Evolve im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 19. Februar 2015

Evolve im Test

Wird die Monsterjagd jemals langweilig?

Evolve sperrt vier Jäger mit einem Monster in einen Käfig. Immer wieder. Runde für Runde stehen vier Spieler dem einen großen gegenüber, jagen über die Map, töten das Monster oder werden von ihm getötet. Auf die Frage, ob das nicht irgendwann langweilig wird, kann ich nur eine Gegenfrage stellen: Wird den Ghostbusters die Geisterjagd etwa langweilig? Für den Fall, dass euch dass nicht überzeugt, habe ich diesen Test vorbereitet.

Evolve ist von Natur aus asymmetrisch: Vier Menschen treten gegen ein Monster an. Die großen Areale des Shooters erlauben ein elaboriertes Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Parteien. Vor dem Spielen kann man festlegen, welche der vier Klassen man am liebsten spielen oder ob man gerne das Monster kontrollieren würde. Das Matchmaking-System wird anschließend versuchen, die Wünsche aller Spieler zu berücksichtigen. Startet ein Spiel, werden beide Parteien sich gegenseitig jagen, bekämpfen und auslöschen. Evolve allein zu spielen ist möglich, aber sinnlos.


Jäger und Gejagte - Ein Tänzchen
Ich spiele gern Val, eine von drei Figuren aus der Medic-Klasse. Eine typische Runde beginnt mit der Suche nach dem Monster. Weil das Tierchen etwas Vorsprung bekommt, um sich in der Wildnis zu verstecken und den Bauch voll zu schlagen, müssen die Jäger erst einmal die Spur aufnehmen. Bis wir das Monster aufgespürt haben, sind meine Fähigkeiten als Heilerin kaum gefragt. Stattdessen spähe ich mit der Tranquilizer-Gun in die Ferne oder hoffe darauf, dass meine Teamkollegen das Monster sichten und per Tastendruck markieren. Um es anschließend nicht wieder zu verlieren, muss ich blitzschnell Tranquilizer-Darts auf das Vieh abfeuern. Dadurch wird es verlangsamt und für jeden eine kurze Zeit sichtbar. Jetzt müssen alle schnell reagieren. Vor allem der Spieler mit der Trapper-Klasse sollte bereit sein, das Monster mit seiner mobilen Arena einzufangen. Auf diese Weise sperren wir das Monster mit uns ein und zwingen es zur direkten Konfrontation. Je früher das gelingt, desto besser stehen die Chancen für den Jägertrupp. Auf der ersten Stufe hat das Monster nur einen kurzen Energiebalken und seine Fähigkeiten sind kaum entwickelt. Ein gutes Team ist mit etwas Glück in der Lage, ein Stufe-1-Monster bei der ersten Konfrontation zu schlagen.

Steckt man in der schuppigen Haut des Ungetüms, sollte man den offenen Kampf um jeden Preis meiden. Ein geschicktes Monster kann sich in Büschen oder hinter Felsen am Rand lange genug verstecken, um etwas Zeit zu gewinnen und dabei Energie zu sparen. Die Jäger haben zu diesem Zeitpunkt noch keine Tode hinter sich und stehen voll im Safte! Sie werden im Wettlauf mit der Zeit versuchen, so früh wie möglich zum Schuss zu kommen. Es in einem so frühen Stadium mit allen vier aufzunehmen, ist für das Monster reiner Selbstmord. Im späteren Verlauf einer Runde kann es dagegen häufiger sein, dass ein Jäger schon mal den Löffel abgibt. Das ist noch nicht das Ende - allerdings kommt er mit reduzierter Lebensenergie zurück ins Spiel. Gleichzeitig hat das Monster vielleicht Stufe 2 oder gar seine finale Stufe-3-Form erreicht. Mit jedem Level-Up kann der Spieler in der Unterzahl neue Skillpunkte in seine Fähigkeiten investieren. Hier kippt das Machtverhältnis leicht zu Gunsten des Monsters, sodass ein Kampf gegen die Jäger deutlich erfolgsversprechender ist. An dieser Stelle haben die Jäger das Spiel auf Zeit verloren und müssen jetzt - mühseliger - im Kampf punkten. Sollte das Monster den gesamten Jägertrupp ausschalten, bevor einer der Gefallenen respawnen kann, hat es gewonnen.

Um damit auf die Rolle des Medics zurückzukommen: Die guten Stunden mit der Tranquilizer-Gun sind passé. Stattdessen ist meine wichtigste Aufgaben als Heiler im Kampf, die Energieleisten meiner Mitspieler nicht aus den Augen zu lassen und die Kollegen per Medgun am Leben zu erhalten. Auch gefallene Mitspieler kann ich so wiederbeleben, bevor sie final abkratzen und sie das Dropship erst nach zwei Minuten Wartezeit neu abwirft. Alle anderen Spieler sollten während des Kampfes dafür Sorge tragen, dass Monsier Monstre seine Aggressionen nicht zu sehr auf mich konzentriert. Ein toter Medic ist der erste Fuß im Grab für das ganze Team. Vor allem der Spieler mit der Assault-Klasse sollte versuchen, den Zorn des Monsters auf sich zu lenken und so viel Schaden wie möglich reinzudrücken.

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Ich bin hier nicht mit euch eingesperrt. Ihr seid hier mit mir eingesperrt!

Auf der dritten Stufe hat das Monster außerdem die Möglichkeit, auf alternativem Wege zu gewinnen: ein Icon zeigt nun das Power Relay auf der Karte an. Zestört ein Stufe-3-Monster das Relay, hat es ebenfalls gewonnen. Für die Jäger ist das die heikelste Spielsituation, da sie entscheiden müssen, ob sie das Monster in der Wildnis stellen wollen, weil sie sich einen Sieg im Kampf ausrechnen, oder ob sie das Relay bewachen und in einem Hinterhalt das Ungetüm erledigen, bevor es die Installation zerfetzt. Sollten die Jäger sich für die zweite Option entscheiden, geben sie dem Monster allerdings Zeit, sich durch den Verzehr anderer Tiere zu stärken und vielleicht sogar einen Buff einzusammeln, der ihm einen entscheidenden Vorteil im Endkampf bringt. Besonders für Val ist das übrigens eine langweilige Spielphase, da man weder heilen muss, noch mit Tranquilizer-Gun das Monster jagt. Schließlich wird der letzte Kampf denkbar hart für das gesamte Team und umso schwieriger, je mehr Zeit das Monster hatte, sich vorzubereiten.

Und täglich grüßt das Murmeltier
Dieses Tänzchen der vier Jäger mit dem Monster wiederholt sich Spiel um Spiel. Jede Runde Evolve ist Training. Eine Übung für das nächste Mal, bei dem man noch weniger Fehler machen, noch schneller reagieren, noch besser wissen wird, was zu tun ist. Es ist das Einstudieren einer Choreographie. Im Kampf gegen das Monster zaubern vier Tänzer unterschiedliche Figuren auf das Parkett und die müssen alle zusammenpassen. Bei diesem Todestanz muss jeder wissen, was zu tun ist, sich auf die gegebene Situation einstellen, sofort umschalten. Obwohl man immer wieder dasselbe tut und auf dem Papier nur wenig Abwechslung zu verzeichnen ist, wird das Spiel nicht so schnell langweilig, wie man befürchten würde. Ganz im Gegenteil gefällt mir das Spiel nunmehr besser als am Anfang. Es ist das belohnende Gefühl wie beim Sport, etwas oft zu wiederholen und irgendwann zu bemerken, dass man besser geworden ist. All die verwirrenden Dinge, die man am Anfang nicht verstanden hat, oder von denen man nicht einmal wusste, dass sie existierten, ergeben plötzlich Sinn.

Hat man seine eigene Orientierungsphase schon hinter sich, springen einem die Fehler der Neulinge förmlich ins Auge: Ein Trapper, der verwirrt herum rennt, anstatt die Gruppe zu führen; Ein Monster, das niemals schleicht und auffallend laut durch die Gegend stapft; Ein Supporter, der den Medic nicht schützt. Evolve ist eines dieser Spiele, die am meisten Spaß machen, wenn man sie richtig beherrscht - wie Schach oder Skat. Die richtig guten Züge kann man erst wertschätzen, wenn man selbst ein gewisses Niveau erreicht hat. Jede Runde wird besser.

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Für den richtigen Flow auf Seite der Jäger ist ein funktionierendes Team unerlässlich. Man ist immer nur so gut wie das schwächste Glied der Gruppe, einen Totalausfall kann man nicht kompensieren. Wenn die Spieler ihre Rollen nicht blind beherrschen, ist eine rege Kommunikation unverzichtbar. Man kann spielen ohne sich zu unterhalten, doch mit Sprach-Chat ist man fast immer erfolgreicher. Manchmal muss man Trödler an ihre Aufgaben erinnern, manchmal kann man so schneller und präziser den Standort des Monster weitergeben. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes um Hilfe rufen, wenn man am Boden liegt und einem die Energie ausgeht. Man kann nicht immer alles überblicken und es hilft einfach sehr, wenn Leute mit einem reden.

Was sich mit jeder Spielrunde leider auch wiederholt, sind die Fehler, die das Spiel bislang noch plagen. Evolve hat elend lange Ladezeiten. Der erste Patch soll das Warten schon verkürzt haben, aber so richtig schnell geht es immer noch nicht. Dasselbe gilt häufig beim Matchmaking: an einem Abend habe ich einfach kein Spiel zustande gekriegt. Erst eine ewige Suche, und als ich mal Spieler hatte, sind zwei direkt wieder abgehauen. Das resultiert dann in Spielen, in denen die vakanten Stellen mit Bots aufgefüllt werden müssen, was in keiner Konstellation spaßig ist. Unter den Jägern kann man per Tastendruck zwischen den freien Klassen wechseln, aber das kann die fehlenden Spieler nicht ersetzen. Auch ein computergesteuertes Monster kann den Spielspaß nicht so sehr heben wie ein echter Gegenspieler.

Auf der anderen Seite gelangt man deshalb häufig in halbgare Spiele und übernimmt einen der Bots. Oft ist die Runde dann schon fucked beyond repair und man muss die Scheiße entweder aufwischen oder bei dem Versuch draufgehen. Zurück in der Lobby verlassen die frustrierten Teammitglieder wieder die Party und der Wahnsinn geht von vorne los. Es läuft nicht immer so, aber es kommt vor.

Mehr als die Jagd
Jagd ist nur einer von vier Spielmodi in Evolve. Die Evacuation-Kampagne bietet eine ganze Reihe von Modi in fünf aufeinander folgenden Missionen. Der Ausgang jeder Mission hat dann Einfluss auf die jeweils nächste. Wenn die Jäger gewinnen, können im nächsten Match beispielsweise Geschütze auf der Map platziert sein, die dem Monster das Leben etwas erschweren.

Im Nest-Modus sind überall auf der Map Eier des Monsters verstreut. Die Jäger müssen versuchen, die Eier zu zerstören, während das Monster sie einsammeln muss. Optional kann es aus dem Ei auch einen Goliath auf Stufe 1 schlüpfen lassen, der dann als Minion über die Map rennt und die Jäger etwas aufmischt. Im Rescue-Modus sind überall auf der Map Kolonisten verstreut, die wiederum von den Jägern gefunden und beschützt werden müssen, während das Monster versucht, sie zu verspeisen - sozusagen die umgekehrte Variante des Nest-Modes. In der finalen Runde treten Monster und Jäger schließlich im Defend-Modus gegeneinander an. Der Jägertrupp muss den Evacuation-Point verteidigen, bis das Rettungsschiff aufgetankt ist und sie abholt. Das Monster schickt den Verteidigern währenddessen Goliath-Horden entgegen, die sie immer wieder abwehren müssen, bis sie sterben oder gerettet werden.

Bisher kann man außer der Jagd keinen anderen Spielmodus einzeln auswählen, sondern ist dann immer auf eine Kampagne von fünf Runden angewiesen. Wer also nur kurz für ein paar Runden reinhüpft, wird sich damit begnügen müssen. Ich hoffe sehr, dass ein Patch in Zukunft ermöglicht, auch andere Modi gezielt zu spielen.

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Der Name ist Programm
Bei Evolve geht es um ständige Entwicklung. Das Spiel erreicht dabei vielleicht noch nicht die nächste Stufe im Shooter-Genre, legt aber ein paar überzeugende Steine ins Fundament. So wie sich das Monster in einer Runde Stufe für Stufe weiterentwickelt, so entwickelt sich auch der Spieler weiter. Das zeigt sich nicht nur in gesteigerten Skills beim Spieler, sondern wird auch mit zahlreichen Fortschrittsbalken im Spiel festlich ausgelebt. Spielerspezifischer Fortschritt, charakterspezifischer Fortschritt, Fortschritt in unterschiedlichen Spielmodi. Alles wird dokumentiert, quantifiziert und mit Orden versehen. Frei nach dem Call-of-Duty-Prinzip sammelt man ständig Erfahrungspunkte und schaltet neue Fähigkeiten frei. Kleine Verbesserungen für bestehende Skills, neue Perks und - am bedeutendsten - neue Monstern und Figuren, die zwar den bestehenden Klassen zugeordnet werden, aber sich merklich voneinander unterscheiden.

Zu Anfang ist die Wahl der Klasse ein linearer Weg ohne Abzweigungen. Mit weiteren Freischaltungen stehen einem schließlich neue Charaktere zur Verfügung, was die Strategie für kommende Runden zum Teil stark beeinflusst. In all der Regelhaftigkeit des Spiels stechen hier nun Variationen hervor; eine neue Entwicklung im Spiel stößt schließlich auch eine neue Entwicklung im Spieler an. Mit einem Mal muss man neue Fähigkeiten meistern oder damit zurecht kommen, dass andere Spieler Figuren gewählt haben, die man selbst noch nicht gut kennt. Die kleinen Änderungen halten das Spiel in Bewegung. So musste ich erst lernen, dass man angeschlagene Spieler nicht aufhebt, wenn Lazarus im Team ist. Dieser Medic kann andere Jäger wiederbeleben, ohne dass sie einen Malus auf ihre Lebensenergie erhalten. Hat man den Kerl selbst noch nicht freigespielt, muss man das erst mal wissen!

Evolve ist ein taktisches Spiel, das Teamarbeit, gute Kommunikation und viel Übung erfordert. Es ist eines der wenigen Spiele, die mit einer simplen Idee über die Zeit nicht langweiliger, sondern interessanter werden. Lange Ladezeiten und kleine Hürden beim Matchmaking legen der gelungenen Spielerfahrung allerdings noch Steine in den Weg. Evolve ist ein Spiel, zu dem man vor allem mit Freunden häufig zurückkehren kann, um sich miteinander zu messen und gemeinsam immer besser zu werden. Ben

Evolve wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von 2k Games zur Verfügung gestellt.

Evolve

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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