The Masterplan im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 06. Juli 2015

The Masterplan im Test

Der Albtraum vom perfekten Verbrechen

Ich stehe voll auf Einbruchssimulationen. Eines der PC-Spiele meiner Jugend war Der Clou! 2, wo man minuziös einen Einbruch planen und in die Tat umsetzen musste. Das Spiel hatte definitiv ein paar Probleme, aber es machte Spaß und weckte mein Verlangen nach dem perfekten Einbruch. Dieses Verlangen trieb mich zur Suche an. Vor nicht allzu langer Zeit setzte ich meine Hoffnung in Monaco, aber auch dieses Spiel hatte seine Probleme. Jetzt säuselte mir The Masterplan mit seiner Offenheit in die Ohren: "Du kannst den Überfall planen, wie du möchtest! Schleichen, niederschlagen, töten - ohne dass jemand etwas bemerkt oder mit einem Berg von Leichen! Plane alles durch oder sei der Improvisator! Es liegt in deiner Hand!"

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Joey Green arbeitete für die Regierung unter Nixon, aber die Regierung behandelte ihn schlecht. Es brachte ihn in den Knast. Ehrliche Arbeit gibt es für ihn nun nicht mehr. Also bleibt nur eins: eine Karriere als Dieb. Und um Rache zu nehmen, will Green das legendäre Fort Knox ausrauben. Ende der Geschichte.
The Masterplan hält sich nicht lange mit Hintergründen und derlei Brimborium auf. Da ist eine Festung, die muss geknackt werden! Heure ein paar Handlanger an, beschaffe genug Geld für Ausrüstung und los geht's! Nur ist so ein Lauf auf das größte Goldlager der Staaten nicht mal hopplahopp zu schaffen. Da muss Green schon klein anfangen: etwa mit Tankstellen und Supermärkten.

In einer Top-Down-Ansicht nimmt der Spieler das Objekt der Begierde in Angriff. Jede der 20 Missionen hat seine eigenen Ziele und Hindernisse. Mal hat der Ladenbesitzer eine Schrotflinte hinter der Theke, macht aber ab und zu eine Pinkelpause, in der er weder den Laden noch die Kameras überwacht. Dann kann man schnell ins Lager huschen und den Tresor ausräumen. Allerdings muss man auch zusehen, dass keiner der Kunden zur Tür raus rennt und die Polizei anruft. Mal muss man Kassen knacken, die Theken eines Juweliers ausnehmen oder sogar auf Schiffen nach Kokain suchen. Mangel an Abwechslung kann man The Masterplan wirklich nicht vorwerfen und die immer frischen Pläne machen den größten Reiz aus.

tm-unverdaechtigErst mal total unverdächtig vor der Sperrzone stehen.

Trotz des Titels "The Masterplan" gibt es eigentlich nicht viel zu planen. Zwar hat man jederzeit Einsicht auf die gesamte Missionskarte, kennt aber nicht die Orte der Schlüssel, die unknackbare Türen öffnen, was den Spieler dazu zwingt, den Plan während der Ausführung zu entwickeln. Nichtsdestotrotz: Es ist schon cool, wenn man seine Gruppe in den Kundenbereich eines monetenreichen Ladens stellt und erst einmal die Sicherheitssysteme sondiert. Eine eigene Kundschafterphase vor dem eigentlichen Überfall hätte das Spiel noch wesentlich interessanter gemacht.

Schon in der ersten Mission, Greens Ausbruch, bekommt man fast alles an die Hand, was man wissen muss, um sich in The Masterplan zurecht zu finden. Der Bruder unserer Spielfigur schickt ihm einen Kuchen mit einer Plastikpistole zu. Die kann zwar nicht schießen, reicht aber aus, um den Wachmann vor der Tür einzuschüchtern. Eingeschüchterte Charaktere lassen sich wie normale Figuren steuern, solange sie sich in Sichtweite des Schützen befinden. Aber nach einer Weile findet auch der Polizist mit dem SMG an der Schläfe seinen Mut - angezeigt durch einen abnehmenden blauen Kreis. Ist der Kreis leer, ist dem NPC alles scheißegal und er attackiert die nächstbeste Spielfigur mit Händen und Füßen. Man muss also die Computerfigur das tun lassen, was man tun möchte - etwa sie durch einen von Kameras überwachten Gang befehligen, um am anderen Ende den Aus-Knopf zu drücken -, und sie dann mit einer zweiten Figur niederschlagen. Von diesen zweiten Figuren sollte man zwei oder drei im Team haben, um Pläne parallel ausführen zu können. Das wird dadurch erleichtert, dass man mit der Leertaste die Zeit stark verlangsamen kann.

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Die meiste Zeit verbringt man damit, seine Truppe schrittweise durch Gänge zu ziehen, nach Schritten zu horchen und Wachmänner entweder zu umgehen oder sie mit gezogener Pistole zu überraschen. Oftmals ergibt dieser Holdup aber ein Problem: Will ich die Figur nur niederschlagen, dann wacht sie alsbald wieder auf, sucht das nächste Telefon und mir nichts, dir nichts sind die Bullen da. Was kann man tun? Die Antwort: Schlüssel!
Hat man einen Schlüssel gefunden, kann man gleichfarbige Türen nicht nur aufschließen, sondern auch, naja, abschließen. Man steckt also ein halbes Dutzend unwilliger Gegner in einen kleinen Raum ohne Telefon (Kameras kann man abschießen, Telefone nicht), dreht den Schlüssel dreimal rum und schon ist das Problem gelöst. Nahezu das ganze Spiel besteht daraus, Wachmänner in der richtigen Reihenfolge in Räume einzusperren. Klar, man kann sie auch erschießen, aber die anschließenden Aufräum- und Vertuschungskosten sind so immens, dass der Gewinn für Ausrüstung und weitere Handlanger für eine einzige Leiche schon um ein Drittel schrumpft. Das ist dann eigentlich keine Option mehr, sondern eine Farce.

Das essentielle Konzept des Holdups als Möglichkeit, Charaktere unschädlich zu machen, die man ansonsten erschießen müsste, bringt einige Probleme mit sich. Einmal ist es richtig albern, dass ein Wachmann, der mit dem Rücken zu einem Schützen steht, sich binnen Sekunden denkt, er könne mit seinem Schlagstock was reißen. Schlägt man eine Figur nieder und sie wacht auf, ist sie auf einmal immun gegen alle weiteren Einschüchterungsversuche. Nicht zuletzt ist die überaus idiotische Spielfiguren-KI und die umständliche Maussteuerung der Grund dafür, warum man des Öfteren in unnötige Probleme hineinläuft.
The Masterplan funktioniert fast ausschließlich über die zwei Maustasten. Links zum Selektieren, rechts für alles andere. Eigene Spielfiguren können ineinander stehen, haben recht große Selektionskreise, Gänge sind eng und ein Rechtsklick auf eine Figur öffnet das Inventar, das sich nur schließen lässt, indem man das Equipment wechselt oder die Figur deselektiert. Zudem sind Bewegungs-Rechtsklicks in die Nähe von Wänden nicht zulässig. Anstatt dass sich die Figur auf den Weg in die Nähe des gewünschten Punktes macht, heißt es nur "Inaccessible" und es passiert nichts.

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Ihr könnt euch eventuell vorstellen, dass es einige Male passiert ist, dass einige Verbrecher zwei Wachmänner in einem engen Gang stellen. Dann will man die Wachen bewegen, damit sie nicht von ihren Kollegen gesehen werden. Gleichzeitig muss man seine eigenen Figuren manuell drehen, damit die Wachmänner nicht aus dem Sichtkegel entschwinden und sofort Mut fassen. Zusätzlich können die eigenen Figuren weder seitlich noch rückwärts gehen - will man sich also zum Einschüchtern besser positionieren, hat man keine Wahl, als den Wachmännern kurz den Rücken zuzudrehen oder ein frustrierendes Multiklick-Repositionierungstänzchen auszuführen. Übrigens muss man Figuren auf der Karte anwählen - unsere Verbrecher bekommen keine praktischen Profil-Icons, die man von überall anwählen könnte.

Und da hilft auch nicht, dass die eigenen Figuren strunzdumm sind. Sie machen exakt, was man ihnen sagt. EXAKT. Hat man alle Verbrecher selektiert, will mit ihnen ein Fenster einschlagen und einer in der letzten Reihe Waffe hatte noch eine Knarre ausgerüstet? Er schießt sofort aufs Fenster und seinen Kollegen in den Rücken. Man läuft mit gezogener Waffe an einem Wachmann vorbei, der einen nicht sieht? Egal, die Waffe ist gezogen, das bedeutet: "Hände hoch!" Da ist es umso lustiger, dass das Spiel während einer Mission keine Speicherfunktion zur Verfügung stellt. Noch lustiger, wenn The Masterplan nicht absturzsicher ist und mir schon verreckte, weil ich die Windows-Lautstärke über die Tastatur regeln wollte.

tm-pathfindingManchmal laufen Charaktere lieber den weiten Weg durch die Kamera statt den kurzen durch die offene Tür. Und das alles ohne Speicherfunktion.

Und überhaupt: Wieso kann keiner meiner Einbrecher durch ein Fenster steigen, wenn ein Tisch davor steht? Warum kann ich nach dem Kauf einer Figur nie wieder deren Statuswerte einsehen? Warum kann ich eingesammelte Munition nicht unter Figuren aufteilen? Warum kann man einige Aktionen aneinander reihen, andere nicht? Warum ist die Hauptfigur durch einen angeheuerten Handlanger komplett austauschbar? Jede Figur kann alles gleich, abgesehen vom Schießen, Einstecken und der Laufgeschwindigkeit! Warum gibt es keinen Formationslauf, wenn es in diesem Spiel Friendly Fire gibt? Warum kann ich keine überschüssigen Gegenstände verkaufen? Und wie zum Teufel habe ich meine Dietriche verlegt? Die waren wichtig, sind in einer Mission abhanden gekommen, Autosave, schade. Neue kaufen? Sorry, geht nicht. Handicap, olé!

Die schlimmste Erfahrung im ganzen Spiel war ein Ansturm auf eine Gangstervilla. Hier will The Masterplan plötzlich, dass man mit Kugelhagel auspackt, auch wenn man bis zu diesem Zeitpunkt alles schön still erledigt hat. Ja, okay, man kann Gangster auch einschüchtern. Ja, das geht durchaus. MIT MINDESTENS VIER GEZOGENEN WAFFEN GLEICHZEITIG. ERNSTHAFT?! Ich überrasche einen popeligen Mafioso mit heruntergelassenen Hosen auf dem Klo und wenn ihn nur drei Läufe anstarren, dann zückt er binnen Sekunden seine mickrige Pistole und eröffnet das Feuer? Wie scheiße dumm ist das denn, wie kann man denn, argh... ARRRRGH!

Letztendlich hat The Masterplan ein paar nette Ansätze und durchaus seine coolen Momente, aber dieses Spiel hätte noch einige Monate köcheln müssen. Jetzt ruinieren eine frickelige Steuerung, Holdups als Routine-Maßnahmen und verdammt dumme KI das Potenzial, das diese Verbrecher-Simulation hatte. Kann The Masterplan bitte wieder in den Early Access zurück? Danke.

The Masterplan wurde auf dem PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von Shark Punch zur Verfügung gestellt.

The Masterplan

(Ranking)
C
RANK
Gut gemeint. C-Spiele haben ihre strahlenden Momente, aber in entscheidenden Situationen wird großes Potential verschenkt. Über keine anderen Spiele kann man sich so sehr ärgern.

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18. April 2024 um 06:12 Uhr
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RELEASE
04. Juni 2015
PLATTFORM
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Plattform
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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