The Banner Saga

(Artikel)
Rian Voß, 27. Januar 2014

The Banner Saga

Taktik-RPG fürs Wikingerherz

Das Banner ist der wichtigste Gegenstand Stadt, denn es zeigt die Geschichte ihrer Bewohner. Viele Familien sticken dem Stück Stoff neue Zeilen hinzu - wenn jemand geboren wird, wenn jemand stirbt. Banner sind der Beweis, dass man gelebt hat. Und wie man gelebt hat. In The Banner Saga von Stoic begleitet der Spieler Menschen und Riesen auf Reisen und auf der Flucht unter einer eingefrorenen Sonne - und schreibt seine eigene Geschichte.

The Banner Saga verfolgt die Geschichte zweier Gruppen. Zum einen wären da die Varl - gehörnte, bärtige Riesen auf dem Weg zu ihrer nördlichen Hauptstadt Grofheim. Im Gefolge befinden sich der nächste Anwärter auf die Herrschaft der Varl, sowie der Prinz der Menschen auf Staatsbesuch. Der Weg von Strand, einer Hafenstadt auf der Grenze zwischen beiden Völkern, ist lang und nicht ohne Zwischenfälle, aber insgesamt sollte die Hundertschaft großer Kerle nicht viel zu befürchten haben. Bis dann alles schief geht.

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Beim Bogenschützen Rook und seiner Tochter Alette liegt der Karren sofort im Dreck: Gleich zu Beginn ihrer Geschichte wird ihr Heimatdorf Skogr von Dredge, einer Art Dämonengolems, angegriffen. Die Bewohner müssen fliehen und es liegt an Rook dafür zu sorgen, dass so viele wie möglich überleben - und das Banner von Skogr weiter weht.

Ein essentieller Teil von The Banner Saga ist die Reise. Wie im Klassiker The Oregon Trail muss man Rationen managen, damit unsere Truppen nicht verhungern, während alle naslang Ereignisse ausgelöst werden. Das können einfache Dinge sein, etwa das Schlichten eines stimmig und bündig erzählten Streits unter Gefolgsleuten. Schwieriger wird es, wenn Dredge plötzlich unseren Konvoi angreifen, einen Wagen mit Wertsachen über die Klippe jagen und nur ein einziger Varl sich an die Klamotten klammert. Hilft man ihm? Kickt man den immer noch am Wagen hängenden Dredge weg? Befiehlt man dem Riesen, dass er Nahrung und Gold los lassen soll? Eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten werden einem vorgeführt, von denen oft eine so gut wie die andere scheint. Ein echtes Dilemma des Anführers, vor allem da das Spiel absolut nicht freundlich ist und früh klar macht, dass Hauptcharaktere jederzeit das Zeitliche segnen können. Das macht es aber umso spannender. Leider gibt es auch einige Stellen, an denen es völlig egal, wie wir bestimmen - im Endeffekt steht dann vielleicht ein Gegner mehr oder weniger auf der Matte.

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Mit seinem Low-Fantasy-Setting, harten Charakteren und noch viel härteren Schicksalsschlägen schmeckt The Banner Saga sehr nach Game of Thrones. Wer auf einen Winter steht, der schon vor langer Zeit gekommen ist und einfach nicht verschwinden will, wird sich schon sauwohl fühlen. Wem dann noch nach einem Schuss Fantasiehistorie mit einer lebendigen Welt und politischen Konflikten verlangt, der sollte gleich schon mal anfangen Fan Fics zu schreiben.

Entscheidungen haben nicht nur Einfluss darauf, wie viele Umwege wir auf unseren Reisen machen und wer uns begleitet, sondern ob und gegen wie viele Gegner wir kämpfen. Kämpfe werden, typisch für ein Taktik-Rollenspiel, auf einem Gitternetz ausgeführt. Abwechselnd ziehen die Fraktionen eine Figur, hauen sich gegenseitig auf die Mütze und wer zuletzt noch steht, hat gewonnen.
Das Schöne an The Banner Saga ist aber, dass es - völlig untypisch für das Genre - nicht viele komplexe Mechanismen aufeinanderkleistert und dem Spieler stundenlanges Micro-Management abverlangt. Stattdessen gibt es wenige simple Arten, das Spielgeschehen zu steuern, aber in ihrer Kombination eröffnen sie enorme Möglichkeiten. Das fängt bei den Energieleisten an, denn jede Figur verfügt über zwei: Armor und Strength. Armor ist, man kann es sich denken, die Rüstung. Je mehr ein Charakter davon hat, desto weniger Schaden nimmt er an Leib und Leben, wenn seine Strength attackiert wird. Sollte man deswegen immer erst die blaue Rüstung wegknallen, bevor man den roten Lebenssaft angreift? Kommt. Drauf. An. Strength heißt nämlich nicht aus Spaß so, sondern gibt auch die Angriffsstärke einer Figur wieder. Wenn man also immer erst gemütlich auf den Panzer einhackt, haut uns ein Typ mit undezimierter, zweistelliger Strength also vielleicht mit dem zweiten Hieb die Rübe ab.

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Scheint ein Hindernis unüberwindbar zu sein, können Figuren Will Power verbrauchen, um einen Angriff zu verstärken oder ihren Spezialangriff einzusetzen. Die, und die passiven Fähigkeiten, können echte Game Changer sein und machen jede Klasse zu einem wertvollen Aspekt, den man im Kampf nicht missen möchte. So kann ein Typ von Bogenschützen etwa ein Feld verminen, so dass eine gegnerische Einheit, die da drauf tritt, nicht nur Schaden nimmt, sondern auch den Zug vorzeitig beendet. Unser Waldläufer Rook kann dagegen ein Ziel markieren und jedem Verbündeten in Reichweite befehlen, gleichzeitig anzugreifen - verheerend, wenn mehrere Bogenschützen im Spiel sind. Passive Fähigkeiten sind da fast noch wichtiger und beinhalten diverse Boni oder spezielle Möglichkeiten, Gegnern auch außerhalb des eigenen Zuges Schaden zuzufügen.

Zwar ist der Einstieg in den Kampf von The Banner Saga überaus freundlich, mit knappen Tutorials, vielen gut gemachten Hilfeknöpfen und Trainingsmodi, in denen man neue Einheiten ausprobieren kann - dennoch wird man eine Weile brauchen, um sich an das Konzept der zwei Energieleisten zu gewöhnen. Da fällt schnell auf, dass Kämpfe unerbittlich sind: Ein einziger Fehltritt kann über Leben und Tod entscheiden und sicheren Sieg in bittere Niederlage verwandeln. Quicksaves während eines Kampfes gibt es natürlich nicht. Pff! Wer braucht die schon! Immerhin kann man, wenn es doch mal frustrierend wird, jederzeit den Schwierigkeitsgrad runter regeln. Das verändert an der Story nichts, verletzt höchstens das Ego.

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Bugs: Ein Spielfehler bewirkte während des Tests zweimal, dass eine Figur einen Befehl ignorierte und sich stattdessen auf ein anderes Feld teleportierte. Da das Spiel jeden Fehler zehnfach bestraft, war der Kampf nicht mehr zu gewinnen.
So, und nach dem Kampf wird gelevelt, ja? Ja. Nein. Manchmal! Erst einmal gehen Erfahrungspunkte, Renown genannt, in einen einzigen Bottich. Aus dem kann man aber nicht nach Belieben Level scheffeln, sondern Charaktere müssen sich über Kills erst einmal eine Beförderung verdienen. Dann erst darf man Renown für ihre nächste Stufe ausgeben. Hier scheint es einen kleinen Gedankenfehler seitens des Entwicklers zu geben, denn auf Defensive getrimmte Charaktere werden es natürlich wesentlich schwieriger haben, einen großen Killcount anzuhäufen. Da muss man eine uralte Gamer-Technik anwenden und den Mitstreitern geschwächte Feinde gefüttern. Das hat ein bisschen was von Pulling-Techniken in einem MMORPG. Im Großen und Ganzen ist es aber nicht so schlimm, da jede Figur nur vier Stufen aufsteigen kann und dadurch jeweils nur kleine Verbesserungen erfahren.

Aber sollte man wirklich leveln? Renown ist nämlich nicht nur für Charakterstufen gut, sondern dient auch als Währung. Mit Renown kann man hier und dort starke Items kaufen, die Kämpfe ihrerseits wieder sehr erleichtern können. Natürlich muss man Renown auch für Rationen ausgeben, die man braucht, damit die Moral nicht verfällt (hohe Moral = mehr Willpower zum Kampfstart) und die Truppen nicht verhungern, falls eine Schlacht ausbricht und man sich mit großer Truppenstärke den nächsten Kampf erleichtern möchte.
Bei all den vielen Möglichkeiten, wie man sich auf einen Kampf vorbereitet und ihn schließlich durchführt, ist es doch ein wenig schade, dass die Karten der Scharmützel oft nur dröge Flächen sind. Ein bisschen mehr Spielereien mit Terrains und Script-Events hätte der Abwechslung gut getan.

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Ein großer Vorzug von The Banner Saga ist ein ebenso großer Nachteil: Das Spiel ist elend langsam. Oft macht das nichts, denn die Dialoge sind gut geschrieben und an den wunderschönen Artworks kann man sich nie satt sehen. Die vielen Kämpfe fressen allerdings enorm viel Zeit, was noch viel stärker auffällt, wenn man mit der selben Gruppe an Helden im selben Gebiet zum dritten Mal eine Horde Dredge auf der gleichen Karte mit einer anderen Aufstellung bekämpft. Es zehrt an den Nerven. Immerhin muss man nie einen Kampf wiederholen: Statt eines Game-Over-Bildschirms passt sich die Geschichte an einen Fehlschlag an, trägt es einem aber natürlich lange nach.

The Banner Saga ist ein großartiger Gewinn für das Genre der Taktik-RPGs. Die vielen Dialoge und Charaktere versetzen einen binnen Minuten in die Fantasywelt voller grummeliger Nordmänner. Die Kampfmechaniken sind so simpel und so gut überlegt, dass man weinen muss: Einerseits, weil sie so gut sind, andererseits, weil bei den Kämpfen trotzdem noch das gewisse I-Tüpfelchen der Variation fehlt. Als Freund von Story, Strategie und Gitternetzen sollte man The Banner Saga keinesfalls verpassen. Rian

The Banner Saga

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

blackmaniac
28. Januar 2014 um 00:03 Uhr (#1)
Aufpassen: Candy Crush Saga Entwickler King hat vor das Wort "Saga" Urheberrechtlich schützen zu lassen und hat The Banner Saga bereits ins Visier genommen ;)
Rian
28. Januar 2014 um 00:27 Uhr (#2)
Aussage von Stoics PR auf eine unförmliche Nachfrage: Das Internet ist auf unserer Seite!

...zu Recht!
Ben
28. Januar 2014 um 10:02 Uhr (#3)
Korrektur: Die Berichterstattung zu dem Thema Candy Crush Saga (King) VS The Banner Saga (Stoic) ist lausig. Die aufhetzenden Stammtisch-Berichte tragen nicht gerade zum Verständnis bei und gehen von überdramatisch bis falsch.

King hat die Wörter "Candy" und "Saga" als Trademark (TM) eintragen lassen. Das ist keine urheberrechtliche Schützung, weil wir uns hier im Markenrecht befinden und nicht im Urheberrecht. Genauer bedeutet dieses "TM", dass es sich um eine "unregistrierte Warenmarke" handelt. Nach US-Recht kann man sich erst nach 5 Jahren und unter Beweisführung, dass der Name tatsächlich mit dem Produkt assoziieert wird, eine Registrierung der Marke (R) vornehmen. Vorher bietet das "TM" aber schon einen ersten Schritt, sein Revier zu markieren. Da ist es immer gut, wenn man der Erste ist und das auch belegen kann. Ein sehr gutes Beispiel für so eine registrierte Warenmarke ist Apple. Natürlich erscheint es albern, dass ein solch allgemeiner Begriff (wie Apfel, Saga etc.) sich als Marke eintragen lässt. Das geht aber dann, wenn es in einem bestimmten Bereich eine zentrale Zweitbedeutung bekommt und diese in dem Sektor auch etabliert ist. Apple kann jetzt aber niemanden verklagen, wenn er das Wort aufschreibt oder ein Sofa mit dem Namen "Apple" verkauft. Im Sofa-Bereich hat der Name eben nicht die bekannte Zweitbedeutung wie im Computerbereich. Zudem nehme ich an, niemand von euch würde es infrage stellen, wenn Apple unterbindet, dass andere PC-Hersteller ihr Produkt unter diesem Namen verkaufen. Schließlich wird damit letztlich auch der Kunde geblendet und kauft unter falschen Voraussetzugnen womöglich etwas, das er gar nicht möchte, weil er es fälschlich für eine andere Marke hält.

King möchte analog verhindern, dass ihr Spiel kopiert wird und dass der Name genutzt wird, um Kunden in die Irre zu führen, ein Spiel käme aus entsprechender Produktreihe. Daher verteidigen sie die Begriffe im Videospielsektor und da sie die ersten damit waren, sich die Namen "vormeken" zu lassen (TM) haben sie dabei einen Vorteil. Aber sie verklagen Stoic nicht und sie unterbinden auch nicht die Nutzung des Namens. Nach Ablauf der 5 Jahre, sollten ihre Begriffe das "R" erhalten, könnten sie Stoic vielleicht davon abhalten unter der Banner Saga ein Puzzle zu veröffentlichen, das Cyn Crush ähnelt. Da die Spiele aber hinreichend unterschiedlich sind, können sich die Firmen jetzt oder später ohne Probleme darauf einigen, sich nicht auf die Füße zu treten.

Es bleibt mir abschließend nur noch eine wichtige Erinnerung: Unternehmen sind keine Freunde. Nicht mit uns und nicht untereinander. Alle wollen Geld machen und das Recht ist ein Arschloch. Aber ich glaube, wir müssen uns hier nicht im Speziellen echauffieren.
blackmaniac
28. Januar 2014 um 16:36 Uhr (#4)
Das hat Apple aber nicht daran gehindert das Cafe "Apfelkind" in Berlin zu verklagen unter dem Vorwand, man könne das Cafe mit einem Applestore verwechseln
Rian
29. Januar 2014 um 14:01 Uhr (#5)
Mit genug Einfluss geht halt alles.
Gast
25. April 2024 um 11:44 Uhr
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