Etrian Mystery Dungeon im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 23. September 2015

Etrian Mystery Dungeon im Test

Dungeoncrawler im Quadrat

Sowohl die Mystery-Dungeon-Reihe als auch die Etrian-Odyssey-Spiele sind mittlerweile für ihre Crossover bekannt. Erstere hatten schon Spin-Offs mit Pokémon- und Final-Fantasy-Thema, letzteres mit Persona. Es war fast schon eine Frage der Zeit, bis diese zwei Serien nun aufeinandertreffen und uns mit Etrian Mystery Dungeon zeigen, was passiert, wenn zwei Dungeoncrawler aufeinander treffen.

Für die Neulinge: Auch wenn beide Spiele dem gleichen Genre angehören, gibt es signifikante Unterschiede. Mystery Dungeon spielt man aus der Vogelperspektive und hat starke Rougelike-Elemente drin, wie immer wieder randomisierte Dungeons. Etrian Odyssey hingegen findet in der ersten Person statt und legt viel Wert darauf, dass ihr Karten der Dungeons zeichnet, statt euch immer wieder dem Zufall zu überlassen. Entsprechend sind manche Elemente aus den zwei Serien unvereinbar, was man auch bei diesem Spiel merkt.

Eine rudimentäre Story schickt euch in eine Stadt am Weltenbaum Yggdrasil, in deren Nähe die Monster in den Dungeons verrückt spielen, weswegen Abenteurer aller Couleur sich an die Herausforderung wagen. Die Stadt ist gleichzeitig euer Hub für Missionen, genauso wie um Alltägliches zu erledigen, darunter Handel und Partymanagement. Das ist auch der Aspekt im Spiel, an dem man die Etrian-Odyssey-Einflüsse noch am deutlichsten merkt. Von der ausbaubaren Stadt, über das simple Crafting-System bis hin zur Handelsmechanik – ihr verkauft Monsterloot, um so neue Waffen und Rüstungen freizuschalten –, ist die Handschrift doch überaus klar.

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Und auch die Charaktere erinnern eher an Etrian Odyssey statt an Mystery Dungeon. Die Klassen stammen beispielsweise zu einem sehr hohen Anteil aus Etrian Odyssey, die ihr euren bis zu vier Partymitgliedern zuweisen könnt, und auch das Skillsystem mit seiner dreistufigen Progression – neue Skills ab Level 10 und 20 – dürfte Veteranen bekannt vorkommen. Kaum habt ihr aber die Formalitäten geklärt und wagt euch in eines der Verliese, merkt man, dass das Herz doch Mystery-Dungeon-Form hat: Vogelperspektive und Zufallsdungeons sind das Stichwort.

Während ihr die Dungeons exploriert, gaukelt euch das Spiel ziemlich gut vor, in Echtzeit abzulaufen. Solange ihr keinen Feind seht, könnt ihr frei agieren. Erst wenn euer Sichtfeld durch ein Monster gefüllt wird, schaltet das Spiel voll in den Rundenmodus, wo jede Aktion und Bewegung von euch auch eine Reaktion des Feindes bedeutet – und natürlich die Reaktion eurer Party, die ihr nicht etwa selbst steuert, sondern die auch im Kampf von der KI übernommen wird.

Das ist im Spiel Fluch und Segen zugleich. Denn meistens agiert die KI kompetent, heilt, kloppt und zaubert, wie man es selbst nicht besser machen könnte, und hilft so, den Spielfluss zu erhalten. Und dann kommt irgendwann der Kampf, in dem die Party nur doof rumsteht, euer Magier keinen Finger krumm macht und ihr fest auf die Nase kriegt. Es hat schon seinen Grund, wieso das Spiel euch in den Bosskämpfen immer die volle Kontrolle übergibt, denn während man ein paar Schadenspunkte extra im Kampf gegen Kleinvieh noch verzeihen kann, wäre das kaum möglich, wenn einen der fette Obermotz wegen so einer Panne schlachtet. Wenigstens könnt ihr die Figur, die ihr steuert, jederzeit wechseln.

Dabei ist das Kampfsystem wirklich gut gelungen. Da die Klassenfähigkeiten größtenteils der Etrian-Odyssey-Reihe entspringen, hat man auch den taktischen Anspruch dieser Spiele quasi gleich mitgebracht. So habt ihr die Möglichkeit, einzelne Körperteile eurer Feinde anzugreifen, um so zum Beispiel die Schlagkraft radikal zu senken oder es ihnen unmöglich zu machen, zu zaubern. Ganz zu schweigen von einer großen Anzahl an Statusveränderungen, die ihr sowohl auf Feinde wirken als auch abkriegen könnt. Wer seine Party nicht richtig ausbalanciert und keinen ordentlichen Mix findet aus den verfügbaren Klassen, wird keine Chance haben, gerade auch weil der Schwierigkeitsgrad in den ersten Stunden extrem hoch ist, ehe er dann leicht abflacht.

Dass das Spiel so schwer ist, liegt aber nicht nur an anspruchsvollen Kämpfen, sondern auch insbesondere an den Dungeons, die sich gerne mal über eine zweistellige Anzahl an Stockwerken erstrecken und so von euch viel Ausdauer und gute Vorbereitung verlangen. Da sie komplett zufallsgeneriert sind und sich bei jedem Betreten verändern, wisst ihr nie, was euch erwartet. Besonders fies sind zum Beispiel Teleportfalle, die eine Figur bei Betreten in einen anderen Raum des Dungeons beamen. Fies, wenn es gerade ausgerechnet euren Runemaster – die Magierklasse im Spiel – trifft. Noch fieser, wenn der Raum, in dem er sich wiederfindet, einer voller Monster ist. Gar nicht fies, sondern wohlverdient, wenn ihr in so einer Situation keine Schriftrolle mit "Party zusammenführen"-Zauberspruch parat habt, um den armen Kerl wieder zurückzuholen. Vorbereitung ist wichtig, und wer darauf verzichtet, der hat es eben nicht anders verdient. Etrian Mystery Dungeon ist knallhart.

Als echtes Rogue-like kennt Etrian Mystery Dungeon keine Gnade. Beim Betreten des Dungeons wird automatisch gespeichert. Wenn ihr also im Dungeon sterbt, das Spiel ausmacht oder einfach nur mal der Akku alle ist, merkt sich das Spiel, dass ihr in einem Dungeon wart und spuckt euch mit weniger Geld und Items wieder aus.

Aber auch hier kann euch die KI manchmal ein echter Dorn im Auge sein. Mir ist mehrmals passiert, dass ein KI-Kamerad spontan auf Wanderschaft ging und der Wegfindungsalgorithmus ihm vorschlug, doch bitte einmal über die ganze Karte zu laufen. Zwar kann man dann im Notfall gegensteuern, indem man die Figur wechselt, aber wenn man mal nicht aufpasst, kann es schon ärgerlich sein, wenn man gerade einen Raum voller Feinde betritt und ausgerechnet der Heiler spazieren gegangen ist.

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Der hohe Zufallsfaktor sorgt auch dafür, dass die Dungeons sehr eintönig wirken, folgen sie doch immer einem sehr ähnlichen Schema: eine zufällige Anzahl von Räumen, die mit mehr oder weniger verwinkelten Gängen verbunden sind. Hier hätte man durchaus mehr rausholen können, wenn der Zufallsgenerator eine größere Auswahl an Raumtypen zur Verfügung gehabt hätte. Das macht zumindest mit der Zeit die Exploration etwas müßig, so dass man gerne die Treppe nimmt, statt das Stockwerk komplett zu durchforsten.

Ganz praktisch hingegen ist die Möglichkeit, in den Dungeons Forts zu bauen. Diese sind zwar teuer, bieten dafür aber auch wirklich nützliche Funktionen. So können sie als Checkpoint dienen, zu dem ihr direkt teleportieren könnt, statt immer am Eingang anfangen zu müssen. Auch könnt ihr bis zu vier Charaktere in ihnen stationieren, die dann zusätzliche Erfahrungspunkte kriegen, was euch das Grinden etwas abnimmt.

Eine besonders große Rolle kommt ihnen aber zu, wenn es um die DOEs geht. Analog zu den FOEs in Etrian Odyssey, sind das extrem starke Feinde, die im Dungeon auf euch lauern. Sie bahnen sich vom tiefsten Stockwerk langsam den Weg nach oben. Erreichen sie den Ausgang, wird die Stadt angegriffen und teuer ausgebaute Geschäfte zerstört. Habt ihr hingegen ein Fort gebaut, dann greifen sie dieses an und machen es kaputt, um, zufrieden mit der Zerstörung, wieder von ganz unten anzufangen.

Oder ihr nutzt das Fort aus, um euch dem DOE zu stellen. Denn auch wenn diese im normalen Kampf kaum kleinzukriegen sind, habt ihr im Fort einen signifikanten Vorteil: alle im Fort stationierten Charaktere kämpfen mit, ihr könnt also mit bis zu acht Figuren antreten. Doch selbst mit der zahlenmäßigen Überlegenheit habt ihr kein leichtes Spiel. Die DOEs sind nämlich aus Prinzip erst mal quasi unverwundbar. Ihr müsst zuerst herausfinden, gegen was für eine Statusanfälligkeit sie so schwach sind, ihnen diese verpassen und dann könnt ihr überhaupt erst darüber nachdenken, die fetten Zaubersprüche und Hau-Drauf-Skills auszupacken. Außerdem haben sie natürlich selbst fiese Attacken im Repertoire, können zum Beispiel Monster beschwören, so dass ihr immer auf der Hut sein müsst.

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Es ist kein Wunder, dass die Kämpfe gegen DOEs immer zu den Highlights zählen und ihr für eure Mühen entsprechend auch immer fürstlich entlohnt werdet, meist mit Lootdrops, die neue, starke Waffen und Rüstungen im Shop freischalten.

Tolle Kämpfe und hohes Suchtpotenzial zeichnen Etrian Mystery Dungeon aus und machen es zu einer lohnenswerten Anschaffung für alle Roguelike- und Dungeon-Crawler-Fans mit hoher Frusttoleranz. Denn der Schwierigkeitsgrad hat es echt in sich und wird unvorbereitete Zocker kalt erwischen. Dem eigentlich so guten Paket stehen aber die eintönigen Dungeons entgegen sowie eine KI, die mit seltenen Aussetzern echt nerven kann. Wer darüber hinwegschauen kann, kriegt hier aber locker seine 40 bis 50 Stunden Spielspaß.Haris

Etrian Mystery Dungeon wurde auf dem Nintendo 3DS getestet. Ein Testmuster wurde uns von NIS America zur Verfügung gestellt.

Etrian Mystery Dungeon

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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RELEASE
11. September 2015
PLATTFORM
Nintendo 3DS
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