Misslungen oder missverstanden?

(Artikel)
Philipp Michael Kaiser, 27. August 2017

Misslungen oder missverstanden?

Warum Resident Evil 6 einen zweiten Blick wert ist

Als Resident Evil 6 angekündigt wurde, versprach der Entwickler Capcom eine Rückkehr zum Ursprung der Serie. Horror und Spannung sollten wieder ein Teil der Reihe werden, viele Fans freuten sich, auch wenn die meisten natürlich skeptisch blieben – vor allem nach dem bei Freunden der Reihe nicht allzu positiv aufgenommenen Resident Evil 5, welches durchaus Stärken aufweist, größtenteils jedoch im Fahrwasser des Action(!)-Giganten Resident Evil 4 dümpelte und sich, von einigen wenigen Dingen abgesehen, kaum von dessen Einfluss lossagen konnte und so auch nie richtig dessen Schatten verließ.

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Ein wenig Geschichte
Vorab ist zu sagen, dass Resident Evil sich schon immer neu erfunden hat. So ist Hideki Kamiyas Resident Evil 2 ein großartiges Spiel, über das ich kaum ein schlechtes Wort verlieren kann, wirft jedoch einige der Aspekte, die Shinji Mikamis Meisterwerk so bezeichnend und einflussreich machten, komplett über Bord. Der Spieler navigiert nun durch einen viel größeren Bereich, der zwar noch gut verbunden ist, das Niveau des Leveldesigns im ersten Spiel jedoch nie erreicht. Weiterhin ist ein größerer Fokus auf Action anzutreffen, ein Vergleich des jeweils ersten Raums spricht bereits Bände: wird man im ersten Resident Evil noch von einer ominösen, bedrohlichen Eingangshalle ohne Gegner begrüßt und muss erst noch einen anderen Raum bis zum ersten Zombie durchqueren, so katapultiert einen Resident Evil 2 direkt ins Geschehen. Nach einer CGI-Sequenz inklusive Autoverfolgungsjagd und der Auswahl der Spielfigur, beginnt das Spiel – im ersten Raum treffen wir bereits auf vier Zombies und brennende Autos. Das Spiel endet auf einem Gitarrensolo.

Damit soll aber auch nicht gesagt sein, dass es sich bei Resident Evil 2 um ein Actionspiel handelt. Eher steht es zu Resident Evil in der gleichen Beziehung, in der der Film Aliens zum Vorgänger Alien steht – ein größerer Fokus auf Action, wobei einige Elemente des Vorgängers immer noch erhalten bleiben.

Anders sieht es da schon bei Resident Evil 3: Nemesis und Resident Evil: Code Veronica bzw. Code Veronica X aus. Der Großteil der Spannung ging verloren, der namensgebende Nemesis erinnert mit seinem Raketenwerfer eher an den Gegenspieler in einem Actionfilm. Sowohl die Ashford-Geschwister aus Code Veronica als auch der in Code Veronica X hinzugefügte Albert Wesker schweben irgendwo zwischen comic-artig überzogen und lächerlich. Resident Evil: Nemesis verfügt weiterhin über ein (halbwegs funktionierendes) Ausweichsystem, bei dem Kontext und somit Reaktion gefragt ist. Natürlich muss es auch hier mehr zerstörte Gebäude geben (das Spiel endet bezeichnenderweise mit der Zündung einer Atombombe), und während wir uns in Nemesis ausschließlich in Raccoon City aufhalten, schickt uns Code Veronica X zu vielen verschiedenen Orten auf der Welt und endet sogar in einem Bosskampf, bei dem wir ein Scharfschützengewehr manuell operieren (also zielen) müssen.

Obwohl ich selbst kein großer Freund von Resident Evil 3: Nemesis bin und auch Code Veronica X seine Schwächen hat, möchte ich dennoch keines der beiden Spiele schlecht reden. Ich denke, dass beide ihren Platz innerhalb der langen Zeitlinie der Serie haben. Was hier deutlich gemacht werden soll, ist lediglich, dass weder Resident Evil 4, 5 oder 6 den Übergang zu action-lastigerem Gameplay oder gar den Untergang der Serie eingeleitet bzw. vollendet haben.

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Bevor wir uns jedoch Resident Evil 6 zuwenden, ist ein Blick auf Shinji Mikamis zweites Spiel der Reihe nötig: Resident Evil 4, ein Actionspiel durch und durch. Ein unglaublich gutes Actionspiel, wohlgemerkt. Natürlich finden wir auch hier gewisse Horrorelemente, vor allem, was das Kreaturendesign betrifft. Jegliche Spannung und Angst wird jedoch durch schier endlose Gegnerhorden im Keim erstickt, eher durch gelegentliche Panik als Grusel ersetzt. Die im Vergleich zu Zombies weitaus agileren Ganados zu umgehen, ist meist keine Option – das müssen wir aber auch gar nicht. Unser Protagonist Leon S. Kennedy verfügt über ein gewaltiges Arsenal an Waffen und gewissen Martial-Arts-Fähigkeiten. Begegnungen mit Gegnern behandeln wir praktisch nie mit dem Gedanken, dass uns die Munition ausgehen könnte – nun geht es darum, möglichst präzise Schüsse zu landen, einen Roundhouse-Kick, einen Suplex oder Ähnliches folgen zu lassen, Äxte aus der Luft zu schießen und Quick Time Events (QTEs) erfolgreich auszuführen. Hier ist praktisch nichts mehr von der DNS des ersten Teils zu finden – treffend, wenn man Shinji Mikamis Abneigung gegenüber Fortsetzungen bedenkt. Resident Evil 4 ist viel eher eine Umgestaltung des Konzeptes als eine Fortsetzung. Eine Neuerfindung, sozusagen. Noch immer eines der besten Actionspiele – aber eben trotzdem "nur" ein Actionspiel. Wie jedoch oben bereits gesagt, halte ich diese Neuerfindung nicht für etwas Schlechtes, solange sie qualitativ hochwertige Produkte hervorbringt, was sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch stets getan hat.

Das radikalste Resident Evil
Wenn wir unseren Blick auf Resident Evil 6 wenden, fallen uns natürlich sofort mehrere Dinge auf. Nach dem dem ersten Teil stark ähnelnden Resident Evil 7: Biohazard erscheint die Aussage, Resident Evil 6 wäre eine Rückbesinnung auf alte Qualitäten, noch lächerlich als zuvor. Eine gigantische Menge an Mitarbeitern, mehrere Million verkaufte Exemplare, die trotzdem nicht zufriedenstellend waren, eine Actionsequenz nach der anderen, so viele QTEs, dass kurz nach Erscheinen per Patch die Option hinzugefügt wurde, die meisten dieser QTEs abzustellen, vier verschiedene, zu zweit spielbare Kampagnen, ein noch größerer Fokus auf Bildgewalt und Spektakel. Jegliches Überbleibsel des ersten Spiels, welches die lange Transition überlebt hat, wird hier mit Gewalt ausradiert.

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Bevor wir uns den positiven Aspekten des Spiels zuwenden, ist es jedoch zuerst wichtig, sich der gravierenden Schwächen des Titels bewusst zu sein. Selten gibt uns Resident Evil 6 die volle Kontrolle. Zu oft werfen die vier Kampagnen unnötigen Ballast auf uns, wodurch es uns so vorkommt, als hätten die Entwickler verzweifelt versucht, jeden aktuellen Trend jeds Genres irgendwie in das Spiel zu hämmern. Oft wird die präzise Steuerung von hölzern wirkenden Jetski- oder Motorrad-Fahrten, Laufpassagen oder anderen "On-Rails"-Stellen sabotiert. Fast erhält man den Eindruck, das Team hätte nicht genug Vertrauen in die grundlegenden Mechaniken gehabt. Dass dabei zumeist ein sehr überzogenes aber unterhaltendes Spektakel geboten wird, sei hier erwähnt aber außen vor gelassen.

Auf die Handlung bezogen findet sich ein ähnlicher Widerspruch. Hierbei wird weitestgehend auf die flotten Sprüche aus Resident Evil 4 verzichtet. In der Einleitungssequenz der ersten Kampagne wird der zum Zombie mutierte Präsident der Vereinigten Staaten erschossen, es herrscht eine vorher fast nie dagewesene Ernsthaftigkeit – die einzige Figur, die hier ein paar Scherze für uns übrig hat, ist Albert Weskers Sohn Jake Muller. Ganze Städte werden entvölkert und wir erfahren von einer Bedrohung, die die ganze Welt betrifft. All das wird jedoch mit einer solchen Absurdität präsentiert, dass es uns als Spieler schwer fällt, irgendeine Verbindung zum Geschehen aufzubauen, von der Bekanntheit und Beliebtheit der meisten Figuren einmal abgesehen. Bereits im Prolog werden wir mit einer gigantischen Menge an explodierenden Autos bombardiert, fliegen einen Hubschrauber durch ein Gebäude und werden an mehreren Stellen von riesigen Zombiehorden begrüßt.

In Anbetracht all dessen sei jedem Leser verziehen, der nun denkt, Resident Evil 6 sei eines der schlimmsten Spiele der siebten Konsolengeneration – oder der vielleicht schon vorher so gedacht hat. Trotzdem verbirgt sich unter all diesem Ballast ein Spiel, das, vor allem für Action-Fans, einen zweiten Blick wert ist, und wie oben aufgeführt, ist auch das altbekannte Argument, Resident Evil solle stets auf Horror fokussiert sein, bereits seit Resident Evil 3 nicht mehr anzuwenden. Als Horrorspiel taugt Resident Evil 6 genau so wenig wie alles, was zwischen 1998 und 2017 geschah (mit der verhandelbaren Ausnahme von Resident Evil: Revelations 2). Ab hier sei also die Frage, ob ein Resident Evil als Actionspiel funktioniert, nicht mehr relevant.

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Warum Resident Evil 6 gut ist
Warum ist denn Resident Evil 6 trotz allem immer noch gut, fragt man sich da möglicherweise. Das ist eine Frage, die sich theoretisch sehr schnell beantworten lässt: nämlich aufgrund des Kampfsystems. Dabei ist es eigentlich bloß nötig, das Kampfsystem und den Inhalt, an welchem uns Resident Evil 6 dieses ausprobieren lässt, zu verstehen. Wie auch bei einigen anderen Spielen von Capcom (zum Beispiel Lost Planet 2 oder Devil May Cry 4) gibt es eine Menge versteckte oder nicht allzu offensichtliche Mechaniken, deren Verständnis für das eigentliche Begreifen der Qualität des Spiels notwendig ist. Im folgenden Teil des Artikels wird also darauf eingegangen werden, inwiefern sich Resident Evil 6 von anderen, ähnlichen Spielen abhebt und was es mit den oben erwähnten Mechaniken eigentlich auf sich hat. Es wird sich hier aber nicht an einer Rezension versucht. Dies ist ein detaillierter Erklärungsversuch des Kampfsystems, der ersichtlich werden lassen soll, was Resident Evil 6 lohnenswert macht.

Bei Resident Evil 6 handelt es sich, wie auch schon bei 4 und 5, um einen Third-Person-Shooter, wobei uns im Gegensatz zu der in vorherigen Teilen vorhandenen "Panzersteuerung" (wobei natürlich sowohl 4 als auch 5 bereits weniger behäbig als eine traditionelle "Panzersteuerung" sind) wesentlich mehr Möglichkeiten geboten werden. So können wir unsere Spielfigur während des Zielens bewegen, können die Kamera während des Laufens frei steuern (was auch schon in den Vorgängern möglich war, die Bedienung aber zu wünschen übrig ließ) und das Spiel gibt uns während des Zielens die Möglichkeit, einen Ausweichsprung in eine von vier Richtungen auszuführen - wobei auf den Hechtsprung nach vorn ein weiterer Sprung folgen kann, während welchem sich unsere Spielfigur umdreht. Das ist perfekt, um sowohl Distanz zu Gegnern zu schaffen als auch um sich dabei auch noch zu besagten Gegnern umzudrehen. Nach gewissen Ausweichmanövern oder wenn uns ein Gegner auf den Boden stößt, ist es weiterhin möglich, sofort vom Boden aus anzugreifen, ohne zuerst aufzustehen – dabei können wir ebenfalls Ausweichrollen zur Seite vollführen. Generell ist das Gefühl beim Benutzen der meisten Waffen weder besonders spannend noch allzu lasch, von einigen Ausnahmen wie den Revolvern oder Piers Nivans Gewehr großer Reichweite (sic) mal abgesehen. Beim Zielen an sich gibt es jedoch keine Probleme und trotz des etwas lieblos gestalteten Inventars ist die Möglichkeit, zumindest in den Kampagnen alle Waffen gleichzeitig zu tragen, willkommen und eröffnet neue taktische Möglichkeiten.

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Weiterhin können wir in Resident Evil 6, im Gegensatz zu dem in 4 und 5 vorhandenen Messer, welches wir zuerst ziehen mussten, jederzeit einen Nahkampfangriff ausführen, welcher sich kontextbezogen verändern kann (zum Beispiel bei betäubten Gegnern oder solche, die den Spieler noch nicht gesehen haben). Auf diesen normalen Angriff können wir ebenfalls einen zweiten folgen lassen, welcher normale Gegner in eine von vier (!) verschiedenen Arten der Betäubung versetzt und wir somit mit einem schwachen "Finisher" abschließen können. Die schnelle Zugänglichkeit dieser Angriffe (als Vergleich: in Resident Evil 4 und 5 war es nötig, eine Taste zu halten, um das Messer zu ziehen, und "Schießen" zu drücken, um mehr oder minder präzise Messerschnitte bzw. -stiche auszuführen) macht das ganze Kampfgeschehen um einiges dynamischer, können wir nun noch fließender zwischen Nahkampf und Schusswaffen wechseln, als zuvor.

Außerdem bietet uns das Spiel auch die Möglichkeit, einen sogenannten "schnellen Schuss" auszuführen, bei dem wir mit der ausgerüsteten Waffe auf den uns nächsten Gegner schießen und praktisch einen garantierten Treffer erzielen, der bei den meisten Waffen die gleichen Auswirkungen von zwei aufeinanderfolgenden normalen Nahkampftreffern hat. Essentiell ist dabei, dass uns diese Fähigkeit einen Balken der Ausdauerleiste kostet, welche wir auch für Ausweichaktionen sowie Nahkampf benötigen – das Spiel lässt uns also nicht willkürlich vom schnellen Schuss Gebrauch machen, gibt uns aber eine gute Möglichkeit, aus brenzligen Situationen zu entkommen (oder im Fall von gegnerischen Hunden sogar eine optimale Möglichkeit, diese zu besiegen). Einige wenige Waffen verfügen auch über spezielle schnelle Schüsse, so zum Beispiel die dreiläufige Hydra, die Armbrust oder gar Jake Mullers Fäuste, welche als separate "Waffe" zählen, die uns noch mehr Möglichkeiten geben.

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Auch die oben bereits angesprochenen verschiedenen Arten der Betäubung spielen während den meisten Gefechten eine große Rolle. Schneller Schuss und Nahkampf sind Möglichkeiten, die niedrigste Stufe der Betäubung (ab hier "leichte Betäubung" genannt) zu erreichen. Das Spiel gibt uns aber noch ein paar weitere. So werden die meisten Gegner zum Beispiel bei einem Folgeangriff auf diese leichte Betäubung auf den Boden geworfen (also die zweite Art der Betäubung), was einen weiteren Folgeangriff ermöglicht, dessen Effektivität durch die Positionierung des Spielers beeinflusst wird – Treffer auf den Kopf verursachen mehr Schaden. Dieser Angriff verändert sich je nach ausgerüsteter Waffe, von Gewehrkolbenschlägen über Stampfer bis hin zum Wurf des Gegners auf einen anderen. Allerdings gibt uns diese leichte Betäubung bei gewissen Gegner auch eine weitere Möglichkeit. Trägt dieser nämlich eine Waffe (zum Beispiel eine Axt, einen Stein oder ein Brecheisen), bewirkt ein Nahkampfangriff, dass wir ihm diese kurzerhand entnehmen und damit einen mächtigen Gegenangriff ausführen können, der die meisten Gegner sofort erledigt. Am wichtigsten sind hier jedoch Kopfschüsse auf nicht betäubte Gegner. Diese bewirken selbst bei den schwächsten Pistolen zumeist eine "mittlere Betäubung", bei welcher das Nahkampfsystem von Resident Evil 6 erst so richtig interessant wird.

Nahkampfangriffe auf derart betäubte Gegner lösen nämlich eine Vielzahl von der Spielfigur abhängige Spezialangriffe aus, wobei die Position des Spielers (vorn oder hinterm Gegner) auch hier eine Auswirkung hat – daran angelehnt verursachen auch Armschüsse bei den meisten Gegnern eine Drehung von 180° sowie ein Wechsel in den Zustand der mittleren Betäubung. Das Wissen darum, welcher Angriff zu welcher Situation der beste ist, ist hierbei der Schlüssel zum Meistern dieser Mechanik. So gibt uns Chris Redfields Angriff von vorne die Möglichkeit, Gegner auf andere zu werfen und somit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Andere Angriffe verursachen zum Beispiel Schaden an Gegnern in einer Reihe hinter dem Getroffenen, um ihn herum oder ähnliches. Weiterhin sind wir während dieser Angriffe unverwundbar (wir haben also sogenannte i-frames). Diese i-frames erhalten wir während der Ausführung der normalen Nahkampfangriffe oder der Angriffe auf Gegner auf dem Boden nicht, die mittlere Betäubung bringt also ein weiteres taktisches Element in das Kampfgeschehen. Dabei wird auch die Dauer der Angriffe hervorgehoben, erhalten wir durch längere Angriffe logischerweise mehr i-frames, was aber im zeit- und combobasierten Söldnermodus auch ein Nachteil sein kann – Wissen über die Spielmechaniken ist hier sehr wichtig. Weiterhin gibt es noch eine vierte Art der Betäubung (also sozusagen die "schwere Betäubung"), welche durch spezifische Aktionen hervorzurufen ist. So können wir zum Beispiel Gegner zuerst betäuben (mittlere Betäubung) und dann in diese hineinrutschen (eine weitere interessante Mechanik, die wir nutzen, indem wir während des Sprintens "Ausweichen" drücken – auch hier können wir mit einem weiteren Vorwärtssprung noch größere Distanzen zurücklegen). Diese schwere Betäubung ermöglicht uns einen sogenannten Gnadenstoß, welcher von allen Nahkampfangriffen den meisten Schaden verursacht und uns ebenfalls i-frames gewährt. Auch dieser variiert von Figur zu Figur, wobei das Wissen um Details hier nicht so wichtig wie bei der mittleren Betäubung ist.

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Zu alle diesen Formen des Nahkampfs kommt eine der interessantesten neuen Mechaniken des ganzen Spiels, nämlich ein Konter. Dieser ermöglicht uns, eine Vielzahl von Angriffen nicht bloß abzuwehren, sondern auch direkt zurückzuschlagen und hohen Schaden zu verursachen – hierbei ist das Lernen des Timings und auch welche gegnerischen Bewegungsmuster einen normalen Angriff oder einen Griff, den wir nicht kontern könnten, einleiten, extrem wichtig. Haben wir jedoch das Kontern einmal gemeistert und wissen, welche Angriffe wir wann genau abzuwehren haben, erlangen wir einen für einen Shooter (wobei dieses Wort in Anbetracht der Möglichkeiten, die uns Resident Evil 6 gibt, zu limitierend ist) sehr aggressiven Spielstil – vor vielen Gegnern brauchen wir nicht mehr wegzulaufen, sondern können durch das Wissen um die Mechaniken viel effizienter spielen.

All das klingt möglicherweise zu theoretisch und vor allem während der Kampagnen des Spiels wenig anwendbar, was zumindest teilweise stimmt. Gefechte während dieser lassen uns selten von diesen Mechaniken Gebrauch machen – wenn sie dies allerdings tun, entwickelt sich eine Art Spielfluss, die bei einem Third-Person-Shooter nur selten anzutreffen sind. Es entsteht ein Wechsel aus Schießen, Nahkampf, Ausweichen und schnellem Schuss, der innerhalb des Genres mit wenigen Ausnahmen (wie zum Beispiel Shinji Mikamis Vanquish) seinesgleichen sucht.

Sich als Söldner ausleben
Bei all der spielmechanischen Tiefe wäre es ärgerlich, würde uns das Spiel lediglich einige wenige Stellen innerhalb der Handlung geben, um sie voll auszunutzen. Deswegen kehrt der in Resident Evil 3: Nemesis eingeführte "Söldner"-Modus in Resident Evil 6 zurück. Hierbei handelt es sich um einen Spielmodus, in dem wir Gegner möglichst schnell hintereinander besiegen müssen, um unsere Combo aufrechtzuerhalten, während wir stets darauf bedacht sein müssen, dass uns die Zeit nicht ausgeht – Tötungen durch Nahkampf sowie auf der Karte verstreute Boni verlängern diese jedoch, wobei ein Gnadenstoß uns hier mehr Zeit gewehrt und ein Konter volle zehn Sekunden mehr. Auch sind auf der Karte Combo-Boni verteilt, welche es zum richtigen Zeitpunkt zu aktivieren gilt. Man lernt also die entsprechende Karte innerhalb mehrere Durchgänge auswendig. Dabei gibt es zehn Karten mit ihren eigenen Tücken und Gegnern. Generell wird zwischen "Zombie-Karten" und "J'avo-Karten", also den beiden Hauptgegnertypen des Spiels unterschieden, wobei in bestimmten Karten auch bestimmte Sonderformen dieser Gegnertypen erscheinen. Es gibt auch optionale Bosse, welche wir durch das Erfüllen bestimmter Bedingungen während des Kampfes hervorlocken können und für die Höchstpunktzahl auch besiegen müssen.

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Auch andere Faktoren beeinflussen unseren Punktestand – so ist die tatsächliche Höchstpunktzahl zum Beispiel nur dadurch zu erreichen, während des Besiegens der 150 verschiedenen Gegner und des optionalen Bosses nicht ein einziges Mal von einem Angriff getroffen zu werden und mit keinem einzigen Schuss zu verfehlen, wobei auch versierte Actionspiel-Spieler auf ihre Grenzen stoßen. Die Auswahl unserer Spielfigur beeinflusst auch hier das Kampfgeschehen. So stehen uns alle sieben Hauptfiguren der Handlung sowie der mit einem Patch hinzugefügte "Agent" (ein an HUNK erinnernder Soldat, der ursprünglich kooperatives Spielen in der Kampagne von Ada Wong ermöglichte) und die Antagonistin Carla Radames zur Verfügung. Jede dieser Figuren (mit Ausnahme von Carla) verfügt hierbei über völlig einzigartige Nahkampfangriffe und komplett unterschiedliche Ausrüstung – so startet Leon S. Kennedy zum Beispiel mit einer Pistole (mit einer zusätzlichen, zweiten Pistole für beidhändige Nutzung), einer Schrotflinte und etwas Sprengstoff, wohingegen Chris Redfield das Spiel mit Sturmgewehr, Magnum, einem Messer und ein paar Granaten beginnt. Weiterhin hat jede Figur (mit Ausnahme von Agent und Carla) ein zweites, freischaltbares Kostüm, welches die Ausrüstung wieder verändert – Leon hat nun beispielsweise ein Sturmgewehr, ein Scharfschützengewehr und einen Granatenwerfer. Ein drittes Kostüm ist auch freischaltbar, ändert jedoch lediglich die Farbe des zweiten, ohne die Ausrüstung zu beeinflussen. Auch können wir passive Fähigkeiten freischalten, indem wir entweder in "Die Söldner" oder in den Kampagnen Punkte sammeln. Wie auch die Kampagnen ist dieser Modus online oder mittels Splitscreen mit einem Freund spielbar.

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Weiterhin verfügen die PC- und Generation-8-Versionen von Resident Evil 6 über einen sogenannten "No Mercy"-Modus für "Die Söldner", welcher insgesamt 300 aggressivere aber auch leicht schwächere Gegner auf uns wirft. Ein paar PvP-Modi sind ebenfalls enthalten, stellen aber eher kurze Abwechslungen im Vergleich zur Menge an Inhalt, welche uns "Die Söldner" gibt, dar. Wobei ein Modus, welcher uns sozusagen "Die Söldner" gegen einen anderen Spieler spielen lässt, durchaus interessant ist – hierbei werden von uns besiegte Gegner innerhalb einer Combo nach Ablaufen dieser auf die Seite des Gegners geschickt.

"Die Söldner" ist also ausschlaggebend dafür, warum Resident Evil 6 einen Blick wert ist. Das Kampfsystem kommt hierbei völlig ohne den in den Kampagnen überwiegenden Ballast zur Geltung, keine QTEs oder unerwartete, unfaire Tode behindern hier das Spielgeschehen – nur noch die Mechaniken und das Wissen des Spielers um diese zählen. Aufgrund des Preises der Komplettedition sei das Spiel hiermit auch jenen nahegelegt, die an den eigentlichen Kampagnen kein Interesse haben – "Die Söldner" bietet eine umfangreiche Menge an Inhalten und "No Mercy" gibt uns lediglich noch mehr Möglichkeiten. Tatsächlich haben Capcom bereits mit "The Mercenaries 3D" den Versuch unternommen, "Die Söldner" als separaten Modus anzubieten – eine Wiederholung dessen mit den Mechaniken von Resident Evil 6 und möglicherweise dem in Resident Evil: Revelations eingeführten "Raid"-Modus wäre wahrscheinlich der nächste logische Schritt für die action-lastige Seite der Serie. Bis dahin muss uns jedoch Resident Evil 6 reichen. Kein schlechter Kompromiss, wie ich finde. Philipp Michael Kaiser

Über den Autoren
Philipp Michael Kaiser ist zu hören im Podcast Kompendium des Unbehagens, bei dem auch schon Daily-D-Pad-Autor Benjamin Strobel öfter zu Gast war, um mit ihm z. B. über Prey (2017) oder Injustice 2 zu reden; auf Twitter ist er über @Don_Mosquito zu erreichen.

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02. Oktober 2012
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
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