Assassin's Creeds großer Fehler

(Artikel)
Paul Rubah, 14. Juli 2015

Assassin's Creeds großer Fehler

Wieso die meisten Open-World-Spiele versagen

Open-World-Spiele. Ich liebe sie. Ich hasse sie. Eigentlich hasse ich sie mehr, als dass ich sie liebe. Aber ich würde so gerne an die populärsten Vertreter des modernen Action-Adventures glauben. Ob ich nun Prototype, Dragon Age: Inquisition, Crackdown, Red Dead Redemption oder GTA in den DVD-Schacht lege, ich hege immer die Hoffnung, dass es DIESMAL vielleicht das Spiel ist, welches das volle Potenzial aus diesem Nicht-Genre schöpft. Das dachte ich mir auch bei Assassin's Creed 4: Black Flag. Natürlich wurde ich bitterlich enttäuscht, aber immerhin bin ich abermals an ein Stück des Puzzles gekommen, was bei Spielen mit einer Open World so generell falsch läuft.

Open-World-Spiele wecken den Philosophen im DPad.
Ich wunderte mich schon eine ganze Weile, warum ich die Spiele der Assassin's-Creed-Reihe nicht wirklich ertragen kann. Zuerst dachte ich, es wäre die Steuerung. Mit jedem Teil wird sie mehr überladen, die Protagonisten bleiben an mehr Umgebungsobjekten hängen. Dann dachte ich, es wäre die Monotonie. Seit dem ersten Spiel tut sich am Grundprinzip der Serie überhaupt nichts. Dann ging mein Ärger auf die Gimmicks über. Ob nun Kutschenrennen, Brettspiele oder die Schifffahrt - es ist dasselbe Gerüst mit immer neuem Christbaumschmuck dran.

ac-cartWie die Verfolgungsjagden einfach nur schlecht und buggy waren.

Den letzten Halt machte ich bei der Leere der Open World. Obwohl es viel zu gucken gibt, dient die Welt doch eher dem Selbstzweck. Man erklimmt Türme, um ein Sammelobjekt zu finden, oder fährt mit dem Schiff vier Kilometer, um eine Flaschenpost vom Strand aufzulesen. Das ist die erbärmlichste Methode, eine so riesige Welt zu füllen. Hätte man die Kartengröße eines jeden Assassin's Creed seit AC2 auf ein Viertel reduziert, hätte das keinem der Titel inhaltlich geschadet. Es sind reine Bukkake-Feten der Kartenmodellierer. Zusätzlich ist der Sammelsuchwahn nicht einmal mit Herausforderungen verbunden. Es gibt Türme, die man wirklich nur durch das Gedrückthalten des Analogsticks in eine einzige Richtung erklimmen kann, und Suchen muss man Objekte wegen des sehr genauen Questmarkers auch nicht. Entdecken? Die Birne anstrengen? Nee. Dieses Abarbeiten von langweiligen Kleinquests kennen wir aus Skyrim zu Genüge und Assassin's Creed ist bei Weitem nicht der einzige Schuldige, wenn es um Beschäftigungstherapie für Gehirnamputierte geht.

Aber das alles ist es nicht. Mit der überladenen Steuerung kam ich irgendwann zurecht, problematische Umgebungsobjekte kann ich inzwischen verlässlich auf Distanz identifizieren. Die Monotonie und die anforderungslosen Aufgaben sind außerdem genau das Richtige für den leeren Kopf nach einem langen Arbeitstag. Und wisst ihr was? Ich mag die Schiffsfahrten. Die mochte ich schon bei The Legend of Zelda: Wind Waker. Ich stamme von der Küste, die See hat etwas Beruhigendes auf mich und für ein neues Feature in einem Assassin's-Creed-Spiel läuft das System unglaublich geschmeidig.

Was mich an Assassin's Creed und tausend anderen Open-World-Spielen stört, ist die Charakterprogression. Jedes Assassin's Creed beginnt man als Pimpf, der sich zum Meisterassassinen hocharbeiten muss. Beim ersten Teil war das noch an den Storyfortschritt gebunden: Je mehr sich Altair durch die Weltgeschichte mordete, desto mehr Ausrüstung gestattete ihm sein Meister. Das war auch nötig, um den wachsenden Herausforderungen Herr zu werden (auch wenn die Schwertkämpfe wegen des pipieierleichten Konters nie für Spannung sorgten).
Ab dem zweiten Teil wurde das Levelsystem geöffnet. Ezio, Kenway und Konsorten konnten unabhängig von der Hauptmission Ausrüstungsgegenstände finden, den übermächtigen Assassinenklan upgraden oder Waffen verstärken. Und als fleißiger Spieler tut man das natürlich, denn wer will sich schon die tolle Templerrüstung nach der Hauptstory erspielen, wenn es keine starken Feinde mehr zu töten gibt? Das wäre ja Verschwendung! Also forscht man nach den Einzelteilen und da es eine echte Open World ist, kann man sofort nach Herzenslaune auf Schatzsuche gehen. Und dann hat man sich so binnen zwei, drei oder vier Stunden auf drei Viertel der maximalen Ausrüstung hochgeschaukelt und... das Spiel wird ätzend langweilig. Sämtliche Herausforderung ist verpufft.

ac-armorHurra, ich habe Brutus' Rüstung! Nie wieder sterben! Hurra...

Ich denke, am besten kann man das an den Schiffskämpfen veranschaulichen. Wenn man das Spiel startet, ist Kenways Schiff, die Jackdaw, kaum über Wasser zu halten. Fregatten sind üble Gegner und wenn man zwei Schiffe gleichzeitig konfrontiert, sollte der weise Kapitän lieber gleich Reißaus nehmen. Festungen zerstören? Daran sollte man gar nicht denken! Aber ein paar Grind-Missionen später und mit ein wenig Geld in der Tasche hat die Jackdaw plötzlich Titanbeschläge, einen Diamantrammbohrer am Bug und achtundachtzig Kanonen an jeder Seite. Die einzigen Gegner, die dann noch gefährlich sind, sind die optionalen legendären Schiffe. Die hocken aber jeweils in jeder Ecke der Karte und man begegnet ihnen nur, wenn man sie sucht. Die Fahrten von Insel zu Insel sind dagegen zu einer Bagatelle verkommen. Wozu noch auf dem Wasser reisen? Der Kartenmarker wandert zur Quicktravel-Option. Das tollste Schiff eliminiert den Spaß an der Schiffsfahrt.

Entwickler vieler Open-World-Spiele verstehen nicht, wie sie auf lange Zeit den Spieler bei der Stange halten sollen ohne an seinen Komplettierungswahn zu apellieren. Wenn es dem Spieler letztendlich nur noch darum geht, einen Prozentbalken zu füllen, dann ist in der Konzeptionsphase irgendetwas gründlich schief gelaufen. Just Cause 2 gibt Agent Rico von Anfang an alles, was er braucht, an die Hand. Es liegt an dem Spieler, fette Basen endgültig zu räumen. The Witcher 3 belohnt eifrige Kundschafter dagegen mit Geschichten, die nicht nur faul in eine kleine Textbox oder Audiologs gepresst wurden. Diese zwei Spiele machen es als einzige unter den aktuellen actionlastigen Open-World-Games richtig. Und vielleicht noch das erste Assassin's Creed.

Die Meinung in Beiträgen mit dem Tag "Jetzt spreche ICH!" muss nicht unbedingt der des ganzen DPads entsprechen. Kann! Muss aber nicht.

Weiterlesen: Wir nehmen Spiele auseinander - das ist Spielosophie

Kommentare

Ben
15. Juli 2015 um 14:10 Uhr (#1)
Stimme dir zu, besonders was Assassin's Creed angeht. Da hat auch Far Cry 3 deutlich besser funktioniert - Viele Türme und Lager waren interessante Challenges und für die schwierigen war man so schnell auch nicht overpowered.

Ich denke, ein positives Beispiel unter aktuellen Titeln ist auch Batman: Arkham Knight. Über die Flut an Riddler-Trophäen kann man zwar streiten, aber die Nebenquests, die in der offenen Welt verstreut sind, funktionieren sehr gut. Das Spiel schaltet nämlich erst nach und nach neue Aufgaben frei, sodass man immer bestimmte Meilensteine erreicht haben muss, um (entsprechend schwierige) neue Nebenmissionen zu spielen.
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