Tom Clancy's The Division im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 29. März 2016

Tom Clancy's The Division im Test

Shoot and Loot in New York

Meine letzten Wochen wurden von Tom Clancy's The Division völlig aufgefressen. Der ambitionierte RPG-Shooter setzt auf ein realistisches Setting und kreuzt für sein Gunplay Gears of War mit Ghost Recon. Mit einer Shared World nach Destiny-Art ist man ständig unter Freunden - oder Fremden. Ob sich die Reise ins apokalyptische New York lohnt, lest ihr hier.

Das Setting ist nicht weit hergeholt: Ein Terror-Anschlag in Amerika bringt einen tödlichen Virus in Umlauf - binnen weniger Tage sind die Infrastrukturen vollständig lahmgelegt. Für solche Notstände trainierte Spezialeinheiten werden aktiviert, um gegen die ausbrechende Anarchie vorzugehen. Als Teil dieser Division sollen Spieler in New York wieder für Recht und Ordnung sorgen.

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The Division, der Shooter
The Division ist ein Genre-Mix, der sich mit Borderlands und noch besser mit Destiny vergleichen lässt. Das Gunplay folgt der Form eines Deckungsshooter, in dem es (anders als bei Borderlands und Destiny) wenig Bewegung gibt. Unterschiedlichen Waffen, Gadgets und Skills geben Feuergefechten in The Division eine taktische Komponente, auch wenn es leider keine gut konstruierten Bosskämpfe gibt. Starke Gegner zeichnen sich dagegen als Kugelschwamm aus, der keine andere Taktik erfordert als andere Gegner. Deckung ist stets das Wichtigste und mit mehreren Spielern macht es Sinn, seine Gegner zu flankieren.

In Teams kann man sich absprechen, wer welche Skills einbringt, da man jederzeit frei wechseln darf. Unter den Skills sind vor allem die Bereiche Technik (Minen, Geschütze) und Medizin (Heilung) nützlich. Fähigkeiten aus dem Bereich Sicherheit (Schilde, mobile Deckung) sieht man eher selten. Das scheint mir auch eine kleine Ohrfeige für das Balancing zu sein, da diese Skills offenbar weniger nützlich sind oder zumindest so empfunden werden. Da hat man eher zwei Heiler im Team als einen mit Schild. Ein großes Plus ist aber, dass es in The Division wirklich Spaß macht, Supporter zu spielen. Wenn man in brenzligen Situationen noch mal jemanden wiederbeleben kann, leistet man einen wichtigen Beitrag und spürt das auch. Kills geben Erfahrungspunkte für alle Spieler in einer Party, selbst wenn sie nicht direkt beteiligt sind - so steht das Teamwork im Vordergrund, anstatt der Leistung des Einzelnen.

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Die höheren Schwierigkeitsgrade für die Hauptmissionen machen das Spiel dann richtig spannend. Gegner halten nicht nur mehr aus, sondern scheinen auch aggressiver zu werden, sodass man die Deckung auch mal verlassen muss, wenn man neue Freunde mit Shotguns vor der Nase hat. Wagt man sich allein von der Gruppe fort, ist das ein verdientes Todesurteil. Nur Teamwork und gute Absprachen führen in den schwierigen Kämpfen noch zum Ziel. Schafft man eine Mission auf den hoher Schwierigkeit, ist das schon für sich belohnend, aber obendrauf gibt es natürlich noch gutes Loot.

Etwas deplatziert wirken die lebensmüden Nahkämpfer, die mit Äxten und Knüppeln auf Spieler zulaufen und mächtigen Schaden auspacken. Ich verstehe, warum es diesen Gegnertyp gibt, aber ich finde ihn maßlos übertrieben und nervig. Den Spieler mit überkrassen Nahkämpfern zu ärgern wirkt faul und billig. Das ist umso ärgerlicher, da The Division nur wenige Gegnertypen kennt – da hätte ich bei den vorhandenen etwas mehr Kreativität erwartet. So ist das Gunplay insgesamt zwar nicht übel, aber auch keine Offenbarung.

The Division, das (MMO)RPG
Man kann The Division allein spielen, doch es lädt an jeder Stelle dazu ein, Teams zu bilden. Die Safe Houses im Spiel sind so genannte Social Areas, in denen man auf andere Spieler trifft, die ein ähnliches Level haben. Hier kann man Leute direkt ansprechen oder ein Matchmaking für bestimmte Missionen starten. Das funktioniert ziemlich gut und kann auch mit einem kurzen Knopfdruck erledigt werden, indem man den Wegpunkt für eine Mission setzt. Findet das Spiel andere Spieler, die dieselbe Mission spielen wollen, kann man sich direkt zum Sammelpunkt vor der Mission teleportieren, was Laufwege deutlich abkürzt, wenn man beispielsweise eine Daily Mission im Endgame spielen möchte.

Bewegt man sich zu Fuß durch New York, rennt man häufig in Zufallskämpfe hinein oder landet versehentlich bei einer Nebenmission. Die verschiedenen Missionstypen sind am Anfang nützlich, um Erfahrungspunkte und Geld zu verdienen, werden aber unheimlich schnell langweilig. Stolpert man zufällig hinein, ist das doppelt nervig. Letztendlich läuft es fast immer darauf hinaus, dass man auf irgendwas schießen muss - schwierig ist das aber selten. So verkommen die Nebenaufgaben zum Pflichtprogramm, durch das man sich mühsam arbeitet, um an die Leckerlis (Hauptmissionen) zu kommen, die zwischendurch immer mal wieder eine Levelhürde aufbauen, bis man sich im Endgame auf Daily Missions und die Dark Zone konzentrieren kann.

Die treibende Kraft hinter allem Tun in The Division ist - wie in jedem MMO - die stetige Selbstverbesserung. Erst steigt das Level, dann der Dark Zone Rank, die DPS (Damage per Second) der Waffen und so weiter. Erst hat man schlechte (weiße und grüne) Waffen, dann bessere (blaue) Waffen, schließlich die besten Wummen des Spiels (lila, gold). Im Menü kann man beobachten, wie die Zahlenwerte steigen. Profis können mit dem Equipment, Mods und Skills herumspielen, um sich Builds zu bauen, die besonders viel Schaden verursachen oder unendlich viel aushalten. Doch im Endgame angekommen, fragt man sich bald: wofür eigentlich?

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Leveln und Looten - wofür eigentlich?
Das Endgame bietet viele Möglichkeiten, neues Loot zu sammeln. Das beste Equipment im Spiel gibt es ab Level 30 und mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Dark Zone. Hier trifft man zum ersten Mal im Spiel auf andere Spieler und kann selbst entscheiden, ob man friedlich koexistiert oder in den Angriff übergeht. Loot, das man in der Dark Zone sammelt, muss man nämlich mit sich herum schleppen, bis man es per Helikopter an bestimmten Stellen auf der Karte extrahieren kann. Erst danach darf man es benutzen. Man kann sich also überlegen, ob man das Looten abkürzt, indem man anderen Spielern in den Rücken schießt und ihre Beute aufsammelt.

Dafür gibt es allerdings einen großen Malus: Man wird anderen Spielern auf der Karte angezeigt und darf ohne Strafe von jedem abgeschossen werden. Die Idee hinter der Dark Zone ist also, dass man sich genau überlegen muss, ob man freundlich oder feindselig spielt und bei anderen Spielern erst mal misstrauisch ist. In der Praxis führt das allerdings dazu, dass die meisten Spieler keinen Ärger wollen und ganz ruhig ihr Zeug extrahieren. Es bleibt also dabei, möglichst viel zu looten - aber wo will man das neue Equipment eigentlich einsetzen?

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Obwohl die Dark Zone ein tolles neues Konzept ist, kann sie einen vollwertigen PVP-Modus nicht ganz ersetzen. Wozu all das Equipment, all die Waffen, wenn man sie nicht mal so richtig gegen andere Spieler testen kann? Auf der anderen Seite warten auch keine großen Raids, die man nur mit vereinten Kräften und dem allerbesten Equip meistern kann. Das gibt mir einfach das Gefühl, das all meine Arbeit, mein ganzes Loot mir am Ende nicht viel bringt. Man muss allerdings dazu sagen, dass ich auf hohem Niveau schimpfe, weil man erst Mal 40 Stunden zocken muss, bevor man das erste Mal vor dieser Frage steht. Trotzdem erwartet man von einem MMO natürlich noch größere Ziele, wenn das Level-Cap erreicht ist.

Die Hoffnung der Community liegt momentan im ersten kostenlosen Update für The Division, das einen neuen Missionstyp bringen soll, der vermutlich so etwas wie Raids beinhaltet, also größere Koop-Missionen. Ein weiteres Update im Mai soll zudem das Gameplay in der Dark Zone verändern. Im Sommer und Herbst sollen dann größere DLC-Pakete erscheinen.

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New York war nie eine schönere Pappwand
Entwickler Ubisoft Massive hat mit The Division die wohl detaillierteste virtuelle Version von New York erschaffen, die man bisher in einem Videospiel sehen konnte. Als wäre das nicht genug, ist die Grafik (selbst auf den Konsolen) atemberaubend gut. Die Straßen werden von Überlebenden (und Hunden) bewohnt, ständig kann man Geschäfte, Werbeplakate und andere Details entdecken, die ohne Frage eine große Liebe zum Detail preisgeben. Mit der Einbettung in einen realistischen Hintergrund löste The Division bereits eine Kontroverse in den Medien aus. Für eine fesselnde Erzählung im Spiel hat es leider nicht gereicht.

New York im Ausnahmezustand ist eine sehr elaborierte und häufig schöne Kulisse, doch am Ende des Tages ist es eine Pappwand. Allein die Tatsache, dass Spieler ihre Screenshots von schönen Szenenbildern gern online teilen, zeigt, wie stark die hintergründige Story und das Spielerleben entzweit sind. Nimmt man die Geschehnisse ernst, sollten Gefühle von Angst und Terror das Erlebnis prägen. Eine abgeriegelte Großstadt, in der Menschen entweder an einem Virus sterben oder an den anarchischen Folgen dieses Zustands leiden, ist kein Postkartenmotiv. Das ist scheiße. Wäre die Geschichte keine Kulisse, sondern eine Erzählung mit Gewicht, müssten wir nach einer Session The Division betrübt von Horror und Leid berichten. Wir würden Fotos von Kinderleichen teilen oder Bilder von Menschen, die in Müllcontainern schlafen oder Schnee vom Boden essen, um nicht zu verdursten.

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Es gibt Situationen, in denen es in der Pappwand mächtig knirscht. Wer The Division viel gespielt hat, wird das kennen: Startet man im Murray Hill Safe House, spawnt man hinter einer weinenden Frau. Mit etwas Routine dreht man sich vom Spawnpunkt direkt zum Ausgang, um zu einer nahegelegenen Mission zu laufen. Passt man nicht auf, verfängt man sich in der Frau am Boden. Verdammte Kuh, krieg' den Arsch mal hoch, du liegst im Weg, erwische ich mich in Gedanken. Anderes Problem am gleichen Ort: Geht man ins Menü, um sein Loot zu bestaunen, kann das laute Weinen ziemlich zermürbend sein. Sei endlich still, Frau, ich vergleiche hier meine DPS, denkt man ganz empathielos.

An diesen Stellen wird ganz deutlich, dass das Szenario nur im Hintergrund stattfindet. Eigentlich geht es um taktische Feuergefechte und buntes Loot. Man könnte New York beliebig gegen andere Schauplätze austauschen ohne The Division im Kern kaputt zu machen. Es könnte auf dem Mond mit Nazis spielen oder im Saarland mit... aggressiven Saarländern. Solange man hinter Deckungen buntes Loot aus Gegnern schießt, wäre alles gut.

Wer sich von The Division eine packende Geschichte versprochen hat, wird enttäuscht. Es gelingt der Atmosphäre kaum, sich Raum zu nehmen und den Spieler für sich zu gewinnen. Hinter dem einnehmenden Gameplay geht sie so sehr unter, dass sie bestenfalls störend auffällt - etwa wenn die ewig flennende Frau einem den letzten Nerv raubt. The Division ist kein Spiel für Story-Fans, sondern für Jäger und Sammler, die vor egal welcher Pappwand gern ihr Loot vergleichen.

Fazit: Ambitioniert mit Perspektive
Als RPG-Shooter funktioniert The Division ziemlich gut und kann mit seinen MMO-Elementen lange motivieren. Im Endgame wird der Content leider etwas dünn und lässt auf Updates hoffen, die mehr Abwechslung nach dem Level-Cap versprechen. Das Koop-Gameplay ist mit Fokus auf Teamarbeit sehr belohnend, allerdings fehlt es bisher an großen Raids und echten PVP-Modi, sodass man am Ende das Gefühl hat, nur noch ins Leere zu looten. So ist The Division ein ambitioniertes Spiel mit Perspektive, das noch ein paar Stationen vor sich hat, bevor es wirklich angekommen ist. Bis dahin verspricht das Spiel bereits 40 gute Stunden, auf die andere Shooter neidisch blicken können. Ben

Tom Clancy's The Division wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von Ubisoft zur Verfügung gestellt.

Tom Clancy's The Division

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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29. März 2024 um 11:05 Uhr
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08. März 2016
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PC
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Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
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