Flywrench im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 17. September 2015

Flywrench im Test

Es wird eure Daumen bluten lassen

Mein Daumen tut weh. Jeder Gamer empfindet diesen Schmerz nach intensivstem Zocken irgendwann einmal in seinem Leben. Ich nicht. Meine Daumen sind gewaltig und schmerzresistent. Dachte ich. Aber zehn Minuten Flywrench machen selbst aus meinem harten Knüppeln weiche Knete.


Der Entwickler Messhof ist bisher bekannt für ein Spiel: Nidhogg. Der pixelige Fechtsimulator hat sich nach langjähriger Entwicklungszeit schnell in unsere Herzen gestochen. Entsprechend sind die Erwartungen hoch, dass Flywrench - was auch immer das sein mag -, genauso grandios wird. Nun... es ist auf jeden Fall anders. Das beste Vorbild für Flywrench ist wohl Super Meat Boy: Mit einem überaus flapsigen Raumschiff in Stöckchenform muss sich der Spieler durch 200 Level und damit 200 Parcours voll tödlicher Hindernisse immer dem Ausgang entgegen winden. Dabei muss sich das stets fallende Raumschiff gegen die Schwerkraft wehren, um nicht gegen gelbe, pinke, weiße, rote, grüne oder blaue Linien zu knallen und auf der Stelle zu verrecken. Das ist am Anfang noch recht einfach, wird gegen Ende aber sebst für gestandene Plattformspieler höllisch schwierig. Immerhin gibt es keine Ladezeiten und der Tod beginnt sofort mit einem neuen Versuch.

In der Kampagne sind je 20 Level zu einer bestimmten Thematik zusammengefasst und der Übersichtlichkeit halber einem Planeten unseres Sonnensystems zugewiesen. Ja, das bedeutet, dass Pluto auch dabei ist. Hurra! Mit jedem Planeten führt Flywrench ein neues Element ein und nimmt sich zwei oder drei Level, um den Spieler zärtlich an das neue Gameplay zu gewöhnen. Im ersten Level muss man einfach nichts tun. Aha, das kann ich! Das Schiff (das übrigens auch Flywrench heißt) ist weiß und fällt durch ein paar weiße Linien hindurch dem Ausgang entgegen. Toll! Im zweiten Level fällt man auch wieder und stirbt nach wenigen Sekunden beim Aufprall mit gelben Linien. Wieder was gelernt! Nun sind aber rote Linien über der Spielfigur. Also mal alle Tasten drücken. Aha! Eine macht, dass Flywrench die Flügel flapst und an Höhe gewinnt. Gleichzeitig wird das Raumschiff rot. Könnte es etwa...? Tatsächlich! Im roten Zustand kann man rote Linien durchqueren!

flywrench01

Im späteren Spielverlauf führt Flywrench dann noch grüne Linien ein. Wenn man sich wie ein grüner Ventilator um die eigene Achse rotiert, durchdringt man die Jadewälle und kann sogar ohne Schaden von gelben Wänden abprallen. Dann kommen noch undurchdringliche pinke Wände dazu oder die blauen, die sich nur durch Schalter deaktivieren lassen. Und so baut das Spiel Element um Element auf und reiht sich nach und nach immer gehäufter hintereinander. Gegen Ende muss man dann im freien Fall wilde Wechsel aus abprallenden Rotierern mit berechneten Rotflapsern in engen Gelbgängen vollführen und darauf achten, dass man nicht gegen die gelben Begrenzer oder pinke Laufräder knallt. Es ist wirklich stressig.

Make or Break solcher Quasi-Masocore-Spiele ist die Steuerung. Wenn die nichts taugt, brauchen wir nicht drüber zu reden. Um es kurz zu machen: Flywrenchs Kontrolle ist zu kompliziert. Bei Super Meat Boy ließ sich jeder Fehler dem Spieler zuschreiben - dank stets berechenbarer Reaktionen des artig parierenden Fleischjungen gab nur falsche Eingaben, keinen Zufall. Flywrench ist ein wobbeliges Halbwirrwarr. Die Physik des Spiels nimmt einen gehörigen Einfluss auf Flywrenchs Flugbahn und hat so viele feine Übergänge, dass sich einfache Manöver nie komplett zuverlässig replizieren lassen - dafür bräuchte man auf den Frame perfekte Finger. Bis zum Höhepunkt eines Flapsers bringt ein weiterer Flapser etwa einen enormen Gewinn an Höhe. Einen Frame später ist es nur noch ein müder Hüpfer, der einen kaum weiterbringt und meist zerschellen lässt. Manchmal prallt man von Wänden im gewünschten Winkel ab, manchmal lag man einen Ticken zu weit links oder rechts und streift den pinken Tod um Pixelsbreite. Zudem ist Flywrench wabbelig. Das Raumschiff ist in der Horizontalen sehr ausladend und nur schlecht zu stoppen. Die Kombination macht, dass es einige Level gibt, in denen ich denselben Ablauf immer und immer wieder versuche, bis dann einmal die Sterne günstig stehen und ich mit der Taktik punktgenau durch Röhren und Nischen zische. Gelernt habe ich dadurch aber nichts. Wenn ich bei Super Meat Boy einen ausgesprochen schweren Level beendete, dann jubelte ich: "Na endlich!" Bei Flywrench seufze ich dagegen: "...Na endlich..."

Flywrench02

Speedrun-Wahnsinnige können sich an den Time Trial wagen. Hier muss der Spieler einen ganzen Planeten am Stück absolvieren und anschließend wird die Zeit genommen. So kann man übrigens auch andere Spieler triezen: Mit eingebautem und sehr verständlichem Editor lassen sich leicht neue Herausforderungen erstellen und in den Steam Workshop hochladen. Wer Freude an Flywrench findet, kann sich hier einen Namen machen und viele originelle (und natürlich auch dämliche) Level entdecken.

Flywrench ist zwar kein Meisterstück und kann auch manchmal zu unerwarteten Wutanfällen führen, aber insgesamt ist es doch ein netter, komplexer Plattformer mit geschmeidiger Musik und einem gigantischen Arsch voller Level - Userlevel noch nicht mal mitgezählt. Wer nach Super Meat Boy Futter sucht und eine gewisse Frusttoleranz hat, der sollte sich Flywrench einmal anschauen.

Flywrench wurde auf dem PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von Messhof zur Verfügung gestellt.

Flywrench

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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19. April 2024 um 09:07 Uhr
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24. August 2015
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