Shadow of the Colossus im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 12. Februar 2018

Shadow of the Colossus im Test

Mut zur Lücke

Shadow of the Colossus gilt als Klassiker. Das Spiel wird als Vorzeigebeispiel für Videospiele als Kunst gehandelt und immer wieder in Listen der besten Spiele aller Zeiten gewählt. Ein starkes Statement für das Original. Wie das inhaltlich unveränderte Remake zeigt, ist Shadow of the Colossus auch heute noch ein wichtiges Spiel.

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Leerstellen
Das Land ist schön und weit. Gleißendes Sonnenlicht schießt zwischen Bergen und Wäldern hervor, die den Horizont umsäumen. Stille. Wander, unter der Kontrolle der Spielerinnen und Spieler, hat das verbotene Land bereist, um ein Mädchen von den Toten zu erwecken. Um das Unmögliche zu erreichen, muss Wander 16 Kolosse finden und besiegen. Was wie der Auftakt zu einem typischen Action-Adventure klingt, entpuppt sich als gar nicht mal so typisch: Denn besser als durch das was es ist, lässt sich Shadow of the Colossus dadurch beschreiben, was es nicht ist.

Die bildgewaltige Open World ist leer. Es gibt keine Dörfer und Städte, keine Menschen. Keine finsteren Dungeons, keine Feinde. Keine Missions und Activities, kein Quest-Log, keine Inventar. Keine Erfahrungspunkte und keine Skilltrees. Die monumentale Spielwelt steht spärlichen Möglichkeiten gegenüber. Die Wüsten und Wälder, Berge und Seen behüten keine Schätze. In den versteckten Winkeln der Karte wartet kein Geheimnis. Man ist frei die Welt zu bereisen, doch finden wird man immer nur eines: den nächsten Koloss. Shadow of the Colossus ist minimalistisch in Inhalt und Form. Man weiß gerade so, was zu tun ist und das ist auch das einzige, das man tun kann. Im Design zeigt sich eine Geradlinigkeit und eine Simplizität, die das moderne Open-World-Spiel ins Gegenteil verkehrt. Während die Assassin's Creeds, Witchers und Horizons vor Ablenkungen und Möglichkeiten sprühen, gibt es in Shadow of the Colossus neben einem klaren Weg nichts als Leere. Die Aussage von Shadow of the Colossus liegt weniger in dem, was es macht und mehr in dem, was es ausspart.

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Das ganze Unterfangen ist ziemlich einsam. Die einzigen Lebewesen, mit denen man diese Erde teilt, schlachtet man nacheinander ab. Auf den einsamen Wegen durch die weite Welt von Shadow of the Colossus werden Spielerinnen und Spieler auf sich selbst zurückgeworfen. Wo andere Spiele mit dem nächsten Event neue Aufmerksamkeit einfordern, hat man in Shadow of the Colossus die Zeit, über das eigene Handeln zu reflektieren. Während ich über eine tiefe Schlucht zur nächsten Tötung reite, frage ich mich, ob es wirklich richtig ist, was ich tue. All diese Kolossoe zu töten wirkt grausam. Ihre Augen haben etwas Sanftmütiges und Trauriges. Mit quälendem Gebrüll fallen ihren toten Körper in sich zusammen und ich bin der Kerl mit dem Schwert in der Hand. Kann ich wirklich der Held in dieser Welt sein?

Es ist nicht viel in der Welt von Shadow of the Colossus. Und das wenige, das ist, löscht man aus.

Minimalismus
Shadow of the Colossus wählt auch spielerisch den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten. Nur mit Schwert und Bogen bewaffnet und auf dem Rücken eines Pferdes reitet man von Koloss zu Koloss. Sonst gibt es nichts zu tun. Zumeist geht es darum, die Kolosse irgendwie zu erklimmen, ihre Schwachpunkte zu finden und diese mit dem Schwert zu attackieren. Den Bogen benötigt man eigentlich nur, um die Aufmerksamkeit der Ungetüme auf sich zu ziehen. Auch das Gameplay bietet keine Ablenkungen, keine Entscheidungen, in die man sich vertiefen könnte.

Die Konfrontationen mit den Kolossen sind auch keine Kämpfe im typischen Videospielsinn: Es kommt kaum auf schnelle Reaktionen und Zielgenauigkeit an. Viel mehr ist jeder Kampf ein kleines Puzzle - denn zunächst ist ungeklärt wie man den Giganten beikommt. Mal muss man die Bewegungsmuster studieren, ein anderes mal die Umgebung nutzen oder beides zugleich. Die meisten Kämpfe sind nicht einmal schwierig sobald man einmal herausgefunden hat, was zu tun ist. Dabei liegt in Antwort immer im Koloss selbst - es gibt keine Moves die man vergessen, keine Items, die man übersehen haben könnte.

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Die Inszenierung der Kämpfe ist im Remake des Klassikers beeindruckender denn je. Das Spiel vermittelt nicht nur einen Eindruck der Größe und Gewaltigkeit der Kolosse, sondern lässt die - oft nur Minuten andauernden - Kämpfe selbst wie eine epische Reise erscheinen. Die Kolosse schütteln sich, wirbeln sich herum, drehen und wenden sich, während man mit Mühe versucht, sich in den Haaren der Ungetüme festzuhalten ohne die Ausdauer zu verlieren. Die Schauplätze sind dabei interessant und abwechslungsreich - so kann es hoch in die Lüfte und sogar in die Tiefen eines Sees hinab gehen.

Mitunter scheint dem Spiel die cinematische Inszenierung wichtiger zu sein als eine gute Übersicht. Immerhin kommt das Remake mit einer modernen Steuerung, die der Sache nicht mehr so im Wege steht wie es noch im Original der Fall war. Allerdings verselbstständigt sich die Kamera gern, um das Geschehen bestmöglich zu inszenieren. Nicht immer behält man dabei auch den besten Überblick. Da Shadow of the Colossus bis auf wenige Ausnahmen nicht besonders schwierig ist, lässt sich das allerdings verschmerzen. Wirklich frustrierend wurde das Spiel für mich jedenfalls nie.

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Fazit
Shadow of the Colossus ist ein Spiel mit einzigartiger Atmosphäre. Es ist in der heutigen Spielelandschaft genauso ungewöhnlich wie in der damaligen. Das Spiel ist geradezu ein interessanter Kontrast zu den lauten Action-Feuerwerken, die zur Typik vieler Spiele geworden sind. Shadow of the Colossus ist ein Beispiel für alternative Wege im Gamedesign - das macht es heute wie damals zu einem wichtigen Spiel. Ich bin froh, dass diese Ideen nicht mit dem technisch gealterten Original verloren gehen, sondern mit dem Remake auch für weitere Generationen zugänglich bleiben. Ben

Shadow of the Colossus wurde auf der PS4 getestet. Ein Testmuster wurde uns von Sony zur Verfügung gestellt.

Shadow of the Colossus (2018)

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

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RELEASE
07. Februar 2018
PLATTFORM
Playstation 4
Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.

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