PES 2017 im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 16. November 2016

PES 2017 im Test

Ein weiterer Volltreffer

Dass ich großer Fan von Fußballspielen bin, dürfte bekannt sein. Und dass mein Herz vor allem für Pro Evolution Soccer schlägt - auch wenn ich zähneknirschend schon einige Male zugeben musste, dass FIFA es besser gemacht hat -, sollte auch oft genug in meinen Texten durchgekommen sein. Und doch fehlte mir über all die Jahre hinweg die finale Befriedigung beim Spielen, wie sie mir die Reihe seit PES 6 nicht mehr bieten konnte. Ein wichtiges Puzzleteil fehlte, welches nun in PES 2017 endlich wieder vorhanden ist.

Aber um zu verstehen, was das für ein Puzzleteil ist und was es so wichtig macht, sollten wir uns erst mal anschauen, was überhaupt die Faszination von Fußball- und anderen Sportspielen ausmacht.

Arsenal-PES2017

Man kann natürlich sagen, dass man Sportspiele wegen des Gameplays spielt. Das ist durchaus valide, da viele Sporttitel unheimlich komplexe und anspruchsvolle Spielesysteme haben, die es ermöglichen, sich untereinander oder gegen die KI auf höchstem Niveau zu duellieren. Oftmals sind auch drum herum motivierende Spielmodi gestrickt, meist mit Story- oder Management-Komponenten, die auch über lange Zeit die Motivation aufrechterhalten können. Es gibt durchaus Leute, die keine richtigen Fußball-Fans mit klaren Mannschaftsbezug und Interesse an live gespielten Matches sind, die dennoch Spaß haben, wenn sie virtuell gegeneinander kicken.

Aber ich denke, es wäre nicht weit hergeholt zu behaupten, dass diese Leute die absolute Minderheit stellen. Für die meisten dürfte der größte und vielleicht auch wichtigste Faktor der Eskapismus sein, der geboten wird. Und damit meine ich nicht nur, dass man in die Haut von Messi, Ronaldo und Co. schlüpft, und sich für einen kurzen Moment die Fußballerkarriere zu erträumt, von der man schon damals auf dem Schulhof fantasiert hat.

Fußballspiele sind dann am besten, wenn sie es schaffen, die Spannung des echten Sports zu emulieren. Wir wissen schon, dass das, was Fußballer auf dem Platz und die Fans in den Rängen oder vor den Fernsehern fühlen, sich gar nicht so sehr unterscheidet. Die Prozesse, die im Gehirn ablaufen, erlauben es uns erst, uns "wie mittendrin" zu fühlen. Ich würde vermuten, dass dieser Effekt sich auch beim Spielen von Sportspielen beobachten lässt.

Viel hängt von der Identifikation ab. Ist das da auf dem Platz irgendein Team, oder mein Team? Authentizität spielt hier selbstverständlich eine große Rolle. Sehen die Spieler ihren realen Vorbildern ähnlich? Agieren sie entsprechend? Tragen sie die korrekten Trikots und spielen sie ihre Heimspiele im richtigen Stadion? Viele kleine Faktoren, die zusammenfließen, um eine möglichst perfekte Illusion zu erschaffen, in der man sich verlieren kann.

PES-2017

Es ist ein Eskapismus, der mir bei PES Jahre lang verwehrt blieb, da nach dem sechsten Teil mein Lieblingsverein nicht mehr lizenziert war. Die Spieler stimmten zwar, aber der Teamname war Fake, genauso wie die Trikots. Zwar gab es schon immer die Möglichkeit, mit Fanpatches gewisse Mankos auszugleichen, allerdings war das teilweise auch mit ordentlich Mühe und Risiken verbunden. Gerade wenn die Xbox präferierte, war das meistens keine echte Alternative, da der Prozess dort mit am aufwändigsten war.

Doch PES 2017 ist anders. PES 2017 hat die Arsenal-Lizenz!

Für mich hat Arsenal eine ganz besondere Bedeutung und man merkt schon: Für mich ist das vielleicht die signifikanteste Neuerung in PES 2017, aber ich denke, dass das jeder leidenschaftliche Fußballfan nachvollziehen kann. Endlich den "eigenen" Verein spielen zu können mit der Authentizität, die man erwarten sollte. Doch zum Glück ist das nicht das einzige, was Konami dieses Jahr richtig gemacht hat.

Spielerisch hat man sich insbesondere im Bereich der Taktik ins Zeug gelegt. Ihr habt nun die Möglichkeit, taktische Sondereinstellungen vorzunehmen, die ihr je nach Belieben während einer Partie aktivieren oder deaktivieren könnt. Nehmen wir zum Beispiel eure Außenverteidiger. Wollt ihr, dass sie bei Angriffen auch mal eure Außenstürmer überlappen, zum Beispiel um Flanken in den Strafraum zu schlagen? Dann findet ihr dafür eine Option, die ihr aktivieren könnt. Oder ihr könnt sie beordern, ins Mittelfeld nach innen zu ziehen, um dort für weitere Anspielstationen zu sorgen. Oder ihr bleibt konservativ und aktiviert keine der Optionen, wodurch eure Außenverteidiger eben dort bleiben, wo sie originär sein sollten: außen und in der Verteidigung.

PES2017-arsenal

Auch für die Defensive gibt es unterschiedliche Optionen. Wer Fan von Jürgen Klopp ist, wird sich freuen, dass das Gegenpressing, eines der Markenzeichen des ehemaligen Dortmund-Trainers, zu den Optionen zählt. Aber auch wer nicht das Wissen aus drei Fußballlehrer-Lehrgängen hat, freut sich über Optionen wie eine tiefstehende Defensive, um die ultimative Geheimwaffe – den hohen Ball über die Abwehr in den Lauf eines schnellen Stürmers – locker abzuwehren.

Neben der schon bestehenden Möglichkeit, für offensive und defensive Spielsituationen andere Formationen festzulegen, hilft dieser neue Taktik-Kniff, dass man die Mannschaft noch mehr an sein eigenes Spielverhalten anpassen kann. Zwei Teams mit genau der gleichen Formation können sich so dennoch sehr deutlich unterscheiden. Außerdem sind diese Möglichkeiten perfekt, um schnell auf die aktuelle Spielsituation reagieren zu können.

Auch Standardsituationen wurden deutlich überarbeitet. Freistöße sind nun um einiges schwerer zu schießen. Wie schon in unseren Tipps für PES 2016 erklärt, musste man eigentlich nur in die lange Ecke zielen, den Schuss der Distanz entsprechend dosieren und konnte sich über regelmäßige Tore freuen. Wenn man diesen Trick nun in PES 2017 anwenden will, landet der Ball meistens in der Wand, gerade aus kurzer Distanz. Entsprechend ist es öfter nötig, auch mal die Kugel anzuschneiden, um sie ins Netz zu bugsieren.

pes1

Eckbälle sind gleich komplett anders und bieten dem Spieler endlich mehr Kontrolle. Sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung könnt ihr auswählen, wie sich eure Spieler verhalten sollen. In der Defensive heißt das zum Beispiel, ob ihr lieber zonal verteidigen wollt oder Mann-gegen-Mann. Im Angriff habt ihr die Möglichkeit, euren Spieler zum Beispiel den Fokus auf den langen Pfosten nahe zu legen oder sie in den 5-Meter-Raum zu schicken, um hoffentlich in dem Gedrängel abstauben zu können.

Das schon im letzten Jahr exzellente Spielgefühl hat Konami hingegen nur im Detail angefasst. Das Spieltempo wurde nochmal eine Spur heruntergeschraubt und die Torhüter, so oft das Sorgenkind, bieten mal keine offensichtliche Schwäche, die man ausnutzen könnte. Außerdem scheint die KI der gegnerischen Mannschaft besser zu reagieren und sich an euer Spielverhalten anzupassen. Zumindest hatte ich bei ein paar Probepartien diesen Eindruck, auch wenn ich natürlich primär online spiele.

Denn natürlich fesselt der myClub-Modus mal wieder für Tage, wenn nicht sogar Wochen, an die Konsole. Kurz zusammengefasst: ihr fangt mit einem Team aus generischen Nulpenspielern an und baut daraus nach und nach eine Top-Mannschaft.

Im Grunde hat man sich dicht an den Vorgänger gehalten. Ihr könnt Matches und Turniere ausfechten, entweder gegen die KI oder gegen menschliche Gegner, für die ihr mit Geld sowie Scouts belohnt werdet. Geld wird investiert in Spielerverträge, Scouts nutzt man, um sich auf dem Markt nach neuen Spielern umzuschauen. Wer genug Geld spart, kann aber auch ein paar Spezialscouts anheuern, mit höheren Wahrscheinlichkeiten für gute Spieler.

arsenal sanchez

Eine wichtige Änderung gibt es aber: die normalen Scouts, mit denen ihr Spieler anwerbt, zeigen euch nun direkt an, was für Spieler sie potenziell für euch herausfischen können. Da kommen dann zwar noch immer Wahrscheinlichkeiten ins Spiel, aber wenn ihr die richtige Kombination aus bis zu drei Scouts wählt, kann es durchaus passieren, dass ihr direkt einen Top-Star – und nur diesen – im Spielerpool habt.

Im Vorgänger war das Scouting-System noch so nervig, weil der Zufall allentscheidend war und die Chancen sehr gering. Meistens hat man einfach gewartet, bis Konami mal spezielle Aktionen hatte, die einem Top-Spieler garantierten. Jetzt? Scouten macht richtig Spaß, insbesondere das Herausfinden von möglichen Kombinationen.

Ansonsten bietet man in den Spielmodi aber nichts Besonderes. Wer nach Innovationen sucht, wie EAs Versuch, mit "The Journey", einen Storymodus in ein Fußballspiel zu integrieren, wird nicht fündig werden.

Das leidige Lizenz-Thema ist aber, trotz meiner überschwänglichen Freude, auch eine große Quelle des Leides. Konami hat, mal wieder, wichtige Lizenzen verloren, wie zum Beispiel für die spanische Liga. Barcelona und Athletico Madrid hat man zwar separat lizenziert gekriegt, aber Real Madrid spielt nun unter dem Namen MD White. Auch auf der deutschen Front gibt es schlechte Nachrichten. Man hat zwar insgesamt drei deutsche Mannschaften mit im Boot, aber Bayern München, die letztes Jahr noch dabei waren, fehlen nun komplett, also nicht einmal als Fake-Team wie Real Madrid. Schalke 04, Borussia Dortmund sowie Bayer Leverkusen dürften kein großer Trost für Bayern-Fans sein, insbesondere da das Team seit 2011 durchgehend lizenziert war.

dortmund

Dafür hat man nun große Schritte unternommen, um die Kader endlich aktuell zu halten. Kleine Erinnerung an PES 2016: Fans mussten Monate darauf warten, bis die Sommertransfers endlich im Spiel inkludiert waren. Das Transferfenster schloss, wie jedes Jahr, am 31. August. PES 2016 erschien am 17. September. Der Patch, in dem die Sommertransfers waren? Für die Online-Komponente des Spiels Ende Oktober veröffentlicht, Offline-Spieler mussten sogar bis November warten. Eine absolute Schande und die Spieler kochten mit berechtigtem Zorn.

Für PES 2017 stand direkt am Launch ein Transfer-Patch zur Verfügung. Und auf einer Q&A-Session auf der GamesCom wurde uns auch schon bestätigt, dass die Winter-Transfers zeitnah nachgereicht werden sollen und zwar mit dem Rhythmus der wöchentlichen Updates für die Spielerstärken.

brasilienfussball

Das an sich ist auch ein komplett neues Feature für die PES-Reihe, auch wenn es bei FIFA seit Jahren Standard ist: jede Woche gibt es kleine Fluktuationen in der Spielstärke der Fußballer. Wer in echt einen Hattrick erzielt hat, tritt auch virtuell besser gegen den Ball, und umgekehrt. Nun bietet auch PES dieses Feature, was nur wie eine kleine Spielerei wirkt, aber für Fans doch einen ziemlich großen Effekt hat. Denn so ist das Team, was man sich im myClub-Modus aufbaut, irgendwie doch mit der Realität verbunden. Und wenn man dann sieht, wie einer der eigenen Lieblingsspieler am Wochenende eine Partie dominiert hat und sich dies nahtlos auf der Konsole fortsetzt, verleiht das dem Spiel noch mal einen Hauch von Realismus und Authentizität.

Die Grafik erreicht den gewohnt hohen Standard. Authentische Gesichter und selbst die Frisuren der Spieler, wie Aaron Ramseys platinblondes Experiment, sind gut getroffen. Auch die Animationen, die nochmals im Vergleich zum Vorgänger in der Anzahl erweitert wurden, bestechen durch flüssige und realistische Bewegungsabläufe.

aaronramsey

Enttäuschend ist nur, mal wieder, der Sound. Die Kommentatoren kann man eigentlich nach drei Partien stumm schalten, weil sich ab da die Phrasen so langsam zu wiederholen anfangen. Und auch der Versuch, die Kommentatoren aktiver auf das Drumherum abseits des Platzes eingehen zu lassen, zum Beispiel indem sie auf Spielereinkäufe eingehen, ist so schwach umgesetzt, dass es nicht mal für die Teilnahmeurkunde bei den Bundesjugendspielen reichen würde. Eine Soundkulisse wie bei Hoffenheim im Stadion komplettiert das aurale Versagen.

Mit PES 2017 stürmt Konami weiterhin unaufhaltsam nach vorne. Gameplaytechnisch hat sich der Entwickler nochmals übertroffen. Beliebte Modi sind konsequent und sinnvoll weiterentwickelt worden, während eine befürchtete Stagnation ausblieb. Zudem hat man auf Fan-Feedback gehört und einige Fettnäpfchen aus der Vergangenheit geschickt umspielt. Weiterhin bleibt aber die große Lizenzlücke, und dank Exklusivverträgen, die EA mit einigen Teams abgeschlossen hat, dürfte sich daran auch in den nächsten Jahren nur sehr wenig ändern. Ich als Arsenal-Fan hab zwar dieses Jahr gut lachen, aber ich glaube, dass das, was auf dem Platz bei PES 2017 platziert, dennoch locker ausreicht, um die diesjährige Iteration zu einem absoluten Must-Have für alle Fußballfans zu machen. Auch die, die mal auf ihren Verein verzichten müssen. Haris

PES 2017 wurde auf der PlayStation 4 getestet. Ein Testmuster wurde uns von Konami zur Verfügung gestellt.

Pro Evolution Soccer 2017

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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15. September 2016
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