Risen 3: Titan Lords im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 04. September 2014

Risen 3: Titan Lords im Test

Charmantes Rollenspiel für Genre-Fans

"Was ist besser als ein Magier?", fragt mich ein NPC in Risen 3. Bevor ich darüber ernsthaft nachdenken kann, gibt er selbst die Antwort: "Ein Magier mit Schrotflinte". Diese Pointe ist einfach und roh, aber hat irgendwie auch Charme. Dasselbe trifft auf Risen 3: Titan Lords als Spiel zu.

risen-3-boobies

Der Spieler übernimmt die Rolle eines namenlosen Piratenkapitäns, der mit seiner Schwester Patty an der Krabbenüste auf Schatzsuche ist. Der erste Kampf gegen Riesenratten hält Rollenspiel-Klischees ganz weit oben, dann aber kommt der frühe Twist: Anstelle eines Schatzes finden der Namenlose und seine unangenehm großbrüstige Schwester einen Schattenlord vor, der kurzerhand die Seele des Protagonisten aussaugt. Der Pirat wird noch auf der Insel begraben, bvor die Schwester ihrer Wege geht. Dann aber wird der Totgeglaubte vom Schamanen Bones mit Voodoo-Magie wieder aus dem Grabe geholt. Der Held reagiert stoisch auf den Verlust seiner Seele und nimmt mit mechanischer Routine die Suche auf, das Ding wiederzubeschaffen.

Eine Frage des Originals
Für gewöhnlich stelle ich alle meine Spiele auf Englisch, denn in fast allen Fällen ist das der Originalton. Hier wäre das ein Fehler, denn Risen 3: Titan Lords stammt von der deutschen Schmiede Piranha Bytes. So bestägt sich die Regel: der deutsche Originalton ist erheblich besser als die englische Übersetzung.
Mit einer kleinen Schaluppe und seinem neuen Freund Bones macht unser Pirat sich auf die Suche nach seiner Seele. Dabei hat der Spiele völlig freie Wahl, welche Insel er anfahren möchte und kann jederzeit wieder aufbrechen, um anderorts anzulegen. Die langweilige Linearität von Risen 2 macht hier spürbar Platz für die Freiheiten, die wir aus dem ersten Risen und seinen spirituellen Vorgängern, der Gothic-Reihe, kennen. Es geht nicht so weit, dass man die sieben Weltmeere frei durchsegeln kann, aber Schnellreisen von Insel zu Insel sind immer noch besser als ein leerer Ozean oder repetitive Nebenaufgaben der Marke Assassin's Creed IV. Mit fünf größeren Inseln bietet Risen 3 eine ansehnlich große Open World, in der es viel zu entdecken gibt. An jeder Ecke gibt es Missionen zu erfüllen, sei es bei Betrunkenen in der Taverne, von Jägern im Wald oder in Höhlen von Leuten, die einen Pilztrip schieben. Es mangelt Risen 3 nicht an Aufgaben und auch nicht an Spielzeit. Hier liegt auch der große Charme des Spiels, denn das Setting ist stimmig und so macht jede Erkundung der Welt einfach Spaß.

risen-3-dialogue

Obwohl die Grafikstandards kaum über den von Risen liegen, ist die Welt von Risen 3 abwechslungsreich und atmosphärisch. In jedem Winkel gibt es etwas zu entdecken: Schatztruhen, eine seltene Pflanze, die Attribute erhöht oder Bücher und Schatzkarten, die neue Quests einbringen. Auch Feindespack lauert überall, zumeist in Form wilder Tiere oder aggressiven Schattenwesen. Das Kampfsystem schlägt sich besser als der Vorgänger, hat aber noch immer mit hakeligen Animationen und einer anfangs rohen Mechanik zu kämpfen. Das Hacken bekommt neue Tiefe, indem viele Aktionen jetzt das richtige Timing erfordern. Zu Beginn kann man allerdings nur eine Combo aus drei Angriffen entfalten oder den Angriffsknopf halten, um die Attacke aufzuladen. Später gesellen sich neue Kniffe dazu wie das Parieren, das auch im rechten Moment eingesetzt werden muss, kurz bevor man einen Treffer kassiert. Es ist allerdings wirklich schade, dass man die interessanten Mechaniken erst später dazu kaufen muss.

Die Charakterentwicklung spart sich ein Levelsystem und gibt dem Spieler direkt die Möglichkeit, bestimmte Attribute zu steigern. Für jede Aktion wie abgeschlossene Quests und erlegte Feinde gibt es Ruhmespunkte. Für genug davon lässt sich ein Attribut steigern, das seinerseits nötig ist, um neue Fähigkeiten zu erwerben. Zu Beginn des Spiels ist dieser Weg etwas mühsam, da man vorerst arm ist wie eine Kirchenmaus und bei einem Lehrer sowohl die nötigen Attributwerte als auch ein Säckchen Gold vorweisen muss, um sich unterrichten zu lassen. Die Möglichkeiten dabei sind allerdings extrem vielfältig und unterstreichen auch in diesem Segment die Freiheit des Spiels. So kann man sich als Schnapsbrenner oder Schmied ausbilden lassen, um eigenen Fusel oder Waffen herzustellen. Bei Jägern kann man lernen Tiere richtig auszuweiden oder die Zähne zu plündern, um von erlegten Viechern umso mehr Items zu erhalten, die man bei Händlern für Gold eintauschen kann. Dieserlei Möglichkeiten stehen einem jederzeit offen und die hilfreiche Karte des Spiels zeigt sogar an, wo sich entsprechende Lehrmeister befinden, wenn man sich gezielt weiterbilden möchte. Richtige Entfaltung erlangt ihr aber frühestens im Midgame, nach etwas 15-20 Stunden Spielzeit, wenn ihr euch genug Ruhm und Gold dafür verdient habt.

Ein weiterer Freiheitsgrad wird durch die drei großen Fraktionen des Spiels aufgespannt: Kristallmagier, Dämonenjäger und Voodoo-Piraten. Den Beitritt zu diesen Organisationen muss man sich als Quest-Sklave hart verdienen und bekommt im Gegenzug Zugang zu neuen Skills und Magie. Man kann sich allerdings nur einer Gruppe anschließen und die Entscheidung ist final für den jeweiligen Spieldurchgang (Tipp: bewahrt euch einen Speicherstand vor der Entscheidung auf). Jede Partei bietet eigene Missionen und bringt den Spielverlauf in eine etwas andere Richtung, sodass diese große Entscheidung auch Wiederspielwert bietet.

risen-3-open-world

Die Geschichte des Spiels kann man getrost vergessen. Sie ist nicht nur langweilig und oftmals inkonsistent, sondern wird auch noch lahm vorgetragen. Weder Hauptfigur noch Nebencharaktere erlangen irgendeine Tiefe. Der stoische Protagonist beeilt sich kein Stück, seine Seele zurückzubekommen, sondern erkundet, von der Spielfreiheit bestärkt, stundenlang alle Inseln des Spiels und zeigt auch sonst keine Gefühlsregung für seinen Zustand. Die verlorene Seele ist nur eine weitere Aufgabe im Logbuch, das sich ständig füllt, aber nur selten über Genre-Standards wie Sammeln, Suchen und Töten hinaus geht. Risen 3 traut sich betont wenig und kuschelt sich in seine Comfort-Zone aus Altbekanntem. Das Spielprinzip gleicht im Grunde dem von Gothic und hat allenfalls ein neues Gewand erhalten. Dabei wirkt das Spiel arg konstruiert und bleibt bis zum Schluss voll berechenbar.

Auf der anderen Seite haben wir das wohl beste Risen vor uns, das es bislang gibt. Ich wage zu behaupten, dass kaum ein Spieler der Reihe mit einer bahnbrechende Story gerechnet hat. Stattdessen gibt es eine atmosphärische Welt, mit Klischee-Figuren, die durch ihre plumpe Art den ureigenen Humor des Spiels ausmachen - ob nun mit Absicht oder unfreiwillig. Es mag manchmal mechanisch wirken, aber es gibt immens viel zu tun für den Spieler. So wird schnell klar, dass Risen 3 ein Rollenspiel für Genre-Fans ist, die an die Vollbeschäftigung für Abenteurer glauben, auch wenn es manchmal stumpf ist. Wer bislang nichts damit anfangen konnte, wird auch von Risen 3 nur gelangweilt, doch Fans können zuschlagen. Sie bekommen genau, was sie erwarten - und zwar in der bisher besten Version. Sogar die gesteste Konsolenversion (Xbox 360) zeigte kaum einen Bug und lief erheblich flüssiger als seine Vorgänger zum Release. Risen 3 hat seine Schwächen, aber es hat auch seinen Charme. Ben

Risen 3: Titan Lords

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
19. April 2024 um 01:53 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
15. August 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 3
Plattform
Xbox 360
Plattform

Ähnliche Artikel