Test: Xenoblade Chronicles 2

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 24. Januar 2018

Test: Xenoblade Chronicles 2

Der RPG-Titan für die Switch

Die Switch hat ein beeindruckendes Jahr hinter sich. Fast jeden Monat erschien ein neues großes Spiel, wodurch Fans der Hybridkonsole immer was zu tun hatten. Den Abschluss für 2017 bot Xenoblade Chronicles 2, der nun bereits dritte Teil der Xenoblade-Saga von Monolith. Die Trailer machten schon eines im Vorhinein klar: Die Serie kehrt zumindest thematisch wieder zu ihrem Ursprung zurück. Kein Sci-Fi, sondern wieder Fantasy, Magie und ein Schwert, welches das Schicksal der Welt bestimmt. Und dann kann ich auch noch unterwegs zocken. Das freute mich umso mehr.

Man nennt ihn Rex und er will nach Elysium
Die Welt von Alrest ist bedeckt von einem Wolkenmeer und durch dieses Wolkenmeer wandern die Titanen, da sie die einzigen Lebenwesen sind, welche dort überleben können. Und so kommt es, das auf diesen Titanen die Menschen und Tiere leben, welche die Welt bevölkern. Der Held der Geschichte ist Rex, ein Salvager. Er verdient seinen Lebensunterhalt damit, in das Wolkenmeer zu tauchen und allerlei Artefakte daraus zu bergen. Dabei hilft ihm ein kleinerer Titan namens Azurda, auf dem er lebt. Rex hat einen Traum: Er möchte das sagenumwobene Land Elysium finden, welches sich an der Spitze des Weltenbaumes befinden soll. Denn die Welt hat ein großes Problem: Die Titanen sterben aus und wenn die Titanen sterben, dann gibt es keinen Lebensraum mehr für die Menschen. In Elysium könnten alle im Überfluss leben. Doch kaum jemand glaubt noch daran.

PyraUm dieses Mädel dreht sich die Story

Für Rex ändert sich aber alles mit einem einzigen Auftrag. Der Chef der Argentum-Handelsgilde verlangt explizit nach ihm für eine Bergungsmission. Dabei stehen ihm ein paar Driver zur Seite mit ihren Blades. Blades sind quasi lebende Waffen, die eine Symbiose mit ihrem Driver eingehen, und so dem Driver im Kampf beiseite stehen. Blades sind praktisch unsterblich. Stirbt ihr Driver kehren sie lediglich in ihren Core Crystal zurück. Mit diesen Drivern als Schutz bergen sie ein altes Schiff mit einer interessanten Fracht: Pyra, die legendäre Aegis, eine mächtige Blade, welche damals die Welt vor der Zerstörung rettete. Und es kommt wie es kommen musste, Rex wird der neue Driver der Aegis. Damit geht das Spiel erst so richtig los.

Charmant und nachvollziehbar
Die Story hat mich von Anfang bis Ende gefesselt und auch wenn ich bereits gelernt habe, so einige Wendungen und Mindfucks durch Enthüllungen zu erwarten, so war ich auf vieles nun doch wieder nicht gefasst. Es sei nur soviel gesagt, dass mal wieder nichts ganz genau so ist, wie es anfangs scheint. Getragen wird die Geschichte insbesondere von den Charakteren. Rex ist ein hoffnungsloser Optimist, bei dem man nicht anders kann, als ihm bis ans Ende der Welt zu folgen. Pyra zeigt sich als freundlich und lebensfroh, man merkt aber, dass sie viel Schmerz in sich verbirgt. Man versteht die Motivationen der Figuren, sowohl der Helden, als auch der Bösewichte. Und das fast alle irgendeinen britischen Akzent haben, unterstreicht ihren Charme, auch wenn manche etwas schwer zu verstehen sind ab und zu. Ein Hoch auf Untertitel! Etwas typischer Animehumor darf hier auch nicht fehlen. Was mich etwas überraschte, ist die Wortwahl: Für ein gezieltes "Shit" und "Bitch" ist man sich nicht zu fein. Es wird übrigens in der Story eine direkte Verbindung zum ersten Teil hergestellt. Mehr verrate ich dazu aber nicht.

Die Xenoblade-Reihe ist bekannt für ihre großen Welten und Teil 2 macht hier keinen Unterschied. Die Titanen selbst sind riesig und belebt, es gibt kaum eine leere Ecke. Der Grafikstil ist diesmal stark an Anime angelehnt, was bei den Charaktermodellen besonders deutlich wird. Ist nur manchmal irritierend, da einige Figuren einen etwas anderen Stil an den Tag legen als andere. Kann man vielleicht damit erklären, dass sie von anderen Titanen stammen, schließlich ist auch ein Volk von Katzenmenschen mit dabei. Und die beliebten Noppon dürfen auch nicht fehlen. Untermalt wird das Ganze noch von einem fantastischen Soundtrack, der den Orten die richtige Stimmung verpasst und einen in den Kämpfen anstachelt.

XenoBlade2_1

Taktisch klug auf den Controller eindreschen
Wie schon die Vorgänger setzt Xenoblade 2 auf ein Echtzeit-Kampfsystem mit Fokus auf Spezialangriffen, genannt Arts. Anders als in den Vorgängern liegen diese Arts aber nicht auf einem Cooldown, sondern werden durch normale Auto-Angriffe aufgeladen und man muss nicht mit dem Steuerkreuz durch eine Leiste scrollen - die Arts liegen alle auf den normalen Tasten. Dafür gibt es aber nur drei. Setzt man Arts ein, lädt man dadurch dann einen Spezialangriff auf. Dabei ist das Timing entscheidend, denn wenn man eine Art in dem Moment einsetzt, in dem ein Auto-Angriff trifft, dann erhält man mehr Aufladung für den Spezialangriff. Da die Auto-Angriffe eine Combo aus mehreren Schlägen sind, hängt diese Aufladung auch davon ab, je weiter man in der Combo ist. Sprich: bei einer 3-Schlag-Auto-Angriff-Combo erhält man am meisten Aufladung, wenn man seine Arts auf dem dritten Schlag anwendet, beim zweiten Schlag etwas weniger, beim ersten noch weniger und am wenigsten, wenn man gar nicht drauf achtet. Welche Arts man einsetzen kann, hängt von den ausgerüsteten Blades aus. Jeder Kämpfer kann bis zu drei aktive Blades haben, zwischen denen man im Kampf hin- und herwechseln kann.

Jetzt wird's kompliziert/interessant: Die Spezialangriffe starten eine dreistufige Blade-Combo mit vorgegebenen Pfaden. Die Pfade hängen vom Element eures Blades ab. Um diese Combo zu starten, reicht ein einfacher Level-1-Spezialangriff. Für die zweite Stufe der Combo muss man mindestens bis Level 2 aufgeladen haben, und für die dritte und letzte Stufe benötigt man mindestens Level 3. Hat man alle dre Stufen durchlaufen, wird je nach Pfad ein weiterer Spezialangriff ausgelöst und der Gegner bekommt eine Elementarkugel und ein Siegel auf bestimmte Fähigkeiten, wie z. B. Adds (kleinere Verbündete) zu spawnen. Die Elementarkugel sorgt dafür, dass Blade-Combos mit demselben Element geschwächt werden, man muss also einen anderen Combo-Pfad wählen für maximalen Schaden. Die Pfade teilen sich fast immer in zwei Wege auf. Fängt man zum Beispiel mit einem Lichtangriff an, muss die nächste Stufe entweder auch Licht sein oder Elektro. Wählt man Elektro, dann hat man nur noch Feuer als Finale übrig. Sollten die anderen Charakter aus dem Spieler einen Spezialangriff für eine Combo bereit haben, dann wird dies am Bildschirmrand signalisiert und mit den Z-Tasten kann man den gewünschten Angriff anfordern. Man hat übrigens nicht ewig Zeit, in der Combo weiter zu gehen. Irgendwann wird man auf Null zurückgesetzt.

XenoBlade2_2

Womit wir zum letzten Teil des Kampfsystems kommen: den Kettenangriffen. Wie schon in Xenoblade 1 lädt sich eine Gruppenleiste mit jeder Kampfhandlung dreistufig auf. Sollte ein Kämpfer besiegt werden, kann man ihn mit einer Stufe der Leiste wiederbeleben. Ist die Leiste ganz voll, kann man einen Kettenangriff auslösen. Und hier kommen jetzt die Elementarkugeln ins Spiel. Jeder Kämpfer der Gruppe setzt einen Spezialangriff ein und erhöht den Schadensbonus. Ist dieser vom entgegengesetzten Element als die Kugel, wird diese schwer beschädigt. Bricht eine Kugel, kann man mit der entsprechenden Combo wieder vollen Schaden anrichten. Zusätzlich wird der Kettenangriff um eine Runde verlängert. In Runde 1 greift man mit Stufe-1-Angriffen an, und so weiter. Schafft man es in einem Kettenangriff ganze vier Elementarkugeln zu zerstören, dann löst man einen Full-Burst aus und alle Kämpfer greifen noch einmal an für maximalen Schaden. Und als kleines Sahnehäubchen gibt es noch den Overkill-Modus, sollte der Gegner in dem Kettenangriff sterben. Im Overkill lädt man dann einen Bonus für Erfahrungspunkte auf.

Jetzt habe ich in drei Absätzen grob erklärt, wofür ich grob 70 Stunden Spielzeit brauchte, um wirklich vollends zu kapieren, wie das Kampfsystem im Detail funktioniert und vor allem welches Potential da drin steckt. Xenoblade Chronicles 2 erklärt das System zwar, doch nur in trockenen Tutorialboxen. Ich gebe zu, ich habe sie immer mal wieder weggedrückt, weil das Spiel immer wieder irgendwas Neues einführt, was natürlich erklärt werden muss. Es war doch irgendwie nervig, spät im Spiel erneut ein Texttutorial für irgendeine Kleinigkeit zu erhalten, die vorher nicht möglich war.

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Ein großer Aspekt des Spiels sind die Blades, die lebenden Waffen in Alrest. Sobald man Core Crystals gefunden hat, können Partymitglieder mit ihnen resonieren und dabei neue Blades erschaffen. Welche Blades dabei entstehen, ist zufallsgesteuert und das Spiel wird bei jeder Resonanz automatisch gespeichert. Im Groben kann man die Blades in zwei Kategorien einteilen: Am häufigsten hat man es mit den einfachen Blades zu tun. Hierbei wählt das Spiel eine Waffe, ein Element und eine Form aus einem Zufallsgenerator aus und man erhält ein generisches Blade. Sie haben durchaus ihren Nutzen, da sie beispielsweise Hindernisse in der Welt überwinden und auf Missionen geschickt werden können. Viel interessanter sind aber die einzigartigen Blades. Diese sind definitiv die stärksten im Spiel und wurden komplett individuell designt. Viele von ihnen haben auch einzigartige Fähigkeiten, die man an bestimmten Stellen für optionalen Content benötigt. Alle Blades zu sammeln ist ebenfalls eine Herausforderung im Spiel.

Aber keine Sorge, ihr müsst weder die Feinheiten des Kampfsystems fehlerfrei beherrschen, noch die besten Blades mit Glück erhalten, um das Spiel zu schaffen. Der Schwierigkeitsgrad ist an sich sehr fair gestaltet. Nur wer halt solche Details drauf hat, der hat es leichter in den Kämpfen, da man einfach mehr Schaden raushaut. Ebenso kann man sich natürlich durch die Feinheiten der Ausrüstung boxen, um so das optimale Equipment für jeden Kämpfer zu finden. Oder man nimmt einfach das, was passt und gut ists'. Ich muss gestehen, für meinen Geschmack gab es irgendwann zu viele situationsabhängige Ausrüstungsgegenstände wie "Extra Schaden gegen Gegnertyp X", als dass ich mich wirklich damit befassen wollte. Ich persönlich habe normale Gegner mit einfachen Kombos weggefrühstückt und mir die umfangreichen Strategien für die großen Bossgegner aufgehoben, wie eben auch besagte "Mehr Schaden gegen X"-Ausrüstung. Unter anderem weil ich es auch für eine Verschwendung hielt, bei dem Kleinviech meine Gruppenleiste zu verbrauchen, und ich keinen Bock hatte, für jeden Gegner meine Ausrüstung zu wechseln.

Tief, tiefer...
Das ist vielleicht auch so ein kleines Problem von Xenoblade 2: Das Spiel hat in seinem Gameplay eine unheimliche Tiefe verankert, dessen Potential nie wirklich genutzt werden muss. Das ist zwar irgendwo ein wenig schade, andererseits bin ich auch irgendwie froh drum, weil es mir sicher massivste Kopfschmerzen bereitet hätte. Im Kern bleibt Xenoblade 2 doch irgendwie ein Old-School-JRPG. Man arbeitet sich von Storypunkt zu Storypunkt durch und sammelt nebenbei die nötigen Level, um die Bosskämpfe zu gewinnen. Wenn man einen Boss nicht schafft, dann kann man auch durch stumpfes Grinden diese Hürde überwinden.

XenoBlade2_5Jedes Blade hat seinen eigenen Skilltree. Skills schaltet man durch bestimmte Aktionen frei.

Womit wir bei meinem größten Kritikpunkt an Xenoblade Chronicles 2 wären: die Bosskämpfe. Diese sind meistens nichts weiter als ein Skill/Level-Check. Man braucht bei kaum einem Boss eine besondere Strategie, um zu gewinnen, es reicht wenn man hoch genug im Level ist, oder eben erklärtes Kampfsystem für maximalen Schaden ausnutzt. Doch was mich am meisten an den Bosskämpfen störte, war die Einbindung in die Story. Viel zu oft haut man in-game den Boss zu Klump, nur um in der darauffolgenden Cutscene nach Strich und Faden vermöbelt zu werden, gerne auch mal, weil der Boss dann das alte "Ich hab nur mit halber Kraft gekämpft"-Klischee auspackt. Gegen Ende wurde das richtig nervig.

Weitere Dinge, die mir etwas sauer aufgestoßen sind, liegen in der Gegnerplatzierung, die aber wenigstens nicht mehr ganz so schlimm ist wie in Xenoblade X. Zu gerne hockt ein Gegner mit sehr viel höherem Level in einem Anfangsgebiet herum und klatscht euch an die Wand, weil ihr ihn nicht gesehen habt. Glücklicherweise sind diese Gegner meist nicht direkt auf dem Storypfad angesiedelt und überraschen euch nur beim Erkunden. Viel öfters stellt einem das Spiel einen der Named Enemies in den Weg - stärkere Varianten normaler Gegner, die praktisch kleine Bosskämpfe für sich selbst sind. Die mischen sich gerne mal in Kämpfe mit normalen Gegnern ein, weil sie durch die Gebiete umherwandern. Immerhin, sobald man sie besiegt hat, bleiben sie besiegt. Sie hinterlassen nur einen Grabstein, mit dem man sie neu beschwören kann, sofern man das will. Und wenn ich jedesmal einen Euro bekommen würde, wenn eines dieser blöden Viecher an einer Klippe bekämpft werden muss und dabei einen meiner Kämpfer runterschubst, dann hätte sich das Spiel bereits komplett selbst bezahlt.

Aber ich meckere hier gerade auf hohem Niveau. Xenoblade Chronicles 2 ist ein fantastisches Spiel voller Charme, Reiz und Identität. Es will euch in seinen Bann ziehen und das schafft es grandios. Ich habe fast 100 Stunden gebraucht, um den Abspann zu sehen, aber das hat sich gelohnt, auch wenn es wie die Vorgänger sehr gut versteht, durch die Größe der Welt und einige Umwege mehr Zeit als eigentlich notwendig dem Spieler wegzunehmen. Und dann ist da noch der ganze optionale High-Level-Content, der auf euch wartet. JRPG-Fans kommen mit Xenoblade Chronicles 2 voll auf ihre Kosten und einen besseren Abschluss für ein fantastisches Spielejahr 2017 hätte ich mir nicht vorstellen können. Wortwörtlich, den Abspann habe ich erst am 1.1.2018 morgens gesehen.

Xenoblade Chronicles 2 wurde auf der Nintendo Switch getestet. Für den Test hat sich der Redakteur das Spiel selbst gekauft.

Xenoblade Chronicles 2

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

Kommentare

Ben
24. Januar 2018 um 09:39 Uhr (#1)
Stimme dir voll zu, Torsten. Es gefällt mir persönlich besser als Chronicles und Chronicles X, obwohl ich die auch schon gut fand. Das Pacing haut hier besser hin und man wird nicht ganz so krass mit Nebenmissionen geflutet.
Gast
19. März 2024 um 06:06 Uhr
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RELEASE
01. Dezember 2017
PLATTFORM
Nintendo Switch
Plattform - Hybrid aus Konsole und Handheld. Unter dem Codenamen Nintendo NX angekündigt, ist die Nintendo Switch im März 2017 weltweit erschienen.

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