Dein Spiel ist nicht mein Spiel

(Artikel)
Rian Voß, 12. Mai 2016

Dein Spiel ist nicht mein Spiel

PC- und Konsolenspieler sind einfach unterschiedlich

Multiplattform ist für viele Entwickler der Weg der Wahl, wenn es darum geht, Geld zu machen. Die ähnliche Technik in PS4 und Xbox One machen eine Umsetzung für die beiden erbitterten Feinde so einfach wie nie. Die weitverbreitete Indie-Engine Unity fühlt sich ohnehin auf jeder Hardware zu Hause, Crossplay-Spiele (etwa Rocket League) werden sehnlichst erwartet und spätestens mit Windows 10 und den aufkeimenden UWP-Apps signalisiert der PC-Spiele-Riese Microsoft, dass er so eine Entwicklung nicht nur billigt, sondern aktiv unterstützt. Einigkeit zieht in die Spieleindustrie ein. Allerdings keine Einheitlichkeit. Denn jede Spielergemeinde, sei es auf Xbox One, PS4 oder PC, entwickelt sich wie in einer separaten Petri-Schale ganz anders als die anderen. Dass man auf den zusammenwachsenden Plattformen mit dem gleichen Spiel ganz unterschiedliche Erfahrungen haben kann, zeigt etwa Dark Souls 3.

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Die Souls-Serie kann schon seit längerer Zeit von sich behaupten, eine der wohl intensivsten und originellsten Multiplayer-Erfahrungen der Spielelandschaft zu bieten. Im Action-Adventure kann man auf sehr unterschiedliche Weise mit seinen Mitspielern agieren. Man kann ihnen Nachrichten hinterlassen, um sie auf Schätze hinzuweisen oder vor Gefahren zu warnen. Man kann sein Symbol am Boden hinterlassen, um sich von einem Mitspieler zur Kooperation oder für Duelle beschwören zu lassen. Wer dagegen eher den Assassinen spielen möchte, kann auch ungefragt in die Welten anderer Spieler einfallen, sofern sich diese ein bestimmtes Verbrauchsitem einverleiben und es somit "erlauben".

Hinzu kommen verschiedene Bündnisse, die das Gefüge etwas aufmischen. Blaue Phantome schützen etwa vor roten Eindringlingen, violette Phantome bekommen dagegen Belohnungen, wenn sie einen Host-Spieler oder eine bestimmte Anzahl beliebiger Phantome töten. Viele Spieler nutzen die Koop- und Versus-Mechaniken, um wertvolle Bündnis-Items zu grinden, aber viele andere machen einfach nur aus Spaß mit - vor allem, weil stets unerwartete Dinge passieren.

darksouls3-stats-screenViele Stats, an denen man drehen kann.

Ihr seht: Der Multiplayer von Dark Souls 3 ist ein diffuser Blob. Nicht nur hat der Multiplayer keine klare Richtung oder macht deutlich, welcher Spieler jetzt wann was vor hat und was seine Ziele sind - es kommt hinzu, dass es dutzende Figurenstatistiken gibt und man tausende Ausrüstungskombinationen ausprobieren kann. Niemand weiß, was passieren wird, wenn ein Phantom zu Besuch kommt und kein Spiel ist wie das nächste.

Aber es gibt Tendenzen, wie sich Spieler verhalten. Und die sind nicht auf jeder Plattform gleich.

Eine Frage der Ehre
An Dark Souls 3 lässt sich ein Unterschied zwischen Konsolen- und PC-Spielern vielleicht besser als in vielen anderen Spielen messen, denn in dieser Serie hat sich etwas entwickelt, was vielen anderen Multiplayer-Spielen fehlt: eine Etikette. Dark Souls 3 unterstützt weder Voice- noch Textchat. Da im Spiel nur Figuren- und keine Spielernamen angezeigt werden, kann man nicht mal die Konsolenfeatures benutzen, um sein Gegenüber anzuschreiben. Wer sich untereinander verständigen möchte, muss auf eine Vielzahl von Gesten (zeigen, jubeln, verzweifelt zusammenbrechen, ausruhen, herbeirufen...) und einige wenige Kommunikationsitems zurückgreifen. So entwickelte sich eine Art sonderbare Proto-Sprache, die allerdings jeder schnell verstehen kann.

Meine Erfahrung mit Dark Souls 3 beruht vollständig auf der PC-Version. Man spielt ja eher selten auf mehreren Plattformen und schon gar nicht so einen Zeitfresser wie Dark Souls. Wenn ich am PC nun anderen Spielern, und vor allem feindlichen Spielern, begegnete, dann lief das meist sehr geziemt ab. Beschwöre ich ein Phantom in meine Welt, dann verbeugt man sich, bevor man die Waffen kreuzt. Man rennt als Invasor nicht feige davon und sucht Schutz in Gegnermengen. Und auch wenn die Lebensenergie fast aufgebraucht ist, greift man nicht zum Heil-Item, sondern nimmt die Niederlage wie ein Mann und zögert das Matchende nicht künstlich heraus.

Die vertonte PVP-Footage von Jim Sterling zeigt den Umgangston im PS4-Universum.

Sogar Invasoren, die sich in eine andere Welt hineinschummeln und dadurch eigentlich eher die Rolle des heimtückischen Meuchelmörders einnehmen, haben so etwas wie einen Ehrenkodex. Mehr als einmal konnte ich beobachten, wie sich einzelne solcher Phantome aus einem Duell raushielten, damit der Host eine faire Chance hat, die Invasion zu überleben. Manche grüßen auch oder geben dem Host die Zeit, die KI-gesteuerten Feinde loszuwerden und die "Arena" frei zu räumen, bevor es los geht. Allerdings wird in diesen Kämpfen häufiger mal geheilt - schließlich sind Invasoren meist etwas eifriger hinter den Bündnisgegenständen her.

Nun kenne ich einige Leute, die die PS4-Version spielen. Und da scheint der Ton doch etwas ruppiger als ritterlich zu sein. Hier wird unverblümt in den Rücken gestochen, Estus geschluckt, bis die Flasche leer ist, und eine Überzahl wird immer ausgenutzt. Ich sage an dieser Stelle überhaupt nicht, dass das schlecht ist! Es ist einfach eine andere Kultur, die sich entwickelt hat, und ist nicht weniger falsch oder richtig als der freundliche Umgang am PC. Warum diese andere Entwicklung stattgefunden hat, kann ich nur spekulieren. Konsolenspieler sollten in der Regel jünger und, so meine Vermutung, aggressiver als ihre PC-Pendants sein, die öfter berufstätig sind und genügend Geld haben, um sich die wesentlich teurere Spiele-Plattform leisten zu können. Das könnte immerhin ein Grund sein, warum sich diese Kultur initial der "Das Leben ist hart"-Richtung zugewandt hat und seitdem nicht vom Kurs abgebrochen ist.

poopAuch eine Art sich zu begrüßen.

Nukleare Abschreckung
Die Etiketten-Unterschiede zeigen sich am stärksten in zwei Waffentypen, die sich von untrainierten Spielern leicht ausnutzen lassen, um anderen Spielern das Leben zur Hölle zu machen: Rapiere und Großschilde. Rapiere, ganz besonders das Estoc, sind momentan als enorm aggressive Waffen bekannt, mit denen man pausenlos, sehr genau und mit großem Sicherheitsabstand auf Gegner einstechen kann. Da, wie in den letzten Wochen bekannt wurde, die Poise-Statistik und damit der essentielle Faktor schwerer Rüstungen derzeit einfach abgeschaltet ist und niemand so recht weiß, ob das im Sinne des Erfinders sein soll, können nur gut trainierte Spieler gegen ein Estoc-Gespamme ankommen.

ds3assassin-1458008645905_largeEstoc Bestoc.

Ähnlich schwierig zu bekämpfen ist ein Greatshield. Diese Schilde zeichnet eine hohe Stability aus. Das bedeutet: Angriffe gegen das Schild ziehen nur wenig von der Ausdauerleiste ab und ein Durchbrechen des Schilds wird dadurch unwahrscheinlicher. Da es seit Dark Souls 2 nicht mehr möglich ist, sich durch schnelles Gerolle in den Rücken eines blockenden Gegners zu mogeln und ihm so einen kritischen Treffer zu verpassen, muss man auf schildbrechende Spezialmanöver zurückgreifen. In Dark Souls und Dark Souls 2 waren dies der Tritt und der Slap - essentiell dieselbe Aktion mit anderen Animationen, die sofort die Schildabwehr eines Feindes durchbrach. In Dark Souls 3 richtet der Tritt nur noch eine festgelegte Menge Schaden an und ist gegen Feinde mit einem Großschild und viel Stamina fast nutzlos.

Ein nahezu unmöglich zu besiegender PVP-Build - nur mit einem Greatshield.

In meiner Erfahrung und vielen Versus-Matches musste ich feststellen, dass kaum ein Gegner in der PC-Version "billige" Großschild- und Rapiertaktiken benutzt. Es ist quasi zu einem Tabu geworden. Viele Spieler scheinen sich stillschweigend einig geworden zu sein, dass diese Ausrüstungsgegenstände unausbalanciert sind und die herausfordernden Kämpfe, die sich jeder zu wünschen scheint, kaputt machen.

Die Erfahrungsberichte einiger Bekannter und Freunde, die die PS4-Version spielen, zeichnen da ein anderes Bild. Sie meiden die Versus-Komponente des Spiels derzeit wie die Pest. Der Grund: Es laufen zu viele Leute mit Estoc und Großschild GLEICHZEITIG herum. Nicht nur sind die Spieler auf Konsole anscheinend rauer drauf, sondern sie nehmen wohl jede Möglichkeit wahr, um über ihre Feinde zu triumphieren, denn fuck you, this is Dark Souls! Deal with it!

Damit will ich nicht sagen, dass die PC-Version ohne Probleme ist. Ich hatte bisher anscheinend das große Glück, keinem Cheater begegnet zu sein. Für solches Gesocks ist der PC typischerweise anfälliger als die Konsolen. Die schlimmsten unter den Cheatern erschummeln sich nicht nur unfaire Vorteile, sondern sie nutzen auch Fromsoftwares radikale Bannpolitik aus, um das Spiel für andere Spieler nachhaltig zu ruinieren. So habe ich schon davon gehört, dass einige Spieler von der Online-Komponente gebannt wurden, weil sie unwissentlich gehackte Items angenommen haben oder einfach nur im selben Spiel waren wie ein Cheater. Es soll auch Cheat-Waffen geben, die dem Getroffenen Seelen schenken. Das klingt erst mal nett, wird aber vom Anti-Cheat-Algorithmen auch als Verstoß gewertet. Während man also an der Konsole davor Angst haben muss, gegen unehrenhafte Dolchtreiber kämpfen zu müssen, muss man in der PC-Version um seinen echten Account fürchten.

Aber auch wenn Fromsoftware entgegen aller Annahmen das Spiel in den nächsten Wochen deftig patcht, die Balance ausgleicht, den Poise-Wert einschaltet und die Cheater-Politik erneuert, so ist doch eines klar: nur weil ihr das gleiche Spiel spielt, heißt das noch lange nicht, dass ihr das gleiche Spiel spielt. Besonders in komplexen Multiplayer-Spielen, in denen kein klares Ziel vorgegeben ist, können sich Konsolen- und PC-Communities ganz unterschiedlich entwickeln. Und das ist prinzipiell etwas sehr Schönes, denn es zelebriert unsere Individualität und kulturelle Unterschiede und zeigt, dass Videospiele nicht nur Unterhaltung sind - sie spiegeln nämlich die Mentalität ihrer Spieler wider, halten sie fest und zementieren sie in einem Mikrokosmos.

Die Meinung in Beiträgen mit dem Tag "Jetzt spreche ICH!" muss nicht unbedingt der des ganzen DPads entsprechen. Kann! Muss aber nicht.

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12. April 2016
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PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
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