Facebook kauft Oculus VR

(Artikel)
Haris Odobašic, 03. April 2014

Facebook kauft Oculus VR

Na und?

Letzte Woche war es mal wieder so weit: Irgendwas war passiert und die Internetgemeinde reagierte so, wie sie immer reagiert, wenn sie darauf verzichtet, nachzudenken: mit einem Shitstorm. Facebook hatte Oculus VR gekauft, die Firma, welche seit einem erfolgreichen Kickstarter vor zwei Jahren die große Hoffnung der Gaming-Gemeinde trug, das Konzept der VR-Brille mit Oculus Rift erstmals in einer guten Version aufzusetzen. Und ehe ein Wort über die Implikationen verloren werden konnte, ging’s rund: Kommentarsektionen wurden in Grund und Boden gemeckert, einige Entwickler zogen ihren Support direkt zurück und, als makaberen Höhepunkt, gab es sogar Todesdrohungen Richtung Oculus-Mitarbeitern und deren Familien. Facebook hatte mitten in ein Hornissen-Nest gestochen.

Doch was ist überhaupt Facebooks Motivation hinter dieser Akquise? Bei Instagram und WhatsApp war die Verbindung ja noch sehr offensichtlich wegen den hohen Schnittmenge im Bereich Social: Instagram als quasi eigenes Social Network für Fotos und WhatsApp als weltweit populärer Chatclient passten perfekt in das Portfolio von Facebook und dürften langfristig sicher auch gut mit dem Geschäftsmodell zusammenspielen. Oculus passt auf den ersten Blick natürlich rein gar nicht in dieses Schema rein, ist es doch klar abgegrenzt von den gesamten Social-Produkten, welche Facebook quasi monopolisiert hat.

Hier sollte man bedenken, dass VR noch immer ein eher aufstrebender Technologiezweig ist. Während die bisherigen, größeren Facebook-Aufkäufe durchaus als kurz- bis mittelfristige Investitionen gesehen werden durften, muss hinter Oculus eine langfristige Strategie stecken. Denn ohne Frage sind Augmented und Virtual Reality stark im Kommen, was man gut daran sehen kann, wie viele große Firmen nun was vom Kuchen abhaben wollen: Google hat ihre Datenbrille namens Glass, Sony erst letztens Project Morpheus vorgestellt, Microsoft arbeitet laut geleakten Dokumenten schon seit einigen Jahren an einem eigenen VR-Projekt und auch zu vielen anderen namhaften Herstellern gibt es Gerüchte und vereinzelt Ankündigungen, die in die gleiche Kerbe schlagen.
Zu diesem Zeitpunkt wäre es für Facebook schwierig, quasi aus dem Stegreif eine eigene VR-Brille zu entwickeln - sowohl der zeitliche als auch der finanzielle Aufwand wären enorm. In diesem Kontext betrachtet ergibt es also durchaus Sinn, ein Projekt wie Oculus aufzukaufen: Man spart sich Forschungskosten und etwaige Risikos, während man gleichzeitig ein ganz heißes Eisen im Feuer hat. Denn der Hype um Oculus baut sich ja nun schon seit dem ersten Kickstarter stetig auf und es ist davon auszugehen, dass die negative Reaktion auf die Übernahme ziemlich schnell wieder abebben wird, wenn den Personen, die nun vorschnell die Exkremente vom Himmel regnen lassen, klar wird, dass von dieser Transaktion vor allem eine Personengruppe profitieren wird: Oculus-Enthusiasten.

Mit der finanziellen Macht und dem Prestige von Facebook im Rücken hat Oculus nun nämlich in Verhandlungen eine richtig gute Position, was auch von den Entwicklern so weit in Interviews angedeutet wurde. Im Klartext: Die Konsumenten-Version des Oculus Rift - zurzeit ist nur die zweite Variante des Entwicklerskits erhältlich, die aber auch von Privatpersonen zu einem Preis von 350 Dollar bestellt werden kann - dürfte zu einem weit geringeren Preis auf den Markt kommen.
Außerdem steht das Projekt, nun, da es zu einer großen Firma gehört, auf viel sicheren Beinen. Als Startup geht man immer ein Risiko ein, schon kleine Fehler können zu bedeutenden Verzögerungen führen und generell besteht die Gefahr, dass man an einen Punkt kommt, wo Kompromisse eingegangen wären müssen. Man muss sich nur die Ouya und ihren miesen Erstcontroller ansehen, um zu verstehen, dass mit einem streng limitierten Budget, selbst wenn es sich um eine kleine zweistellige Millionenzahl handelt, nicht alles möglich ist. Teil von Facebook zu sein bedeutet, dass Oculus nun mehr Sicherheit hat.

Zudem sind viele der Kritikpunkte auch einfach unberechtigt. Der Kauf durch Facebook bedeutet nicht, dass Oculus Rift nun plötzlich komplett an das soziale Netzwerk gekoppelt wird und man höchstens die neueste Farmville-Iteration damit spielen kann oder Oculus am Ende nur Hardware für einen virtuellen Chatroom wird. Die Menschen hinter Oculus haben schon bestätigt: Sie werden weiterhin offen und indie-freundlich bleiben, der Gaming-Fokus bleibt bestehen. Facebook wird nicht bei jeder Entscheidung irgendwie die Finger mit drin haben. Auch Bedenken wegen der Privatsphäre in die Richtung, dass Oculus spionieren soll oder zu Werbezwecken missbraucht wird, eben der Standardkram, der immer im Zusammenhang mit Facebook zuerst laut geschrien wird, wurden direkt ausgehebelt.
Weiterhin zeigt die Geschichte, dass Facebook bei ihren bisherigen Einkäufen sich normalerweise fein zurückgehalten hat. Instagram wurde vor zwei Jahren gekauft, aber wer es nicht weiß, würde es nur durch die Benutzung auch nicht unbedingt herausfinden. Die Software hat sich – unabhängig von Facebook – einfach weiter auf ihrem Weg entwickelt. Auch bei WhatsApp ist noch nichts davon zu spüren, dass man nun zu Facebook gehöre. Und in beiden Fällen wäre der Sprung kein besonders großer.

Deswegen lasst die Hysterie mal stecken und freut euch lieber: Wenn es eine VR-Revolution geben wird, dann wird sie durch das Gaming getrieben werden müssen. Und nun, da Oculus zu einer der größten Softwarefirmen der Welt gehört, steigen die Chancen, dass wir am Ende ein wirklich hochwertiges Produkt erhalten, das zu einem angenehmen Preis in die Läden kommen wird und damit einen der ersten, wichtigen Schritte in diese Richtung bedeutet. Haris

Kommentare

Ben
04. April 2014 um 16:25 Uhr (#1)
Ich persönlich interessiere mich auch weniger dafür, was facebooks Pläne mit dem Gerät sind. Ich hoffe, dass der finanzielle Hintergrund des Unternehmens Oculus zugute kommt und es - wie du beschreibst - ein günstigeres und besseres Produkt wird als ohne diesen finanziellen Hintergrund möglich gewesen wäre. Ich denke auch nach wie vor, dass es für den Gaming-Bereich am interessanten ist. Wegen Kopfschmerzen und Übelkeit bleibt aber trotz allem die Massentauglich fraglich und muss mit weiteren technischen Verbesserungen vielleicht erst aufgebaut werden.
blackmaniac
04. April 2014 um 20:30 Uhr (#2)
Solang ich irgendwann ein Occulus Rift mein eigen nennen darf ist mir egal, wer den Laden finanziert
Rian
05. April 2014 um 12:56 Uhr (#3)
Ich denke, was die meisten Menschen stört, ist der gefühlte Verrat am Konzept des Crowdfunding, welches mit Unabhängigkeit einher geht. Es gibt Backer, die eine Vision auf Plattformen wie Kickstarter unterstützen, damit diese umgesetzt werden kann ohne dass ein Marketing-Futzie der Mutterfirma da reinlabern kann. Natürlich ist Crowdfunding nie eine garantierte Unabhängigkeitserklärung, und man kann auch nichts dagegen tun, wenn große Firmen selbst das Wechselgeld für ein neues Projekt über Kraut-Portale sammeln. Soweit ich mich erinnere gerieten große Namen (unter anderem Regisseur und Schauspieler Zach Braff) unter scharfe Kritik, weil sie mit ihrer "Marke" die Aufmerksamkeit von kleineren Projekten abziehen könnten.

Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass Leute bekommen, was sie wollen, aber nicht auf die Art, wie sie es sich vorgestellt haben. Da spielt mehr der way of life eine Rolle als das Endprodukt. Ich stelle mir das so ähnlich vor wie bei Eiern aus Boden- oder Freilandhaltung.
Gast
25. April 2024 um 15:50 Uhr
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