Danganronpa 2 im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 03. September 2014

Danganronpa 2 im Test

"Puhuhuhu... "

Es klingt nach der Klassenfahrt, von der wohl jeder von uns Mal geträumt hat: Alleine auf einer wunderschönen Urlaubsinsel mit allen nur vorstellbaren Annehmlichkeiten und das Einzige, was eure Klassenlehrerin will, ist, dass ihr euch alle besser kennenlernt und gute Freunde werdet. Doch wir wären hier nicht bei Danganronpa, wenn sich der Badespaß nicht bald zum Bösen wenden würde. Denn wenn es schon ziemlich abgedreht ist, dass eure Klassenlehrerin ein Stoffhäschen ist, werdet ihr so richtig Augen machen, wenn ihr den Schuldirektor seht: niemand geringeren als Monokuma, ebenfalls animatronisches Stofftier und bitterböser Antagonist des ersten Teiles. Und dieser findet natürlich schnell einen Weg, in Danganronpa 2: Goodbye Despair aus dem traumhaften Tropentrip einen tödlichen Terrorritt zu machen.

danganronpa-2-usami-ps-vita

So schlüpft ihr in die Rolle von Hajime Hinata, einem Schüler der Hope’s Peak Academy, welche eine ganz besondere Schule ist: nur die Besten der Besten werden hier aufgenommen. Jeder dieser Schüler, im Spiel Ultimates genannt, hat nämlich ein Talent, welches ihn vom Durchschnittsmenschen abhebt. So gibt es die ultimative Fotografin, den ultimativen Koch und, ja, sogar die ultimative Zockerin! Nur Hajime kann sich an sein Talent nicht erinnern und muss so nicht nur das Mysterium der Insel und seines vergessenen Talents lösen, sondern natürlich auch Monokumas tödliches Spiel überleben.

danganronpa-2-monokuma-ps-vita

Der stellt nämlich direkt seine eigenen Regeln auf: Die Schüler sind auf der Insel gefangen und die einzige Möglichkeit, seine Freiheit zu erlangen, besteht darin, dass man einen seiner Mitschüler umbringt und bei der anschließenden Klassenverhandlung nicht zum Täter gewählt wird. Schafft man das, ist man frei, während der Rest der Klasse exekutiert wird. Ansonsten wird man zum Täter gewählt und darf sich selbst auf eine von Monokuma gewählte Todesart freuen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist also schnell klar, dass über kurz oder lang irgendwer bei dem gemütlichen Schultrip auf die Idee kommt, sein Leben gegen die Hoffnung auf Freiheit zu riskieren.

Daraus entspringt auch der Zyklus des Spiels: „Daily Life“ und „Deadly Life“, tägliches und tödliches Leben. Denn zwar gilt es, die wirklich riesige Insel zu erforschen, die reihenweise Geheimnisse versteckt hält, und natürlich eure Mitschüler besser kennenzulernen, doch Monokuma arbeitet gegen euch und er findet immer wieder eine Möglichkeit, einen eurer Freunde (oder auch nicht?) dazu zu animieren, ein Verbrechen zu begehen, wodurch ihr plötzlich mit der Aufgabe betraut seid, herauszufinden, wer es war, um euch und den Rest der Schüler zu retten. Einerseits indem ihr den Tatort erkundet und Beweise sammelt, andererseits indem ihr diese während der anschließenden Verhandlung geschickt einsetzt: um offensichtliche Lügen zu entkräften, Fehlschlüsse aufzulösen und schlaue Vermutungen zu unterstützen. Nicht ganz unähnlich zu Phoenix Wright, aber mit einem höheren Stressfaktor dank Zeitlimits und ein paar abwechslungsreichen Minispielen zwischendrin als Gaumenspülung.

danganronpa-2-logic-dive

Dieser ständige Wechsel aus ruhiger Erkundung und Entspannung sowie stressigem Mordfalllösen ist auch die Quelle des perversen Spaßes, welcher von Danganronpa 2 geboten wird. Denn während ihr die anderen Charaktere in eurer Freizeit näher kennenlernt, wisst ihr im Hinterkopf: er oder sie könnte der nächste sein, Mörder oder Opfer. Und das ist ein Gedanke, den ihr nicht abstellen könnt. Er macht euch richtig paranoid, ihr fangt an, jeden Satz zu hinterfragen, nach einem versteckten Hinweis zu suchen, ob die Figur, mit der ihr euch gerade unterhaltet, womöglich irgendwas plant. Es ist auch der Grund, wieso Danganronpa 2 unheimlich schnell seine Klauen in euch vergräbt und einfach nicht loslassen will. Denn kaum ist ein Mordfall gelöst, kaum konntet ihr die Toten richtig betrauern, wisst ihr eigentlich schon, dass das Morden nicht aufhört und einer eurer Freunde alsbald wieder zu diesem ultima ratio greifen wird.

danganronpa-2-ps-vita

Dass euch das Spiel so forciert, emotionale Bindungen zu den einzelnen Figuren einzugehen, schlägt aber auch im weiteren Verlauf große Wellen. Denn was, wenn eine Figur, die euch ans Herz gewachsen ist, das nächste Opfer wird oder, noch schlimmer, selbst der Mörder ist? Ihr habt nämlich keine Wahl, es geht hier immerhin um euer Überleben und das eurer Freunde, und so kann es durchaus passieren, dass euch das Herz zerrissen wird, während ihr dafür argumentieren müsst, dass einer eurer Lieblinge Täter ist und die stille Hoffnung, dass Danganronpa 2 noch eine finale, rettende Wendung zu bieten hat, nicht erhört wird. Ihr seid der Instigator hinter dem Exekutionsbefehl, ihr seid der Retter eurer Klassenkameraden.

Doch damit diese Formel so den perfekten Cocktail ergibt, hängt viel an der Qualität der gebotenen Charaktere -- und leider ist das ein Punkt, bei dem Danganronpa 2 schwächelt. Bei einer so großen Anzahl an Figuren -- eure Klasse besteht immerhin aus 16 Schülern -- ist es den Entwicklern nicht gelungen, jeden einzelnen für sich selbst in eine interessante Persönlichkeit zu verwandeln. Bei mehr als nur einem Akteur schleicht sich das Gefühl ein, dass bis an die äußerste Spitze getriebene Exzentrizität einen Mangel an Charakterzügen kaschieren, ein aufgebauschtes Klischee das Substitut für eine echte Persönlichkeit darstellen soll.

danganronpa-2-gundham-tanaka-ps-vita

Es sind deswegen auch meist diese Charaktere, die dafür sorgen, dass sich Danganronpa 2 selbst in spannenden Szenen gelegentlich fatal im Ton vergreift. Denn im Mix aus Mord und Klassenfahrt geht es natürlich nicht immer düster zu und, wenn man von einigen kleinen Textfehlern absieht, ist Danganronpa so gut geschrieben, dass die Dialoge auch immer sehr gut die Stimmung reflektieren. Momente der Entspannung, zum Beispiel wenn die ultimative Musikerin darauf besteht, ein Konzert für alle zu geben, sind genauso gut und fesselnd wie die aufregenden Mordfälle.
Nur manchmal, da versucht das Spiel eigentlich gegensätzliche Situationen zu verbinden. Das kann gut laufen, wenn der Bösewicht involviert ist. In einem traurigen Moment Monokuma plötzlich auftauchen zu lassen, der mit einem fiesen Spruch noch mal nachtritt. So Situationen sind genial: Man würde zwar am liebsten durch den Vita-Bildschirm greifen, um Monokuma u erwürgen, doch trotzdem muss man Lachen, weil der Charme des Psychobären einfach unwiderstehlich ist. Monokuma ist ein manipulativer Arsch, der immer noch ein Ass im Ärmel zu haben scheint und vollkommen undurchschaubar ist, und der genau in so Momenten seine Höhepunkte hat.

Doch leider kann Danganronpa 2 auch anders. Wenn gerade während einer besonders spannenden Sektion, bei der man dem Mörder einen Schritt näher kommt, plötzlich einer der Klischee-Charaktere anfängt von seinen sanitären Gelüsten zu reden, die er schon vorher in Dialogen gefühlt tausendmal erwähnt hat, sorgt das für Stirnrunzeln. Hier wird nicht ein angespannter Moment mit Humor aufgelockert, hier wird der Spieler grausam aus seiner Immersion gerissen für ein bisschen schlechten Humor. So selten diese Griffe ins Klo auch passieren, ihr störender Effekt ist dennoch groß. Auf einer ähnlichen Stufe siedelt der Fanservice an. Der besteht nämlich darauf, sich dem Spieler in teilweise absolut unpassenden Situationen aufzudrängen. Glücklicherweise verzichtet das Spiel mit fortschreitender Länge mehr und mehr auf diese Stilmittel, um sich gegen Ende hin voll und ganz auf die Stärken im Storytelling zu fokussieren.

danganronpa-2-rebuttal-showdown

Denn wenn Danganronpa 2 schon in den ersten Kapiteln echt gelungen ist und euch mit seinen spannenden Mordfällen sowie einigen tollen Charakteren fesselt, wächst das Spiel zum Ende hin noch mal vollkommen über sich hinaus. Gerade wenn es um Mystery-Geschichten geht, ist vielleicht das schwierigste Kunststück, sich nicht mit immer absurderen Wendepunkten in eine Sackgasse zu manövrieren, aus der man einfach nicht mehr mit einer befriedigenden Auflösung hinauskommen kann. Und auch wenn Danganronpa 2 mit solchen Momenten nicht spart und euch so manch einen WTF-Moment vor den Kopf klatscht, bei dem ihr ordentlich die Stirn in Furchen legen müsst, läuft alles auf eine voll zufriedenstellende Conclusio zusammen. Wenn ihr nach knapp 25 Stunden vor dem Ende steht fügt sich jedes Puzzleteil perfekt zusammen, keine Frage bleibt unbeantwortet und gerade das Zusammenspiel mit dem direkten Vorgänger ist in der Videospielgeschichte ziemlich einzigartig. Denn immer wieder werden Thematiken aus Danganronpa: Trigger Happy Havoc aufgenommen, Parallelen gezogen und Erwartungen in den Köpfen der kundigen Spieler geweckt, nur um diese vollkommen ins Verquere zu verdrehen und dann zu zerstören. Wenn man schließlich die Zeit gefunden hat, seine Kinnlade vom Boden wieder aufzuhaben, kann man nur Aufstehen und Applaudieren. Haris

Danganronpa 2: Goodbye Despair

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

Haris
03. September 2014 um 01:20 Uhr (#1)
Hier noch eine Liste von Dingen, die ich gerne im Test erwähnt hätte, aber aus Platz- und Leseflussgründen gestrichen habe:

- die Musik, die ein echt breites Spektrum abdeckt, ist wirklich genial. Von Monokumas abgedrehtem Thema, über die atmosphärische Explorations-Musik bis hin zum Stück welches bei der Untersuchung nach einem Mord spielt wird viel geboten und immer der richtige Ton getroffen. Auch wenn viele Stücke aus dem ersten Teil recycelt sind, ist das bei solch oher Qualität kein echtes Manko.
- Auch wenn man mit Danganronpa 2 fertig ist, wartet eine Menge zusätzlicher Inhalte. Es gibt ein kleines Action-Minispiel in dem man Usami spielt, eine kleines Aufbau-Spiel (bei dem alles auf der Insel friedlich abläuft und man sich beispielsweise auch darum kümmern kann, Figuren näher kennenzulernen, die man sonst nicht kennen lernen konnte weil sie gestorben sind) sowie ein komplettes Light Novel zum Lesen, welches eine alternative Storyline im Danganronpa-Universum erforscht.
- Der 2.5D Look mit 3D-Arealen und den Charakteren als Pappaufstellern macht wirklich was her. Ist ein schöner Grafikstil, der zum Glück nicht so im Trend ist, wie beispielsweise der 8-Bit-Pixel-Stl, weswegen man sich noch nicht daran sattgesehen hat.
- Soll man Chiaki dafür lieben, dass sie so ein toller Charakter ist oder die Entwickler dafür verfluchen, dass sie ganz offensichtlich genau so konstruiert wurde, dass sie jedem Spieler direkt am besten gefällt?
- Wehe Danganronpa: Another Episode, welches vor ein paar Tagen angekündigt wurde, schafft es nicht über den Teich!
Gast
24. April 2024 um 17:33 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
05. September 2014
PLATTFORM
PS Vita
Plattform

Ähnliche Artikel