spaß, ist vielschichtig und motiviert immer wieder aufs Neue. Das muss es allerdings auch, denn Yakuza bietet eine Menge Zufallskämpfe. Auf den Reisen durch die japanische Gangster-Welt warten nämlich an fast jeder Straßenecke irgendwelche Street-Punks, denen erst einmal Manieren beigebracht werden müssen. Das wirkt in so einem bewusst realistisch gehaltenen Setting zwar etwas lächerlich, aber irgendwo gehört es zu einem japanischen Spiel dann doch dazu. Zum Glück sind diese Kämpfe dann wieder auch nicht sooo häufig und mit ein bisschen Geschick lassen sich die meisten zur Not auch umgehen.

In den Kämpfen wird nicht mit der roten Soße gespart, die Finishing-Moves sind dabei stets stimmungsvoll inszeniert.

Ebenfalls typisch japanisch ist die Art und Weise, wie sich das Spiel entfaltet. Ich kam beim Spielen nicht drum herum, immer mal wieder an die gute alte Shenmue-Reihe zu denken, die ja ebenfalls von Sega ist. Beide verbindet die detailverliebte Nachbildung einer japanischen Stadt, sowie die langsame Art der Erzählung. Yakuza hat nämlich auch kein Problem damit, die Haupthandlung erst einmal ruhen zu lassen und eine kleine Auszeit in Form von belanglosen Alltagsaufgaben zu nehmen. Mitten in der eigentlichen Story muss also erst einmal ein entlaufenes Hündchen gefunden oder mit den Waisenkindern Verstecken gespielt werden. Das kann mitunter gewaltig an den Nerven zehren, weil man viel lieber mehr von der Story erfahren würde, ist aber wohl der Versuch die Beziehung zwischen Kazuma und den Kindern zu vertiefen. Man kann es mögen, muss es aber nicht. Ich wünschte mir an so mancher Stelle, dass aus den rund 20 Stunden Spielzeit zugunsten der Story weniger geworden wären. Wer allerdings in typischer Rollenspiel-Manier noch tiefer in die Welt des Spiels eintauchen will, dem sei versichert, dass nach diesen 20 Stunden zwar die Hauptstory durchgespielt ist, allerdings befinden sich damit nur rund 20% des eigentlichen Spiels auf der Fortschritts-Anzeige. Über 100 Nebenmissionen können neben der Haupthandlung für Vergnügen sorgen, es gilt in GTA-Manier 100 Schließfach-Schlüssel zu finden, es gibt Mini-Spiele wie Golf und Angeln, Arcade-Spiele können im Club-Sega gespielt werden - die Liste ist nahezu unendlich und dürfte wirklich eingefleischte Yakuza-Fans lange bei der Stange halten.

Yakuza 3 ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es ein tolles, abwechslungs- und umfangreiches Spiel für ein sehr spezielles Publikum. Die Zielgruppe ist vorhanden, aber klein. Wer sich für die japanische Kultur interessiert, gerne Yakuza-Filme schaut oder einfach mal wieder ein durch und durch japanisches Spiel der alten Schule spielen möchte, der soll sofort aufhören diesen Artikel zu lesen und Yakuza 3 auf seine Wunschliste setzen. Oder ihr lest doch noch die letzte paar Sätze! Wer andererseits kein Freund der eben beschriebenen japanischen Tradition ist, wem Untertitel zu doof sind oder wer auch einfach keine Lust auf so eine Art von Spiel hat, dem sei ganz klar abgeraten. Wer allerdings zu keiner dieser beiden Gruppen gehört, sondern das Spiel nur wegen der paar Kürzungen seitens Sega nicht in seine PS3 wirft, dem ist leider auch nicht mehr zu helfen. Christian

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