Der Anfang vom Ende

(Artikel)
Paul Rubah, 26. Juli 2015

Der Anfang vom Ende

Iwatas Erbe, das keiner wollte

Nintendos Präsident starb mit 55 Jahren an Gallengangkrebs. Ein harter Schlag für Nintendo, ein noch härterer Schlag für die Zukunft der Videospiele als Medium. Satoru Iwatas Tod kennzeichnet den Beginn einer schwierigen Periode. Der von Fans geliebte Präsident verhinderte lange Zeit die monetäre Ausschlachtung weltbekannter Videospiele-Marken. "Nintendo würde aufhören, Nintendo zu sein", antwortete Iwata 2011 auf die Frage, warum Spiele-Entwicklung für Apples mobiles Betriebssystem iOS nicht in Frage käme. Aus ihm sprach die Liebe zu den Marken, die er seit 1980 mitentwickelt hat. Nintendo setzte außerdem schon immer auf ihre starken In-House-Entwickler und deren technisches Know-How um Nintendos Hardware. Für Smartphone- und Tablet-Spiele fehlte dagegen die Expertise. Der boomende Trend der Mobile Games ging an den Japanern vorbei - voraussichtlich ein Drei-Milliarden-Dollar-Markt allein in den USA 2015. Ein Markt, der zu Recht das schlechte Image billig entwickelter, süchtig machender Münzgräber mit sich trägt. Stattdessen konzentrierte sich Nintendo auf eigene Entwicklungen. Ein Fokus, der von Kritikern mit hohen Wertungen und von Fans mit einer Markenloyalität belohnt wird, die man nur von Apple kennt.

Iwata konnte dem Druck von außen und innen lange standhalten, vor allem durch Respekt. Mit der Entwicklung vom Nintendo DS und der Wii unterstanden ihm zwei sehr ungewöhnliche und riskante Projekte. Beide waren von Erfolg gekrönt: Bis 2007 verdoppelte sich Nintendos Aktienwert.

Alles änderte sich 2015. Nach drei Verlustjahren zerbröselte Iwatas starke Linie, der Druck stieg. Dann kündigte Iwata einen Bruch zur bisherigen Strategie an: In einer Partnerschaft mit Mobilentwickler DeNa würde Nintendo bis 2017 fünf Mobilspiele entwickeln. Nur wenig später erlag Nintendos Präsident einem Gallengangkarzinom.

Mit Spielen auf Mobilplattformen wird Nintendo ohne Zweifel viel Geld verdienen. Große Namen auf Mobilplattformen, etwa Marvel oder Fallout, sind Millionenseller. Unter Führung eines Traditionalisten wäre es vielleicht sogar gut gegangen. Doch der CEO, Programmierer und Gamer ist tot. An seine Stelle treten Shigeru Miyamoto und Genyo Takeda - ebenfalls Schwergewichte der Nintendo-Entwicklung mit jahrzehntelanger Marken-Erfahrung. Miyamoto befindet sich mit 66 Jahren jedoch schon im japanischen Rentenalter, Takeda mit 63 Jahren kurz davor. Und wer leitet Nintendo außerdem? Langjährige CFOs, Banker und Sales-Menschen, allesamt ohne nahe berufliche Bindung zur Entstehung von Mario oder Zelda. Es gibt für diese Direktoren keinen Grund, nicht das erste Pokémon-Spiel in Auftrag zu geben, in dem sich Kinder ihre Pokébälle stückweise vom Taschengeld kaufen müssen. Auf der Produktseite im Appstore ist für das Nintendo Seal of Quality einfach kein Platz.

Das Schlimme daran ist, dass Nintendo eine Vorbildfunktion einnimmt. Wo andere Publishing-Häuser, wie Electronic Arts oder Ubisoft, den Mobilmarkt mit Crapware fluten, unfertige Spiele veröffentlichen und mit manipulativen Konzepten den Spielern Euro um Euro aus den Taschen kitzeln, hielt Nintendo bislang am Konzept des sauber entwickelten Spiels fest: Durchdachte, fehlerfreie, vollständige Games, die der Kunde einmal kauft und damit glücklich werden kann. Nintendo war eine Firma, auf die bisher jeder zeigen und sagen konnte: "Die schaffen es doch schließlich auch ohne miese Tricks!" Doch mit Iwatas Tod und notgedrungen dem Wechsel zur Mobilplattform gerät das solide Image des letzten traditionellen Spiele-Entwicklers ins Wanken. Fällt Nintendo, wird das eine neue Welle schnell entwickelter Billig-Spiele loslösen - und zwar weltweit. Eine finstere Stunde für ein junges Medium, dessen Qualitätsverfall nun unmittelbar bevorsteht.

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