Atelier Sophie im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 22. Juni 2016

Atelier Sophie im Test

Süppchen kochen mit dem mysteriösen Buch

Meine erste Erfahrung mit der Atelier-Reihe, einer JRPG-Serie die immerhin schon mehr als 30 Spiele auf dem Buckel hat, hatte einen sehr großen Frustmoment. Es geschah bei Atelier Totori Plus für die PS Vita, dass ich mich verspeicherte. Denn in diesem Spiel hat man ein Zeitlimit, das unbedingt beachtet werden muss. Erfüllt man nicht alle Vorgaben innerhalb des Limits, heißt es Game Over. Und man kann eben durchaus so speichern, dass man die Vorgaben unmöglich noch erfüllen kann, was nach gut zehn Stunden Spielzeit durchaus frustriert. Atelier Sophie hingegen verzichtet auf das Zeitlimit und das ist auch gut so. Denn so könnt ihr euch voll und ganz auf eines der Kernelemente des Spiels konzentrieren: die Alchemie.

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Die namensgebende Heldin Sophie ist dabei so eine Art Alchemie-Azubi. Ihre verstorbene Großmutter war eine großartige Vertreterin dieser Zunft, Sophie ist aber etwas tollpatschig und unsicher, ob sie in diese Fußstapfen treten kann. Denn ihre Versuche in der Kunst gehen oft schief und da Alchemisten durchaus selten sind, kann ihr niemand helfen. Eines Tages findet sie in den Sachen ihrer Oma aber ein mysteriöses Buch, in das sie ein Alchemie-Rezept notiert – und damit das Buch zum Leben erweckt. Dieses beherbergt die Seele der Alchemistin Plachta, welche aber ihre Erinnerungen verloren hat. Der einzige Weg ihre Amnesie zu bekämpfen? Indem Sophie mehr und mehr Rezepte in ihr notiert. Fortan begleitet ihr also die junge Alchemistin auf ihrem Weg, die Alchemie besser zu erlernen, um Plachta zu helfen.

Wobei Alchemie in der Atelier-Reihe ziemlich wenig mit unserer alteuropäischen Vorstellung zu hat. In Atelier läuft das eher so ab: Ihr nehmt Rohstoffe wie Tierfell, Schnur und einen Kristall, schmeißt alles in einen großen Hexenkessel und köchelt das Ganze ein bisschen, bis ein Rucksack dabei herauskommt. Das privat nachzuahmen würde ich jetzt weniger empfehlen, aber zumindest im Spiel erfüllt es voll und ganz seinen Zweck. So produziert ihr Heilitems, Ausrüstungsgegenstände, Bomben oder verfeinerte Rohstoffe, die von anderen Händlern weiterverarbeitet werden können, zum Beispiel um Waffen oder Rüstungen zu machen.

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Entsprechend verbringt ihr viel Zeit im Crafting-Minispiel, das mir viel Spaß gemacht hat. Habt ihr eure Materialien ausgewählt, gilt es diese richtig im Kessel zu platzieren. Je nachdem, wie ihr euer Zeug in einem viereckigen Gitter platziert, steigt die Qualität eures Gegenstandes oder ihr könnt neue, besondere Effekte freischalten. Tee beispielsweise ist standardmäßig kalt. Wir ersparen uns jetzt mal die Frage, wie Sophie es denn schafft, in einem Kessel kalten Tee zu kochen. Auf jeden Fall ist "kalt" kein guter Effekt für Tee! Wenn ihr diesen trinkt wegen seiner Heileffekte müsst ihr nämlich auch damit klarkommen, dass eure Geschwindigkeit dezent verlangsamt wird. Wer aber geschickt im Kessel platziert und damit richtig, richtig guten Tee kocht, erfreut sich am Effekt "warm", welcher die Geschwindigkeit stark erhöht.

Dadurch, dass die Materialien unterschiedliche Qualitätsstufen und Größen haben können – ganz zu schweigen von Eigenschaften, die sie an den gecrafteten Gegenstand weitervererben –, gibt es hier natürlich viel Bastelpotenzial. Wer gerne herumprobiert, könnte schnell auch mal eine halbe Stunde oder länger mit dem großen Holzlöffel vor dem Hexenkessel stehen, um möglichst gute Items zu zaubern.

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Doch um überhaupt genug Materialien zu haben, die ihr weiterverarbeiten könnt, müsst ihr diese erst mal in der Außenwelt sammeln. Über eine Weltkarte könnt ihr Gebiete auswählen. Dabei handelt es sich meist um überschaubare Areale, auch wenn die Reise gelegentlich in etwas umfangreichere Dungeons geht, die ihr dann abklappert. Entweder indem ihr an Sammelpunkten ordentlich Ressourcen einsackt oder indem ihr die offen sichtbaren Gegner berührt. In letzterem Fall wechselt der Bildschirm und es geht rundenbasiert zur Sache nach üblicher JRPG-Formel.

Das vielleicht spannendste Element im Kampfsystem sind die Stances, die Stellungen. Eure Figuren können entweder offensiv oder defensiv stehen, was ihr jede Runde neu entscheiden dürft. Die Stance bestimmt dann, wie sich eure Charaktere gegenseitig unterstützen. Defensiv stehende Figuren schützen sich zum Beispiel, während es im offensiven Fall Bonusattacken hagelt.

Gerade wenn ihr euch gegen etwas knackigere Feinde traut, die euch insbesondere bei größeren Expeditionen begegnen, ist ein geschicktes Wechseln zwischen den Stellungen kriegsentscheidend. In der defensiven Stellung buffen oder besonders fiese Attacken aushalten, dann in der Offensive mal ordentlich zuhauen. Wer diesen Gameplaykniff meistert, wird schnell große Erfolgserlebnisse verspüren, weil man so auch höherstufige Feinde gepflegt plätten kann. Einsteiger können sich aber natürlich auch gemütlich hochleveln. Wobei Atelier Sophie sowieso sehr gnädig ist, wenn ihr im Kampf fallt: es geht zurück zum Atelier und ein paar der bis dato gesammelten Items gehen verloren. Ein Game Over oder eine echte Strafe gibt es nicht.

Neben der Alchemie sowie dem Explorations- und Kampfaspekt hat Atelier aber auch eine soziale Komponente zu bieten. Denn Sophie kann mit den Bewohnern von Kirchen Bell Freundschaft schließen, die sich ihr dann anschließen, Aufträge für sie haben oder einfach in unterhaltsamen Zwischensequenzen ein bisschen plauschen. Wirklich dramatisch wird es nie, aber die Dialoge sind kurzweilig und die Figuren sympathisch.

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Die Story hält sich insgesamt bedeckt. Es plätschert eher als dass es fließt. Lange Zeit ist die einzige narrative Motivation Sophies Wunsch, Plachta zu helfen. Und wenn das Spiel zum Ende hin auch einen richtigen Antagonisten gewinnt, ist das relativ vorhersehbar.

Ich muss aber auch sagen, dass das nicht unbedingt so negativ ist. Atelier Sophie fühlt sich nicht wie ein Spiel an, welches unbedingt einen epischen Rahmen oder einen bitterbösen Antagonisten braucht. Denn das Spiel motiviert euch auch abseits der Geschichte dadurch, dass ihr immer wieder neue Crafting-Rezepte freischalten könnt. Meistens kriegt ihr einen subtilen Hinweis, zum Beispiel den Verweis auf eine Eigenschaft, und müsst dann ein bekanntes Item mit eben dieser produzieren, um ein neues Rezept freizugeben. Und das wiederum erlaubt euch, einen neuen Gegenstand herzustellen. Natürlich will man irgendwann alle Gegenstände herstellen können und diese kleine Schnitzeljagd motiviert ungemein!

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Atelier Sophie ist eines dieser absoluten Wohlfühl-Spiele. Fernab von überwältigender Bedeutungsschwangerschaft, die das Genre so prägt, ist das hier ein Titel, den man spielt, um einfach mal von allem Ernst und allen Sorgen abzuschalten. Die Himmel sind blau, die Figuren lustig, die Gegner so niedlich, dass man sie eigentlich gar nicht hauen will. Wenn man im dicken Alchemie-Kessel neue Gegenstände "braut", dann hat das schon fast was Meditatives. Die Atelier-Reihe bietet eine Spielerfahrung, die so unter JRPGs ziemlich einzigartig ist, weswegen das Spiel in jedes gut sortiere Regal eines Genre-Fans gehört. Auch Helden, die dauernd die Welt retten, brauchen mal eine Pause. Atelier Sophie ist das Spiel, was sie dabei spielen. Haris

Atelier Sophie wurde auf der Playstation Vita getestet. Ein Testmuster wurde uns von Koch Media zur Verfügung gestellt.

Atelier Sophie: The Alchemist of the Mysterious Book

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
10. Juni 2016
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Playstation 4
Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
PS Vita
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