Holopoint im Test

(Artikel)
Rian Voß, 23. Juni 2016

Holopoint im Test

Meine Ausbildung zum Ninja

Ich bin im Arsch. So richtig doll im Arsch. Der Schweiß läuft mir in Strömen die Stirn runter, rein in den Nacken, den Rücken hinab und durch die Backen bis zu den Waden. Meine linker Arm hat ermüdet den Dienst quittiert, der rechte hat sich für einen Krampf entschieden. Mit meiner triefend nassen Hose setze ich mich jetzt also an den Computer, öffne das Textprogramm und tippe folgende Worte: Ich fühle mich großartig!


Mein Name ist Genji
Holopoint ist eine Bogenschützensimulation, wie es sie vorher noch nie gab. Die aufgesetzte HTC Vive versetzt einen in ein leergeräumtes Dojo. Bogen im linken Bewegungscontroller, den Pfeil zieht man mit dem rechten hinterm Rücken hervor. Die Steuerung funktioniert unglaublich gut. Ich kann den Bogen vertikal, horizontal oder schräg halten, ihn spannen wie ich möchte und wenn das Geschoss von der Sehne flitzt und dumpf ins Holz einschlägt, fühlt es sich richtig an. Zielhilfen gibt es keine. Stattdessen lehrt die Erfahrung, wann man loslassen muss. Sich bei Youtube die richtige Schusstechnik bei Profis abzugucken, hilft da ungemein. Zum vollständigen Realitätsgefühl fehlt eigentlich nur noch das Feedback für Spannung und die Wucht, wenn die Sehne in die Schussrichtung schlägt.

Aber warum überhaupt ein Dojo? Das klingt ja ziemlich langweilig, wenn man bedenkt, dass eine VR-Brille einen an jeden realen und imaginären Ort transportieren könnte. An dieser Stelle hat der Entwickler allerdings der Übersicht den Vorrang gegeben. Denn in Holopoint muss man sich Angreifern aus jeder Richtung erwehren. Auf den ersten Stufen sind das noch statisch schwebende Würfel. Die schießen nach einer Weile und wer gut hinhört, erkennt die Gefahr rechtzeitig. Das Blöde ist nur: Selbst abgeschossene Würfel können immer wieder zurückfeuern. Man hat also keine Wahl als auszuweichen - mit einem eleganten Schritt zur Seite, einem Ducker oder wie Neo, der sich ins Hohlkreuz lehnt.

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Mehr als nur Tontaubenschießen
Ich kann nicht sagen, ob das jetzt schon spannend klingt, aber allein dieser einfache Spielmodus macht schon enorm viel Bock. Der Rhythmus aus schießen, ausweichen, umdrehen, schießen, ausweichen geht nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut über und man fühlt sich, als würde man mit Pfeil und Bogen einen tödlichen Tanz vollführen. Da die Quader mit hoher Frequenz auftauchen, muss sich der geübte Schütze irgendwann schnellere Techniken überlegen, ratzfatz einen Pfeil ziehen und ohne zu überlegen einen eindeutigen Treffer landen. Die treibende Elektro-Musik tut alles, um den Adrenalinspiegel auf Anschlag zu halten und auch die übrige Präsentation stimmt. Vor allem wenn ein Geschoss in Zeitlupe knapp an meiner Nase vorbeifliegt, fühle ich mich wie ein Jedi-Meister und will gleich zur konternden Actionrolle übergehen.

Bei Würfeln bleibt es aber nicht. Nach einer Weile kommen Samurai mit Schwertern aus jeder Richtung angetrabt und auch vom höheren Stockwerk heruntergesprungen. Wer sich hier zu viel Zeit lässt, der dreht sich irgendwann um und starrt einem emotionslosen Japaner ins Gesicht, der seine Klinge gerade fachmännisch durch unsere Kehle gleiten lässt. Ich lüge nicht: Ich habe in diesem Spiel schon mehrmals vor Todesangst geschrien. Und das wird nicht besser, wenn dann irgendwann schwebende Infernobosse mit winzig kleinen Schwachpunkten oder sich in Deckung rollende und Shuriken schmeißende Ninjas auftauchen. Holopoint ist richtig, richtig schwierig.

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Schweißtreibend
Das Spiel wird noch schwieriger für Menschen mit so Spaddelarmen wie mich. Nach fünf Wellen bin ich in der Regel schon ziemlich durch mit allem. Den Arm minutenlang ausgestreckt zu heben ist kein Zuckerschlecken - auch hier kann einem die richtige Technik helfen. Arm hoch, schießen, Arm runter. Das erschwert allerdings das Zielen, was das Spiel wieder anspruchsvoller gestaltet, auch wenn man dann länger dabei bleiben kann. Ich überlege jetzt langsam, ob ich Krafttraining machen sollte, damit ich Holopoint mehr als eine halbe Stunde am Tag zocken kann.

Ein großes Problem bei diesem Spiel ist die Kabelei. Ich habe bisher bei keinem Spiel viel Mühe damit gehabt, "blind" über das Kabel zu steigen, um mich im Kreis zu drehen. Bei Holopoint muss man aber ständig rotieren - und das mache ich zumindest immer in dieselbe Richtung. Also verdreht sich das Kabel und irgendwann wunderte ich mich, warum da auf einmal ein Widerstand ist. Eine größere Spielfläche als das absolute Minimum von 2 x 1,5 Metern könnte hier zumindest das Unvermeidliche eine Weile herauszögern.

Das ist jetzt nicht wirklich die Schuld des Spiels, sondern eine Limitierung der Hardware. Nichtsdestotrotz spreche ich eine Warnung für tollpatschige Menschen aus: Wer schon ohne VR-Brille über seine eigenen Füße stolpert, sollte um Holopoint wahrscheinlich einen Bogen machen.

Fazit
Holopoint macht verdammt viel Spaß und überrascht in seinen 25 Wellen immer wieder mit neuen Herausforderungen und Gegnern. Die Steuerung, die Effekte, der Sound, das ständige Umzingeltsein - alles trägt dazu bei, dass ich mich nach diesem Workout wie ein ultimativer Ninja fühle, der selbst Legolas ein Auge ausschießen könnte. Es ist außerdem das anstrengendste VR-Spiel, das mir bisher untergekommen ist. Aber für diese Erfahrung habe ich wirklich gerne geschwitzt.

Holopoint wurde auf dem PC (Windows 10 64-Bit, 16 GByte RAM, Intel Core i5-4690, Nvidia GeForce GTX 970) mit HTC Vive getestet. Für den Test hat sich der Redakteur das Spiel selbst gekauft.

Holopoint

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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18. April 2024 um 08:38 Uhr
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RELEASE
05. April 2015
PLATTFORM
HTC Vive
Plattform
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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