Far Cry Primal im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 22. Februar 2016

Far Cry Primal im Test

Steinzeit-Action à la Far Cry

Far Cry: Blood Dragon hat unlängst gezeigt, dass die Reihe auch mal unkonventionelle Wege geht. Nach einem sicher gespielten Far Cry 4 möchte Ubisoft wieder mit einer neuen Idee punkten: Far Cry Primal spielt in der Steinzeit. Das heißt Speere statt Uzi, Mammuts statt Elefanten und indogermanische Ursprache statt Englisch. Wie sich das Ganze spielt, erfahrt ihr in diesem Test.

Das Setting Steinzeit wurde im Vorfeld kontrovers diskutiert. Einerseits bringt es frischen Wind in die Reihe, die sich zwischen den letzten beiden Hauptteilen kaum bewegt hat. Andererseits ist da jede Menge Skepsis, ob sich das bewährte Gameplay in ein Setting ohne Feuerwaffen und Fahrzeuge gut übertragen lässt. Wie das Ergebnis zeigt, hat sich das Gameplay dafür verändern müssen: es gibt mehr Nahkämpfe, einen größeren Fokus auf Crafting, tierische Gefährten und ein paar neue Ideen. Trotzdem fühlt es sich noch sehr nach Far Cry an.

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Gemeinsam sind wir stark
Das Basisnarrativ von Far Cry Primal ist die Wiedervereinigung des Stammes der Wenja. Um sich gegen die kannibalischen Udam zu wehren, soll der Jäger Takkar die Wenja zusammenbringen und ein neues Dorf aufbauen. Neben generischen Stammesmitgliedern gibt es eine gute Handvoll besonderer Wenja, die im ganzen Land verstreut sind. Es handelt sich dabei um echt schrullige Typen, die ganz spezielle Talente mitbringen. So gibt es beispielsweise den Schamanen, der eine enge Verbindung zum Tierreich hat und Takkar mit Halluzinogenen auf spirituelle Reisen schickt, und den skurrlien Tüftler, der eine Hand an die kannibalischen Udam verloren hat. Jeder Skurrilo muss in einem eigenen Quest davon überzeugt werden, sich einem anzuschließen und belohnt im Gegenzug mit einem neuen Skilltree und Crafting-Optionen. So ermöglich der Schamane beispielsweise das Zähmen von Tieren, während der Tüftler neue Crafting-Optionen und Verbesserungen dafür freischaltet. Inklusive Takkar gibt es neun besondere Stammesmitglieder, die ins Dorf berufen werden können.

Einmal im Dorf angekommen, benötigen die Neuankömmlinge eine Behausung. Mit den richtigen Rohstoffen kann man seinen neuen Mitbewohnern ein eigenes Zuhause geben, was ihnen ermöglicht, ihren Tätigkeiten besser nachzugehen - und dadurch neue Skills und Upgrades freizuschalten. Außerdem erhöht sich durch neue Gebäude auch die Population des Stammes. Vielleicht laden die neuen Bewohner ihre ganzen Freunde ein? Wer weiß. Je mehr Stammesmitglieder ihr habt, desto mehr Boni schaltet ihr über euer Dorf frei. So bekommt ihr beispielsweise täglich immer mehr Rohstoffe, die eure Stammesmitglieder für euch sammeln.

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Die Dorf-Mechanik rückt eine Stärke von Far Cry weiter in den Fokus: die skurrilen Figuren. Spätestens seitdem Far Cry 3 die Frage stellte, was die Definition des Wahnsinns sei, ist das Verschrobene ein Markenzeichen der Reihe. Die psychisch Ungefestigten sind in Primal aber nicht nur erzählerisch interessant, sondern auch ins Gameplay verwoben. Dabei sind sie kein lapidares +1 auf der Stammesliste, sondern eröffnen neue Fähigkeiten und Questreihen. Die unterschiedlichen Gesichter auf der Weltkarte sind sehr belohnende Ziele, denen man lange entgegenfiebert, bis man sie erreicht. So macht Far Cry Primals Aufbau sehr viel Spaß, auch wenn das leider nicht für die Geschichte des Spiels gilt. Bei der Erzählung sollte man keinen Tiefgang erwarten. Hier wird ein stumpfer Kampf zwischen den Wenja und ihren dämonisierten Feinden inszeniert, der spielerisch und atmosphärisch reizt, erzählerisch aber wenig bietet.

Willkommen in der Steinzeit
Die simulierte Steinzeit kann insgesamt überzeugen. Die Berge und Wälder des fiktiven Mitteleuropas sind optisch eine tolle Abwechslung zu den Vorgängern. Bäume sind beispielsweise viel größer als heute und die Wälder sehr dicht. Zur urzeitlichen Atmosphäre trägt natürlich auch die Tierwelt bei, die sich mit Mammuts und Säbelzahntigern sofort von der Neuzeit unterscheidet. Besonders sticht außerdem die Protosprache hervor, die von Linguisten für das Spiel mit drei Dialekten entwickelt wurde und auf tatsächlichen indogermanischen Urzeitsprachen beruht. Als Spieler ist man dadurch zwar ständig auf Untertitel angewiesen, aber das macht auch Teil des Reizes aus. Gemeinsam mit früheren Far Crys sind grundsätzlich aber die eindrucksvollen Hintergründe und stimmungsvolle Orte, die auch Primal wieder postkartentauglich machen. Das Spiel teilt sich mit seinen Vorläufern aber auch die gleiche Engine, also erwartet keine grafischen Sprünge seit Far Cry 4.

Spielerisch bedeutet die Steinzeit einen Rückschritt von Handfeuerwaffen zu Knüppeln und Speeren. Dafür bleibt der Bogen erhalten und das ist beinahe das Wichtigste für mein persönliches Far-Cry-Feeling. Schon im dritten Teil habe ich ganze Außenposten mit nichts als meinem Bogen leer geräumt - und kann das in Far Cry Primal noch immer. Gerät man aber in einen Hinterhalt und es springen Udam aus dem Gebüsch, ist der Knüppel meist effektiver als das mühsame Spannen und Zielen.

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Ähnlich wie in Rise of the Tomb Raider bietet Primal ein erweitertes Crafting-System. Zwar erreicht es nicht die Detail-Stufe eines ARK, geht aber darüber hinaus, universelle Schrotteile als Bastelwährung zu horten. Beispielsweise kann man Äste abbrechen, Steine sammeln und Tiere häuten. Wenn es darum geht, Pfeile herzustellen, ist jeder Ast gut genug, will man aber neue Werkzeuge ertüfteln oder seine Waffen aufwerten, benötigt man oftmals Ressourcen, die nur an bestimmten Orten zu finden sind. Am Anfang habe ich mich durchaus dabei ertappt, Ressourcen zu grinden, später ist das kaum noch nötig. Durch neue Skills kann man immer mehr tragen, mehr Rohstoffe auf einen Schlag sammeln und gleichzeitig den Verbrauch beim Crafting senken. Ob das neue Crafting-System eher Last oder Bereicherung ist, hängt vermutlich davon ab, was für ein Spielertyp ihr seid.

Tiere zähmen leicht gemacht
Die Umwelt in Far Cry Primal ist eine Bitch. Einmal springe ich ins Wasser und werde vom Krokodil gefressen, ein anderes Mal reißt mich ein gieriges Rudel Wölfe. Als ich ganz gemütlich Steine sammelte, biss mich eine Schlange und ich erlag dem Gift. Fucking Fauna! Die zahlreichen Raubtiere sind aber nicht nur ein Risiko, sondern bergen auch Chancen. Denn viele von ihnen lassen sich zähmen, darunter Wölfe, Löwen und sogar Bären. Euer erster Freund ist übrigens nichts Geringes als eine Eule, die ihr selbst steuern könnt, um Gebiete auszukundschaften und selbstgebaute "Bomben" über Feinden abzuwerfen.

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Tiere zähmen ist vermutlich die größte Neuerung in Far Cry Primal und zählt zu den besten Aktivitäten im Spiel. Das Zähmen selbst ist total simpel und lässt sich mit zwei Tasten durchführen. Hat man erst einen Gefährten, ist es einfach das Größte, mit seinem Wolf (oder Bären) durch die Gegend zu ziehen und auf die Jagd zu gehen. Vor allem, wenn es darum geht, bestimmte Felle zu sammeln, kann ein Tier an eurer Seite den Prozess enorm beschleunigen. Übrigens haben viele Viecher tolle Animationen, wenn sie mit anderen kämpfen: ich konnte schon mehrfach beobachten, wie mein Löwe anderen Tieren regelrecht an den Hals sprang und sie am Nacken packte, bis sie aufhörten, sich zu bewegen.

Was der Kampf mit menschlichen Gegnern angeht, unterläuft das Spiel mit den zähmbaren Tieren allerdings eine Menge seiner altbewährten Kampfmechaniken. Beispielsweise spielen Stealth und lautlose Takedowns kaum noch eine Rolle, weil es viel einfacher und sicherer ist, gegnerische Lager aus der Ferne mit seinen Tieren zu infiltrieren. Mit der Eule kann man sie vollständig auskundschaften, ohne einen Fuß hineinzusetzen. Aber selbst im zweiten Schritt kann man in nahe gelegenen Büschen lungern und seine Tiere anweisen, die Gegner wegzupflücken. Stirbt ein tierischer Gefährte, kann man ihn einfach wiederbeleben oder den nächsten Helfer beschwören. Bären, die Kommandos mit solcher Präzision ausführen wie in Far Cry Primal, sind eine fast unaufhaltsame Kriegswaffe. Die wütenden Tiere sind zwar recht unterhaltsam, machen die Balance des Spiels aber ziemlich kaputt. Die Eule kann sogar einen fiesen Takedown aus der Luft, das ist schon beinahe absurd! Will man etwas Abwechslung, muss man sich selbst die Auflage geben, auf tierische Hilfe zu verzichten - sonst bekommt man seine Feinde nur selten zu Gesicht.

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Nur ein Steinwurf vom Vorgänger
Bei Far Cry Primal bringt das neue Setting mehr in den Mix als bei so mancher Iteration von Assassin's Creed. Trotzdem schlägt der Formalismus von Far Cry spürbar durch: Es geht darum, Fragezeichen auf der Karte abzuklappern, den gegnerischen Einfluss zu senken, indem man ihre Außenposten einnimmt, und eine Handvoll generischer Icons, die für ein Set an Nebenmissionen stehen, warten auf Erkundung, sind aber mal mehr und mal weniger interessant. Neben dem täglichen Sammelgeschäft für Crafting-Ressourcen gibt es weiterhin auch Sammelobjekte, die man von der Karte pflücken kann. Nimmt man alle bunten Icons auf der Weltkarte ernst, kann das Spiel zu richtiger Arbeit werden. Doch wie immer ist das Meiste optional. So könnt ihr euch die tollen Missionen herauspicken und den Rest ignorieren. Viele Quests sind sehr unterhaltsam, vor allem wenn Primal seine skurrilen Figuren vor die Kamera bemüht. Perfektionisten könnte bei den monotonen Nebenmissionen vielleicht die Puste ausgehen, wer sich aber auf die einzigartigen Story-Missionen konzentriert, wird sehr gut bespaßt.

Wer sich das Ganze, wie Teil vier, im Koop geben möchte, guckt in die Röhre. Far Cry Primal kommt ausschließlich im Singleplayer, weder ein Versus-Multiplayer noch ein Koop-Modus sind Teil des Spiels. Das ist wirklich sehr schade, da das gemeinsame Erkunden im Vorgänger durchaus eine tolle Ergänzung war.

Fazit: Same same, but different
Far Cry Primal traut sich an ein ungewöhnliches Setting und setzt es ziemlich kompetent um. Auch wenn Archäologen sich vermutlich die Haare raufen, funktioniert die Fiktion vor allem atmosphärisch sehr gut. Leider haben sich unter gute Questreihen auch wieder ein paar eintönige Aufgaben geschlichen. Trotz Neuerungen fühlt sich das Tagewerk in Primal dann doch ganz ähnlich an wie in den Vorgängern. Insgesamt ist es ein unterhaltsames Bild der Steinzeit mit Gameplay nach bewährter Far-Cry-Formel.

Far Cry Primal wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von Ubisoft zur Verfügung gestellt.

Far Cry Primal

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

Adrian
24. Februar 2016 um 19:11 Uhr (#1)
Ich hoffe Ubisoft wird bald auch Far Cry eine Pause geben, damit es nicht wie Assassins Creed an der Ubisoft-Formel-Krankheit leidet. Auch wenn sie sich mit dem Setting echt was cooles ausgedacht haben.
Gast
29. März 2024 um 01:36 Uhr
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23. Februar 2016
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