Always Sometimes Monsters im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 15. September 2014

Always Sometimes Monsters im Test

Hart wie das Leben

Schon einmal einen schlechten Tag gehabt? Oder eine schlechte Woche? Einen schlechten Monat? Always Sometimes Monsters beginnt am Ende eines schlechten Jahres: Der Vermieter setzt einen auf die Straße, der Geldfluss versiegt, Freunde sind rar und auch aus dem Traum der kreativen Erfüllung ist nichts geworden. Wie kriegt man so ein verkorkstes Leben wieder auf die Reihe?

always-strasseDie Gassen der Stadt - Gelegenheiten an jeder Ecke.

Alles fängt mit einer schlechten Entscheidung an. Nicht von uns, sondern von Larry. Larry ist Talentsucher und schmeißt eine Party bei sich zu Hause. Da haben sich natürlich ganz viele der gesuchten Talentierten eingefunden, die scharf darauf sind, ihre Malerei, ihre Musik oder ihr Buch unter Vertrag zu stellen. Aber egal, mit wem wir Larry am Ende des Abends anstoßen lassen - ein Jahr später ist das Meisterwerk unseres Supertalents sechs Monate überfällig und dessen bessere Hälfte hat ihn oder sie verlassen. Und wir müssen zusehen, was wir daraus machen.

Es beginnt der erste von maximal einunddreißig Tagen. Der Vermieter lässt uns am Bordstein schnuppern, die Türschlüssel kriegen wir erst zurück, wenn wir die 500 Dollar für den letzten Monat berappen. Noch schlimmer: In der Post befindet sich eine Einladung zur Hochzeit unserer Ex, für die wir immer noch Gefühle haben. Wie verbringt man seine Zeit? Ab hier steht uns die Stadt offen. Es gibt ein paar Jobangebote, die wir verfolgen können. Wir können mit Leuten reden, sie näher kennen lernen. Wir können auch vor uns in einsamer Verzweiflung vor uns hinsiechen. Aber die Sache mit den Leuten und den Jobs ist dann doch etwas unterhaltsamer.

always-darkeffDie Operation wird nicht billig...

Auf der untersten Stufe der Geringverdienertreppe gibt es nicht viel zu lachen. Um überhaupt zu Essen zu haben und nicht nachts auf der Straßenmatratze zu verhungern, muss man schon mal an der Garderobe jobben und Arschlöchern zulächeln, damit sie einem Trinkgeld geben, oder am Tofuschneidefließband wie ein dressierter Affe belanglose Tastenkombinationen auswendig lernen ohne einzuschlafen. Das alles, um ein paar mickrige Dollar zu verdienen, um die eigenen vier Wände wieder zu bekommen, sich mal einen Kaffee leisten zu können oder... vielleicht sogar zur Hochzeit der Ex zu fahren? Vielleicht ist es nicht die gesündeste Idee, aber andererseits ist es ein Anlass sich aus dem Loch zu hieven, in das man sich ein Jahr lang durch eifrige Untätigkeit hineingebuddelt hat. Vielleicht kann das Leben danach weitergehen. Aber das ist der schwierigste Weg, erfordert eine Menge Zwischenstops, einen ganzen Haufen Asche und viel Mut.

Wenn man in der Stadt ein wenig die Augen offen hält, wird es nie langweilig. Man begegnet und hilft alten Freunden. Oder lässt sie hängen. Man stolpert in die Wohnung eines beziehungsoffenen Pärchens während ihres allabendlichen Höhepunktes vor laufender Kamera. Man recherchiert eine Kino-Neueröffnung als Freelancer für die Tageszeitung und deckt (vielleicht?) eine soziale Ungerechtigkeit auf. Die Entscheidung und die Konsequenzen sind ganz eure Sache. Gespickt ist der Weg mit Minispielen, sei es eben die Aufgabe, mit Leuten zu sprechen, Fragen zu beantworten, Kisten zu schleppen, ein Sicherheitssystem zu hacken oder wortwörtlich Minispiele zu spielen. Die meisten dieser Kleinigkeiten sind ziemlich krude programmiert und wirken eher wie das erste Semesterprojekt eines Studienanfängers - aber die Masse macht's und immerhin frustriert nichts.

always-kistenIch wollte eigentlich bei 20 Kisten aufhören. Dann fragte mich der Vorarbeiter, ob ich schon schlapp mache. Der Ehrgeiz war geweckt: Erst als der Zähler gesprengt war, machte ich Halt!

Aber was ist überhaupt der Sinn des Spiels? Was bedeutet Always Sometimes Monsters? Ich denke, das ist so ein Ding, das zur Interpretation freigegeben ist. Aber wenn ihr meine Gedanken hören wollt: Jeder Mensch kann manchmal eklig sein. Zu sich selbst, zu anderen. Das sind sie nicht immer und oft lohnt es sich, einem Menschen, der einen schlechten Tag hat, eine kleine Pause zu gönnen. Und dann sieht man, dass jeder noch andere Seiten versteckt, die unter einem Schutzmantel von Frustration, Angst, Wut oder Müdigkeit vergraben lagen. In Always Sometimes Monsters hat man ständig solche Begegnungen und man lernt Leute kennen. Vielschichtige Leute. Wenn man sich auf den ganzen Kummer einlässt, den Beziehungen, egal welcher Größenordnung, immer mit sich bringen. Im Grunde bildet das Spiel das Leben, den Alltag und das, was passiert, wenn der Alltag einmal aus dem Orbit gekegelt wird, schrecklich gut und authentisch dar - besser als Spiele wie Die Sims, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Alltag zu simulieren. Und dabei wird Always Sometimes Monsters nicht müde eine Geschichte zu erzählen - und das über so viele Stunden, dass sich die üblichen storyfokussierten Vollpreisspiele was schämen sollten.

Always Sometimes Monsters sieht nicht gut aus. Die Musik kommt direkt von Gratis-Musikportalen und die Spielkomponenten sind von Anfängern mit der Kneifzange programmiert. Doch bietet Always Sometimes Monsters so viel Substanz, dass ich nicht aufhören wollte, meiner Figur bei der Suche nach ihrem Glück unter die Arme zu greifen. Denn irgendwo habe ich mich in meiner Tamyra, die nur versucht, aus dem, was sie hat, das Beste zu machen, und sich nicht unterkriegen zu lassen, wiedergefunden. Ich denke, dieses Spiel enthält viel Bedeutung. Nicht nur für mich, sondern für jeden, der einmal einen schlechten Tag gehabt hat. Oder eine schlechte Woche. Oder ein schlechtes Jahr.

Always Sometimes Monsters

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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21. Mai 2014
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PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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