Crossplay - Fluch oder Segen?

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 22. März 2016

Crossplay - Fluch oder Segen?

Was es fürs Gaming bedeuten kann

Microsoft hat es verkündet, die Zeit der Trennung ist vorbei. Wer will, der darf seine Spiele mit Crossplay ausstatten. Den Anfang macht Rocket League, welches sogleich Crossplay zwischen Xbox One und PC sowie PS4 ermöglichen soll – sobald einige technische Hürden überwunden sind. Und alles im Sinne der Gamer, denn kaum etwas hat sich die Spielerschaft so sehr gewünscht wie die Möglichkeit plattformübergreifend mit anderen Leuten spielen zu können. Durchaus ein historischer Moment. Aber was bringt uns Crossplay? Ist es wirklich so toll? Und ist es auch fair? Die Gefahr besteht, dass eine Plattform die anderen dominiert.

Die Debatte ist älter als der Wunsch nach Crossplay: Welche Plattform ist die beste und, damit verbunden, welche Steuerung ist die beste? Egal, auf welcher Seite ihr steht, ob Controller oder Maus und Tastatur – ein direkter Vergleich war bisher schwer möglich. Ich vertrete die Meinung, dass es vor allem auf das Genre ankommt. Niemand würde ernsthaft StarCraft auf einem Controller spielen wollen, die N64-Version in allen Ehren. Echtzeitstrategie hat sich auch deswegen nicht so wirklich auf Konsolen durchsetzen können. Jump 'n' Runs hingegen sind eher was für Controller. Crossplay wird es ermöglichen, dass man die verschiedenen Steuergeräte in einem Match zum Einsatz bringen kann.

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Aber da liegt der Hund begraben: Entstehen dadurch Vorteile für eine Plattform? Im Speziellen für den PC ist das interessant, schließlich lassen sich Xbox-One- und PS4-Controller problemlos an jeden modernen PC anschließen und so gut wie jedes geeignete Spiel unterstützt diese Steuerung auch. Den Konsolen bleibt an sich nur noch Kinect für Xbox One, Move bei PS4 (ja, das gibt es noch) und Touchscreen auf der Wii U (vielleicht will Nintendo ja mitmachen). Ansonsten kann der PC frei auf alle konventionellen Controller zugreifen und bietet sogar Maus und Tastatur, die ihrerseits für einige Genres Vorteile bringen.

Paradebeispiel Egoshooter. Maus und Tastatur werden hier vor allem eine höhere Präzision im Vergleich zu Controllern zugesprochen. Da ist durchaus etwas dran, nicht umsonst ist bei vielen Konsolenversionen ein Aim-Assist eingeschaltet. Besonders interessant ist hier Call of Duty. Controllersupport gibt es eigentlich schon seit Modern Warfare in der PC-Version, aber erst mit Ghosts wurde auch der Aim-Assist aktiviert. Wer zum Beispiel in Black Ops 2 noch mit Controller in den Kampf zog, der bekam doch deutlich aufs Maul, während man in Ghosts eindeutig konkurrenzfähig wurde. Vom Steuerungsstandpunkt kann der PC nicht verlieren, er hat alle Optionen offen.

Trotzdem denke ich nicht, dass es spürbare Vor- oder Nachteile für eine Plattform geben wird. Ich behaupte, dass der Vorteil von Maus und Tastatur in diesem Umfeld vernachlässigbar ist. Crossplay wird vor allem die Spieler betreffen, die ihr Schicksal in die Hände des Matchmakings legen. Und da kann man durchaus auch als schlechter PC-Spieler an gute Xbox-Spieler geraten. Bringt der Maus-Tastatur-Vorteil noch etwas, wenn man eh schlecht ist? Des weiteren sollte das den Spaß nicht weiter mindern. Ich habe mit dem Xbox-One-Controller auf dem PC auch schon einmal Matches dominiert. Die Unterschiede würden erst im professionellen Bereich entscheidend sein und ich glaube nicht, dass irgendwer ernsthaft PC- gegen PS4-Clans antreten lassen möchte. Und wenn die Entwickler klug sind, dann geben sie den Spielern die Möglichkeit sich beim Matchmaking auf ihre Plattform zu beschränken. Ob am Ende die PC Spieler alle dominieren, das muss sich auch erst zeigen.

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Ich sehe vor allem Chancen für Spiele, die nicht oder nicht mehr von so vielen Leuten gespielt werden. Titanfall zum Beispiel. Am 22.03. um 21:40 zeigt mir die Xbox One 3581 Spieler und der PC 882 Spieler an. Wingman LTS, Deadly Ground, Marked for Death (Pro) und Pilot Skirmish werden auf dem PC von niemandem gespielt. Auf der Xbox One finden sich immerhin Spieler bei Deadly Ground und Marked for Death. Crossplay wäre hier ein ganz klarer Gewinn für die Community, vor allem auf dem PC. Crossplay würde außerdem verhindern, den Freundeskreis zu einer Plattform zu zwingen. Titanfall ist der Hauptgrund, warum ich damals die Xbox One gekauft habe, denn bei uns im DPad war ich der einzige, der die PC-Version kaufen wollte. Mit Crossplay hätte ich mir die Konsole wohl erst viel später geholt – nicht dass ich den Kauf bereue.

Es ist ja auch nicht so, dass Rocket League der erste Crossplay-Titel wäre. Squares MMO Final Fantasy XI setzte PC- und Xbox-360-Spieler auf dieselben Server, ebenso der Shooter Shadowrun, der ein Jahr später erschien. Auch ist Crossplay innerhalb der Konsolenfamilie schon vorgekommen. World of Tanks für die Xbox One kann man auch mit Xbox-360-Spielern spielen, da sich beide Versionen nur in der Grafik unterscheiden. Wer auf der 360-Version angefangen hat, kann sogar mit allen Fortschritten zur Xbox-One-Version wechseln. Als die PS Vita erschien, nutzen viele Entwickler die mit der PS3 vergleichbare Leistung, um auf beiden Systemen fast identische Versionen zu veröffentlichen. Crossplay wurde auch hier von einigen Titeln unterstützt, unter anderem Playstation All-Stars Battle Royale.

Ich sehe in Crossplay viel Potential für Gutes. Wenn die Entwickler und die Plattformhersteller alles richtig machen. Ein vereinter Spielerpool erhöht die Spielerzahlen, auch auf weniger beachteten Plattformen, und kann so zur Langlebigkeit des Spieles beitragen. Die Option, nur mit Spielern der eigenen Plattform zu spielen, sollte aber erhalten bleiben. Vor allem auf dem PC sollten durch Crossplay keine dedizierten Server wegfallen. Natürlich ist eine gute Kommunikation zwischen den verschiedenen Netzwerken Pflicht. Und Schutz vor Cheatern muss auch erhalten bleiben, da dies doch einfacher auf dem PC zu realisieren ist als auf den Konsolen. Doch wenn alles klappt, wer weiß? Dann wird es irgendwann zur Norm. Der nächste Schritt? Crossbuy zwischen den Plattformen. Dann muss man sich gar nicht mehr entscheiden, welche Version man kaufen soll. Wobei das wohl erst recht Zukunftsmusik ist, wenn überhaupt.

Kommentare

Adrian
23. März 2016 um 08:15 Uhr (#1)
Crossbuy gibt es ja schon bei der PlayStation-Familie, auch wenn die Zeiten von den "guten" Crossbuy-Spielen vorbei ist, da die Vita ja mehr oder minder im Sterben liegt :D
Ich habe aber auch Bedenken, was die Sache angeht, dass Crossplay Vorteile bei wenig gespielten Titeln angeht. Denn ich glaube, sobald ein bestimmter Punkt erreicht wird, kann die zusätzliche Spaltung in Crossplay-Server und getrennte Server noch mehr das Gefühl vermitteln, dass niemand mehr das Spiel spielt. Die Spieler werden dadurch nämlich noch mehr auf verschiedene Server verteilt - und wenn es keine Spieleranzeigen gibt, kann der Frust über leere (bzw. nicht volle Server) dadurch noch gesteigert werden.
Rian
24. März 2016 um 13:42 Uhr (#2)
Ich denke, dass hier die Chance wirklich bei allen gamepadzentrischen Spielen liegt. Rocket League ist ein perfekter Kandidat, ebenso andere Fußballspiele oder auch Twin-Stick-Shooter.

Was mir allerding noch als Problem einfallen würde, wäre ein Grafikvorteil auf dem PC. Dabei meine ich nicht, dass Spiele da potenziell besser aussehen, sondern genau andersrum. So hat man etwa bei Day-Z oder anderen Shootern/Spielen, die auf Aufmerksamkeit und Reaktion aufbauen, extreme Vorteile, wenn man "störende" Details wie Gras einfach abschaltet. Der Gegner hockt bei sich im Dickicht und denkt, er wäre kaum zu sehen, aber bei seinem Gegenspieler mit niedrigen Grafikdetails existiert der Busch einfach nicht. Als PC-Spieler kann man gegensteuern, indem man ebenfalls die Details runterschraubt - an der Konsole ist das nicht der Fall.
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