Ist Batman: Arkham Knight sexistisch?

(Artikel)
Paul Rubah, 04. Juli 2015

Ist Batman: Arkham Knight sexistisch?

Halt! Nicht wegklicken! Es geht um Sexismus gegen Männer!

Die alte Leier stimmt mal wieder: Will man einem Spiel Sexismus vorwerfen, dann bekommt man das auch irgendwie hin. Batman: Arkham Knight macht es dem geneigten Frauenschützer dabei sogar recht einfach. Harley hat ein offenes Dekolleté. Christina Bell ist eine lüsterne, wahnsinnige Personifizierung des Bibliothekarinnen-Fetischs. Poison Ivy ist... okay, über Ivy brauchen wir gar nicht zu sprechen. Die Frau benutzt Pheromone und Brüste als Waffe, um Männer gefügig zu machen. Egal. Jedenfalls sind alle Frauen irgendwie sexy und beneidenswert, gleichzeitig gibt es, außer vielleicht Nightwing und Robin, aber keine schmucken Typen in langsam Körper-Close-ups für die männeraffine Bevölkerung. Aber, meine Damen, heute geht es nicht um euch. Heute werdet nicht ihr ungerecht behandelt. Heute sind die Herren dran, die Hände empört in die Hüften stemmen zu dürfen!

XY ungelöst
Da ziehe ich also, wie jeden Abend, gepflegt meine spitzen Bat-Ohren an, schnüre die Bat-Stiefel zu und gehe auf die Straßen Gothams, um dumme Schläger mit meinen Bat-Fäusten zu verprügeln. Hach, sind die dumm! Der eine sagt: "Haha, ich war in Arkham und Blackgate und habe nie Batman gesehen! Was habe ich für ein Glück!" - PUFF, da bin ich und breche ihm drei Rippen. Ein anderer ist Informant für den Riddler. Ich schnappe ihn am Kragen und er meint, er könnte sich mit einem überraschenden Schlag aus der Affäre ziehen. Wie doof! Kriegt er halt einen Extratritt ins Gesicht!
Ich ziehe also guter Dinge durch die Gassen, tue das ehrliche Nachtwerk eines Superhelden-Milliardärs und verwandle Unterkiefer in Pensionsbeiträge für Krankenhausärzte - da trifft es mich wie ein Blitz: Warum sind das hier eigentlich alles Kerle? Unter all den grobschlächtigen, trotteligen Straßenhalunken werden sich ja wohl zumindest ein paar Frauen befinden, die die Gunst der Stunde nutzen, um teure Schuhgeschäfte zu plündern? Wo ist die Frauenquote? Mal ernsthaft: Wieso wartet da kein weiblicher, tumber Schädel auf die zärtliche Berührung meiner dick gepanzerten Handschuhe? Plötzlich fühlte ich mich als ganzer Kerl - so mit Muskeln und einem schlauen Hirn und außerdem hinreißenden Kieferknochen - komplett hintergangen. Ich will nicht mit denkfaulen Grobianen identifiziert werden! Zumindest nicht von Frauen! Ein paar ausgeprägte Hüften in der Menge hätten meinen neu gefundenen Schmerz deutlich gelindert.

batman-ivyMmmmhhhh...

Aber um mal bei den Fakten zu bleiben: Ja, jede weibliche Figur in Arkham Knight ist ein sexy Biest. Ich sage nicht, dass man auf sie stehen muss, aber man kann doch objektiv sagen, dass alle Frauen-Charaktere modernen Schönheitsidealen auf die ein oder andere Weise ziemlich nahe kommen und dazu einen exotischen Touch mitbringen, der nur noch unwiderstehlicher macht. Außerdem spielt nahezu jede Frau eine tragende Rolle. Barbara Gordon ist Dreh- und Angelpunkt des Großteils der Story, die geschmeidige Catwoman begleitet den dunklen Ritter fast durch den gesamten Riddler-Nebenquest. Die restlichen gutgesinnten Frauen sind aufrichtige Polizistinnen der GCPD, die ihre Stadt um jeden Preis verteidigen wollen. Und die übrigen? Haben ganz viel Rampenlicht als ausgereifte Gegenspielerinnen oder sind zumindest gut ausgebildete Ninjas.

Schauen wir uns dagegen die Männerseite an: Batman ist zwar immer noch stattlich, aber schon etwas rüstig. Robin sieht man kaum aus nächster Nähe und die geschorenen Haare sind nicht jedermanns Geschmack. Alfreds Haar ist dünn geworden, Commissioner Gordon hat seine besten Tage auch hinter sich - Schnauzer hin oder her. Dann ist da Nightwing - immerhin ein gut gebauter Stern am Horizont! Aber auf jeden ansehnlichen Helden kommt ein Scarecrow mit zerfetztem Gesicht, ein tattriger Henry, ein hagerer Riddler und Two-Face sah das letzte Mal vor seinem Unfall hübsch aus. Vielleicht. Und dann darf man nicht das Schwein, Man-Bat oder den gut durchgerösteten Firefly vergessen. Zudem ist jeder kleine Ganove auf der Straße potthässlich. Potthässlich und dumm! Da gibt es echt nicht viel zu rütteln: Die Anteil an hässlichen und dummen Männern überwiegt ganz klar.

batman-nightwingMmmmhhhh...

Jetzt werdet ihr vielleicht rufen: "Buuuh! Männer sind nachteilhaft dargestellt! Wir wollen dumme, hässliche Frauen zum Verprügeln haben!"
Und ich gebe euch ganz Recht. Es wäre einfach nur fair, wenn Batman Handkantenschläge gegen kleine Adamsäpfel verteilen würde. Aber das ist nicht alles. Jede Münze hat zwei Seiten. Die Schöne mit dem Männerkopf und die zerkratzte Rückseite der Harvey-Dent-Gedächtnis-Dublone. Wegen dieser Kehrseite will ich mal mit gutem Beispiel voran gehen, und diesem Artikel für Männerrechte ebenfalls nicht durch die Frauenquote fallen lassen. Darum frage ich euch: Wer sagt denn, dass Frauen es gut finden, immer nur als tragende Rollen mit Model-Körper dargestellt zu werden? Ich finde, auch Frauen haben ein Recht darauf, zum Abschaum der Menschheit zu gehören. Auch Frauen sollen mit dem Messer auf Batman losgehen dürfen, um von ihm in die Eingeweide zu kriegen. Auch Frauen sollen mit der AK im Anschlag eine niedergeschlagene Kollegin finden und die unsterblichen Worte sprechen: "Wir sollten uns aufteilen und nach Batman suchen!" Auch Frauen sollten vom Batmobil gerammt und sich in ein purzelndes Ragdoll-Weibchen verwandeln dürfen, während Batman ihren Mitstreiterinnen Hartgummigeschosse zwischen die Brüste zimmert. Herrje, wir befinden uns im 21. Jahrhundert, da kann dieses Modicum an Geschlechtergleichheit ja wohl nicht zu viel verlangt sein?

An dieser Stelle gibt es vielleicht den Einwand, dass es möglicherweise einfach keine Gangster-Frauen gibt. Das habe ich mir nämlich auch gedacht: Was, wenn der dumme Gangster in Amerika tatsächlich ein von Männern dominierter Job ist? Es war an der Zeit für Recherche.

Frauen, Gangs & die USA
Das Ergebnis der Recherche war, dass das Gebiet noch ein ziemliches Forschungsloch der Social Sciences in den Staaten ist. Aber kann man's ihnen verdenken? Für Umfragen muss man ja erst einmal an die Kriminellen herantreten. Das ist gefährlich! Feige Forscher schauen sich Polizeistatistiken an oder gehen in den Knast und fragen Inhaftierte aus, die mal mehr und mal weniger gesprächig sind. Andere gehen direkt in die Hoods und wachen mit einem Messer im Rücken auf. Oder eben gar nicht mehr.

Eine interessante Quelle für allerlei Daten rund um die Demographie und das Verhalten von Frauen in Gangs liefert Into The Abyss. Demnach sollen Frauen 1998 etwa acht Prozent aller Gangs ausgemacht haben. Es erklärt auch die Aufteilung der Gang-Frau in eine von drei Kategorien: (1) Teil einer durchgehend weiblichen Unter-Gang (2) Teil einer geschlechtlich durchmischten Gang oder (3) Teil einer komplett weiblichen Gang, wobei letztere am seltensten sein sollen.

Table15Quelle: Office of Juvenile Justice and Delinquency Prevention, 1998 National Youth Gang Survey, U.S. Department of Justice, Washington, D.C., November, 2000.

8 Prozent Gesamtfrauenanteil klingt schon nach gar nicht so wenig und 1998 ist bereits eine Weile her. Sicherlich hat sich in den letzten 15 Jahren bei der Emanzipierung amerikanischer Gangs etwas getan? In einer großen Umfrage der US-amerikanischen Justizamts wurden Daten von allen Polizeirevieren in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern erhoben, außerdem in allen vorstädtischen Polizeirevieren und rund 1.000 zufällig ausgewählten, kleinstädtischen und ländlichen Polizeirevieren. Und was hat's ergeben?


Arschlecken hat's ergeben! Seit über zehn Jahren haben Frauen einen stabilen Anteil an Gangs. Da tut sich weniger als auf einem Beamtenkongress. Im Schnitt hat weiterhin grob jeder zehnte organisierte Kleinkriminelle ein zweites X-Chromosom. Zusätzlich haben die Erheber der National Youth Gang Survey noch gefragt, wie viele Gangs denn überhaupt weibliche Mitglieder besitzen.


Dieses Ergebnis kann man jetzt sehen, wie man will. Als Erfolg der Emanzipation, da mindestens jede vierte Gang auch weibliche Mitglieder hat, oder als kompletten Reinfall, weil man von echt gemischten Halsabschneidern noch weit entfernt ist. In etwa einem Viertel aller Fälle konnte aber von den Polizisten keine Aussage zum Frauenanteil gemacht werden, vermutlich weil es für die Kriminalisten nicht relevant war.

Der zehnte Finger für die Frauen
Was lernen wir daraus? Zwar ist die Anzahl an weiblichen Gangstern nicht hoch, dennoch sollte jeder zehnte Schläger, den Batman verdrischt, einmal im Leben einen Busen gehabt haben. Theoretisch. Das Problem mit dem Gedankengang ist nämlich genau der, den ich vorher ansprach: Für ein echtes Bild über das Gang-Sozialgefüge müssten Wissenschaftler echte Gangster aushorchen. Laut des Wikipedia-Artikel über weibliche Gangs in den USA haben Joe & Chesney-Lind in einer Studie von 1995 herausgefunden, dass Frauen weitaus seltener zu gang-typischen Gewalttaten neigen. Laut Valdez' Mexican American Girls and Gang Violence (2007) würden aber nur die Gang-Mitglieder, die andere im Kampf unterstützen könnten, auch als gute Gang-Mitglieder gelten. Millers Young Women in Street Gangs (2002) spricht davon, dass Frauen auf männliche Waffen - wie Schusswaffen - eher verzichten und Fäuste oder Messer bevorzugen. Zudem hänge es laut Taylors Girls, Gangs, Women and Drugs (1996) stark von Gang und Ortschaft ab, welche Positionen eine Frau in einer Gang einnehmen kann: Von niederer Zuarbeiterin bis Don sei alles möglich.

Letztendlich bleiben genug plausible Gründe, warum Rocksteady sich gegen das Einarbeiten weiblicher Schläger in Batman: Arkham Knight entschieden hat - insbesondere wenn man bedenkt, dass der Frauenanteil in Großstadtgangs am niedrigsten ist und Gotham die fiktive Kopie eines nächtlichen New Yorks darstellt. Dennoch bin ich irgendwie traurig, dass ich keine stahlharten Fingerknöchel in gebärfähigen Magengruben verbuddeln darf. Nur im Sinne der Gleichberechtigung, versteht sich.

Die Meinung in Beiträgen mit dem Tag "Jetzt spreche ICH!" muss nicht unbedingt der des ganzen DPads entsprechen. Kann! Muss aber nicht.

Weiterlesen: Sexismus in Videospielen

Kommentare

Meg
Gast
06. Juli 2015 um 15:36 Uhr (#1)
Sexismus kann nicht gegen irgendwas gehen. Man kann vergleichsweise auch nicht sagen, Frauen seien gegen Männer überlegen - oder Überlegenheit gegen Männer. Det jeht nisch.
Paul
06. Juli 2015 um 17:05 Uhr (#2)
Äh, ja. Das sollte ein "Sexismus gegenüber Männern" werden und die Titelzeile hat dafür nicht mehr gereicht. Hätte wahrscheinlich das "nicht wegklicken" kürzen sollen und dann hätt's gepasst, aber ich konnte mich davon einfach nicht verabschieben. :(

Auf jeden Fall hast du Recht, mea culpa.
Paul
06. Juli 2015 um 19:17 Uhr (#3)
Ich bin mir inzwischen nicht mal mehr sicher, ob "Sexismus gegenüber Blub" funktionieren würde. Falls das aber nicht geht, dann bin ich zumindest erleichtert, dass ich nicht der einzige Dumme bin - siehe Die Zeit.
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20. April 2024 um 08:52 Uhr
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