RunGunJumpGun im Test

(Artikel)
Rian Voß, 08. September 2016

RunGunJumpGun im Test

Perfekt ist gerade gut genug

Ich reibe mir die Fingerknöchel. Sie tun weh. Der Atem normalisiert sich langsam wieder, aber mein Herz pocht immer noch bis ins Innenohr und ich kann spüren, wie das Stammhirn nur widerwillig die Kontrolle über meine Wahrnehmung abgibt. Jedes Geräusch ist lauter, alles, was ich angucke, ist schärfer. RunGunJumpGun versetzt den Spieler in einen konstanten Zustand einer Nahtoderfahrung.

Der Protagonist ist der Scavenger. Der Scavenger ist eigentlich nicht komplex. Er läuft, immerzu, vor dem linken Bildschirmrand davon. Bleibt er irgendwo hängen oder fällt in eine Stachelfalle, teleportiert ihn ein Notfallgadget an den Levelbeginn zurück. Um ans Ende zu kommen, muss er springen und schießen. Das war's. Zwei Tasten. Eine fürs Springen, eine fürs Schießen. Wer aber springt, kann nicht gleichzeitig schießen, denn der Scavenger schleudert sich ausschließlich mit dem Rückstoß seiner Minigun hinauf.


Was RunGunJumpGun nun vom dahergelaufenen Autorun-Plattformern unterscheidet, ist das Leveldesign. Die Entwickler bei ThirtyThree haben es geschafft, satte 120 Level so zugänglich wie anspruchsvoll wie abwechslungsreich zu gestalten. Neue Spielelemente werden grundsätzlich schonend eingeführt. Etwa die Kreissägen, die herumspringen, wenn man sie aus dem Weg schießt. Oder die Schwerkraftsumkehrung auf der Hälfte des Bildschirms. Oder dass der obere Bildschirmrand stellenweise mit dem unteren verbunden ist, so dass man hindurchwarpen kann. Und es gibt ständig etwas Neues. Gerade, wenn man sich an Mischungen neuer und alter Gefahren gewöhnt hat - BAM - da kommen schießende Raumschiffe auf einen zugeflogen.

Trotz seiner Geschwindigkeit und der knalligen Farben ist der Bildschirm nie chaotisch oder überladen. Gefahren sind immer farblich hervor- und von der Umwelt abgehoben, so dass ich schon manchmal reflexartig durch ein Level (am Spieß schreiend) durchgekommen bin und mich dann wunderte, wie ich überleben konnte. Meistens hat man aber nicht das Glück, denn jedes Level ist auch ein Puzzle - wenn man sich drauf einlässt. Wer einfach nur durchkommen will, hat es meist ein wenig einfacher, denn dann führen oft mehrere Strategien zum Ziel. Ob man nun über ein Hindernis hinüberspringt oder sich hindurchballert, ist dann egal. Will man aber die Collectibles, die Atomiks, einsammeln, dann wird das Spiel mehrere Ebenen komplizierter und die Möglichkeiten weniger.

rungun-01

Die Atomiks, das sind kleine blaue Kügelchen, die im jeden Level verstreut sind. Man braucht eine gewisse Anzahl an Atomiks, um die zweite und dritte Welt freizuschalten. Wer aber nicht gerade absichtlich allen Atomiks ausweicht, der sollte damit kaum Probleme haben. Der Pfad zu einem vollständigen Atomiks-Zähler ist allerdings der Pfad zur Perfektion. Denn um alle Kugeln zu sammeln, muss man auch mal umständliche Wege gehen, in einem horizontal geteilten Level frenetisch von oben nach unten und zurück wechseln und vor allem eins sein: pixelperfekt.

RunGunJumpGun lässt keine Fehler zu. Der Scavenger unterliegt der Physik, wenn er fällt oder in die Lüfte beschleunigt. Das verleiht dem Spielgefühl ein gewisses Gewicht, an das man sich aber schnell gewöhnt. Wer zu früh oder zu spät, zu lange oder zu kurz nach unten ballert, stirbt. Wer etwas zu viel riskiert, stirbt. Wer den Ablauf eines Levels vergisst, stirbt. Die ersten Gebiete sind noch relativ leicht. Bis man hier alle Atomiks gesammelt hat, vergehen vielleicht ein oder zwei Minuten. Die späteren Level? Fünf, zehn oder fünfzehn Minuten - wenn das mal reicht und man nicht heulend aufgibt. Irgendwann brennen sich die Level ins Muskelgedächtnis ein und in einer Form von Meditation beendet das eigene Sein die Existenz. Man transzendiert zu einer höheren Sphäre, einer, in der weltliches Verlangen verschwindet und das Hintergrundrauschen des Alltags verstummt. Es gibt nur noch den Scavenger, die Atomiks, die hämmernde Musik und den niemals stoppenden linken Bildschirmrand.

RGJG_DancingWithLasers

Ich würde daher niemals behaupten, RunGunJumpGun sei für die meisten zu empfehlen. Es ist für die wenigsten zu empfehlen. Es ist unglaublich schwierig und wer nicht eine gewisse Erfahrung mit brockenharten aber fairen Plattformern hat, der wird sich bei RunGunJumpGun am fließenden Band in den Arsch beißen. Aber wer sich der Herausforderung stellt und ihr auch gewachsen ist, wird einen Adrenalinrausch sondergleichen erfahren.

RunGunJumpGun ist kein Spiel. Es ist ein Test. Hier kommen nur diejenigen weiter, die Disziplin, Durchhaltevermögen, Grips und übermenschliche Reflexe an den Tag legen. Und wer den Test besteht, der kann sich wahrhaftig einen Meister des Plattformers nennen.

RunGunJumpGun wurde auf dem PC (Windows 10 64-Bit, 16 GByte RAM, Intel Core i5-4690, Nvidia GeForce GTX 970) getestet. Ein Testmuster wurde uns von Gambitious zur Verfügung gestellt.

RunGunJumpGun

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
19. April 2024 um 18:55 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
31. August 2016
PLATTFORM
Mac
Plattform
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

Ähnliche Artikel