Faszination Tarkov
Faszination Tarkov
Warum der Extraction Shooter der König ist
Die Geschichte von Escape from Tarkov ist durchaus faszinierend. Nachdem Battlestate Games einen eher unbedeutenden Call of Duty Klon namens Contract Wars rausbrachte, fingen sie mit Tarkov an als Brückenspiel zu ihrem eigentlichen Traumprojekt, Russia 2028, einem Open World MMO Shooter in einem Postapokalyptischen Russland (Wir lassen aktuelle Politik mal außen vor). Escape from Tarkov sollte nur zwei Zwecken dienen, die Vorgeschichte des Kollapses erzählen, der sich von Tarkov aus auf ganz Russland ausbreiten wird, und die Spielsysteme testen, die in Russia 2028 vorkommen werden.
Doch dann kam die Pandemie, alle sitzen zuhause und BSG gelang es einige große Streamer an Land zu ziehen, um Escape from Tarkov zu streamen, gepaart mit Twitchdrops. Urplötzlich katapultierte sich dieses klare Nieschenspiel in den Mainstream, die Spielerzahlen explodierten und auf einmal war Tarkov ein fester Begriff in der Gamingwelt. Und damit auch das Genre des Extraction-Shooters, in welches sich, ähnlich wie durch PUBG beim Battle Royale Genre, nun auch die großen Entwicklerstudios hineinwagen. Der DMZ Modus von Call of Duty stellt eine stark vereinfachte Variante davon dar und letztes Jahr gab Bungie bekannt, dass sie ihre Marathon IP durch einen Extraction Shooter wieder aufleben lassen wollen.
Der plötzliche Erfolg warf bei BSG so einige Pläne durcheinander. Aus ihrem Brückenprojekt Tarkov wurde mittlerweile ein echter Hausname, so dass man sich scheinbar gar nicht mehr traut Russia 2028 zu entwickeln, um Tarkov abzulösen. Stattdessen plant man im Laufe der Zeit Tarkov zu dem zu machen, was Russia 2028 eigentlich werden soll. Es ist aber möglich, dass diese Pläne auch wieder verworfen werden. Was aus dem Erfolg von Tarkov jedoch geboren wurde ist Escape from Tarkov: Arena, ein Team Deathmatch Ableger, welcher die Spielmechaniken von Tarkov nutzt, ohne das ganze Extraction Shooter Gerüst drum rum. Der Erfolg ist daher bisher eher mäßig, kann aber noch was werden.
Aber was genau ist eigentlich ein Extraction Shooter? Als einen Grundpfeiler des Genres würde ich da zuerst einmal die Tatsache benennen, dass man vor dem Betreten der Spielzone seine Ausrüstung zusammenstellen muss und diese verliert, sollte man in der Spielzone sterben. Damit verbunden sollte man auch eine Art Basis haben mit einem permanenten Inventar aus dem man sich seine Ausrüstung zusammensetzt. Händler für neue Ausrüstung sollten auch von dieser Basis aus zugänglich sein, wobei man das vielleicht noch als optional ansehen könnte. In der Spielzone selber sollte man Loot in verschiedensten Formen finden, von Müll zum verkaufen zu Resourcen zum Verarbeiten oder Handeln, bis hin natürlich zu neuer Ausrüstung. Die Spielzone sollte sowohl mit NPCs bevölkert sein, als auch das Aufeinandertreffen mit anderen Spielern ermöglichen. Und die Spielzonen kann man nur verlassen, wenn man einen designierten Ausgang erreicht. Erst dann hat man seine Beute sicher.
So komplex das Genre an sich ist, so simpel wirken diese Grundpfeiler, die ich definiert habe. Das sehe ich eher als einen großen Vorteil dieses Genres an, denn es gibt sowohl den Entwicklern viele Freiheiten, wie sie das Konzept umsetzen, als auch den Spielern wie sie mit dem Konzept interagieren wollen. So hat eigentlich jeder Extraction Shooter irgendein Quest und Fortschrittsystem, doch ich habe diese bewusst nicht in meine Definition mit hineingenommen. Denn es hängt vom Spieler ab, ob man mit diesen Elementen wirklich agieren möchte, man hat die Freiheit das alles zu ignorieren, wobei natürlich die meisten Spieler diese Systeme nutzen, man möchte schließlich was erreichen und es ist nur von Vorteil, wenn man sich damit befasst.
Ich greife einmal vorab, um zu verdeutlichen, was genau ich damit meine. In Tarkov gibt es (noch) keine Hauptquestreihe zu absolvieren, dafür jede Menge Quests, welche in erster Linie dazu dienen neue Kaufoptionen bei den Händler freizuschalten, bzw. bestimmte Gegenstände kann man erst dann in seinem Versteck herstellen, wenn man entsprechende Quests erledigt hat. Man kann aber auch seine Zeit damit verbringen, immer wieder in Factory, die kleinste Map von Tarkov, zu gehen, um andere Spieler zu jagen und sich dann auf die so erbeutete Ausrüstung zu verlassen. Da es (noch) kein Endziel in Tarkov gibt, welches man erreichen sollte, ist es nicht verkehrt so zu spielen. Genauso wie in Minecraft es vor dem Erlegen des Enderdrachens auch kein Ziel des Spieles gab und man selbst das nicht wirklich als das Endziel ansehen muss.
Genau dort sehe ich den Reiz der Extraction Shooter. Jeder Ausflug in die Spielzone ist einzigartig und man kann zwar mit einem bestimmten Ziel vor Augen hineingehen, doch je nachdem was man findet oder wem man begegnet können sich diese Ziele ändern. So hatte ich in Tarkov schon so manchen Plan eine Quest zu beenden verworfen, entweder weil ich etwas wertvolles gefunden hab und nicht riskieren wollte, dass ich es verliere, oder weil ich gesehen habe, dass ein dreier Team in dem Gebiet zugange ist und ich meine Erfolgschancen für zu gering hielt.
Wenn es denn zum Kampf gekommen wäre. Denn in Tarkov herrscht in erster Linie Anarchie, im Guten, wie im Schlechten. Es gibt keine Regeln, an die man sich halten muss, dazu gehört auch, dass man nicht jeden Spieler töten muss, dem man begegnet, man im Gegenzug aber auch nicht vom Spiel dafür bestraft wird, wenn man es trotzdem tut. Einzig wenn man eine Quest hat für die man Spieler töten muss könnte man sagen, dass PvP notwendig ist, doch der Großteil der Quests in Tarkov zwingen einen nicht zum PvP.
Und trotzdem ist ein Feuergefecht in den meisten Fällen unausweichlich, sollten sich zwei Spieler begegnen, obwohl es eigentlich nicht notwendig ist. Es gibt viele mögliche Gründe dafür. Auch wenn das Töten anderer Spieler von Tarkov nicht direkt belohnt wird, so könnte euer Opfer gute Sachen bei sich haben. Sei es die Waffe, die Rüstung oder guter Loot, der gesammelt wurde. Potentiell kann es sich also lohnen, insbesondere wenn man selbst nur Schrott hat und jemanden überrumpeln kann. Oder vielleicht muss, weil der mit der besseren Ausrüstung das Feuer eröffnet hat.
Angst spielt dabei eine große Rolle. Wir wissen, dass es genügend Spieler gibt, die einfach alles abballern, was ihnen vor die Flinte kommt. Je besser die Ausrüstung des anderen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Feuer eröffnen. Daher schießt man lieber zuerst, anstatt vom Gegenüber mehr oder minder hingerichtet zu werden. Oder versucht ihm aus dem Weg zu gehen. Seit einiger Zeit gibt es aber auch eine dritte Möglichkeit zur Konfliktbewältigung, denn letztes Jahr bekam Tarkov endlich VoIP. Davor konnte man mit fremden Spielern nur über Gesten und vorgefertigte Voicelines kommunizieren, ein Grund warum viele die USEC Fraktion wählten, da diese Englisch sprechen und nicht wie BEAR PMCs Russisch. Nicht jeder weiß was “Nicht Schießen” auf Russisch heißt.
Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass mit dem anderen reden nicht immer den gewünschten Erfolg bringt, sogar teilweise das Gegenteil bewirkt. Als VoIP eingeführt wurde war es neu und spannend und wie üblich bei größeren Content Patches wurde der Fortschritt aller Spieler zurückgesetzt (Auch bekannt als Wipe). Jeder hatte schlechte Ausrüstung, jeder wollte einfach nur dieselben Startquests beenden von denen keine PvP verlangte, die Pfade der Spieler kreuzten sich zwangsläufig und da war man doch froh, wenn man nicht von vorne anfangen musste.
Diese Freundlichkeit ließ allerdings mit der Zeit nach. Man hatte wieder gut Ausrüstung, man hatte wieder Quests für die Spieler sterben mussten, VoIP war nicht mehr neu und spannend und das Misstrauen gegenüber anderen Spielern kehrte zurück. Man könnte hier eine philosophische Frage in den Raum stellen: Wenn Tarkov von Anfang an VoIP gehabt hätte, was es bewusst nicht hatte, wären Tarkov Spieler dann eher bereit, aufs Kämpfen zu verzichten, wenn man darum bittet? Dafür spricht, dass es quasi zur Gewohnheit geworden ist auf andere Spieler zu schießen, wenn man sie sieht. Es ist sozusagen eine ungeschriebene Regel im Spiel, ein Verhalten, welches bei einigen zum Selbstschutz dient. Dagegen spricht allerdings, dass der mittlerweile eingestellte Konkurrent The Cycle: Frontier von Anfang an VoIP angeboten hatte, es dort aber auch eher eine Seltenheit war, dass die Diplomatie siegte.
Ich denke, VoIP von Anfang an hätte nichts daran geändert. Es liegt am Spielsystem, dass es zum Konflikt kommt. Tarkov ist eine äußerst feindselige Welt und der Tod kann schneller kommen, als einem lieb ist. Auch wenn das Spiel einen nicht direkt für das Töten anderer Spieler belohnt, so hat man indirekt vielleicht den eigenen Tod verhindert, da jeder Spieler eine Gefahr für das eigene Leben darstellt. Zum anderen haben wir es hier nunmal mit einem Videospiel zu tun, normales menschliches Verhalten oder sogar Moral kommen hier nicht zum Zug. Wir wissen, dass es nicht echt ist, der Tod ist nicht das Ende, sondern nur ein Ärgernis. Im Gegenzug kann kaum etwas mit dem Rausch mithalten, den man erfährt, wenn man gerade im Alleingang eine 3er Gruppe ausgelöscht hat, oder aus großer Entfernung einem ahnungslosen Spieler eine Kugel in den Kopf gesetzt hat.
Heimtücke liegt vielen nicht in der Natur, doch im Spiel zählt das nicht. Andere Menschen zu erschießen, ist vielen zuwider, es gibt Berichte aus Kriegen in denen sich zwei Patrouillen verfeindeter Fraktionen begegneten, aber anstatt Schüssen nur Beschimpfungen ausgetauscht wurden. Auf die Frage warum sie nicht geschossen haben wurde geantwortet “auf die Idee sind wir nicht gekommen”. Doch im Spiel zählt das nicht. Im Gegenteil, manch einer nutzt das Friedensangebot des anderen, um diesen leichter erschießen zu können.
Bevor aber der Eindruck entsteht, dass Diplomatie nichts bringt, sollte sie nicht vergessen werden. Wie immer im Leben, hängt es von der Situation ab. Wollt ihr einem Kampf aus dem Weg gehen und habt jemanden entdeckt, der nicht weiß, dass ihr da seid? Bleibt in eurem Versteck und lasst sie passieren. Scheint ein Konflikt unausweichlich, kann man aber darüber reden. So war ich einmal dabei den ersten Stock eines Hauses zu plündern, als ich hörte wie zwei PMCs durch die Eingangstür herein kamen. Ich hatte zwei Optionen: Verschanze ich mich an der Treppe und hoffe die beiden so zu überraschen, dass ich sie erledige, oder versuche ich sie davon zu überzeugen mich laufen zu lassen. Ich wählte letztere Option und siehe da, beide konnten darauf verzichten, sich mit mir zu kloppen. Nicht nur das, wir mussten Lachen als und klar war, dass wir alle Deutsche waren. Solche Momente sind auch schön. Ein anderes mal lief ich einem dreier Team über den Weg, sie eröffneten das Feuer und ich schrie entnervt über VoIP “Ich will doch nur diese Drecksquest beenden”. Das reichte aus, die drei stellten das Feuer ein und ließen mich gehen. Genauso oft werden meine Gnadengesuche aber auch ignoriert, aber in solchen Situationen ist es meist eh egal, man verliert nichts, wenn man redet.
Ganz anders sieht es übrigens aus, wenn man als Spieler Scav in einen Raid geht. In Tarkov gibt es NPCs, genannt Scav (kurz für Scavengers), welche sofort das Feuer eröffnen, wenn sie einen PMC sehen. Tarkov bietet Spielern die Option alle 25 Minuten selbst als ein Scav einer Runde beizutreten. Scavs haben zufällige Ausrüstung in einem meist ramponierten Zustand, tragen oft zufällige Beute bei sich und werden von NPC Scavs nicht automatisch angegriffen, außer man schießt auf sie. Anfangs gab es keine Strafen dafür, wenn man als Spieler Scav andere Scavs angegriffen hatte. Im Gegenteil, es war sogar klug das zu tun, wenn der NPC Scav ganz klar besseres Zeugs an hatte als man selbst. Und man in der Lage war dem Zorn der umliegenden Scavs zu umgehen, die natürlich dann das Feuer auf einen eröffneten.
Das führte oft dazu, dass Spieler Scavs sich fröhlich durch die Welt mordeten und ähnlich wie es mache PMCs tun die nicht aggression anderer ausnutzen, um sich das Töten leichter zu machen. Dieses Verhalten wird jetzt bestraft, was auf einen Schlag die komplette Scav Dynamik auf den Kopf stellte. Eingeführt wurde ein Karma-System, gebunden an den Ruf des Händlers Fence. Tötet man andere Scavs, verliert man Ruf, sinkt der Ruf unter einen bestimmten Wert greifen die NPC scavs einen an, als wäre man PMC. Für jeden Scav Ausflug, den man überlebt gewinnt man Ruf, für jeden PMC den man als Scav tötet gewinnt man Ruf, ebenso für jeden “bösen” Scav, der das Feuer auf einen anderen Scav eröffnet hatte.
Ist der Ruf hoch genug steigt die Chance, dass man einen NPC Scav als Gefährten rekrutieren kann, auf der höchsten Stufe wird man sogar von den Bossen nicht mehr angegriffen. Es lohnt sich also lieb zu den anderen Scavs zu sein und das sehen die meisten Spieler genauso. Als Bonus wurden dann auch die Koop-Extraktionen nützlich, welche man nur nutzen kann, wenn dort mindestens ein PMC und ein Spieler Scav stehen. Deren Nutzung geben ebenfalls Ruf, sowohl für den Scav, als auch für den PMC. Und dank VoIP kann man tatsächlich auch jemanden dafür finden, viele Spieler Scavs nehmen die Chance dankend an.
Man sieht, das Extraction Shooter Genre steckt voller neuer Spielerfahrungen, die es so in kaum einem anderen Genre zu finden gibt. Looter Shooter sind ja nichts neues, siehe die Borderlands Serie oder Destiny 2 als Online Variante. Mit ihnen teilen sich die Extraction Shooter, dass sie das Bedürfnis nach besserer Ausrüstung wecken, um stärker zu werden. Battle Royale Spiele geben uns eine große Karte in der Kämpfe mit anderen Spielern in immer neuen Kombinationen geschehen und wo der Tod in der Regel nur einmal kommen kann. Auch dort kriegen wir das schöne Gefühl dank besserer Ausrüstung andere dominieren zu können, doch bei der nächsten Runde ist es weg. Zumal es beim Battle Royale nicht wirklich die Option gibt sich friedlich zu trennen, man muss ja der letzte Überlebende sein, da kann man keine Gnade walten lassen. Beides zusammen mit den Kniff, dass man nicht der letzte Überlebende sein muss, das ist durchaus neu.
Was macht Tarkov nun aber so besonders, warum hat es bisher niemand geschafft, diesen Pionier des Genres zu entthronen? Nun, zunächst ist Tarkov das wohl umfangreichste Spiel seiner Art auf dem Markt, nicht nur rein von den Maps und den Quests her, sondern auch von den Gameplay systemen. Allen voran das Waffenbau und Munitionssystem. Bei Tarkov montiert man nicht einfach nur ein Rotpunktvisier oder einen Vordergriff an die Waffe, zuerst muss die Waffe überhaupt eine Schiene haben, auf die das Zubehör passt, manchmal muss man die erst kaufen, dann hat man eine große Auswahl real existierender Visiere, die alle verschieden gute Fadenkreuze und demnach verschiedene Preise haben. Wenn man ein Zielfernrohr haben will, dann braucht man erstmal die korrekte Halterung, wobei manche sogar noch ein extra Stück Picatinny Schiene oben drauf haben, wo man noch ein kleines Rotpunktvisier draufstecken kann. Mit dem Waffenbau alleine könnte man sich stunden mit befassen. Die Erschaffung des Perfekten Gewehrs ist dabei eine Wissenschaft für sich, insbesondere wenn man abwägt, ob eine etwas bessere Rückstoßverringerung die höheren Kosten des besseren Bauteils rechtfertigen. Man kann andererseits auch absolut bescheuerte Monster kreieren, die einfach nur durch ihren Meme-Faktor bestehen. So gibt es z.B. einen Handschutz für AKs mit Platz für 4 Lichtmodule. Könnte man 4 von den starken Taschenlampen drauf montieren und dann potentielle Gegner maximalst blenden mit. Oder 4 verschiedenfarbige Laser dran klemmen. Tobt euch aus.
Dann haben wir da noch das Munitionssystem. Es gibt nicht einfach nur generisch AK Munition, verschiedene Patronen haben verschiedene Eigenschaften. Die wichtigsten Werte sind dabei Penetrationskraft und Schaden. Penetrationskraft ist wichtig um Rüstungen zu durchschlagen, je höher der Wert, desto weniger Schaden geht beim Schuss auf eine Panzerplatte verloren. Viele Patronen folgen der Regel, dass eine höhere Penetrationskraft oftmals mit geringerem Schaden einher geht. Patronen die viel Schaden verursachen, können diesen meist nicht durch eine Rüstung durchbringen, insbesondere durch welche mit hohem Schutz. Aber da niemand sich zu 100% mit Rüstung abdecken kann besteht dort noch immer die Chance, dass man jemanden trotz schlechter Munition umlegt, weil man genau die ungeschützte Stelle erwischt hat.
Tarkov hat ein sehr komplexes Heilsystem. Es gibt mehrere Trefferzonen mit eigenen Trefferpunkten, die man einzelnd zerschießen kann, man kann leichte oder schwere Blutungen zufügen, knochen Brechen und jeder dieser Zustände muss anders behoben werden. Bandagen für leichte Blutungen, Abschnüren oder Blutstillende Mittel für schwere Blutungen, Schienen für Brüche und wenn ein Körperteil auf 0 gefallen ist, dann muss Chirurgie Ausrüstung dran. So kann man zwar knapp ein Duell überleben, aber wenn man keine Medizin dabei hat, verblutet man elendig danach. Oder man muss zum Ausgang humpeln, weil man nix dabei hat, um das kaputte Bein zu heilen und auch keine Schmerzmittel im Inventar hat, um das ignorieren zu können.
Dazu kommt noch, dass Tarkov absolut unbarmherzig ist. Es gibt keine Minimap, keinen Indikator von wo aus man angeschossen wurde, Namensschilder gibt es keine, ebenso wenig kriegt man gesagt, dass man gerade jemanden getötet hat. Wenn man nicht sieht, dass der Gegner zu Boden gegangen ist, dann erfährt man erst von seinem Kill, wenn der Ausflug sein Ende findet, wie auch immer. Und wenn man wissen will, wen man gerade getötet hat, dann muss man zur Leiche und die Hundemarken plündern. Habe so manchen Kill erst erfahren nachdem der Ausflug vorbei war. Wird man selbst getötet gibt es keine Killcam, man kriegt nur gesagt wer einen getötet hat und mit welchen Patronen man wo getroffen wurde. Das ist besonders ärgerlich, wenn man völlig aus dem Nichts erschossen wurde, aber so sind die Regeln von Tarkov.
Schauen wir dann jetzt mal rüber zur Konkurrenz und wie es bei denen läuft. Zuerst wäre dort Vigor von Bohemia Interactive zu nennen. 2019 als Free to Play Titel erschienen muss man hier in einem alternativen nachkriegs Norwegen ums überleben kämpfen. Der deutlichste Unterschied zu Tarkov besteht in der Perspektive, da es sich hier um einen Third Person Shooter handelt bei dem man nur fürs Zielen über Kimme und Korn in die Ego Perspektive wechselt. Vigor hat viele Elemente, die auch Tarkov zu bieten hat, wie eben eine Basis die man verbessern kann, doch es tritt kaum in Konkurrenz mit Tarkov, da es Konsolenexklusiv ist, während Tarkov nur auf dem PC gespielt werden kann. Es wird daher wohl kaum Tarkov den Rang ablaufen.
Als nächstes wäre da der DMZ Modus von Call of Duty Warzone. Man möchte meinen, dass größte Videospiel Franchise der Welt könnte das Extraction Shooter Genre genauso problemlos erobern wie damals das Battle Royale Genre, insbesondere durch die relative Ähnlichkeit beider Spielarten, doch dem ist nicht so. DMZ erfüllt das “We have Tarkov an Home”-Meme, denn auch wenn es sich viel flotter als Tarkov spielt, so fühlt es sich in vieler Hinsicht wie eine abgespeckte Version des Vorbilds an und schlimmer, wie ein langweiligeres Warzone.
Viele der komplexeren Systeme wurden sehr stark abgespeckt. Alles was keine Waffe oder Munition ist, dient nur dazu, um im Match selbst an Verkaufsstationen in Geld umgewandelt zu werden, damit man sich dort Ausrüstung kaufen kann. Ab und zu muss man sie auch für ne Quest sammeln. Alles was man davon im Inventar noch hat am Ende geht praktisch verloren, inklusive dem Geld. Es gibt keine Shops um Ausrüstung vor dem Match zu kaufen, stattdessen hat man je nach Fortschritt mehrere Slots für Waffen, die man in bekannter CoD Manier leveln und modifizieren kann. Verliert man eine der Waffen in einem Match, dann kann man sie erst nach einer bestimmten Zeit wieder ausrüsten. Und… sonst nichts. Es gibt ein permanentes Inventar mit allen Waffen, die man aus einem Match mitgenommen hat und wenn man die verliert sind sie weg, aber das wars dann auch. Modifizieren? Nö. DMZ fehlt es einfach an Tiefgang. Da hilft es auch nicht, dass es sich die Map mit Warzone teilt und somit auch wenig Abwechslung bietet.
Beste Chancen mit Tarkov zu konkurrieren hatte The Cycle: Frontier. Dank Sci-Fi Setting hob es sich von allen anderen Extraction Shootern ab, bot Alien-Fauna als NPC Gegner anstelle von Menschen und beseitigte Problemlos eines der größten Ärgernisse von Tarkov, die langen Wartezeiten zwischen Matches. Das Questsystem war robust, man hatte zwei Karten zur Auswahl und die Mechaniken wurden sinnvoll vereinfacht, ohne wie DMZ gleich auf jegliche Tiefe zu verzichten.
Die interessanteste Änderung stellen die Matches selber dar. Bei allen anderen Titeln starten alle Spieler gleichzeitig in der Partie und es gibt irgendeine Zeitbegrenzung, damit man nicht einfach ne halbe Stunde sich irgendwo versteckt in der Hoffnung, dass alle Gegner weg sind. Bei Frontier war die Welt quasi permanent, natürlich mit verschiedenen Instanzen. Spieler wurden zu unterschiedlichen Zeiten per Landungskapsel in die Welt gelassen, so konnte es sein, dass andere Spieler bereits eine halbe Stunde unterwegs waren. Dafür wütete regelmäßig ein Ionensturm auf der Oberfläche, der alle Spieler tötete, die nicht irgendwo Unterschlupf gefunden hatten. Dabei wurde auch der Loot aufgefüllt und Gegner respawnt.
Leider gibt es The Cycle: Frontier nicht mehr. Als Free 2 Play Titel scheiterte es an der größten Herausforderung unserer Gamingzeit: Cheatern. Sie waren wirklich überall und Jaeger wurde der Masse nicht Herr. Das vergraulte dann leider die wenigen Spieler, die tatsächlich bereit waren für die Microtransactions zu zahlen und somit konnten die Server einfach nicht mehr bezahlt werden. Schade, das Spiel hatte Potential, eine gute Alternative für Tarkov zu werden.
Und so steht es wohl gerade um das noch relativ junge Genre der Extraction-Shooter. Tarkov hat das Genre populär gemacht, hat gezeigt wie einzigartig es sein kann und bisher ist es aber noch niemandem gelungen dem Pionier auf Augenhöhe zu begegnen. So wie anfangs PUBG das einzige Battle Royale war, dass es wert war zu spielen. Bis Fortnite kam und später Warzone. Wird ähnliches auch mit Extraction-Shootern passieren? Zumindest stabile Konkurrenz wäre zu wünschen, Potential für frische Ideen ist jede Menge vorhanden. Nur muss es einer erstmal einem haufen Russen nachmachen, die eine unglaubliche Menge and Herzblut und Leidenschaft in ihr Spiel stecken. Man darf gespannt sein.
Doch dann kam die Pandemie, alle sitzen zuhause und BSG gelang es einige große Streamer an Land zu ziehen, um Escape from Tarkov zu streamen, gepaart mit Twitchdrops. Urplötzlich katapultierte sich dieses klare Nieschenspiel in den Mainstream, die Spielerzahlen explodierten und auf einmal war Tarkov ein fester Begriff in der Gamingwelt. Und damit auch das Genre des Extraction-Shooters, in welches sich, ähnlich wie durch PUBG beim Battle Royale Genre, nun auch die großen Entwicklerstudios hineinwagen. Der DMZ Modus von Call of Duty stellt eine stark vereinfachte Variante davon dar und letztes Jahr gab Bungie bekannt, dass sie ihre Marathon IP durch einen Extraction Shooter wieder aufleben lassen wollen.
Der plötzliche Erfolg warf bei BSG so einige Pläne durcheinander. Aus ihrem Brückenprojekt Tarkov wurde mittlerweile ein echter Hausname, so dass man sich scheinbar gar nicht mehr traut Russia 2028 zu entwickeln, um Tarkov abzulösen. Stattdessen plant man im Laufe der Zeit Tarkov zu dem zu machen, was Russia 2028 eigentlich werden soll. Es ist aber möglich, dass diese Pläne auch wieder verworfen werden. Was aus dem Erfolg von Tarkov jedoch geboren wurde ist Escape from Tarkov: Arena, ein Team Deathmatch Ableger, welcher die Spielmechaniken von Tarkov nutzt, ohne das ganze Extraction Shooter Gerüst drum rum. Der Erfolg ist daher bisher eher mäßig, kann aber noch was werden.
Aber was genau ist eigentlich ein Extraction Shooter? Als einen Grundpfeiler des Genres würde ich da zuerst einmal die Tatsache benennen, dass man vor dem Betreten der Spielzone seine Ausrüstung zusammenstellen muss und diese verliert, sollte man in der Spielzone sterben. Damit verbunden sollte man auch eine Art Basis haben mit einem permanenten Inventar aus dem man sich seine Ausrüstung zusammensetzt. Händler für neue Ausrüstung sollten auch von dieser Basis aus zugänglich sein, wobei man das vielleicht noch als optional ansehen könnte. In der Spielzone selber sollte man Loot in verschiedensten Formen finden, von Müll zum verkaufen zu Resourcen zum Verarbeiten oder Handeln, bis hin natürlich zu neuer Ausrüstung. Die Spielzone sollte sowohl mit NPCs bevölkert sein, als auch das Aufeinandertreffen mit anderen Spielern ermöglichen. Und die Spielzonen kann man nur verlassen, wenn man einen designierten Ausgang erreicht. Erst dann hat man seine Beute sicher.
So komplex das Genre an sich ist, so simpel wirken diese Grundpfeiler, die ich definiert habe. Das sehe ich eher als einen großen Vorteil dieses Genres an, denn es gibt sowohl den Entwicklern viele Freiheiten, wie sie das Konzept umsetzen, als auch den Spielern wie sie mit dem Konzept interagieren wollen. So hat eigentlich jeder Extraction Shooter irgendein Quest und Fortschrittsystem, doch ich habe diese bewusst nicht in meine Definition mit hineingenommen. Denn es hängt vom Spieler ab, ob man mit diesen Elementen wirklich agieren möchte, man hat die Freiheit das alles zu ignorieren, wobei natürlich die meisten Spieler diese Systeme nutzen, man möchte schließlich was erreichen und es ist nur von Vorteil, wenn man sich damit befasst.
Ich greife einmal vorab, um zu verdeutlichen, was genau ich damit meine. In Tarkov gibt es (noch) keine Hauptquestreihe zu absolvieren, dafür jede Menge Quests, welche in erster Linie dazu dienen neue Kaufoptionen bei den Händler freizuschalten, bzw. bestimmte Gegenstände kann man erst dann in seinem Versteck herstellen, wenn man entsprechende Quests erledigt hat. Man kann aber auch seine Zeit damit verbringen, immer wieder in Factory, die kleinste Map von Tarkov, zu gehen, um andere Spieler zu jagen und sich dann auf die so erbeutete Ausrüstung zu verlassen. Da es (noch) kein Endziel in Tarkov gibt, welches man erreichen sollte, ist es nicht verkehrt so zu spielen. Genauso wie in Minecraft es vor dem Erlegen des Enderdrachens auch kein Ziel des Spieles gab und man selbst das nicht wirklich als das Endziel ansehen muss.
Genau dort sehe ich den Reiz der Extraction Shooter. Jeder Ausflug in die Spielzone ist einzigartig und man kann zwar mit einem bestimmten Ziel vor Augen hineingehen, doch je nachdem was man findet oder wem man begegnet können sich diese Ziele ändern. So hatte ich in Tarkov schon so manchen Plan eine Quest zu beenden verworfen, entweder weil ich etwas wertvolles gefunden hab und nicht riskieren wollte, dass ich es verliere, oder weil ich gesehen habe, dass ein dreier Team in dem Gebiet zugange ist und ich meine Erfolgschancen für zu gering hielt.
Wenn es denn zum Kampf gekommen wäre. Denn in Tarkov herrscht in erster Linie Anarchie, im Guten, wie im Schlechten. Es gibt keine Regeln, an die man sich halten muss, dazu gehört auch, dass man nicht jeden Spieler töten muss, dem man begegnet, man im Gegenzug aber auch nicht vom Spiel dafür bestraft wird, wenn man es trotzdem tut. Einzig wenn man eine Quest hat für die man Spieler töten muss könnte man sagen, dass PvP notwendig ist, doch der Großteil der Quests in Tarkov zwingen einen nicht zum PvP.
Und trotzdem ist ein Feuergefecht in den meisten Fällen unausweichlich, sollten sich zwei Spieler begegnen, obwohl es eigentlich nicht notwendig ist. Es gibt viele mögliche Gründe dafür. Auch wenn das Töten anderer Spieler von Tarkov nicht direkt belohnt wird, so könnte euer Opfer gute Sachen bei sich haben. Sei es die Waffe, die Rüstung oder guter Loot, der gesammelt wurde. Potentiell kann es sich also lohnen, insbesondere wenn man selbst nur Schrott hat und jemanden überrumpeln kann. Oder vielleicht muss, weil der mit der besseren Ausrüstung das Feuer eröffnet hat.
Angst spielt dabei eine große Rolle. Wir wissen, dass es genügend Spieler gibt, die einfach alles abballern, was ihnen vor die Flinte kommt. Je besser die Ausrüstung des anderen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Feuer eröffnen. Daher schießt man lieber zuerst, anstatt vom Gegenüber mehr oder minder hingerichtet zu werden. Oder versucht ihm aus dem Weg zu gehen. Seit einiger Zeit gibt es aber auch eine dritte Möglichkeit zur Konfliktbewältigung, denn letztes Jahr bekam Tarkov endlich VoIP. Davor konnte man mit fremden Spielern nur über Gesten und vorgefertigte Voicelines kommunizieren, ein Grund warum viele die USEC Fraktion wählten, da diese Englisch sprechen und nicht wie BEAR PMCs Russisch. Nicht jeder weiß was “Nicht Schießen” auf Russisch heißt.
Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass mit dem anderen reden nicht immer den gewünschten Erfolg bringt, sogar teilweise das Gegenteil bewirkt. Als VoIP eingeführt wurde war es neu und spannend und wie üblich bei größeren Content Patches wurde der Fortschritt aller Spieler zurückgesetzt (Auch bekannt als Wipe). Jeder hatte schlechte Ausrüstung, jeder wollte einfach nur dieselben Startquests beenden von denen keine PvP verlangte, die Pfade der Spieler kreuzten sich zwangsläufig und da war man doch froh, wenn man nicht von vorne anfangen musste.
Diese Freundlichkeit ließ allerdings mit der Zeit nach. Man hatte wieder gut Ausrüstung, man hatte wieder Quests für die Spieler sterben mussten, VoIP war nicht mehr neu und spannend und das Misstrauen gegenüber anderen Spielern kehrte zurück. Man könnte hier eine philosophische Frage in den Raum stellen: Wenn Tarkov von Anfang an VoIP gehabt hätte, was es bewusst nicht hatte, wären Tarkov Spieler dann eher bereit, aufs Kämpfen zu verzichten, wenn man darum bittet? Dafür spricht, dass es quasi zur Gewohnheit geworden ist auf andere Spieler zu schießen, wenn man sie sieht. Es ist sozusagen eine ungeschriebene Regel im Spiel, ein Verhalten, welches bei einigen zum Selbstschutz dient. Dagegen spricht allerdings, dass der mittlerweile eingestellte Konkurrent The Cycle: Frontier von Anfang an VoIP angeboten hatte, es dort aber auch eher eine Seltenheit war, dass die Diplomatie siegte.
Ich denke, VoIP von Anfang an hätte nichts daran geändert. Es liegt am Spielsystem, dass es zum Konflikt kommt. Tarkov ist eine äußerst feindselige Welt und der Tod kann schneller kommen, als einem lieb ist. Auch wenn das Spiel einen nicht direkt für das Töten anderer Spieler belohnt, so hat man indirekt vielleicht den eigenen Tod verhindert, da jeder Spieler eine Gefahr für das eigene Leben darstellt. Zum anderen haben wir es hier nunmal mit einem Videospiel zu tun, normales menschliches Verhalten oder sogar Moral kommen hier nicht zum Zug. Wir wissen, dass es nicht echt ist, der Tod ist nicht das Ende, sondern nur ein Ärgernis. Im Gegenzug kann kaum etwas mit dem Rausch mithalten, den man erfährt, wenn man gerade im Alleingang eine 3er Gruppe ausgelöscht hat, oder aus großer Entfernung einem ahnungslosen Spieler eine Kugel in den Kopf gesetzt hat.
Heimtücke liegt vielen nicht in der Natur, doch im Spiel zählt das nicht. Andere Menschen zu erschießen, ist vielen zuwider, es gibt Berichte aus Kriegen in denen sich zwei Patrouillen verfeindeter Fraktionen begegneten, aber anstatt Schüssen nur Beschimpfungen ausgetauscht wurden. Auf die Frage warum sie nicht geschossen haben wurde geantwortet “auf die Idee sind wir nicht gekommen”. Doch im Spiel zählt das nicht. Im Gegenteil, manch einer nutzt das Friedensangebot des anderen, um diesen leichter erschießen zu können.
Bevor aber der Eindruck entsteht, dass Diplomatie nichts bringt, sollte sie nicht vergessen werden. Wie immer im Leben, hängt es von der Situation ab. Wollt ihr einem Kampf aus dem Weg gehen und habt jemanden entdeckt, der nicht weiß, dass ihr da seid? Bleibt in eurem Versteck und lasst sie passieren. Scheint ein Konflikt unausweichlich, kann man aber darüber reden. So war ich einmal dabei den ersten Stock eines Hauses zu plündern, als ich hörte wie zwei PMCs durch die Eingangstür herein kamen. Ich hatte zwei Optionen: Verschanze ich mich an der Treppe und hoffe die beiden so zu überraschen, dass ich sie erledige, oder versuche ich sie davon zu überzeugen mich laufen zu lassen. Ich wählte letztere Option und siehe da, beide konnten darauf verzichten, sich mit mir zu kloppen. Nicht nur das, wir mussten Lachen als und klar war, dass wir alle Deutsche waren. Solche Momente sind auch schön. Ein anderes mal lief ich einem dreier Team über den Weg, sie eröffneten das Feuer und ich schrie entnervt über VoIP “Ich will doch nur diese Drecksquest beenden”. Das reichte aus, die drei stellten das Feuer ein und ließen mich gehen. Genauso oft werden meine Gnadengesuche aber auch ignoriert, aber in solchen Situationen ist es meist eh egal, man verliert nichts, wenn man redet.
Ganz anders sieht es übrigens aus, wenn man als Spieler Scav in einen Raid geht. In Tarkov gibt es NPCs, genannt Scav (kurz für Scavengers), welche sofort das Feuer eröffnen, wenn sie einen PMC sehen. Tarkov bietet Spielern die Option alle 25 Minuten selbst als ein Scav einer Runde beizutreten. Scavs haben zufällige Ausrüstung in einem meist ramponierten Zustand, tragen oft zufällige Beute bei sich und werden von NPC Scavs nicht automatisch angegriffen, außer man schießt auf sie. Anfangs gab es keine Strafen dafür, wenn man als Spieler Scav andere Scavs angegriffen hatte. Im Gegenteil, es war sogar klug das zu tun, wenn der NPC Scav ganz klar besseres Zeugs an hatte als man selbst. Und man in der Lage war dem Zorn der umliegenden Scavs zu umgehen, die natürlich dann das Feuer auf einen eröffneten.
Das führte oft dazu, dass Spieler Scavs sich fröhlich durch die Welt mordeten und ähnlich wie es mache PMCs tun die nicht aggression anderer ausnutzen, um sich das Töten leichter zu machen. Dieses Verhalten wird jetzt bestraft, was auf einen Schlag die komplette Scav Dynamik auf den Kopf stellte. Eingeführt wurde ein Karma-System, gebunden an den Ruf des Händlers Fence. Tötet man andere Scavs, verliert man Ruf, sinkt der Ruf unter einen bestimmten Wert greifen die NPC scavs einen an, als wäre man PMC. Für jeden Scav Ausflug, den man überlebt gewinnt man Ruf, für jeden PMC den man als Scav tötet gewinnt man Ruf, ebenso für jeden “bösen” Scav, der das Feuer auf einen anderen Scav eröffnet hatte.
Ist der Ruf hoch genug steigt die Chance, dass man einen NPC Scav als Gefährten rekrutieren kann, auf der höchsten Stufe wird man sogar von den Bossen nicht mehr angegriffen. Es lohnt sich also lieb zu den anderen Scavs zu sein und das sehen die meisten Spieler genauso. Als Bonus wurden dann auch die Koop-Extraktionen nützlich, welche man nur nutzen kann, wenn dort mindestens ein PMC und ein Spieler Scav stehen. Deren Nutzung geben ebenfalls Ruf, sowohl für den Scav, als auch für den PMC. Und dank VoIP kann man tatsächlich auch jemanden dafür finden, viele Spieler Scavs nehmen die Chance dankend an.
Man sieht, das Extraction Shooter Genre steckt voller neuer Spielerfahrungen, die es so in kaum einem anderen Genre zu finden gibt. Looter Shooter sind ja nichts neues, siehe die Borderlands Serie oder Destiny 2 als Online Variante. Mit ihnen teilen sich die Extraction Shooter, dass sie das Bedürfnis nach besserer Ausrüstung wecken, um stärker zu werden. Battle Royale Spiele geben uns eine große Karte in der Kämpfe mit anderen Spielern in immer neuen Kombinationen geschehen und wo der Tod in der Regel nur einmal kommen kann. Auch dort kriegen wir das schöne Gefühl dank besserer Ausrüstung andere dominieren zu können, doch bei der nächsten Runde ist es weg. Zumal es beim Battle Royale nicht wirklich die Option gibt sich friedlich zu trennen, man muss ja der letzte Überlebende sein, da kann man keine Gnade walten lassen. Beides zusammen mit den Kniff, dass man nicht der letzte Überlebende sein muss, das ist durchaus neu.
Was macht Tarkov nun aber so besonders, warum hat es bisher niemand geschafft, diesen Pionier des Genres zu entthronen? Nun, zunächst ist Tarkov das wohl umfangreichste Spiel seiner Art auf dem Markt, nicht nur rein von den Maps und den Quests her, sondern auch von den Gameplay systemen. Allen voran das Waffenbau und Munitionssystem. Bei Tarkov montiert man nicht einfach nur ein Rotpunktvisier oder einen Vordergriff an die Waffe, zuerst muss die Waffe überhaupt eine Schiene haben, auf die das Zubehör passt, manchmal muss man die erst kaufen, dann hat man eine große Auswahl real existierender Visiere, die alle verschieden gute Fadenkreuze und demnach verschiedene Preise haben. Wenn man ein Zielfernrohr haben will, dann braucht man erstmal die korrekte Halterung, wobei manche sogar noch ein extra Stück Picatinny Schiene oben drauf haben, wo man noch ein kleines Rotpunktvisier draufstecken kann. Mit dem Waffenbau alleine könnte man sich stunden mit befassen. Die Erschaffung des Perfekten Gewehrs ist dabei eine Wissenschaft für sich, insbesondere wenn man abwägt, ob eine etwas bessere Rückstoßverringerung die höheren Kosten des besseren Bauteils rechtfertigen. Man kann andererseits auch absolut bescheuerte Monster kreieren, die einfach nur durch ihren Meme-Faktor bestehen. So gibt es z.B. einen Handschutz für AKs mit Platz für 4 Lichtmodule. Könnte man 4 von den starken Taschenlampen drauf montieren und dann potentielle Gegner maximalst blenden mit. Oder 4 verschiedenfarbige Laser dran klemmen. Tobt euch aus.
Dann haben wir da noch das Munitionssystem. Es gibt nicht einfach nur generisch AK Munition, verschiedene Patronen haben verschiedene Eigenschaften. Die wichtigsten Werte sind dabei Penetrationskraft und Schaden. Penetrationskraft ist wichtig um Rüstungen zu durchschlagen, je höher der Wert, desto weniger Schaden geht beim Schuss auf eine Panzerplatte verloren. Viele Patronen folgen der Regel, dass eine höhere Penetrationskraft oftmals mit geringerem Schaden einher geht. Patronen die viel Schaden verursachen, können diesen meist nicht durch eine Rüstung durchbringen, insbesondere durch welche mit hohem Schutz. Aber da niemand sich zu 100% mit Rüstung abdecken kann besteht dort noch immer die Chance, dass man jemanden trotz schlechter Munition umlegt, weil man genau die ungeschützte Stelle erwischt hat.
Tarkov hat ein sehr komplexes Heilsystem. Es gibt mehrere Trefferzonen mit eigenen Trefferpunkten, die man einzelnd zerschießen kann, man kann leichte oder schwere Blutungen zufügen, knochen Brechen und jeder dieser Zustände muss anders behoben werden. Bandagen für leichte Blutungen, Abschnüren oder Blutstillende Mittel für schwere Blutungen, Schienen für Brüche und wenn ein Körperteil auf 0 gefallen ist, dann muss Chirurgie Ausrüstung dran. So kann man zwar knapp ein Duell überleben, aber wenn man keine Medizin dabei hat, verblutet man elendig danach. Oder man muss zum Ausgang humpeln, weil man nix dabei hat, um das kaputte Bein zu heilen und auch keine Schmerzmittel im Inventar hat, um das ignorieren zu können.
Dazu kommt noch, dass Tarkov absolut unbarmherzig ist. Es gibt keine Minimap, keinen Indikator von wo aus man angeschossen wurde, Namensschilder gibt es keine, ebenso wenig kriegt man gesagt, dass man gerade jemanden getötet hat. Wenn man nicht sieht, dass der Gegner zu Boden gegangen ist, dann erfährt man erst von seinem Kill, wenn der Ausflug sein Ende findet, wie auch immer. Und wenn man wissen will, wen man gerade getötet hat, dann muss man zur Leiche und die Hundemarken plündern. Habe so manchen Kill erst erfahren nachdem der Ausflug vorbei war. Wird man selbst getötet gibt es keine Killcam, man kriegt nur gesagt wer einen getötet hat und mit welchen Patronen man wo getroffen wurde. Das ist besonders ärgerlich, wenn man völlig aus dem Nichts erschossen wurde, aber so sind die Regeln von Tarkov.
Schauen wir dann jetzt mal rüber zur Konkurrenz und wie es bei denen läuft. Zuerst wäre dort Vigor von Bohemia Interactive zu nennen. 2019 als Free to Play Titel erschienen muss man hier in einem alternativen nachkriegs Norwegen ums überleben kämpfen. Der deutlichste Unterschied zu Tarkov besteht in der Perspektive, da es sich hier um einen Third Person Shooter handelt bei dem man nur fürs Zielen über Kimme und Korn in die Ego Perspektive wechselt. Vigor hat viele Elemente, die auch Tarkov zu bieten hat, wie eben eine Basis die man verbessern kann, doch es tritt kaum in Konkurrenz mit Tarkov, da es Konsolenexklusiv ist, während Tarkov nur auf dem PC gespielt werden kann. Es wird daher wohl kaum Tarkov den Rang ablaufen.
Als nächstes wäre da der DMZ Modus von Call of Duty Warzone. Man möchte meinen, dass größte Videospiel Franchise der Welt könnte das Extraction Shooter Genre genauso problemlos erobern wie damals das Battle Royale Genre, insbesondere durch die relative Ähnlichkeit beider Spielarten, doch dem ist nicht so. DMZ erfüllt das “We have Tarkov an Home”-Meme, denn auch wenn es sich viel flotter als Tarkov spielt, so fühlt es sich in vieler Hinsicht wie eine abgespeckte Version des Vorbilds an und schlimmer, wie ein langweiligeres Warzone.
Viele der komplexeren Systeme wurden sehr stark abgespeckt. Alles was keine Waffe oder Munition ist, dient nur dazu, um im Match selbst an Verkaufsstationen in Geld umgewandelt zu werden, damit man sich dort Ausrüstung kaufen kann. Ab und zu muss man sie auch für ne Quest sammeln. Alles was man davon im Inventar noch hat am Ende geht praktisch verloren, inklusive dem Geld. Es gibt keine Shops um Ausrüstung vor dem Match zu kaufen, stattdessen hat man je nach Fortschritt mehrere Slots für Waffen, die man in bekannter CoD Manier leveln und modifizieren kann. Verliert man eine der Waffen in einem Match, dann kann man sie erst nach einer bestimmten Zeit wieder ausrüsten. Und… sonst nichts. Es gibt ein permanentes Inventar mit allen Waffen, die man aus einem Match mitgenommen hat und wenn man die verliert sind sie weg, aber das wars dann auch. Modifizieren? Nö. DMZ fehlt es einfach an Tiefgang. Da hilft es auch nicht, dass es sich die Map mit Warzone teilt und somit auch wenig Abwechslung bietet.
Beste Chancen mit Tarkov zu konkurrieren hatte The Cycle: Frontier. Dank Sci-Fi Setting hob es sich von allen anderen Extraction Shootern ab, bot Alien-Fauna als NPC Gegner anstelle von Menschen und beseitigte Problemlos eines der größten Ärgernisse von Tarkov, die langen Wartezeiten zwischen Matches. Das Questsystem war robust, man hatte zwei Karten zur Auswahl und die Mechaniken wurden sinnvoll vereinfacht, ohne wie DMZ gleich auf jegliche Tiefe zu verzichten.
Die interessanteste Änderung stellen die Matches selber dar. Bei allen anderen Titeln starten alle Spieler gleichzeitig in der Partie und es gibt irgendeine Zeitbegrenzung, damit man nicht einfach ne halbe Stunde sich irgendwo versteckt in der Hoffnung, dass alle Gegner weg sind. Bei Frontier war die Welt quasi permanent, natürlich mit verschiedenen Instanzen. Spieler wurden zu unterschiedlichen Zeiten per Landungskapsel in die Welt gelassen, so konnte es sein, dass andere Spieler bereits eine halbe Stunde unterwegs waren. Dafür wütete regelmäßig ein Ionensturm auf der Oberfläche, der alle Spieler tötete, die nicht irgendwo Unterschlupf gefunden hatten. Dabei wurde auch der Loot aufgefüllt und Gegner respawnt.
Leider gibt es The Cycle: Frontier nicht mehr. Als Free 2 Play Titel scheiterte es an der größten Herausforderung unserer Gamingzeit: Cheatern. Sie waren wirklich überall und Jaeger wurde der Masse nicht Herr. Das vergraulte dann leider die wenigen Spieler, die tatsächlich bereit waren für die Microtransactions zu zahlen und somit konnten die Server einfach nicht mehr bezahlt werden. Schade, das Spiel hatte Potential, eine gute Alternative für Tarkov zu werden.
Und so steht es wohl gerade um das noch relativ junge Genre der Extraction-Shooter. Tarkov hat das Genre populär gemacht, hat gezeigt wie einzigartig es sein kann und bisher ist es aber noch niemandem gelungen dem Pionier auf Augenhöhe zu begegnen. So wie anfangs PUBG das einzige Battle Royale war, dass es wert war zu spielen. Bis Fortnite kam und später Warzone. Wird ähnliches auch mit Extraction-Shootern passieren? Zumindest stabile Konkurrenz wäre zu wünschen, Potential für frische Ideen ist jede Menge vorhanden. Nur muss es einer erstmal einem haufen Russen nachmachen, die eine unglaubliche Menge and Herzblut und Leidenschaft in ihr Spiel stecken. Man darf gespannt sein.
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