WWE 2K16 im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 15. November 2015

WWE 2K16 im Test

Auf dem Pfad der Klapperschlange

Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich wieder in den Wrestlingring steige. Meine letzte Runde im Viereck fand 2011 statt, als 2K die Lizenz von THQ übernahm und damit eine neue Ära für die nun immerhin schon 18 Jahre andauernde Wrestlingreihe einläutete. Und doch liegt es mir irgendwie noch immer im Blut. Mein erster Kampf in WWE 2K16, JBL gegen den Undertaker (um eine alte Fehde wieder aufleben zu lassen), verläuft eigentlich auch gut. Die ersten Moves sitzen, ich dominiere, es ist fast so, wie als wenn sich in den Jahren nichts geändert hätte. Dann fange ich an, neue Möglichkeiten auszuprobieren, werde ein paar Mal ausgekontert und soll einstecken. Meine Reflexe funktionieren, die ersten Angriffe drehe ich locker um. Doch dann folgt der nächste Move, ich time meinen Konter perfekt, wie ich es schon tausende Male gemacht habe und staune, als mein Charakter nichts unternimmt und ich kassiere. Auch die nächsten Konterversuche bleiben erfolglos.

Schnell komme ich dahinter, dass 2K das Umkehren von Angriffen an einer wichtigen Stelle grundlegend verändert hat: Es gibt eine Konterleiste, die bestimmt, wann und ob ihr euch gegen Angriffe effektiv wehren könnt. Je nach Wrestlertyp kann man maximal fünf Konter in petto haben. Sind diese aufgebraucht, ist man Angriffen quasi schutzlos ausgeliefert, bis sie sich langsam wieder regenerieren. Das ist ein krasser Kontrast zu eigentlich allen Vorgängertiteln ohne diese Limitierung. Es ist die vielleicht größte Revolution, die die Reihe seit dem fünften Teil erlebt hat. Damals hielt in Here Comes The Pain der Realismus seinen Einzug, mit Gewichtsbeschränkungen und einem Schadensmodell am Charakterkörper. Und selbst nach viel Zeit mit WWE 2K16 weiß ich nicht, ob ich nun glücklich über diese Änderung bin.

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Einerseits ist es eine gute Änderung, denn sie macht das Spiel authentischer. Es mag zwar Wrestling-Promotions geben, wo ellenlange Konterduelle an der Tagesordnung anstehen – man denke hier nur an klassische, japanische Puroresu-Matches, aber das ist nicht das Produkt, was die WWE abliefert. Es fügt auch eine neue, taktische Dimension hinzu, weil man nun genauer überlegen muss, wann man kontert. Wenn man gerade am Boden liegt nahe der Ringseile, ist es zum Beispiel manchmal sinnvoller, sich aus dem Ring zu rollen – was viel Ausdauer kostet –, statt den nächsten Angriff des Gegners zu kontern und so ein Stückchen der Konterleiste zu sparen. Als Faustregel gilt, dass man natürlich niemals dem Feind so gegenüberstehen will, dass man keine Kontermöglichkeit mehr hat, während seine Signature Move oder Finisher aufgeladen sind.

Andererseits ist es keine gute Änderung, denn sie sorgt für unnötigen Frust. Viele Matches laufen so ab, dass man einige Male hin und her reversiert und wer das Glück hatte, als letzter zu kontern, kann ein paar Moves setzen, ohne dass sich der Gegner wirklich nennenswert wehren kann. Gerade Kämpfer, deren Kontermaximum nicht bei fünf sondern da runter liegt, haben einen deutlichen Nachteil, was sich insbesondere im Onlinekampf deutlich macht.

Doch während mich dieser Aspekt etwas zweifelnd zurücklässt, gefällt der Rest des Gameplays doch sehr gut. Button Mashing spielt endlich keine Rolle mehr, es gibt für das Pinnen von Gegner sowie Aufgabegriffe komplett neue Minispiele, die vor allem auf Geschick setzen und damit euren Controller schonen.

Bei den Spielmodi hat 2K dieses Mal viel zusammengeschnürt. Letztes Jahr war noch Kritik, dass viele der bekannten Kampftypen fehlten, was wohl dem Wechsel der Konsolengenerationen geschuldet war. Doch dieses Jahr ist mal wieder eine große Auswahl geboten. So gibt es endlich wieder die Möglichkeit Handicap-Matches zu spielen. Auch die Leiter-Matches sind wieder dabei und gerade in Kämpfen mit mehr als zwei Wrestlern hat man nun wieder die gewohnte Auswahl an besonderen Matchstipulationen.

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Ansonsten ist alles, was man erwarten würde, dabei. Darunter ein umfangreicher Creation-Mode, bei dem man sich den eigenen Wrestler oder eine Diva baut, Kampfarenen verschönert, Moves festlegt und viele andere Späße. Insbesondere dank der Möglichkeit, Gesichter und Ähnliches im Spiel einzuscannen und als Texturen zu verwenden, ist das natürlich ein Modus, in dem kreative Köpfe Dutzende von Stunden verbringen können. Schon so kurz nach dem Launch waren deswegen online auch unzählige Nachbildungen von Wrestlern, Schauspielern und Ähnlichem zu finden, die man sich komfortabel herunterladen kann. WWE Universe ist auch wieder dabei, in dem ihr selbst die Geschicke der WWE lenken könnt, indem ihr bestimmt, welche Matches laufen, welche Wrestler zu Freunden und Feinden werden und viel mehr. Ich muss zugeben, dass das für mich der am wenigsten reizvolle Modus ist. Er ist mir zu passiv. Ich kämpfe lieber, statt zu bestimmen, was es für Kämpfe gegen wird.

Im Karriere-Modus, MyCareer genannt, führt ihr euren selbsterstellten Wrestler von ganz unten bis an die Spitze der WWE. Das ist der Modus, der mich vielleicht mit den gemischtesten Gefühlen zurückgelassen hat, weil so viel Potenzial vorhanden ist, ohne dass es wirklich genutzt wird. Gerade der Anfang ist superzäh, wo ihr euch in der NXT-Liga erst mal das Privileg verdienen müsst, bei RAW und Smackdown antreten zu dürfen. Und spielt ihr endlich bei den Großen mit, habt schöne Fehden und epische Matches, merkt man einfach, dass der Funke nicht ganz überspringen will. So sind zum Beispiel eure Rivalitäten zeitlich immer auf einen Monat begrenzt, eben bis zur nächsten PPV-Show der WWE. Da wünsche ich mir manchmal die Karriere-Modi früherer Teile zurück, die weniger flexibel waren, dafür aber spannendere Stories erzählten, die auch mal gerne über mehrere Monate gingen.

Und zu guter Letzt der 2K Showcase, mein Lieblingsmodus. Hier spielt ihr die Karriere von Stone Cold Steve Austin nach, immerhin der wichtigste WWE-Wrestler der 90er, der damals dafür sorgte, dass sich Vince McMahons Liga im Kampf um die Zuschauer gegen die WCW durchsetzen konnte. Hier hat 2K sich wirklich bemüht, einen umfangreichen Einblick in den Werdegang des Glatzkopfes zu bieten, von seinen Anfängen in der WCW als Stunning Steve Austin über ein kurzes Intermezzo bei der ECW bis hin zu seinem Aufstieg in der WWF als Arbeiterklassen-Rüpel, der sich gegen seinen bösen Chef McMahon auflehnt. Videoeinspieler und Zwischensequenzen bereiten euch auf pivotale Matches vor, die ihr dann nachspielen könnt.

In den Kämpfen gibt es auch ein paar Unterschiede zum üblichen Gameplay, da ihr immer wieder Zielvorgaben kriegt, die umzusetzen sind. Mal sollt ihr einem Feind eine bestimmte Menge an Schaden zufügen oder einen speziellen Move verwenden – meistens in Anlehnung an die echten Geschehnisse – und hangelt euch quasi so von den Highlights der Matches langsam bis zum Ende des Kampfes. Insgesamt hat man sich hier sehr darum bemüht, authentisch zu sein, was sowohl für altbekannte Fans, die gerne noch mal diese legendäre Ära nacherleben wollen, als auch neuere Wrestlingfans, die hier quasi einen interaktiven Geschichtskurs geboten kriegen, ein großer Pluspunkt sein sollte.

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Das technische Paket ist akzeptabel, zeigt aber die üblichen Fehler. Haare und wie sie funktionieren sind seit gut einem Jahrzehnt ein Mysterium für die Entwickler von Yukes, und auch dieses Mal darf man sich ein Physikverhalten anschauen, welches eher an Tentakel erinnert. Und noch immer gibt es viele Moves, deren Übergänge einfach nicht passen wollen. Je nachdem, wie man zum Gegner steht passiert es zum Beispiel, dass sich euer Charakter ein paar Zentimeter in Position teleportiert, weil nicht alle Animationen aufeinander abgestimmt sind. Das passiert weniger oft als in vorherigen Teilen, aber ist natürlich noch immer unschön anzusehen. Wenn man aber solche Kleinigkeiten ausblendet, darf man sich über viele butterweiche Animationen, gut gestaltete Charaktermodelle und tolle Soundeffekte freuen.

WWE 2K16 ist ein solider Titel, der zwar nicht an die besten Werke von Yukes heranreicht, aber gerade für mich nach meiner mehrjährigen Wrestling-Spiele-Pause doch genug bot, um mich schön zu unterhalten. Der Umfang ist bombastisch, sowohl wenn es um die Anzahl der Wrestler geht als auch um die Möglichkeiten, die das Spiel insgesamt bietet. Das neue Kontersystem wird für manche schwer zu schlucken sein, aber bietet insgesamt genug Argumente dafür, dass es eine sinnvolle Änderung war. Wer letztes Jahr noch wegen dem Generationenwechsel aus Vorsicht ausgesetzt hat, kann dieses Jahr auf jeden Fall zugreifen. Haris

WWE 2K16 wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von 2K zur Verfügung gestellt.

WWE 2K16

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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30. Oktober 2015
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