Auf der GamesCom war etwas wahrlich Seltsames passiert: Ich, der PES-Fanboy, der mal locker den halben Messetag am Konami-Stand verbrachte, bekam FIFA 10 von einem Entwickler präsentiert und war restlos begeistert! Und das obwohl ich in meinem einzigen Match 4:0 abgefertigt wurde. Mit der Demo sank dann auch ein bisschen die Vorfreude, denn nach intensivem Spielen stellte ich fest: So viel hat sich gar nicht verändert.

Startet man das Spiel, könnte man sogar glatt glauben, nichts ist anders. Die Menüführung ist gleich geblieben, noch immer kann man in der Arena ein bisschen gegen den Torhüter kicken. Die auffälligsten Änderungen sind unter der Haube zu finden. Beispielsweise, dass man die Arena nun auch als vollwertigen Trainingsmodus nutzen kann. Auf Druck der Back-Taste klappt ein Extramenü auf, in dem man Anzahl der Spieler einstellen kann, genau wie die Spielsituation, die man trainieren will. Drückt man hingegen Start sieht man das gewohnte Menü, das nun durch drei Punkte ergänzt wurde. Es gibt nun einen In-Game Store, in dem man sich zusätzliche Kommentatorensprachen oder die bekannten Live Season-Abos kaufen kann. Eventuell soll man dort auch Stadien und andere Extras vorfinden können, wahrscheinlich gegen MS Points.

Die Live Season hat nun auch ihren eigenen Menüpunkt gekriegt, unter dem Namen "Live Season 2.0". Dort kriegt man wie gehabt jeden Mittwoch ein Update mit der momentanen Spielerform für die aktuellen Ligen. Aber es wäre ja nicht 2.0, wenn da nicht noch was dazugekommen wäre und deshalb wurde eine Online-Komponente eingebaut, die es ermöglicht, jedes Spiel des Lieblingsvereins nachzuspielen -- unter möglichst realen Bedingungen wie Verletzungsstand an diesem bestimmten Spieltag.

Der letzte Menüpunkt heißt "Virtual Pro" und ist die Evolution des schon seit zwei Jahren bekannten Be-A-Pro-Modus. Hier erstellt man sich einen eigenen Spieler, den man dann zu Ruhm führen kann. In FIFA 10 ist es nun möglich über einen etwas umständlichen Prozess (man muss sich zwei Programme auf dem Computer installieren und passende Bilder einscannen - mit der Xbox Cam schnell ein paar Schnappschüsse machen, wie bei Pro Evolution Soccer, ist nicht möglich) sein eigenes Gesicht ins Spiel zu bringen. Die Resultate sehen aber dafür auch ganz ordentlich aus, zumindest kann man sich (meistens) selbst wiedererkennen.
Den dann erstellten Spieler kann man auch trainieren. Ging das vorher nur umständlich, indem man Saisons spielte, erwarten einen nun Aufgaben, die erfüllt werden sollen. Das reicht von "Zeige alle Tricks der ersten Stufe" über "Spiele in 100 Spielen" bis hin zu "Erziele 100 Tore". Ist der eigene Kicker ordentlich gepimpt, kann man ihn dann auch online einsetzen und gegen Teams aus kreierten Spielern antreten.

Bestreitet man die erste Partie, muss man auch mit der Lupe suchen, um Unterschiede festzustellen. Grafisch sieht das Spiel eigentlich genau wie vorher aus, dafür wurden die Animationen aber noch eine Spur verbessert. Spieler rangeln und rempeln in den Zweikämpfen oder werfen sich mutig in den Weg harter Schüsse. Andere Animationen, die man sonst nur in Zwischensequenzen sah, wurden nun in das Spielgeschehen direkt integriert. So gibt der Schiri direkt die gelben Karten und es werden viele indirekte Freistöße gepfiffen, die auch ohne große Unterbrechung ausgeführt werden.
Leider sind aber dann die Momente, die Zwischensequenzen aktivieren, wie Fouls oder Ein-/Auswechslungen, etwas sehr repetitiv. Es gibt für Verletzungen genau zwei Animationen und bei den anderen Situationen sieht es auch nicht besser aus -- vor allem weil hier nur Recycling betrieben wurde, da man alle Szenen aus dem Vorgänger kennt.

Auf der spielerischen Ebene nennt sich die große Neuerung 360°-Dribbling. In der Theorie soll das dem Spieler die totale Kontrolle über den Ball verleihen, anstelle dass man nur in acht Richtungen bolzen kann. In der Praxis spürt man die neue Technologie aber nur bei intensiven Zweikämpfen direkt am Mann oder wenn man nahe der Außenlinie dribbelt, wo man dank der erhöhten Präzision den Ball, der früher ins Aus gekullert wäre, noch irgendwie auf der Linie halten kann.

Sonst bietet das Gameplay die gewohnte Flüssigkeit, die vor allem Fans von schnellem Kurzpassspiel begeistern wird. Gleichzeitig fehlt es aber an Tiefe bei den Taktikeinstellungen, was leider dem Realismus etwas schadet, wenn Teams sich nicht so verhalten, wie in echt, weil die nötigen Optionen nicht vorhanden sind. Individuelle Einstellungen für Spieler sind nicht möglich, und ganz besonders im Mittelfeld erlebt man oft, dass sich Situationen 1:1 wiederholen. Die KI ist leider auch nicht intelligent genug, um sich auf sowas einzustellen, weswegen, wenn man eine effektive Strategie herausgefunden hat, man damit auch oft problemlos mehrmals zum Torerfolg gegen ein Team kommt.

Die Torhüter stellen sich ebenfalls gerne wie Kreisligisten an. Im Gegensatz zu früher kommen sie nun nämlich ein bisschen zu oft weit aus ihrem Tor heraus, was nicht allzu selten in einem Lupfer mit Torerfolg resultiert. Man kann dem Torhüter zwar mit einem doppelten Druck auf die Y-Taste befehlen, dass er im Kasten bleibt, aber ist er erstmal weit rausgelaufen, braucht er eine halbe Ewigkeit, um den Weg zurück zu finden. Teilweise bleibt er auch angewurzelt stehen und schaut dem Ball, der über ihn segelt, seelenruhig zu -- wäre er zurück zum Tor gerannt, hätte er ihn aber locker halten können.

Das Lizenz-Paket ist, EA-typisch, mal wieder besonders fett ausgefallen. Alle Ligen aus den Vorgängern machen ein Comeback, mehr Nationalmannschaften wurden lizenziert und es gibt über 50 verschiedene Stadien, die zu einem großen Teil ebenfalls Repliken echt existierender Spielstätten darstellen. Paradox ist aber, dass die Wetterkonditionen auf manche Stadien beschränkt sind. In Arsenals Emirates Stadium gibt es keinen Schnee, andere müssen dafür beispielsweise auf verschiedene Tageszeiten verzichten. Etwas schade, vor allem weil Schnee und Regen richtig gut umgesetzt sind und das Spielgefühl auch nachträglich beeinflussen. Bei strömendem Regen bleibt der Ball gerne etwas im Rasen stecken, wird es hingegen winterlich weiß neigt die Kugel dazu so unberechenbar rumzuhüpfen wie man es sonst nur von Dead or Alive-Brüsten gewohnt ist.

Leider hat EA aber auch mal wieder bei der Programmierung gepatzt, weswegen auch das Bug-Ensemble es ins fertige Spiel geschafft hat. Beispiel? Mein Torhüter ist in der Liga der beste Vorlagengeber meines Teams, während sonst kein einziger Spieler es geschafft hat ein Tor aufzulegen. Wie geht das? Oder auch die Sprache wechselt gerne kurz, wenn man das Spiel speichert. Oder dass die Verbindung zum EA-Server mit schöner Regelmäßigkeit verloren geht, obwohl man mit Xbox Live verbunden ist.

Insgesamt ist es das beste Fifa aller Zeiten, denn der schnelle Kick macht einfach viel Spaß und hat natürlich einen großen Atmosphäre-Bonus durch die vielen Lizenzen. Gleichzeitig muss man aber für die Zukunft mahnen, dass EA jetzt nicht das machen sollte, was Konami die letzten paar Jahre gemacht hat: sich nur auf minimale Gameplaytweaks und Kaderupdates verlassen. Denn so schnell EA oben auf dem Thron der Fußballspiele angekommen ist, genauso schnell könnten sie auch wieder nur zweiter Sieger sein. Evil