Sayonara Umihara Kawase+ im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 29. April 2015

Sayonara Umihara Kawase+ im Test

Auf Reise mit der Angelschnur

Kennt ihr Umihara Kawase, das kleine Schulmädchen mit der Angelschnur? Das gleichnamige Spiel, erstmals in den 90ern auf dem SNES erschienen, ehe ein Nachfolger auch die Playstation erreichte, ist in Japan wegen seines guten Gamedesigns und hohen Schwierigkeitsgrades ein Kultklassiker. Doch in westlicheren Hemisphären fand das Spiel einfach nicht statt. Trotz wenig Text niemals lokalisiert, schien es lange Jahre so, dass Umihara Kawase eine dieser unbekannten, japanischen Perlen bleiben würde. Zumindest bis letztes Jahr der dritte Teil, Sayonara Umihara Kawase, auf dem 3DS erschien und das endlich auch hierzulande. Entsprechend wenig überraschend, dass Sayonara Umihara Kawase+, ein leicht überarbeiteter PS-Vita-Port, es ebenfalls auch hierher geschafft hat. Zeit, sich also anzuschauen, ob der Kultstatus verdient ist!

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Hat das Spiel eine Story? Ich weiß es nicht. Und die knappe, digitale Bedienungsanleitung gibt auch nicht viel mehr als die Steuerung her, deswegen gehe ich einfach davon aus, dass Sayonara Umihara Kawase+ eine Simulation des typischen Schulwegs eines japanischen Kindes ist. Mit Fischen auf Beinen, Stacheln im Boden und fiesen Wassergruben. Würde zumindest die typisch japanische Art der Kreativität, die gerne mal ins abgedrehte driftet, erklären. So ein Schulweg prägt. Zum Glück hat aber Hauptfigur Umihara Kawase immer eine Angelschnur mit Haken dabei, mit der sie sich einfach durch die Gegend hangeln kann.

Auf den ersten Blick könnte man also wegen des Hangelns mit Schnur meinen, einen Bionic-Commando-Klon vor sich zu haben, der eben einfach nur das Szenario um Hitlers Wiedergeburt mit etwas Angenehmerem ersetzt hat. Doch dieses Gefühl hält nur so lange, bis man zum ersten Mal die Schnur auswirft. Denn kaum habt ihr diese an einer Wand befestigt, ist direkt spürbar, wieso diese Physik damals den SNES gerne in die Knie zwang. Ihr habt einfach sehr viele Möglichkeiten, wie ihr euch mithilfe der Schnur fortbewegen könnt, weit mehr als nur durchs Schwingen. Euer Angelhaken hat nämlich etwas von einem Bungee-Seil, ist ziemlich elastisch und ihr könnt die Spannung, die auf der Schnur liegt, jederzeit regulieren. Als simple Regel gilt: wenn die Schnur sich maximal ausgedehnt hat und ihr genau in diesem Moment anspannt, könnt ihr sehr viel Momentum generieren, um euch in die gewünschte Richtung zu schleudernd.

Auch wenn der Vita-Ableger der einsteigerfreundlichste Teil der Reihe ist, gibt es für ganz hartgesottene den Survival-Modus. Hier habt ihr nur eine begrenzte Anzahl an Leben und müsst schauen, wie weit ihr kommt (und vor allem bis zu welchem Ende).
Auch wenn sich das Spiel mit ein paar Tutorial-Levels bemüht, läuft es darauf hinaus, ein Gefühl zu entwickeln, wie genau sich die Angelschnur verhalten wird und wie man reagieren muss, um das Levelziel zu erreichen. Viele Plattformer dieser Art, Spiele wie Super Meat Boy oder VVVVVV, haben im Grunde sehr einfache Mechaniken, die man schnell erlernt. Der Schwierigkeitsgrad entsteht eher dadurch, wie das Spiel in immer schwierigeren diese Grundfähigkeiten abfragt. Umihara Kawases drittes Abenteuer setzt da auf den genau umgekehrten Ansatz: das Leveldesign ist selten übermäßig komplex oder anspruchsvoll, stattdessen wird aber vom Spieler erwartet, dass er die komplexe Mechanik meistert, um überhaupt eine Chance zu haben.

Dafür belohnt euch das Spiel aber auch: Viele Level haben versteckte Zusatztüren, die gleich komplett neue Wege erschließen. Wer das Spiel spielt, könnte gut und gerne, wenn er dem linearen Pfad durch die Stages folgt, nach zehn Leveln meinen, durch zu sein. Doch wenn die Credits rollen, hat man nur das erste von fünf Enden gesehen und es warten 50 weitere Stages darauf, erforscht zu werden -- wenn ihr denn die geheimen Türen findet und erreicht.

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Überhaupt lauert im Spiel einiges an Bonusmaterial. So gibt es in vielen Leveln Rucksäcke, in denen sich neue Charaktere, Illustrationen und Ähnliches verbergen. Das größte Extra ist aber wohl, dass man auch das SNES-Original in voller Länge spielen kann. Zwar ziemlich unangepasst, abgesehen von englischen Texten, aber dennoch sehr unterhaltsam, gerade weil sich die Physik sich zwischen den Varianten wenig unterschiedet, subtile Unterschiede dann aber doch den Spieler fordern.

Allerdings hat das Spiel auch ein paar ziemlich schwer zu verzeihende Macken. Vor jedem Ende warten Bosskämpfe, die eher schlecht als recht sind. In der Regel gilt es, den Boss - ein besonders riesiges Fischungetüm - so auszutricksen, dass ihm ein großes Objekt auf den Kopf fällt. Doch die Level sind so designt, dass in der Praxis oft der Zufall entscheidet. Einige Male ist es mir zum Beispiel bei einem Boss passiert, dass er auf den Kopf bekam, aber keinen Schaden nahm, was gerade bei kniffligeren Endgegnern doch eine große Frustquelle sein kann.

Dazu kommt, dass euch das Spiel gerne mit eurem Frust alleine lässt. Wer sich noch an Super Meat Boy erinnert, weiß: kaum war man tot, war man wieder im Spiel. Das motiviert, das lässt wenig Leerlauf aufkommen, man bleibt direkt im Flow drin. In Sayonara Umihara Kawase+ bedeutet sterben, dass ihr ins Menü zurückgekickt werdet, noch mal das Level anwählen müsst und dann noch eine mehrsekündige Ladezeit durchstehen dürft. Das ist einfach bei einem Spiel dieser Art, mit so vielen Toden, nicht akzeptabel.

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Danke, Agatsuma Entertainment, für diese wunderschöne Trophäe, die nun für immer mein Profil zieren wird!

Sayonara Umihara Kawase+ mag zwar nur eine nennenswerte Gameplay-Mechanik in Form der Angelschnur haben, doch diese alleine zählt zu dem vielleicht herausforderndsten aber auch lohnenswertesten Mechaniken, die ich jemals in einem Plattformer gesehen habe. Ja, die genau Handhabung der Angelschnur erlernt ihr nur durch Trial & Error, doch erreicht ihr den Punkt, wo ihr den Kniff raus habt, offenbart der dritte Teil der Umihara-Kawase-Reihe sein volles Potenzial. Insbesondere, dass man dem Spieler die Freiheit lässt, die Level zu erforschen und dieses mit versteckten Pfaden und schließlich mehreren Enden belohnt, zeichnet die Spielerfahrung aus. Leider gibt es kleinere Macken im Bereich Design und Technik, die den sonst guten Eindruck etwas dämpfen und je nach Spielerfähigkeit könnte der Umfang etwas knapp sein, auch wenn man hier zumindest durch die Inklusion des SNES-Originals entschädigt wird. So bleibt aber ein Titel, dessen Kultstatus man direkt nachvollziehen kann und dessen Gameplay auch 20 Jahre später zu fordern und auch zu begeistern weiß. Haris

Sayonara Umihara Kawase+ wurde auf der PS Vita getestet. Ein Testmuster wurde uns von Agatsuma Entertainment zur Verfügung gestellt.

Sayonara Umihara Kawase

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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29. März 2024 um 03:17 Uhr
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RELEASE
24. April 2014
PLATTFORM
Nintendo 3DS
Plattform
PS Vita
Plattform

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