Trillion: God of Destruction im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 30. März 2016

Trillion: God of Destruction im Test

Mehr HP hat keiner

Eine. Trillion. HP. Es fällt schwer, nicht zu schlucken bei dem Gedanken an diese Zahl, die wohl mehr Energie darstellt, als ich in knapp 20 Jahren JRPG-Fanboy-Karriere insgesamt dezimiert habe. Als ich also zum Spielstart gleich vor meinem Duell mit dem namensgebenden Gott der Zerstörung stand, zähle ich direkt die Nullen nach. Und stelle fest: der hat ja gar keine Trillion HP! Statt 18 Nullen sind da nämlich nur 12, also gerade mal eine läppische Billion HP. Das kommt von der deutschen Extrawurst, die uns nach der Million von den anderen Zahlensystemen abweichen lässt. Umsonst Angst gehabt – ich steuere immerhin Zeabolos, den Great Overlord der Unterwelt, den dicksten Obermacker hier unten. Sollte doch ein Kinderspiel sein, die Unterwelt vor dem ach so bösen Vielfraß zu beschützen!

Zeabolos-Trillion-Vita

Wenige Minuten später hat ihn Trillion zerfetzt und in seinen letzten Atemzügen bietet ihm ein nettes Mädchen namens Faust an, sein Leben zu retten. Gegenleistung? Nur seine Seele, einlösbar nachdem Trillion vernichtet wurde. Halt ganz so, wie man es von Goethe damals in der 9. Klasse gelernt hat. Quasi. Doof nur, dass Zeabolos in wiederbelebter Form eine ziemliche Lusche ist und gar nicht mehr kämpfen kann. Aber auch dafür gibt es zum Glück eine Lösung: ein Ring, der seine Macht enthält und den er an seine Untertanen weitergeben kann.

Ihr wählt also aus, wer Zeabolos Schützling sein soll. Dabei habt ihr die Auswahl aus mehreren weiblichen Figuren, die allesamt irgendwie mit dem Great Overlord in Beziehung stehen. Kindheitsfreundin oder große Schwester zeigen, dass man auch in der Unterwelt strengstens darauf bedacht ist, sämtliche Boxen auf der Otaku-Checkliste anzukreuzen. Dass sich die Figuren dann natürlich auch auf den ersten Blick in übliche Archetypen wie Tsundere und Co. einordnen lassen, versteht sich von selbst, ist aber zu entschuldigen, da diese auch grob auf die Sünden passen, die jede Figur repräsentieren soll. Fegor, Zeabolos große Schwester zum Beispiel, soll den Dämonen Belphegor darstellen und damit die Todsünde der Faulheit, und präsentiert sich in typischer Anime-Manier als dauermüder Faulpelz mit Hang zu wahnwitzigen Schlafwandelaktionen. Doch hinter dieser Mischung aus biblischen Anspielungen und fernöstlicher Popkultur lauern weit komplexere Persönlichkeiten.

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Der Charakter, der mich aber vielleicht am meisten beeindruckt hat, ist Zeabolos selbst. Ein Protagonist in einem Spiel, das ins Harem-Setting fällt (also mit Hauptfigur des einen Geschlechtes, während fast alle anderen Hauptfiguren dem anderen Geschlecht angehören), hat typischerweise die Persönlichkeitstiefe einer schlammigen Pfütze. Das hat durchaus einen tieferen Sinn, da der Spieler so gut seine Gedanken und Gefühle auf die fast leere Charakterhülle projizieren kann. Gut, wenn man voll auf Self-Inserts steht; schlecht, wenn man sich einen Protagonisten mit Substanz wünscht.

Darum bin ich froh, dass Trillion aus diesem Schema ausbricht und Zeabolos eine vollständige Figur ist. Er tritt zwar in manches Klischee-Fettnäpfchen, da er – natürlich – niemals direkt merkt, wenn jemand romantisches Interesse an ihm zeigt. Aber in anderen Momenten kann er richtig zu Höchstform auflaufen, wenn er beispielsweise den liebevollen Onkel für seine nach Süßigkeiten verfressene Nichte Perpell spielt. Und gerade mit dem Spielverlauf wächst Zeabolos immer weiter als Charakter durch den inneren Konflikt, der ihn die ganze Zeit beherrscht. Er leidet merklich unter der Verantwortung, die er als Herrscher über die Unterwelt hat. Aber ihm bleibt keine andere Wahl, als die Personen, die ihm am nächsten stehen, in den Kampf zu schicken und die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen.

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Habt ihr schließlich euren Schützling gewählt, fängt das Spiel so richtig an. Die Damen sind zwar allesamt schon sehr mächtig, aber sehr mächtig haut keine Billion HP platt. Training ist angesagt und hier präsentiert sich das Spiel schnell als bunter Genre-Mix. Nach jedem Angriff auf die Unterwelt, muss Trillion nämlich erst mal Nickerchen halten, was euch wertvolle Zeit verschafft. Diese nutzt ihr, indem ihr jeden Tag, bis der Obermotz erwacht, mit unterschiedlichen Aktivitäten füllt. Darunter Training, das Erforschen von Dungeons oder Plaudereien.

Das ultimative Ziel ist es dabei, einerseits so stark zu werden, dass euer Schützling Trillion ordentlich auf die Nase geben kann, und andererseits Freundschaften zu knüpfen, weil tiefe Freundschaftsbünde sich mit einer zusätzlichen Energieleiste im Kampf mit Trillion niederschlagen. Das erinnert vom Aufbau an klassische Aufzuchtsims aus Japan wie Princess Maker, die insbesondere in den 90ern relativ populär waren, bietet aber aus Genre-Sicht nur den gröbsten Rahmen. Ansonsten erwartet den Spieler auch ein relativ starker Visual-Novel-Fokus durch viele Dialogsequenzen, ein bisschen Roguelike/Dungeon Crawler und natürlich Strategie-RPG!

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Denn kaum ist euer Widersacher erwacht, dürft ihr ihn in SRPG-Manier kloppen, auch wenn das Spiel in einigen Aspekten stark vom Genre abweicht. Ihr zieht zwar über ein grid-basiertes Feld in die Schlacht gegen den Gott der Zerstörung, aber eure Aktionen sind unmittelbar. Nach jeder Aktion, also Schritt, Angriff oder Itemeinsatz, ist euer Feind wieder dran und das eigentlich für SRPG so typische manuelle beenden des Zuges entfällt. Dadurch spielt es sich vergleichsweise dynamisch.

Diese Dynamik beherrscht auch eigentlich den gesamten Kampf. Denn Trillion hat mächtige Attacken auf Lager, die gerne auch mal ein Viertel des Spielfeldes einnehmen. Da diese aber immer mehrere Runden im Voraus angekündigt werden, bleibt das Spiel zugleich herausfordernd und fair. So seid ihr aber forciert, immer in Bewegung zu sein und zu überlegen, wann sich eine Offensive lohnt und wann ihr lieber Zurückhaltung übt, während Trillion unaufhaltsam auf euch zu kommt. Gelegentlich hat es etwas von einem Schachspiel, da ihr mehrere Schritte in die Zukunft denken müsst, um euch nicht in eine Position zu manövrieren, aus der es kein Entkommen gibt. Meistens reichen schon ein paar Treffer aus, manchmal sogar nur einer, um eure HP zu leeren. Darum solltet ihr auch darauf einstellen, dass euch Trillion fast garantiert irgendwann erwischt.

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Denn im Kampf habt ihr zwar die Möglichkeit, auch mal vor Trillion zu fliehen, mit der Konsequenz, dass dieser die Unterwelt etwas zerstört und dann wieder schlafen geht, aber mit jeder Figur ist dieses nur maximal zweimal möglich. Der dritte Kampf gegen Trillion ist immer ein Duell bis auf den Tod und nein, es gibt keine Möglichkeit, das irgendwie zum umgehen oder zu umspringen. Zumindest beim ersten Spielanlauf könnt ihr euch also sicher sein, dass die ein oder andere Figur in eurer Obhut sterben wird. Das Opfer ist aber nicht umsonst – ausgeteilter Schaden bleibt Trillion erhalten.

Auf rein emotionaler Ebene ist Trillion deswegen einfach großartig. Da einem jede Figur im Verlauf der Trainingsperiode dank guter und logischer Charakterentwicklung ans Herz wächst, will man sie eigentlich gar nicht in den fast sicheren Tod schicken und bangt bei jedem Zug im Kampf gegen Trillion mit, wohl wissend, wie fatal ein Fehler sein wird. Ich war dabei insbesondere positiv überrascht, wie selbst anfangs unsympatisch erscheinende Figuren mit der Zeit mein Herz eroberten. Heben wir beispielsweise mal Mammon hervor, die die Todsünde der Gier darstellen soll und nichts lieber tut als Schätze zu jagen. Ihr Ziel ist es, sich nach dem Sieg über Trillion als Belohnung an den Schatzkammern der Unterwelt zu bereichern.

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Eigentlich fand ich Mammon ziemlich langweilig, bis ich ihr in einer Visual-Novel-Sequenz in der Stadt begegnete, wie sie zufällig aus dem Slum kam. Da stellte sich heraus, dass Mammon ein Waisenmädchen ist, das ihre ganze erbeuteten Schätze in bare Münze umwandelt, um so ihr altes Waisenhaus und die armen Leute zu unterstützen. Ihre Gier war reine Selbstlosigkeit. Plötzlich hatte ich verdammt wenig Lust, Mammon in den Kampf mit Trillion zu schicken, aber sowohl Endboss als auch Spiel kennen keine Gnade.

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Schade nur, dass die spielerischen Aspekte nicht ganz überzeugen. Während die Kämpfe mit Trillion die nötige Spannung mitbringen, um das "Auf Leben oder Tod"-Feeling rüberzubringen, ist das Drumherum doch etwas Trist. Der gesamte Aufzieh-Aspekt zum Beispiel ist reine Menüklickerei und seinen Schützling zu trainieren wird irgendwann einfach nur langweilig. Und die Dungeon-Crawler-Elemente – mit genug Erfolg beim Training schaltet ihr Besuche in einem zufallsgenerierten Verlies frei – sind nicht besonders ausgeklügelt. Zwar lohnt sich der Trip in den Dungeon immer dank gutem Loot und zusätzlichem Trainingseffekt, aber das Erforschen an sich ist zum Gähnen. Ein Stockwerk bestehend aus einer Handvoll von Räume mit Schatztruhen und Kanonenfutterfeinden – meilenweit von einem echten roguelike entfernt. Gerade so ab dem letzten Spieldrittel wirken diese Aspekte nur noch wie die Kruste bei der Pizza, vollkommen gehaltslos. Nur kann man eben nicht darauf verzichten, da man ohne nötiges Training von Trillion richtig hart auf die Nase kriegt.

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Trillion: God of Destruction ist eine hoch emotionale Spielerfahrung an der Grenze zur Großartigkeit. Der namensgebende Endboss ist so ein harter Gegner, dass mehrmaliges Scheitern vorprogrammiert ist, was wiederum bedeutet, dass ihr euch auf große Verluste einstellen könnt. Als ich mir zum ersten Mal an Trillion die Zähne ausbiss, war ich nicht wirklich darauf gefasst, was mich erwarten würde, und doch prägte es mich für den Rest des Spiels. Plötzlich war da eine Furcht durch das Wissen, dass ich nicht allmächtig war. Das ist insbesondere dadurch brisant, dass sowohl Zeabolos als auch seine Untertanen sehr gut charakterisiert und geschrieben sind, wodurch es nicht schwer ist, eine Beziehung zu diesen Figuren aufzubauen. Darum ist es durchaus schade, dass das Spiel gerade im späteren Verlauf etwas zu sehr in monotone Routine verfällt. Die Kämpfe und Visual-Novel-Passagen fesseln bis zum Schluss, aber es wäre wünschenswert gewesen, wenn auch die anderen Elemente, die den Genremix des Spiels ausmachen – Dungeon Crawling und Aufzuchts-Simulation -- etwas tiefergehender gewesen wären.

Auch wenn Trillion im Endeffekt ganz knapp am Ziel vorbeischießt, bleibt es eine unheimlich befriedigende Erfahrung und gleichzeitig beeindruckender Beweis dafür, dass die Kombo aus Compile Heart und Idea Factory weit mehr kann als nur Neptunia und Neptunia-eskes zu produzieren. Das Spiel könnte ganz gut der Kauftipp für die Vita dieses Frühjahr sein.Haris

Trillion: God of Destruction wurde auf der Playstation Vita getestet. Ein Testmuster wurde uns von idea Factory International zur Verfügung gestellt.

Trillion: God of Destruction

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
01. April 2016
PLATTFORM
PS Vita
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