Devil's Third im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 07. September 2015

Devil's Third im Test

Der Teufel steckt im Detail

Es ist schon ein paar Jahre her, dass Tomonobu Itagaki Tecmo verlassen hat. Der geistige Vater beliebter und optisch sowie mechanisch exzellenter Titel wie Ninja Gaiden und Dead or Alive kündigte dann aber 2010 mit seiner neuen Klitsche Valhalla Game Studios den Third-Person-Shooter Devil's Third an. So um 2013 rum dachten wir, dass dem Rock-'n'-Roll-Japaner doch mal so langsam das Geld ausgehen sollte. Devil's Third nahm Vaporware-Status an. Jetzt, sieben Jahre nach Itagakis letztem Spiel, erblickt der langersehnte Shooter als zeitlicher Exklusivtitel für die Wii U das Licht der Welt! Da ist es kaum zu glauben, was für ein Hickhack dabei raus gekommen ist.

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Es passt einfach nicht
Dabei sind alle Komponenten da, die ein gutes Spiel schaffen können. Es beginnt mit einer Story, die auch toll zu Metal Gear Solid gepasst hätte. Ivan ist ein russischer Terrorist, der in Guantanamo für Terrorismus schlappe 850 Jahre absitzen muss. Gleichzeitig arbeitet er aber für die amerikanische National Defense Intelligence und muss für Regierungsaufträge regelmäßig ausbrechen. Der aktuelle Job: eine paramilitärische Gruppe hat nahezu sämtliche Satelliten im irdischen Orbit zerstört. Als Ergebnis fallen nicht nur die US-Fernseher aus, was ja an und für sich schon ein Kriegsgrund ist, sondern es entsteht ein permanentes EMP, das die Welt technisch gut siebzig Jahre in die Vergangenheit schleudert. Nun muss Ivan mit einer Truppe Soldaten seine alten Kameraden der Söldner-Einheit School of Democracy unter der Leitung seines japanischen Samurai-Mentors erledigen. Und natürlich sind alle Söldner mit irgendwelchen Superkräften versehen, kommen aus allen Regionen der Welt und hätten richtig skurrile Persönlichkeiten sein können.

Allerdings versemmelt es das Spiel, indem Devil's Third jedem SOD-Mitglied nur einige wenige Zeilen Monolog vor und nach dem Bosskampf spendiert. So baut sich kein Charakter auf, die philosophischen Phrasen und Anspielungen auf Ivans Vergangenheit kratzen nur an der Oberfläche und der Spieler murkst eine Schießbudenfigur nach der anderen ab. Außerdem sind alle englischen Synchronsprecher durch die Bank zweite bis dritte Klasse. Da will man stellenweise einfach nur noch weghören.

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Triumvirat der Kampfmechaniken
Eine andere tolle Idee ist das Kampfsystem. Devil's Third vereint das Deckungssystem eines Gears of War mit zuschaltbarer Egoperspektive eines Call of Duty mit dem Nahkampf eines Ninja Gaiden. Und oft funktioniert es auch! Mit Ivan sprintet man durch Hallen und über demolierte Schlachtfelder, klettert flugs Wände hoch und sucht Deckung vor dem ständigen Kugelhagel. Geschossen wird fast ausschließlich mit gehaltener Schultertaste, wodurch die Perspektive flüssig zu Ivans Augen wechselt. Der Übergang ist nahtlos und fühlt sich gut an.

Gleiches gilt für den Wechsel zur ausgerüsteten Nahkampfwaffe. Ein Druck auf eine der zwei Schlagtasten und der glatzköpfige Fleischberg zückt die Klinge, ein weiterer Druck und es gibt Hackfleisch. Oder Mus. Oder andere Leckereien. Ivan kann im Laufe einer Mission nicht nur sein Katana benutzen, sondern auch Vorschlaghämmer, Kukris, Tomahawks, Eisenstangen, Feuerwehräxte und weitere coole Schlagprügel - alle komplett mit eigenen Animationen und brutalen Finishern. Hinzu kommen taktische Manöver, wie Blocken, Ausweichen, Slides und Sprungangriffe sowie eine Spezialleiste für den Berserk-Modus namens Enbaku. Der Wechsel zurück zur Schusswaffe geht dann auch genauso leicht von der Hand wie der Nahkampfmodus, so dass man im Eifer des Gefechts immer intuitiv zur besten Option wechselt. Etwa wenn Ninjas auf die Spielfigur zuhetzen und man sich denkt: "Pf." Und dann packt man den Raketenwerfer aus. Damit hatten die Ninjas nicht gerechnet.

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Allerdings hat jedes der drei gut zusammen arbeitenden Kampfelementen so seine eigenen Probleme. Die Deckungsmechanik ist etwa nicht ganz verlässlich und oft ballern Feinde dem armen Ivan in Arme und Beine, die noch hinter einer Mauer hervorlugen und die der Russe partout nicht einziehen will. Außerdem ist die Kettermechanik zwar da und funktioniert gut, findet im Leveldesign aber kaum Verwendung. Horizontal ist das Design der Wahl!

Ebenso erfordert das Zielen in der Egoperspektive einige Gewöhnung. Aus der Deckung heraus liegt die Kamera so tief, dass man Gegner auf gleicher Höhe nicht anvisieren kann und deren Position stets raten muss. Blindes Feuer gibt es nicht - selbst für einen Granatenschmiss stellt sich Ivan breitbeinig vor seine Feinde. Und dem akkuraten Zielen fehlt es trotz Aiming Assist etwas an Feintuning. Wem der Analogstick etwas zu sensibel ist, kann zwar in den Optionen die Geschwindigkeit senken, muss dann aber auch mit traniger Kamera in der Third-Person leben - die Einstellungen sind nicht voneinander getrennt.

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Letztlich fehlt es dem Nahkampfsystem komplett an Tiefe. Normale Gegner sterben fast immer nach einem leichten und zwei schweren Angriffen. Gegner, die das überleben, sollten nicht im Duell herausgefordert werden, denn Blocken ist meist nutzlos und führt dazu, dass das eigene Schwert beim finalen Treffer davonsegelt, während Ausweichbewegungen unberechenbar manchmal zur weitreichenden Rolle und manchmal zum popeligen Rückwärtsschritt werden. Außerdem gibt es genügend Nahkampfgegner, die Ivan mit einer Kombo bis zum Tode stunlocken oder mit einem One-Hit-Kill in seine sowjetischen Einzelteile zerlegen. Gleichzeitig stecken sie dutzendweise Schläge ein, verfügen über massenweise invincibility frames und ob sie ein Angriff betäubt, ist auch eher zufällig als zuverlässig. Aber ich will noch einmal wiederholen, dass es enorm viel Spaß macht, die normalen Gegner mit einem Vorschlaghammer der Reihe nach zu zertrümmern oder die vielen anderen Nah- und Fernkampfwaffen auszuprobieren. Ist halt lustiger, wenn man selbst den Vorteil hat.

Wechselbad der Gefühle
Natürlich stellen die Bosskämpfe gegen die SOD ein Highlight dar. Der erste war richtig toll! Big Mouse ist ein gigantischer Mexikaner im Krokoleder-Anzug, der mich mit seinen zwei Revolvern durch ein ruiniertes Haus in Panama hetzt. Mit einer Mischung aus Nah- und Fernkampf treibe ich ihn nach und nach in die Enge. Dann benutzte er ein Serum, wird zu einem noch gigantischeren Monsterwrestler und versucht mich in seine Fänge zu kriegen, während ich grazil beiseite hüpfe und ihn mit meinen letzten Kugeln traktiere. Ein toller Kampf! So darf es weiter gehen!

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Doch wie heißt es so schön? "Sei vorsichtig, was du dir wünschst - es könnte in Erfüllung gehen." Der zweite SOD-Kampf war genauso. Der dritte auch. Und der vierte. Der letzte? Ebenso. Nur dass Ivan da sein Gewehr wegschmeißt und wie ein Mann nur mit den Schwert kämpft. In sämtlichen Bosskämpfen muss man nur eine einzige Sache herausfinden: Sind Schuss- oder Nahkampfwaffen effektiver? Das hat man spätestens nach dem ersten Tod raus. Und wenn man auch noch gute Waffen mitgenommen hat (Tipp: Wenn ihr einen Raketenwerfer findet, dann lasst ihn nie mehr los), dann werden manche Bosskämpfe fast schon belanglos. Andere sind dagegen richtig unfair schwierig, nicht zuletzt weil Bosse ewig viel Schaden fressen und es keine Checkpoints in dieser Situation gibt. Wenn man kurz vor Ende in die eine Endloskombo oder den One-Hit-Kill läuft, die alle Bosse haben, dann ärgert man sich ganz dolle.

Auch in den Leveln gibt es Situationen, da fragte ich mich einfach, was das soll. Oftmals sind Checkpoints großzügig nah beieinander, so dass man sich nach einem Ableben nicht die Haare raufen muss. Selbst dann nicht, wenn man eine Tür öffnet und eine Horde tödlicher Fledermäuse kommt einem entgegen geschossen. Game over. Wa... warum? Egal. Schlimmer wird es im späteren Spielverlauf, wo sich Valhalla etwa einfach dachte: "Hey, wir machen hier diesen Korridor mit ganz vielen unsichtbaren Feinden. Wenn man sich durch den durchgekämpft hat und die Munition richtig schön knapp ist, dann spawnen wir hinter dem Spieler drei One-Hit-Kill-Monster und einen Feind mit 'ner Minigun." Und das Ganze natürlich ohne einen Speicherpunkt. Da wird es dann echt Zeit, kreativ zu werden und mit den guten, alten Guerilla-Taktiken zu kommen.

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Rund um die Welt
Man muss der rund sechstündigen Kampagne aber zugute halten, dass es niemals langweilig wird. Der Spieler startet in Panama und tötet Söldner, dann geht es in eine russische Basis, durch Abwasserkanäle, dann tötet man Zombies und Mutanten, dann geht es ins japanische designte Unterhaltungsviertel samt Assassinen und irgendwann später spielt man quasi noch die Landung an Omaha Beach nach und bekommt Luftunterstützung von Weltkriegs-Propellermaschinen. Zudem streut Devil's Third immer mal wieder die berühmten Call-of-Duty-Minigames ein. Dann darf man für Luftschläge Panzer markieren, sich an schwere Geschütze setzen und Moorhuhn spielen, mit Ivans Cyberbrille Minen aufdecken, mit einem Warthog herumfahren und noch andere Späße. Selbst wenn man Ivan still stehen lässt, gibt's was zu gucken, denn der Russe zündet sich selbst unter schwerem Feuer sofort eine Zigarette an oder nimmt einen Schluck aus dem Flachmann.

Der Online-Shooter für die Wii U
Insbesondere diejenigen, denen Splatoon zu unblutig ist und denen noch ein Online-Shooter in ihrer Wii-U-Sammlung fehlt, werden sich für Devil's Third erwärmen. Der Onlinemodus bietet viele verschiedene Spielmodi, vom klassischen Free-for-all zu Team Deathmatches zu ulkigeren Modi, wie "Sammle die Hühnchen". Hier kommt dann auch endlich einmal die Vertikalität und das Herumgeklettere zum Einsatz und insbesondere die teambasierten Modi machen Laune. Assists verdienen gute Punkte, so dass man gerne seine Kollegen unterstützt, und die kontextsensitiven Zwischenrufe ("Feindkontakt!", "Granate! Weg hier!") machen das Spielerlebnis erst richtig rund.

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Die Schwachstelle des Multiplayers ist allerdings wieder der Nahkampf. Während die Shootermechanik kaum laggt, gehen Schläge oftmals durch andere Figuren durch. Und wenn man seinen Feind nicht erledigt, bevor er die eigene Waffe zückt, verbeißt man sich in ein langwieriges Duell, bei dem man quasi darum bittet, dass irgendein Dritter kommt und sich mit dem Maschinengewehr zwei leichte Kills pflückt. Die Nahkampfmechanik ist hier einfach so überflüssig wie ein Kropf.

Netter sind da schon eher die Loadouts. Man muss sich zwar viel Geld verdienen, um an alle Waffen heran zu kommen, aber das Startgewehr gehört von den Statistiken her bereits zu den besseren Waffen und weitere Gadgets sind nicht allzu teuer, dafür aber abwechslungsreich. Allein durch das Durchspielen der Kampagne konnte ich mir schon einiges leisten, darunter die fiesen Kontaktminen. Muahaha.

Unterm Strich ist Devil's Third ein richtig, richtig durchschnittlicher Shooter. Ich hänge normalerweise keine Europreise an meine Fazits, aber hier drängt es sich mir einfach auf: 20 Euro. 20 Euro sind ein guter Preis für Devil's Third. Wer Splatoon schon rauf und runter gezockt hat und Call of Duty nicht mehr sehen kann, der hat mit Devil's Third einen ordentlichen dritten Onlineshooter. Aber mehr auch nicht. Insofern ist Devil's Third als Hoffnungsträger für ältere Tecmo-Fans eine echte Enttäuschung. Herr Itagaki, ich habe mehr von Ihnen erwartet.

Devil's Third wurde auf der Wii U getestet. Ein Testmuster wurde uns von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Devil's Third

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

Kommentare

Ben
09. September 2015 um 11:43 Uhr (#1)
Schade, dass der Nahkampf im Multiplayer nicht so gut funktioniert. Der hebt das Spiel ja gerade von anderen Shootern ab.
Gast
23. April 2024 um 19:43 Uhr
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28. August 2015
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