Jacob im Test

(Artikel)
Vivian R., 23. Juli 2016

Jacob im Test

Ein Mann will nach oben

Krieg, Rassismus, soziale Ungleichheit – das sind alles keine Themen, die man sofort mit dem Wortfeld "Spaß" verbindet. Anders als Spiele, die man halt genau deswegen spielt: damit man Spaß hat, weil sie Spaß machen. Spiele des Genres "Serious Games" schaffen es, ernste Themen und Spielspaß zu verbinden, und zeigen, dass gerade ihre interaktiven und narrativen Elemente sich besonders gut dafür eignen, solche Themen zu behandeln.

Sie machen abstrakte Themen, wie Flucht, Krieg oder psychische Erkrankungen, erfahrbar - auch für Menschen, die ansonsten damit wenig Berührungspunkte haben. Serious Games bieten sich an, Empathie zu stärken, Vorurteile zu zerstreuen und Informationen über ein Thema zu liefern. Auch das Puzzlespiel Jacob: A Story about Life zählt wohl dazu. Es nähert sich dem Thema soziale Ungleichheit auf spielerische Weise.

Jacob Text

Bevor es aber losgeht, ist Lesen angesagt: Durch ein kleines Essay erfahren wir, was sich hinter dem Begriff soziale Ungleichheit eigentlich verbirgt: Der Zugang zu Bildung und die sozialen und beruflichen Aufstiegschancen hängen, soziologischen Untersuchungen zufolge, von der sozialen Schicht ab, in die wir geboren werden. Alter Hut. Brandaktuelles Thema.

Um uns die Auswirkung unserer Geburt spüren zu lassen, variiert der Schwierigkeitsgrad von Jacob auf einer Skala von eins bis sechs. Willkürlich wird uns eine Schwierigkeit zugewiesen, die für die soziale Klasse unseres Vaters steht: Auf eins ist das Spiel gemütliches Schneckenschubsen, bei einem Wert von sechs heißt es schlicht: Herzlichen Glückwunsch zur Arschkarte!

Jacob 2

Nach diesem interessanten, wenn auch kaum interaktiven Anfang, geht es dann endlich mit dem eigentlichen Spiel los: In Jacob blicken wir auf eine Person auf einer Leiter, der wir durch das Bauen von weiteren Leitersprossen den Weg nach ganz oben ermöglichen sollen. Buchstäblich: Die Leiter, die wir bauen, führt von der Erde bis in den Himmel. Dabei müssen wir Wolken ausweichen. Der Kniff: Wir haben eine willkürliche Anzahl an Sprossen in verschiedenen Arten, von gerade bis kurvig. Jede davon dürfen wir nur einmal benutzen. Ein Durchgang auf der ersten Schwierigkeitsstufe wäre also: keine Wolken. Viel Zeit. Ein dicker Satz an geraden Sprossen. Null Problemo!

Die Musik und die Hintergrundmalerei sind ganz nett und die Idee interessant. Aber. Zwei dicke Aber. Zum Einen ist das Gameplay von Jacob ermüdend dröge. Es ist anstrengend, durch die verschiedenen Sprossenarten zu navigieren und wenn wir oben angekommen sind und das Level geschafft haben, gibt es keine Art von Belohnung.

Jacob Leaderboard

Zum Anderen macht Jacob genau das falsch, was Serious Games nicht falsch machen sollten: Nach der öden Einleitung zum Thema soziale Ungleichheit werden wir mit dem Thema, um das es geht, nicht mehr konfrontiert. Ja, das ganze Spiel ist eine hübsche Metapher, aber nur eine Metapher zu sein reicht eben nicht. Warum behindern uns die Wolken? Stehen sie für... die Gesellschaft? Es findet keine Entwicklung statt: Wo starten wir? Was erreichen wir, wenn wir es trotz aller Schwierigkeiten den Himmel erreichen?

Jacobs größtes Problem ist definitiv, dass es zu abstrakt ist, um mich empathisch mit dem Thema soziale Ungleichheit zu verbinden. Die Schwierigkeit, die soziale Klasse meines Vaters, ist nur eine Zahl, die nicht mehr spezifiziert wird. Wenn mein Vater die Soziale Klasse 1 hat, was genau macht das mit dem Jungen auf der Leiter? Worin unterscheiden sich Stufe vier und fünf? Für welche Stolpersteine auf dem Weg nach oben stehen die flauschigen Wolken?

Zusammengefasst lautet die Idee von Jacob etwa so: Soziale Ungleichheit ist wie eine Leiter in den Himmel zu bauen, aber die Form der Sprossen wird bestimmt durch deinen sozialen Background und ach ja: Wolken. Das Spiel sagt: "Soziale Ungleichheit ist ungerecht." Das leuchtet ein. Und weiter? Das ist wie mit Ironie: Man erkennt sie auch nur, wenn es wenigstens einen Anhaltspunkt gibt, dass es Ironie ist. Abstrakte Konzepte wie soziale Ungleichheit lassen sich eben nur effektiv auf abstrakte Weise darstellen, wenn man hinter der metaphorischen Fassade die eigentliche Thematik durchscheinen lässt.

Jacob 1

Jacob: A Story about Life ist genau das nicht: Es ist so abstrakt, dass es mit dem Leben kaum etwas gemein hat. Schade! Das Thema bietet sich für eine spielerische Umsetzung enorm gut an und hätte es auf jeden Fall auch verdient. Obwohl Serious Games zwar keinen Spaß machen sollen - irgendwie unterhaltsam sollten sie dann doch schon sein. Aber Jacob ist durch das öde Gameplay nicht einmal das. Vielleicht ist die Frustration, die es auslöst, die eigentliche Sozialkritik.

Jacob wurde auf dem PC (Windows 7 64-bit, 8 GByte RAM, AMD FX-8150, AMD Radeon R9 280 3GB) getestet. Das Spiel ist gratis auf Steam erhältlich.

Jacob: A Story about Life

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F wie Fail. Kaum von Wert. Hier jagt eine Schwäche die nächste. Niemand braucht das, niemand will das. Nicht einmal geschenkt.

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RELEASE
06. Juli 2016
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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