Far Cry Vengeance

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 11. März 2014

Far Cry Vengeance

Oh Gott, ist das scheiße

Als Nintendo damals den Revolution-Controller enthüllte, stellten sich Shooter-Fans eine Frage: Wie gut kann man damit ballern? Ubisoft erklärte sich bereit, diese brennende Frage als erstes zu beantworten und bescherte uns das unheimlich mittelmäßige Red Steel. Da dies aber kein reinrassiger Shooter war, sondern mit äußerst unsteuerbaren Schwertkämpfen aufwartete, lieferte man gleich die nächste Ballermaschine hinterher: Far Cry Vengeance. Ich hab's gekauft. Leider.

Ein bisschen Hintergrundwissen: Far Cry ist Cryteks erstes Spiel gewesen und sorgte für kollektiven Hardware-Neid bei der PC-Masterrace, da hier neue Standards für KI und Grafik gesetzt wurden. Um den Konsoleros auch etwas davon zu bieten, hat Ubisoft eine Konsolenversion angekündigt, die sie selbst bastelten. Das Resultat war Far Cry Instincts für die Xbox, eine lineare, nicht so beeindruckende Version mit einigen Gameplay-Eigenheiten. Offensichtlich rentabel genug für einen Nachfolger, Far Cry Instincts: Evolution, ebenfalls Xbox. Und als die Wii rauskam, beschloss man eben diesen Nachfolger für Nintendos neue Wunderkonsole anzupassen auszukacken.

FCV01Ich glaube, das Kleid hat sie sich direkt auf die Haut geklebt.

Hier wird mal so absolut alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Das erste, was man zu sehen bekommt, ist eine übermäßig komprimierte, vorgerenderte Zwischensequenz, die zum Kotzen aussieht und auch inhaltlich grauenhaft ist. Jack Carver sitzt an einer Strandbar und säuft sich einen. Eine "schöne" Frau, genannt Kade, kommt in einem einfarbig rotem Kleid vorbei, flirtet kurz mit ihm und nach fünf Sekunden Gesprächszeit wird ein Treffen vereinbart, bevor sie sich wieder verzieht. Und weil die Militärpolizei das gesehen hat, gibt's erst mal ein paar aufs Maul, bevor sie Jack aufs Revier verschleppen. Carver wacht auf und wird über die Frau in Rot ausgequetscht, da diese wohl mit den Rebellen kollaboriert. Dann taucht aus dem nix ein Mutant auf, der aussieht wie Colonel Quaritch aus Avatar, nur mit noch mehr Muskeln, und boxt einen aus dem Verhör raus. Verwirrt? Ich auch. Der Mutant heißt übrigens Semeru.

Immerhin darf ich jetzt endlich spielen. Leider. Was sich hier vor einem aufbaut, ist die gute alte Cry-Engine, wie sie "Töte mich!" ruft. Diese Schreie manifestieren sich in äußerst generischer und langweiliger Musik. Und warum sehen Jack Carvers Arme aus, als hätte er mit ihnen in Kot gewühlt?
Es finden sich schnell eine Machete und dann noch eine Pistole. Zeit auf Feinde zu ballern. Das ist 'ne sehr einseitige Angelegenheit, vor allem am Anfang des Spiels. Diese Soldaten können einfach nicht zielen und verfehlen aus zehn Metern Entfernung ein ganze Magazine. Ich hab mich keinen Zentimeter bewegt. Genug Zeit, auf den Kopf zu zielen und abzudrücken. Immerhin geht die Steuerung grob in Ordnung. Einzig dass man die Wiimote ruckartig nach vorne bewegen muss, um mit der Waffe zu zoomen, ist dämlich - mit dem Rest kann man sich arrangieren. Dass der Nahkampf durch Schwingen der Wiimote ausgelöst wird, ist verzeihlich, da wenigstens die Kamera sich nicht bewegt, wenn man das tut.

FCV02Ein Feind hat mich gesehen, die anderen beiden haben wohl Besseres zu tun.

Und so ballerte ich mich ohne große Gegenwehr durch einen tropischen Schlauch. Die Feinde warten einfach nur darauf, dass man auftaucht und sie abschießt. Ich weiß nicht, wieso, aber jeder Gegner, dem ich über den Weg laufe, hat den Rücken zu mir gekehrt. Als hätte man ihnen vorher gesagt, ich würde aus der anderen Richtung kommen. Der Fairness halber habe ich einen Stein fallen gelassen, damit die sich umdrehen, aber gefährlicher wurden sie dadurch nicht. Diese KI ist einfach zu blöd zum Scheißen. Man kann ihnen Steine an den Kopf werfen, sie drehen sich nur um, wenn der Stein abprallt und hinter ihnen auf dem Boden aufschlägt. Ich habe ohne Schalldämpfer die Kollegen plattgeschossen - ohne Sichtkontakt peilen die Vollpfosten nicht, dass man da ist. Später verbessert sich immerhin ihr Aiming ein wenig und man kann tatsächlich auch mal sterben. Ironischerweise sind die Scharfschützen so zielsicher, dass man vorher wissen muss, wo sie sich befinden, wenn man nicht abgeschossen werden will.

Das Leveldesign kommt hier nur marginal besser weg. Auf uninspirierten Dschungelschlauch folgt gerne mal uninspirierter Gebäudeschlauch und ab und zu vielleicht mal ein etwas weitläufigeres Areal. Fahrzeugabschnitte dürfen auch nicht fehlen, aber warum zum Geier werden die Vehikel ausschließlich mit dem Analogstick gesteuert? Das ist so unsagbar schwammig, da sollte sich Jeep für ihr Product Placement schämen. Zum Sightseeing sind wir ja eh nicht hier.
Puncto Grafik: Carver scheint so eine gewisse Aura zu umgeben. In Außenarealen verschwinden die rudimentären Schatten in einem nahen Umkreis um den Spieler, während man in größeren Innenräumen genau das Gegenteil, das Verschwinden von Licht im eigenen Schatten, beobachtet. Wer es hässlicher will: Carver erlernt im Laufe des Spiels neue Mutantenfähigkeiten und eine davon färbt die Welt in Augenkrebs, damit man Feinde besser sieht und weiß, an welchen Wänden man klettern kann.

FCV04Ob gut, ob schlecht - Schrotflinte muss sein.

Mutantenfähigkeiten sind ein gutes Stichwort, da sie, ehrlich gesagt, nie gut zur Geltung kommen. Nach dem ersten Level erlernt man den sogenannten "Predator"-Modus - die Sicht wird verzerrt und man bewegt sich schneller. Später kriegt man als Update noch einen stärkeren Nahkampf für diesen Modus spendiert. Wenn man am unteren Bildschirmrand zwei Kratzspuren sieht, muss nur die Wiimote geschüttelt werden und Carver verwandelt sich in eine lebende, zielsuchende Rakete, die den nächsten Feind quer durch die Gegend schleudert. Irgendwie witzig. Um das alles nutzen zu können, braucht man Predortin, und das kann man mit Kopfschüssen und Nahkampfangriffen sammeln. Ist die Leiste voll, darf man den Predator-Modus anschmeißen. Das werdet ihr freiwillig nie tun, weil man das Predortin besser nutzen kann: Schüttelt man das Nunchuck, wandelt sich Predortin in Lebenspunkte um. Das sieht für Zuschauer dann so aus, als würdet ihr euch dabei einen Schleudern, und weil Springen durch ruckartiges Hochziehen des Nunchucks ausgelöst wird, ist es gut möglich, dass Carver dabei wie ein Känguru herumhüpft.

Die Story ist uninteressant und idiotisch. Irgendwas mit Rebellen versus Militär und Mutanten und so was. Mal ist man auf sich alleine gestellt, mal muss man für so einen Regierungsfutzi arbeiten, der sich für die Tropen äußert ungeschickt eingekleidet hat. Wer zum Geier zieht in dieser Umgebung einen schneeweißen Anzug an? Der Kerl stirbt übrigens den langweiligsten Tod ever! Wird im letzten Level von Rebellen vor Carvers Augen erschossen, Carver guckt nur kurz und das Spiel geht weiter. Als wär's ihm egal. Getoppt wird die Ödnis nur noch vom Endkampf gegen Semeru. In Phase eins ballert man solange auf ihn ein, bis er durch eine Wand bricht... oder auch nicht, der buggt sich gerne man in einer Säule fest. Buggt er nicht, taucht Kade auf und will einen mit einem kleinen Messer abstechen. Bitch, ich hab grad einen Typen in die Flucht geschlagen, der 100 mal so groß ist wie du, was erhoffst du dir davon? Hier bekommt man die Wahl: Kade zu verhauen löst das schlechte Ende und den schwereren Endkampf aus. Semeru frisst dann so unsagbar viele Kugeln, das geht auf keine Kuhhaut. Als Lohn bekommt ihr ein "Jack Carver rennt in den Urwald" und das wars. Für das gute Ende haut man Kade nicht auf den Deckel und darf dafür Semeru in Grund und Boden scheißen, da man überlange im Predator-Modus bleibt und die beste Taktik aus Nahkampfspammen besteht. Und dann wird Jack der neue Anführer der Mutanten. Klingt sinnvoll? Falls ja, klärt mich auf.

FCV03Zwei Pistolen, und der Tag gehört dir.

Far Cry Vengeance ist Müll. Ganz, ganz großer Müll. Ich wollte einen Shooter für die Wii, ich bekam einen Shooter für die Wii, allerdings keinen guten. Doch ich muss gestehen, es hat auf seltsame Art und Weise Spaß gemacht, schließlich hab ich damals das Spiel freiwillig durchgespielt. Ich schätze, es hat einfach denselben Charme wie die Filmkatastrophe Birdemic. Es ist in fast allen Bereichen so unglaublich stümperhaft, dass man aus dem Lachen nicht rauskommt. Bereue ich den Kauf? Ehrlich gesagt nicht so ganz, auch wenn 60 Euro definitiv zu viel gewesen sind. Wem beim Lesen dieses Artikels eine morbide Neugierde gepackt hat und das Spiel irgendwo für maximal 3 Euro findet, greift ruhig zu, vor allem wenn ihr Let's Player/Streamer seid. Den Scheiß muss man gesehen haben, um ihn zu glauben. Für alle anderen: Finger weg!

Far Cry Vengeance

(Ranking)
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RANK
F wie Fail. Kaum von Wert. Hier jagt eine Schwäche die nächste. Niemand braucht das, niemand will das. Nicht einmal geschenkt.

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RELEASE
05. Januar 2007
PLATTFORM
Wii
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